OGH vom 23.02.2021, 12Os2/21t

OGH vom 23.02.2021, 12Os2/21t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen Jonas F***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Jugendschöffengericht vom , GZ 11 Hv 88/20z-12, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Jonas F***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in der Nacht vom 26. auf den in M***** eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm, indem er der aufgrund ihrer starken Alkoholisierung handlungsunfähigen bzw bewusstlosen Franziska M***** zumindest einen Finger in die Vagina einführte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Entgegen dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom gestellten Beweisantrags „auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen im Hinblick auf eine stattgefundene Anflutungsphase, die den sukzessiven Anstieg des Alkoholisierungsgrades bei Franziska M***** bestätig[t] und eine Wehrlosigkeit, Handlungsunfähigkeit oder Bewusstlosigkeit im angeblichen Tatzeitpunkt ausschließt“ (ON 11 S 30 und ON 10 S 5), keine Verteidigungsrechte verletzt. Der Antrag ließ nämlich zum einen nicht erkennen, weshalb Franziska M***** und ihre gesetzlichen Vertreter die Zustimmung zu dieser Begutachtung erteilen würden (RIS-Justiz RS0108614, RS0118956). Zum anderen machte er nicht klar, warum die beantragte Beweisführung das behauptete Ergebnis erwarten lassen sollte, und reduzierte sich solcherart auf eine in der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0099453). Im Übrigen war dem Antrag nicht zu entnehmen, inwiefern für die Einschätzung des Zustands des Opfers angesichts fehlender medizinischer Unterlagen besondere Fachkenntnisse eines Sachverständigen notwendig gewesen wären (RIS-Justiz RS0097283). Die in diesem Zusammenhang erst in der Verfahrensrüge vorgebrachten Argumente können aufgrund des hier geltenden Neuerungsverbots keine Berücksichtigung finden (RIS-Justiz RS0099618).

[5] Die Annahme, dass das Opfer Franziska M***** bereits vor dem Tatzeitpunkt aufgrund seiner starken Alkoholisierung einschlief und willenlos wurde (US 3), hat das Erstgericht – der Behauptung der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – sehr wohl begründet. Im Übrigen hat es dabei auch die Angaben des Angeklagten zur sukzessiven Alkoholisierung der Genannten, wonach diese „erst ca eine viertel bis halbe Stunde später“ gesagt habe, dass sie jetzt nicht mehr könne, und dann eingeschlafen sei, berücksichtigt; vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen von Andreas R*****, Lorenz S*****, Michael B*****, Raphael W*****, Anna Ma*****, Dominik Si***** und Matthias Wö***** hat es diese aber letztlich als nicht glaubhaft beurteilt (US 4 f).

[6] Der in Bezug auf die Feststellungen zur Alkoholisierung von Franziska M***** (US 3) erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) verfehlt den Bezugspunkt des damit geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, weil dieser lediglich auf die in wesentlichen Teilen unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder eines anderen Beweismittels abstellt (RIS-Justiz RS0099547), die hiezu zusammenfassend auf die Übereinstimmung der Angaben der Zeugen Andreas R*****, Lorenz S*****, Michael B*****, Raphael W*****, Anna Ma*****, Dominik Si***** und Matthias Wö***** verweisende Begründung aber kein derartiges Fehlzitat enthält (US 4). Im Ergebnis erschöpft sich das diesbezügliche, die Aussagen einzelner Zeugen analysierende Vorbringen der Beschwerde damit auf eine unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0098471 [T1], RS0099429).

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel – unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen – verhindern (RIS-Justiz RS0118780). Die Nichtigkeitsbeschwerde verweist auf einzelne Passagen der Aussagen des Angeklagten sowie der Zeugen Lorenz S*****, Michael B*****, Anna Ma*****, Dominik Si*****, Matthias Wö*****, Raphael W***** und Anna L***** und moniert, die Konstatierungen des Erstgerichts zum Alkoholisierungsgrad des Opfers sowie des Nichtvorliegens seiner Einwilligung vor Eintritt der Wehrlosigkeit oder Selbstbestimmungsunfähigkeit in die geschlechtliche Handlung entsprächen nicht der allgemeinen Lebenserfahrung und wären nicht nachvollziehbar und grob unvernünftig. Damit weckt der Rechtsmittelwerber jedoch keine erheblichen Bedenken im dargestellten Sinn. Vielmehr beschränkt er sich darauf, die Beweiswürdigung des Erstgerichts erneut bloß in der Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung zu kritisieren.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00002.21T.0223.000

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