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OGH vom 31.03.2022, 12Os3/22s

OGH vom 31.03.2022, 12Os3/22s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den HHHofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kostersitz in der Strafsache gegen * Z* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ 19 Hv 101/21s-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde * Z* jeweils eines Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A./) und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B./) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (C./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S*

A./ sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich der in der UN-Sanktionsliste (Quelle: UN-Sanktionslisten, www.un.org, Punkt QDe.115) aufscheinenden Terror-organisation „IS-Islamic State“ (in der Folge: IS), die aus der seit zumindest 2004 bestehenden Terrororganisation „Al Qaida im Irak“ hervorging und darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere – im Urteil näher beschriebene (US 8) – terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, beteiligt, wobei er im Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) handelte, durch seine Beteiligung die Vereinigung des IS oder deren Straftaten zu fördern, indem er im Zuge einer am 1. oder mit * S*, seinem ehemaligen Betreuer des Vereins D*, geführten Chatkonversation den IS propagierte und betonte, für den Fall einer Machtübernahme durch den IS eine Funktion mit Entscheidungsgewalt zu bekleiden und für von ihm ausgewählte Personen „Schutzverträge“ auszustellen, wobei er passagenweise Folgendes äußerte (AS 21 ff in ON 14): „Ich denk mir immer so ihr habt zwar gute Programme zur resozialisierung aber der Is hat bessere ; -) […] Wir reden gerade wenn der Is Österreich erobert das ich * (~ gemeint die Bewährungshelferin des Beschuldigten) einen Schutzvertrag ausstellen werden […] * wir haben genug zutun (vor Lachen weinendes Smiley) Aber bis zu 10. Personen Geht das. Sie will auch für ihren Sohn und ihren neuen Freund einen Schutzvertrag. Nach langem hin und her habe ich dann eingewilligt […] In sha Allah ist bald schluss für euch treuen steuerzahler :-D […] Wart einfach ab. Diese Leute hier haben kein Bock auf ein 2es Kalifat. Weil es einfach gute neuigkeiten auf der Welt gibt. Die Ära kommt zurück.[…] Wart ab in sha Allah. Bei D* wird schon noch ruhe einkehren. Und staunen wird hereinbrechen. Die ganze Arbeit war für umsonst. (drei vor Lachen weinende Smileys). Es beginnt wieder.“

B./ sich durch die unter Punkt A./ näher bezeichnete Handlung an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Vereinigung IS als Mitglied in dem Wissen beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB), dass er dadurch die Vereinigung in ihrem Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in Palästina einen radikal-islamischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderte, wobei diese Vereinigung, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, sowie schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, insbesondere dem tatsächlichen kriegerischen Einsatz erlangter Waffen, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 insbesondere in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB die Zerstörung des syrischen und irakischen Staates betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die durch all diese Straftaten eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und Dritte durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge, insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaues, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation, gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt,

C./ am * K*, der den Angeklagten bis April 2019 beim Verein D* betreute, gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er im Zuge der unter A./ zitierten Chatkonversation gegenüber * S* zunächst den Verdacht äußerte, dass K* gegenüber den Ermittlungsbehörden ihn betreffende, belastende Angaben gemacht haben könnte und in weiterer Folge Folgendes mitteilte: „Hab so paar Sachen gehört. Das unser * bissl geplaudert hat bei denn Behörden. Und Leute schwer belasten tut. Und einen hier auf Extremismusexperten tut. […] Nach dem und anderen kann man 1+1 zusammenzählen. Ich glaube das dieser Typ dort auch ein Wort gegen mich verloren hat. […] 1. Sag ihm bitte das man sowieso noch alles Aufdecken wird 2. Das Menschen beten das er in dieser Welt noch seine Strafe erhalten wird 3. Das Allah ihm sein Rückrad brechen soll 4. Das er Abtrünnig ist und er das Urteil eines Murtad trägt“, wobei das Opfer diese Äußerung als Drohung mit dem Tod verstand, zumal als „Murtad“ vom Islam abgefallene Personen bezeichnet werden, deren Bestrafung nach der vom Angeklagten vertretenen Glaubensauffassung der Tod ist, und er beabsichtigte, dass diese Aussage dem Opfer zur Kenntnis gelangte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Die Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach vierter Fall) vermisst eine Begründung zur Abgabe der dem Angeklagten zu C./ angelasteten Todesdrohung in subjektiver Hinsicht. Solcherart geht sie aber daran vorbei (vgl RIS-Justiz RS0119370), dass die Tatrichter die innere Ausrichtung des Angeklagten aus den Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen des Angeklagten, zur Wortwahl und zu den Begleitumständen ableiteten (US 16 f).

[5] Die Behauptung, der Drohende sei nicht fähig oder willens gewesen, die Todesdrohung zu verwirklichen, betrifft ebensowenig eine für die Beurteilung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB entscheidende Tatsache, wie jene, der Bedrohte sei nicht nachhaltig in Furcht und Unruhe versetzt worden (vgl RIS-Justiz RS0127353; Kienapfel/Schroll SB BT I4 § 105 Rz 31 mwN). Die unter dieser Prämisse erhobene Rechtsmittelkritik kann daher auf sich beruhen.

[6] Der weiteren Beschwerde (Z 5 dritter Fall) zuwider steht die Konstatierung, wonach der Bedrohte davon ausging, dass ihn der Angeklagte nicht selbst umbringen werde (US 17), in keinem Widerspruch zur festgestellten Todesandrohung (US 12, 17). Gleiches gilt im Übrigen für die Erwägungen der Tatrichter, wonach die Bestrafung einer als „Murtad“ (Apostaten) betitelten Person der Tod, deren Tötung hingegen straflos sei (US 12, 17).

[7] Mit dem (zu den Schuldsprüchen A./ und B./ erhobenen) Argument, aufgrund der Verwendung von „Smileys“ in den inkriminierten Textnachrichten sei bloß von Scherzerklärungen des Angeklagten auszugehen, wendet sich der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

[8] Dass der Schöffensenat die Einschätzung des Zeugen S* zum Bedeutungsinhalt und Bezugspunkt einzelner Textpassagen verwarf, ist schon deshalb nicht entscheidend, weil Schlussfolgerungen, subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge kein Gegenstand einer Zeugenaussage sind (vgl RIS-Justiz RS0097540).

[9] Der Vorwurf bloßer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die zu A./ und B./ abgeurteilten Organisationsdelikte (§ 278b Abs 2 StGB und § 278a StGB) geht daran vorbei, dass die Tatrichter die entsprechende innere Ausrichtung des Angeklagten aus dem äußeren Geschehen ableiteten (US 16). Dies ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0116882).

[10] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

[11] Diese Anfechtungsvoraussetzungen verfehlt die Rüge, indem sie die inkriminierten Textpassagen eigenständig dahin wertet, dass diese wegen der Verwendung von „Smileys“ bloße Scherzerklärungen seien, die der Angeklagte im Rahmen seines Deradikalisierungsprogramms gegenüber einem Betreuer abgegeben habe, und sich ein Teil der Chatnachrichten bloß auf die Politik einer österreichischen Partei bezogen hätte.

[12] Ob der Angeklagte eine höhere Führungsfunktion im „IS-Apparat“ angedacht und „Schutzverträge“ offeriert (US 15 f) hat, ist für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage ebensowenig entscheidend wie das Vorbringen zu seiner angeblich bereits erfolgten Deradikalisierung.

[13] Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine leugnende Einlassung und Teile der Aussagen des Zeugen K* erneut die Abgabe einer ernst gemeinten Todesdrohung in Abrede stellt, bekämpft er bloß abermals die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

[14] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht nicht deutlich, aus welchem Grund die Rechtsfrage, ob die Drohung geeignet ist, begründete Besorgnis auszulösen (vgl RIS-Justiz RS0092448 [T5]), einer Klärung durch Tatsachenfeststellungen bedurft hätte.

[15] Das Vorbringen, wonach der Angeklagte bloße „milieubedingte Äußerungen“, „Warnungen“ oder „Schreckensbotschaften“ von sich gegeben habe, nimmt prozessordnungswidrig (vgl RIS-Justiz RS0099810) nicht Maß an den (gegenteiligen) Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt und der Ernstlichkeit der ihm angelasteten Ankündigungen (US 12).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00003.22S.0331.000

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