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OGH vom 21.06.2004, 10ObS94/04b

OGH vom 21.06.2004, 10ObS94/04b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Oedendorfer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sakir Ö*****, Rentner, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Peter Guhl, Rechtsanwalt und Notar in Bremen (Einvernehmensrechtsanwalt gemäß § 5 EuRAG und Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 6 EuRAG: Dr. Johannes Grund, Rechtsanwalt in Linz), gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei Arbeitslosigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 85/01h-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 20 Cgs 137/00w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Das mit Beschluss vom , 10 ObS 416/01a, gemäß § 90a GOG ausgesetzte Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit ab zu gewähren, besteht dem Grunde nach zu Recht. Der beklagten Partei wird aufgetragen, dem Kläger ab bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 150 monatlich zu erbringen und die mit insgesamt EUR 931,26 (darin enthalten EUR 155,21 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I Nr 1/2002).

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vom wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit gemäß § 253a ASVG mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger innerhalb der letzten 15 Monate vor dem Stichtag, dem , keine Geldleistung aus der österreichischen Arbeitslosenversicherung bezogen habe und sich auch nicht auf einen dem Bezug dieser Leistung gleichgestellten Tatbestand berufen könne.

Das Erstgericht wies das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene und auf die Gewährung der beantragten Leistung ab dem Stichtag gerichtete Klagebegehren ab. Nach den Feststellungen war der am geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, in den Jahren 1966 bis 1970 in Österreich und in der Folge in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Zum Stichtag hat der Kläger insgesamt 402 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate (davon 348 in der Bundesrepublik Deutschland und 54 in Österreich) erworben, wobei darin 377 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (davon 323 in der Bundesrepublik Deutschland und 54 in Österreich) enthalten sind. Vom bis war der Kläger in Deutschland arbeitslos und bezog vom Arbeitsamt Bremen Arbeitslosengeld. Mit Rentenbescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom wurde dem Kläger ab die deutsche Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt. Der Kläger hat in den 15 Monaten vor dem Stichtag in Österreich keine Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen; auch andere Tatbestände, die gemäß § 253a Abs 2 ASVG dem Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung gleichstehen, liegen beim Kläger nicht vor.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes habe die Regelung des § 253a ASVG über die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit ihre Grundlage ausschließlich in den Verhältnissen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt, sodass der Bezug einer Geldleistung aus der deutschen Arbeitslosenversicherung einem Bezug aus der österreichischen Arbeitslosenversicherung nicht gleichgestellt werden könne. Weder die mit der Bundesrepublik Deutschland bestehenden bilateralen Vereinbarungen noch die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 ließen einen anderen Schluss zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und bestätigte das angefochtene Urteil. Der Kläger erfülle zwar die Anspruchsvoraussetzungen nach § 253a Abs 1 Z 1 und 2 ASVG, nicht jedoch jene der Z 3, wonach der Versicherte innerhalb der letzten 15 Monate vor dem Stichtag mindestens 52 Wochen wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der (österreichischen) Arbeitslosenversicherung bezogen haben müsse.

Der Kläger erhob gegen dieses Urteil rechtzeitig Revision und beantragt - allenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes - die Abänderung im Sinne einer Stattgebung seines Klagebegehrens.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Revisionswerber macht in seinem Rechtsmittel weiterhin geltend, dass ihm die begehrte Leistung insbesondere im Hinblick auf das zwischen der EWG und der Türkei abgeschlossene Assoziierungsabkommen zustehe.

Da die vorliegende Rechtssache verschiedene gemeinschaftsrechtliche Fragen berührt, hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom das Revisionsverfahren gemäß § 90a GOG ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Mit Urteil vom , Rs C-373/02, hat der EuGH auf die ihm vom Obersten Gerichtshof vorgelegten Fragen zu Recht erkannt:

"Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses Nr 3/80 des Assoziationsrates vom über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen ein Anspruch auf vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nur besteht, wenn der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraumes vor der Stellung des Rentenantrags Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nur dieses Mitgliedstaats erhalten hat."

Nach Vorliegen dieses Urteils ist das ausgesetzte Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen. Der Oberste Gerichtshof hat im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass im Falle des Klägers der Bezug von deutschem Arbeitslosengeld einem Bezug aus der österreichischen Arbeitslosenversicherung gleichzustellen ist und somit eine Grundlage für eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit darstellt. Da der Kläger nach den Feststellungen vom bis in Deutschland arbeitslos war und in diesem Zeitraum vom Arbeitsamt Bremen Arbeitslosengeld bezogen hat, erfüllt der Kläger die Anspruchsvoraussetzung des Arbeitslosengeldbezuges nach § 253a Abs 1 Z 3 ASVG in der zum Stichtag geltenden Fassung.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren ausschließlich deshalb abgewiesen, weil der Kläger Leistungen aus der deutschen, nicht aber aus der österreichischen Arbeitlosenversicherung bezogen hat. Da dieser Abweisungsgrund nicht tragend ist, die anderen gesetzlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistung im Sinne des § 253a ASVG aber ab unbestritten vorliegen, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens dem Grunde nach unter Auferlegung einer vorläufigen Zahlung abzuändern (§ 89 Abs 2 ASGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Die Bemessungsgrundlage beträgt nicht wie in dem für das Verfahren erster und zweiter Instanz gelegten Kostenverzeichnis (ON 13) angegeben S 108.000, sondern S 50.000 bzw nunmehr EUR 3.600 (§ 77 Abs 2 ASGG). Für die Klage gebührt nur der einfache Einheitssatz von 60 %. Für die Berufung steht dem Kläger nach § 23 Abs 9 RATG nur der dreifache Einheitssatz zu, weil sein Rechtsvertreter an der mündlichen Berufungsverhandlung nicht teilgenommen hat. Für das Revisionsverfahren wurden keine Kosten verzeichnet, sodass für diesen Verfahrensabschnitt ein Kostenzuspruch nicht in Betracht kommt.