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OGH vom 19.04.2018, 12Os20/18k

OGH vom 19.04.2018, 12Os20/18k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mustafa H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mustafa H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 34 Hv 73/16y-115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Mustafa H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche Mitangeklagter enthaltenden Urteil wurde Mustafa H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG (A./I./) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 3 SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen Ende 2016 und in I***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend (zumindest) aus ihm, Otman E***** und Markzi Z*****

A./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabis unterschiedlichen, zumindest 7,2%igen THC-Reinheitsgehalts und Kokain zumindest 70%igen Reinheitsgrads, anderen im Zuge gewinnbringender Verkaufshandlungen

I./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge überlassen, nämlich

1./ teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Otman E***** und Markzi Z***** als Mittäter insgesamt 130,5 Gramm Kokain (91,3 Gramm Cocain bzw 6,09 Grenzmengen) und 138 Gramm Cannabis (9,93 Gramm THC bzw 0,49 Grenzmengen) an die im Urteil namentlich genannten abgesondert verfolgten Abnehmer,

a./ „nämlich zunächst in mehreren Teilhandlungen in Summe mehr als zwei Grenzmengen“,

b./ „nahtlos daran anschließend die Restmengen“, wobei er diese Taten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) beging und schon einmal, nämlich mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom zu AZ 23 Hv 113/12t wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist;

...

B./ mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde und zwar mit Otman E***** und Markzi Z***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, indem sie um den vom abgesondert verfolgten, derzeit flüchtigen Mohamed Ha***** insgesamt zumindest 884 Gramm Haschisch beinhaltend zumindest 63,6 Gramm THC (3,18 Grenzmengen) übernahmen und nachfolgend bis zur Hausdurchsuchung am in einem Kellerabteil der von ihnen benützten Wohnung zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs versteckten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die §§ „159 Abs 3“ und 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mustafa H*****, der keine Berechtigung zukommt.

Mit dem (bloßen) Hinweis, der Zeuge Gökhan B***** habe sich in der Hauptverhandlung auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen, welches ihm zu Unrecht nicht zugestanden worden sei, obwohl er sich durch seine Angaben selbst belastet habe, wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet. Im Übrigen liegt die Intention des § 157 Abs 1 Z 1 StPO nur im Schutz des Zeugen vor der in der Befragung gelegenen Belastung, weshalb § 159 Abs 3 StPO die Verwendung als Beweismittel bewusst ermöglicht und eine Beweisverbotskonsequenz ausschließt (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 176 mwN; RIS-Justiz RS0124907).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die vom Erstgericht mit ausführlicher Begründung als wenig glaubwürdig verworfene (vgl US 15, 22 ff) Einlassung der Angeklagten zu Schuldspruchpunkt B./ der tatrichterlichen Annahme seiner Mittäterschaft ohne weitere Erläuterung gegenüberstellt, werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen nicht geweckt (RIS-Justiz RS0119583).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mustafa H***** war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – worauf schon die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme hinwies – von einem ungerügt gebliebenen, dem Konfiskationserkenntnis anhaftenden Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO), welcher auch den Mitangeklagten Otman E***** und Markzi Z***** zum Nachteil gereicht:

Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB setzt unter anderem voraus, dass der zur Begehung der vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstand zur Zeit der Entscheidung erster Instanz im Eigentum des Täters steht. Dazu trifft das Schöffengericht in Ansehung der dreizehn (auf US 6 f näher bezeichneten) Mobiltelefone jedoch keine Feststellungen. Weil der Angeklagte den Ausspruch über deren Konfiskation (auch) mit Berufung nicht bekämpft (RIS-Justiz RS0130617), war dessen Nichtigkeit vom Obersten Gerichtshof gemäß §§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 285e StPO aufzugreifen.

Bleibt zu bemerken, dass die Annahme von Gewerbsmäßigkeit nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG die Absicht des Täters voraussetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung von Taten nach § 28a Abs 1 SMG – also solchen, die jeweils in Bezug auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Suchtgiftquantität begangen wurden – längere Zeit hindurch ein den Voraussetzungen des § 70 Abs 2 StGB entsprechendes Einkommen zu verschaffen (RIS-Justiz RS0130966 [T4]; RS0112225 [T11]). Solcherart vermag die vom Erstgericht beim Beschwerdeführer angenommene, auf „jeden Suchtgiftverkauf aus dieser (gemeint: zwei Grenzmengen überschreitenden) Restmenge“ an seine Abnehmer in „zahlreichen gewinnbringenden Teilhandlungen“ (US 11) schlechthin gerichtete Absicht die Subsumtion unter diese Qualifikationsnorm schon deshalb nicht zu tragen, weil § 28a Abs 1 SMG mangels gesetzlicher (auf exakt eine Grenzmenge bezogener) Abtrennungsregel für ihrerseits und im Verhältnis zueinander sukzessiv begangene Taten nach § 28a Abs 1 SMG so nicht mehrfach begründet werden kann und Teilakte daraus als Bezugspunkt für die wiederkehrende Begehung (§ 70 Abs 1 StGB) – im Übrigen auch für das objektive Kriterium der Begehung bereits zweier „solcher Taten“ nach § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB (vgl US 3) – ausscheiden (vgl 12 Os 21/17f [verstärkter Senat]). Dieser Umstand bietet jedoch keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, weil nach dem Akteninhalt auch in einem weiteren Rechtsgang die Konstatierung gewerbsmäßiges Handeln tragender Feststellungen nicht zu erwarten ist und der Subsumtionsfehler (Z 10) zufolge gleichzeitiger Verwirklichung der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG auf den anzuwendenden Strafrahmen keinen Einfluss hatte und damit per se keinen Nachteil darstellt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff; RIS-Justiz RS0113957 [insbesondere T 10]). Dem durch die – demgemäß verfehlte – aggravierende Wertung der „mehrfachen Qualifikation des § 28a SMG“ (US 28) hergestellten Nichtigkeitsgrund (Z 11 zweiter Fall) ist im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29), bei welcher das Oberlandesgericht insoweit an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870) nicht gebunden ist.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher im Ausspruch über die Konfiskation aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen.

Über die Berufung wird (zunächst) das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet auf § 390a Abs 1 StPO. Die amtswegige Maßnahme ist davon nicht umfasst (Lendl, WKStPO § 390a Rz 12).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00020.18K.0419.000

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