OGH vom 30.09.2014, 10ObS92/14y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Ganzert Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 42/14d 20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 17 Cgs 98/13k 16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am erlitt der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt als Kraftfahrer tätig war, einen Arbeitsunfall. Der Unfallhergang war nicht eindeutig feststellbar. Es wird vermutet, dass der Kläger bei einer Ladetätigkeit von einer herabfallenden schweren Spannkette am Nacken getroffen wurde. Er erlitt einen Bruch des ersten Halswirbels und ein Hämatom.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt und ab eine vorläufige Versehrtenrente von 100 % der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß zuerkannt. Für den Zeitraum des unfallbedingten stationären Rehabilitationsaufenthalts vom bis wurde die Versehrtenrente ruhend gestellt; ab wurde dem Kläger eine Versehrtenrente in Höhe von 20 % der Vollrente zuerkannt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger die Auszahlung der ihm im Zeitraum seines Rehabilitationsaufenthalts vom bis gebührenden Versehrtenrente von 100 %. Weiters begehrte er ab den Zuspruch einer höheren als einer 20%igen Versehrtenrente.
Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung. Der angefochtene Bescheid entspreche der Sach und Rechtslage. Zu den Umständen des Ruhens der Leistung wurde kein Vorbringen erstattet.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger die für die Folgen des Arbeitsunfalls vom gebührende Versehrtenrente im Ausmaß von 100 % der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß für den Zeitraum bis auszubezahlen. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß von mehr als 20 % der Vollrente zu gewähren, wurde abgewiesen.
Das Erstgericht stellte fest, dass sich der Kläger vom bis zum stationär zur Erstrehabilitation im Rehabilitationszentrum Weißer Hof aufgehalten hat und ab aus den Folgen des Arbeitsunfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % resultiere. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass das Ruhen der Versehrtenrente in dem Ausmaß nicht eintrete, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebühre (§ 208 2. Satz ASVG). Dann, wenn während des Laufs der Versehrtenrente dem Versehrten Anstaltspflege gewährt werde, solle ein Ruhen nur in Ansehung jener Erhöhungen der Rente stattfinden, die eine Folge der Verschlechterung des Zustands des Versehrten seien, die zur Anstaltspflege führten. An den bis dahin zu Recht bezogenen Leistungen solle sich aber nichts ändern. Da dem Kläger ab (somit unmittelbar vor der Anstaltspflege) eine Versehrtenrente im Ausmaß der Vollrente von 100 % zuerkannt worden sei und keine Verschlechterung eingetreten sei, die eine Erhöhung der Versehrtenrente mit sich bringe bzw möglich mache, trete während des Rehabilitationsaufenthalts kein Ruhen ein. Die Versehrtenrente sei für diesen Zeitraum daher auszubezahlen. Hingegen sei das Klagebegehren auf Zuspruch einer höheren Versehrtenrente als im Ausmaß von 20 % der Vollrente ab abzuweisen gewesen, weil ab diesem Zeitpunkt nur eine MdE von 20 % festgestellt werden konnte.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin ab, dass es das Begehren auf Auszahlung der für den Zeitraum vom bis gebührenden Versehrtenrente im Ausmaß von 100 % der Vollrente abwies. Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, die von der Berufungswerberin geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel lägen nicht vor, da im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht worden sei, dass der Kläger ab Eintritt des Versicherungsfalls am und als dessen Folge bis einschließlich ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen sei und Krankengeld sowie während des Rehabilitationsaufenthalts Familiengeld bezogen habe und ab Anfall der Versehrtenrente ab (§ 204 Abs 1 ASVG) für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich Anspruch auf die 100%ige Vollrente bestehe. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ohne entsprechendes Tatsachenvorbringen die für die rechtliche Beurteilung allenfalls relevanten Umstände aus dem Leistungsakt zu entnehmen und festzustellen. Die Stammfassung des § 208 2. Satz ASVG habe nur dahin gelautet, dass das Ruhen in dem Ausmaß nicht eintrete, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte. Mit dem BGBl 1973/31 sei der 2. Satz des § 208 ASVG um den Zusatz „bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte“ ergänzt worden. Es sei der Argumentation der beklagten Partei zu folgen, nach der der 2. Satz des § 208 ASVG seitdem zwei Fallkonstellationen umfasse, nämlich das zeitliche Zusammenfallen von Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Anstaltspflege (1. Alternative) und das zeitliche Auseinanderfallen dieser beiden Zeitpunkte (2. Alternative). Da im vorliegenden Fall die Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfalltag (dem ) bestanden habe, die Anstaltspflege aber erst ab erfolgt sei, sei für die Frage des Ruhens auf den Zeitpunkt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abzustellen (2. Alternative). Zu diesem Zeitpunkt habe aber kein unfallbedingter Anspruch auf Versehrtenrente bestanden. Würde es so wie das Erstgericht vermeint habe immer nur auf die im Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Anstaltspflege gebührende Versehrtenrente ankommen, wäre die mit dem BGBl 1973/31 vorgenommene Ergänzung des Gesetzestextes nicht erforderlich gewesen, weil das alternative Abstellen auf das Rentenausmaß vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit sonst keinen Anwendungsbereich hätte. Zudem sei Zweck aller Ruhensbestimmungen, eine Doppelversorgung zu vermeiden. Die Versehrtenrente sei eine funktionsgleiche Leistung wie das während der Anstaltspflege aus der Krankenversicherung gebührende Krankengeld oder das aus der Unfallversicherung gebührende Familien bzw Taggeld. Die daraus resultierende Doppelversorgung werde nur durch das Ruhen der Versehrtenrente verhindert. Beim Kläger bestehe Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfalltag (dem ), die Anstaltspflege sei aber erst ab erfolgt. Da die beiden Zeitpunkte auseinander fallen, sei für die Frage des Ruhens auf den Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit abzustellen, vor dem kein unfallbedingter Anspruch auf Versehrtenrente bestanden habe, weshalb das auf Auszahlung gerichtete Klagebegehren abzuweisen sei. Es werde nicht verkannt, dass ein gänzliches Ruhen der Versehrtenrente eine Schlechterstellung derjenigen Versicherten zur Folge habe, die bei einem Arbeitsunfall sofort arbeitsunfähig werden, gegenüber denjenigen Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit erst später eintrete. Allerdings werde diese Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber der §§ 204, 90a ASVG in Kauf genommen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu § 208 2. Satz ASVG keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, nach dem Willen des Gesetzgebers solle dann, wenn ein Krankengeldanspruch zu einer Versehrtenrente tritt oder wenn während des Laufs einer Versehrtenrente dem Versicherten Anstaltspflege gewährt wird, ein Ruhen nur jener Erhöhungen der Rente stattfinden, die eine Folge der Verschlechterung des Zustands des Versicherten sind, die zum Krankenstand oder zum Krankenhausaufenthalt führt. An den bis dahin zu Recht bezogenen Leistungen solle sich aber nichts ändern. Ein gänzliches Ruhen der Versehrtenrente habe eine Schlechterstellung derjenigen Versicherten zur Folge, die nach einem Arbeitsunfall sofort arbeitsunfähig werden, gegenüber denjenigen Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit erst später eintrete. Eine allfällige Ungleichbehandlung in diesem Zusammenhang wäre verfassungsrechtlich bedenklich und müsste an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Gemäß § 208 ASVG („Ruhen der Versehrtenrente bei Anstaltspflege“) ruht die aufgrund eines Versicherungsfalls gebührende Versehrtenrente, wenn einem Versehrten wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder wegen einer Berufskrankheit Anstaltspflege aus der Krankenversicherung oder Unfallversicherung gewährt wird. Das Ruhen der Versehrtenrente tritt jedoch in dem Ausmaß nicht ein, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte. Eine ähnlich formulierte Regelung findet sich in § 90a ASVG, der das Zusammentreffen eines Anspruchs auf Versehrtenrente mit einem Anspruch auf Krankengeld (oder Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit) regelt.
1.2 Die Stammfassung des § 208 ASVG (BGBl 1955/189) umfasst den 1. Satz des § 208 mit dem Unterschied, dass nicht von allfälligen Kinderzuschüssen, sondern von allfälligen Zuschüssen die Rede ist. Die Materialien (RV 599 BlgNR 7. GP 6, 42) enthalten zu § 208 ASVG keine Ausführungen.
1.3 Mit dem BGBl 1962/13 erfolgte die Ergänzung des § 208 ASVG um folgenden 2. Satz: „Das Ruhen tritt jedoch in dem Ausmaß nicht ein, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte“. Die Materialien (IA 147/A zu 517 BlgNR 9. GP 79) enthalten dazu folgende Ausführungen:
„Die Neufassung des § 208 steht im Zusammenhang mit dem neu eingefügten § 90a. In gleicher Weise wie beim Zusammentreffen des Bezugs von Krankengeld mit dem Anspruch auf Versehrtenrente soll auch in den Fällen des § 208 die Versehrtenrente in dem vor Beginn der Anstaltspflege gewährten Ausmaß vom Ruhen nicht erfasst werden. Da die Unfallversicherungsträger, wenn es sich um eine vom Krankenversicherungsträger gewährte Anstaltspflege handelt, regelmäßig erst nach geraumer Zeit von einem Anstaltsaufenthalt des versehrten Rentenempfängers Kenntnis erhalten, wären sie nicht in der Lage, sofort mit Beginn der Anstaltspflege die Versehrtenrente ruhend zu stellen. Soweit aber bedingt durch die Verschlechterung der Unfallfolgen, die den Anstaltsaufenthalt notwendig machte, auch eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit eine Erhöhung der Versehrtenrente eintritt, soll dieser Differenzbetrag zwischen der vor dem Beginn der Anstaltspflege gewährten Versehrtenrente und der aufgrund der Verschlechterung der Unfallfolgen an sich gebührenden Versehrtenrente ab dem Beginn der Anstaltspflege ruhen“.
1.4 Zuletzt wurde der 2. Satz des § 208 ASVG mit dem BGBl 1973/31 um den Zusatz „bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte“ ergänzt. Die Materialien (RV 404 BlgNR 13. GP 97) sprechen davon, dass es sich lediglich um eine Textbereinigung handle, durch die sichergestellt werden sollte, dass nur jene Teilrente gewahrt bleibe, die vor der Arbeitsunfähigkeit gebühre, welche die Anstaltspflege ausgelöst habe. Es erfolgte damit eine inhaltliche Anpassung an die vergleichbare Bestimmung des § 90a Abs 2 ASVG.
2.1 § 208 ASVG war bereits Gegenstand der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (als damaligem Höchstgericht im Leistungsstreitverfahren der Sozialversicherung) vom , 17 R 189/76, SSV 17/9), die sich wiederum im Wesentlichen auf die Vorentscheidung SVSlg 21.663 vom stützte. Ähnlich wie im vorliegenden Fall hatte die beklagte Unfallversicherungsanstalt dem Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls zunächst eine 100%ige Versehrtenrente zuerkannt und diese für die Dauer der unfallbedingten Anstaltspflege ruhend gestellt. Nach dem Ende der Anstaltspflege wurde eine 50%ige vorläufige Versehrtenrente zuerkannt. Das Oberlandesgericht Wien führte aus, Sinn des 2. Satzes des § 208 ASVG sei, dass jene Teilrente gewahrt bleibe, die vor der Anstaltspflege beziehungsweise einer durch diese verursachte Arbeitsunfähigkeit gebührte. Soweit aber Verschlimmerungen von Unfallfolgen einen Anstaltsaufenthalt notwendig machten und ihretwegen eine Erhöhung in der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit der Versehrtenrente eintrete, solle dieser Unterschiedsbetrag zwischen der vor dem Beginn der Anstaltspflege gewährten und der aufgrund der Verschlechterung der Unfallfolgen an sich gebührenden höheren Versehrtenrente ab dem Beginn der durch diese Verschlechterung verursachten Anstaltspflege ruhen. Eine solche ein teilweises Ruhen der dafür gebührenden höheren Versehrtenrente bewirkende -Verschlechterung habe beim Kläger aber schon deshalb nicht eintreten können, weil er bis zum Beginn der Anstaltspflege schon eine Versehrtenrente von 100 % bezogen habe. Daher hätte auch bei einer allfälligen Verschlechterung in seinem durch den Unfall bedingten Zustand keine weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit keine Erhöhung der Versehrtenrente eintreten können. Deshalb gebühre auch kein Unterschiedsbetrag zwischen der dafür gebührenden höheren und der vor Beginn der Anstaltspflege gewährten Versehrtenrente (siehe auch SVSlg 21.663).
2.2 Nach der zu § 208 ASVG ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs soll nach dem Willen des Gesetzgebers dann, wenn ein Krankengeldanspruch zu einer Versehrtenrente tritt oder während des Laufs einer Versehrtenrente dem Versehrten Anstaltspflege gewährt wird, ein Ruhen nur in Ansehung jener Erhöhungen der Rente stattfinden, die eine Folge der Verschlechterung des Zustands des Versehrten ist, die zum Krankenstand oder zum Krankenhausaufenthalt führt. An den bis dahin zu Recht bezogenen Leistungen sollte sich aber insoweit nichts ändern (10 ObS 235/92, SSV NF 6/116; 10 ObS 171/97p, SSV NF 11/75; RIS Justiz RS0084291; siehe auch RIS Justiz RS0108291). Zur Frage der Auslegung des § 208 2. Satz ASVG musste inhaltlich nicht abschließend Stellung genommen werden, weil über das Ruhen des Leistungsanspruchs vom Versicherungsträger kein Bescheid erlassen worden war.
2.3 Fellinger in SV Komm § 208 ASVG Rz 3, führt aus, dass ein vor dem Krankengeldanspruch bestehender Anspruch auf Versehrtenrente in der unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestandenen Höhe gewahrt bleibe.
2.4.1 Nach Tomandl in Tomandl (SV System 11. Erg. Lfg. 355) ruhe für die Dauer der Anstaltspflege die Versehrtenrente samt Kinderzuschüssen, wenn wegen der Unfallfolgen sowohl Anstaltspflege (aus der Krankenversicherung oder Unfallversicherung) als auch eine Versehrtenrente gewährt werde. Jedoch trete kein Ruhen in dem Ausmaß ein, in dem die Rente schon unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit (der Anstaltspflege oder einer diese verursachenden Arbeitsunfähigkeit) zustand.
2.4.2 Nach Tomandl (in „Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung“, 132) regle § 90a ASVG das Zusammentreffen eines Anspruchs auf Versehrtenrente mit einem Anspruch auf Krankengeld aus demselben Unfall. In diesem Fall ruhe die Versehrtenrente für die weitere Dauer des Krankengeldbezugs mit dem Betrag des Krankengelds. Werde aufgrund eines Arbeitsunfalls sowohl Anstaltspflege aus der Krankenversicherung oder Unfallversicherung als auch eine Rente gewährt, ruhe gemäß § 208 ASVG während der Dauer der Anstaltspflege die Rente einschließlich allfälliger Kinderzuschüsse. Sei die Rente jedoch schon unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit, vor der Anstaltspflege oder vor einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit zugestanden, bleibe sie in beiden Fällen in dieser Höhe vom Ruhen verschont.
3. Wie aus den Ausführungen Tomandls hervorgeht, umfasst § 208 2. Satz ASVG nunmehr zwei Fallkonstellationen. Im ersten Fall soll kein Ruhen der Versehrtenrente in dem Ausmaß eintreten, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte, wenn Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Anstaltspflege zeitlich zusammenfallen. Im zweiten Fall soll kein Ruhen der Versehrtenrente in dem Ausmaß eintreten, in dem die Rente unmittelbar vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte, wenn Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Anstaltspflege zeitlich nicht zusammenfallen.
§ 208 ASVG normiert somit für den Zeitraum der Anstaltspflege aus der Kranken und Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit grundsätzlich ein vollständiges Ruhen der Versehrtenrente. Durch die Novelle BGBl 1973/31 sollte nach den zitierten Gesetzesmaterialien sichergestellt werden, dass nur jene Teilrente gewahrt bleibe, die vor der Arbeitsunfähigkeit gebührte, welche die Anstaltspflege ausgelöst hat. Nach dem offenbaren Willen des Gesetzgebers soll daher ein Ruhen der Versehrtenrente bei jenen Versicherten, bei denen der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn der Anstaltspflege zeitlich zusammenfallen (nur) in dem unmittelbar vor Beginn der Anstaltspflege gewährten Ausmaß und bei jenen Versicherten, bei denen der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn der Anstaltspflege zeitlich nicht zusammenfallen, (nur) in dem vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gewährten Ausmaß nicht eintreten. Die Ansicht, es komme immer nur auf die im Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Anstaltspflege gebührende Versehrtenrente an, ließe die mit dem BGBl 1973/31 vorgenommene Ergänzung des Gesetzestexts unberücksichtigt und nähme ihr im Ergebnis auch jeden Anwendungsbereich. Der Entscheidung SSV 17/19 des Oberlandesgerichts Wien, die sich auf die Vorentscheidung SVSlg 21.663 stützte, hat auf die zwischenzeitig mit dem BGBl 1973/31 erfolgte Änderung des § 208 2. Satz ASVG inhaltlich nicht Bedacht genommen. Zudem wird durch das Ruhen der Versehrtenrente während der Anstaltspflege eine allfällige Doppelversorgung verhindert. Ziel der meisten Ruhensbestimmungen ist, Leistungen dann nicht zu gewähren, wenn ein Sicherungsbedürfnis vorübergehend weggefallen ist. Der Grund für diesen Wegfall des Sicherungsbedürfnisses kann ua im Bezug einer anderen funktionsgleichen Leistung liegen. Im vorliegenden Fall ist die Versehrtenrente im Wesentlichen eine funktionsgleiche Leistung wie das während der Anstaltspflege aus der Krankenversicherung gebührende Krankengeld oder das aus der Unfallversicherung gebührende Familien bzw Taggeld (10 ObS 188/91, SSV NF 5/80 ; Sonntag in Sonntag , ASVG 5 § 195 Rz 2). Der Zielsetzung entsprechend bleibt trotz Ruhensbestimmungen der Anspruch auf die ruhenden Leistungen gewahrt, es wird lediglich die Leistungspflicht des Versicherungsträgers sistiert, solange der Ruhensgrund andauert.
4. Die vom Kläger gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 208 ASVG vorgetragenen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber überschreitet den ihm eingeräumten Gestaltungsraum nicht, wenn er für eine Zeit die Versehrtenrente sistiert, in der die Versorgung des Versicherten während der Anstaltspflege in anderer Weise sichergestellt ist. Für die Bedürfnisse der Angehörigen wurde in entsprechender Weise durch das Familiengeld Vorsorge getroffen. Ein der Verfassung widersprechender Eingriff in das Eigentumsrecht ist bei dieser Sachlage nicht erkennbar. Auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist zu verneinen. Diese sieht der Kläger darin, dass durch die Einschränkung der Ruhensbestimmung im 2. Satz des § 208 ASVG eine unsachliche Differenzierung zwischen denjenigen Versicherten getroffen werde, die nach einem Arbeitsunfall sofort arbeitsunfähig seien und jenen, deren Arbeitsunfähigkeit später eintrete. Richtig ist, dass der in Art 7 B VG normierte Gleichheitsgrundsatz willkürliche unsachliche Differenzierungen verbietet. Er wird dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Gleiches ungleich behandelt (RIS Justiz RS0053981). Das Gleichbehandlungsgebot ergibt sich ebenso aus Art 14 EMRK, wonach eine diskriminierende unterschiedliche Behandlung wenn also Rechtssubjekte in einer ähnlichen Situation ohne objektive vernünftige Rechtfertigung ungleich behandelt werden zu unterbleiben hat (RIS Justiz RS0124747). Eine Regelung ist aber nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Dem Normsetzer muss es insbesondere auch im Interesse der Verwaltungsökonomie gestattet sein, eine einfache und handhabbare Regelung zu treffen (RIS Justiz RS0053882). Wie schon aufgezeigt wurde, verfolgt der Gesetzgeber mit der Einschränkung der Ruhensbestimmung im 2. Satz des § 208 ASVG den Zweck, dem Versicherten den Anspruch auf Versehrtenrente in der unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestandenen Höhe zu wahren. Im Hinblick auf diese Zielsetzung sowie die Entstehungsgeschichte (insbesondere deren Zusammenhang mit § 90a ASVG) des § 208 2. Satz ASVG kann in den darin enthaltenen verschiedenen Regelungen („1. Alternative“ und „2. Alternative“) aber keine willkürliche unsachliche Differenzierung erblickt werden.
Die Revision des Klägers bleibt somit erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Abgesehen davon, dass die Revisionskosten nicht ziffernmäßig (aufgegliedert nach Tarifansatz, Einheitssatz, USt) verzeichnet wurden, wurden berücksichtigungswürdige Einkommens und Vermögensverhältnisse des Klägers weder geltend gemacht, noch sind solche aktenkundig.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00092.14Y.0930.000