OGH vom 09.10.2014, 13Os81/14g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer, Dr. Oshidari und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärters Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dragan M***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom , GZ 606 Hv 4/13f 50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dragan M***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am in Wien Slobodan S***** durch die Abgabe von acht Schüssen aus einer Pistole des Kalibers 9 mm gegen die Eingangstür der Wohnung des Genannten, während sich dieser in sehr kurzer Distanz hinter der Tür befand, vorsätzlich zu töten versucht, wobei es deshalb beim Versuch blieb, weil es sich um eine Sicherheitstür mit einer Türblattstärke von 4,5 cm samt Metallplattenbeschichtung handelte, von den acht Geschoßen fünf in der Tür stecken blieben und nur drei die Tür durchschlugen, jedoch aufgrund der geringen Restenergie knapp hinter der Tür auf den Boden fielen.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Beruft sich eine Fragenrüge (Z 6) beim Vorwurf unterlassener Aufnahme einer (hier gemeint: Eventual-)Frage in den Fragenkatalog auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis (ein diese Fragestellung indizierendes Tatsachenvorbringen im Sinn des § 314 Abs 1 StPO), darf sie den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner Teile dieses Beweisergebnisses führen, sondern hat dieses in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0120766). Diese Vorgaben missachtet der Beschwerdeführer, indem er prozessordnungswidrig unter Berufung auf isoliert herausgegriffene Teile seiner Verantwortung (er habe das Opfer durch die Schüsse nur warnen wollen, es habe sich um „Mahnschüsse“ gehandelt [ON 49 S 9 f] und er habe sich „nicht gedacht, dass die Waffe an der Türe einen erheblichen Schaden anrichten kann“ [ON 49 S 15]) und des Sachverständigengutachtens (zur Stärke der Wohnungstür [ON 34 S 5 ff]) die Stellung einer „Hauptfrage“ (gemeint: Eventualfrage) „hinsichtlich der Begehung des Deliktes der Körperverletzung im Sinne der §§ 83, 84, 87 StGB“ reklamiert, dabei jedoch jene Teile seiner Aussage übergeht, nach welchen er nicht gewollt habe, „dass jemand verletzt wird“ (ON 49 S 9, 14 und 15), demnach nicht einmal mit Verletzungsvorsatz gehandelt habe.
Die Ausrichtung am Verfahrensrecht verfehlt auch die Instruktionsrüge (Z 8). Sie wendet Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung ausschließlich mit dem Hinweis auf einen offensichtlichen Schreibfehler (demzufolge ein im Sinn des § 15 Abs 3 StGB untauglicher Versuch dann vorliege, wenn die Vollendung des Delikts unter keinen Umständen „unmöglich“ sei [S 7 der Rechtsbelehrung]) ein. Dabei lässt sie jedoch die gleich anschließende (unmissverständliche) Passage der Instruktion außer Acht, nach welcher ein Versuch dann „absolut untauglich“ sei, „wenn die Verwirklichung des Delikts auf die vorgesehene Art auch bei generalisierender Betrachtung, also unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles, geradezu denkunmöglich ist, somit unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann“ (RIS Justiz RS0100695 [T4 und T 7]; vgl auch Ratz , WK-StPO § 345 Rz 56 iVm 281 Rz 440).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§§ 285i, 344 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00081.14G.1009.000