OGH vom 07.10.2019, 14Os99/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Gheorghe T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Gheorghe T***** und Alfred D***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Ioan-Dumitru F***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 231 Hv 25/18g-159a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten T***** und D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Gheorghe T***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB (A./I./1./) und des Vergehens des schweren Betrugs als Beteiligter nach § 12 dritter Fall, 15, 146, 147 Abs 2 StGB (A./I./2./) sowie Alfred D***** des Verbrechens der Brandstiftung als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall, 169 Abs 2 StGB (B./I./) und des Vergehens des schweren Betrugs nach § 15, 146, 147 Abs 2 StGB (B./II./) schuldig erkannt.
Danach haben
A./ Gheorge T*****
I./ in der Nacht zum in D*****
1./ an der Sache eines anderen, nämlich am Gebäude R*****, mit Einwilligung des Eigentümers Alfred D***** dadurch, dass er nach Verschütten großer Mengen Benzin- und Dieselkraftstoff in den Gängen und Zimmern Feuer legte, wodurch es zu einem ausgedehnten Brandgeschehen kam, eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eines Dritten, nämlich der während des Brandes zwecks Suche nach allenfalls noch im Gebäude eingeschlossenen Personen in das Brandobjekt eindringenden Feuerwehrleute, herbeigeführt und
2./ durch die zu 1./ geschilderte Tat zur Ausführung der zu B./II./ angeführten strafbaren Handlung des Alfred D***** beigetragen;
B./ Alfred D***** in D*****
I./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Mitte September und Gheorghe T***** durch das Inaussichtstellen eines Geldbetrags zur Ausführung der zu A./I./1./ geschilderten strafbaren Handlung bestimmt und
II./ am mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der U***** Ö***** Versicherungen AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Erstattung einer Brandschadensversicherungsmeldung hinsichtlich des – tatsächlich über seine Veranlassung gelegten – Brandes an dem in seinem Eigentum stehenden Gebäude R*****, zur Auszahlung der Schadenssumme, mithin zu einer Handlung zu verleiten versucht, welche das genannte Versicherungsunternehmen in einem 5.000 Euro, nicht jedoch 300.000 Euro übersteigenden Betrag (ermittelter Sachschaden in der Höhe von 232.260,08 Euro) am Vermögen schädigen sollte.
Rechtliche Beurteilung
Mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden wenden sich der Angeklagte T***** – gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO – (ausschließlich) gegen die Schuldsprüche A./I./1./ und 2./, der Angeklagte D***** – aus den Gründen der Z 5, 5a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO – gegen die Schuldsprüche B./I./ und II./. Beiden Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall)
der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite begegnet deren Ableitung aus dem äußeren Geschehen – insbesondere mit Blick auf die zu A./I./1./ festgestellte Vorgehensweise des Beschwerdeführers (US 10 ff) und die zu A./I./2./ konstatierten, ihm durch den Angeklagten D***** erteilten Informationen (US 9) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken, widerspricht sie doch weder der allgemeinen Lebenserfahrung, noch vermag die Beschwerde Anhaltspunkte für abweichende Annahmen des Angeklagten T***** aufzuzeigen. Im Übrigen ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen rechtsstaatlich vertretbar und bei einem – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (vgl RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).
Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass unter diesem Nichtigkeitsgrund nur Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend gemacht werden können. Tatsachen sind in diesem Sinn entscheidend, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder – im Fall gerichtlicher Strafbarkeit – darüber beeinflusst, welche strafbaren Handlungen begründet werden (RIS-Justiz RS0117264).
Soweit sich die Beschwerde (aus Z 5 zweiter, dritter und vierter Fall) gegen die Feststellungen zum Tatmotiv wendet, denen zufolge „die Instandsetzung des devastierten Gebäudes kostspielig gewesen wäre und der Zweitangeklagte nicht über die notwendigen finanziellen Mittel für die Renovierung verfügte“ (US 9), und behauptet, dass der Beschwerdeführer weder einen „aktuellen Geldbedarf“ aufgewiesen habe, noch einen finanziellen Nutzen aus den ihm vorgeworfenen Taten hätte ziehen können, spricht sie von vornherein keine
entscheidenden Tatsachen an (RISJustiz RS0088761). Mit dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer, wenn er tatsächlich an der Lukrierung der Versicherungssumme interessiert gewesen wäre, sich keines „Helfershelfers“ bedient hätte, der „augenfällig“ eine Brandlegung inszeniert, sondern er diesem vielmehr aufgetragen hätte, „einen technischen Defekt“ vorzutäuschen, bekämpft die Rüge bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Soweit der Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang nach Art einer
Aufklärungsrüge (Z 5a) die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Werthaltigkeit des Gebäudes vor dem Brand beanstandet, verabsäumt er, darzulegen, wodurch er gehindert war, die vermisste Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen (RISJustiz RS0115823).
Indem die Rüge (Z 5 vierter Fall) die erstgerichtliche Bewertung der
Aussage des Zeugen Dr. V***** als „schwer nachvollziehbar“ (vgl US 21) kritisiert, verkennt sie, dass der der Annahme der Glaubwürdigkeit oder
Unglaubwürdigkeit eines Zeugen zugrunde liegende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RISJustiz RS0106588).
Der weitere Einwand (Z 5 vierter Fall), die Feststellung, dass der Angeklagte D***** dem Angeklagten T***** einen Zentralschlüssel für das Brandobjekt ausgehändigt habe, sei „verfehlt“ und „durch keinerlei Beweisergebnisse“ gedeckt, spricht erneut keine
entscheidende Tatsache an. Dies gilt auch für die in diesem Kontext geäußerte Beschwerdekritik, die einen „inneren Widerspruch“ zwischen der Feststellung, dass sich T***** einerseits mit einem Zentralschlüssel Zutritt zum Brandobjekt verschafft habe, und der weiteren Konstatierung, nach der er andererseits Zwischentüren gewaltsam aufgebrochen habe, „obwohl er diese mit dem Schlüssel problemlos öffnen“ hätte können, erblickt.
Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) wird Nichtigkeit aus Z 5 ebenso wenig dargetan (RIS-Justiz RS0102162) wie mit dem Vorwurf, dem Beschwerdeführer habe „überhaupt kein Tatbeitrag nachgewiesen“ werden können, weshalb „sich die gesamte Beweiswürdigung“ lediglich auf Indizien stütze (vgl zur Zulässigkeit von
Indizienbeweisen RIS-Justiz RS0098249). Im Übrigen orientiert sich die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Zusammenhang prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RISJustiz RS0119370), lässt sie doch zu beiden Schuldsprüchen die Erwägungen der Tatrichter außer Acht, wonach aus den Ergebnissen der Telefonüberwachung „eindeutig hervorgeht, dass Gheorghe T***** im Auftrag von Alfred D***** den Brand gelegt hat und ihm dafür auch Geld angeboten worden ist“ (vgl US 23 und 25).
Der Beschwerdeeinwand, zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen bestehe ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall), erschöpft sich in einer pauschalen Behauptung, weshalb er einer meritorischen Erwiderung nicht zugänglich ist.
Der Kritik einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite betreffend den Schuldspruch B./II./ zuwider haben die Tatrichter diese mängelfrei aus dem objektiven Tatgeschehen (US 14 f) abgeleitet (US 26; RISJustiz RS0116882).
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen zu entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583). Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem die Tatsachenrüge das Gutachten zur Frage der „Frische“ der am Tatort gesicherten Blutspur kritisiert und behauptet, dass der Sachverständige im Zuge der Gutachtenserstattung von „einem falsch wiedergegebenen Erfahrungssatz“ ausgegangen sei, weshalb das Erstgericht der Verantwortung des Angeklagten T*****, wonach die ihm zugeordnete Blutspur am Tatort bereits vor der Tat entstanden und er demzufolge nicht der Täter gewesen sei, nicht geglaubt habe, vermag sie keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs in diesem Sinn zu erzeugen. Dies gilt auch für die Beschwerdeausführungen, nach denen sich aus der Aussage des Zeugen Z***** ergebe, dass der Angeklagte nicht auf die Auszahlung des Versicherungsbetrags gedrängt habe, sondern lediglich am Wiederaufbau des Objektes interessiert gewesen sei.
Die Rechtsrüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) behauptet, die Konstatierungen würden die rechtliche Unterstellung nach § 169 Abs 2 StGB nicht tragen, weil es sich „der Aktenlage zufolge“ bei dem Brandobjekt um ein allein stehendes Gewerbeobjekt gehandelt habe, welches „20 bis 30 m“ von sonstigen Objekten entfernt und zum Tatzeitpunkt „völlig unbewohnt“ gewesen sei. Sie hält damit nicht am gesamten Urteilssachverhalt fest (RIS-Justiz RS0099810), wonach sich (nur) ca 10 m vom Brandobjekt entfernt ein (während des Brandes von einem Zusteller aufgesuchtes) Lokal befand, zur Bekämpfung des räumlich ausgedehnten Brandes, „der sich mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschen ließ, … ein umfangreicher Feuerwehreinsatz zur Bekämpfung der Feuersbrunst notwendig war“, und aufgrund der jederzeit bestehenden Gefahr von neuerlichen Entzündungen eine konkrete Gefahr „für Leib und Leben“ der im Rahmen des erforderlichen Rettungseinsatzes einschreitenden Feuerwehrleute, „insbesondere zweier Atemschutztrupps bestehend aus sechs Feuerwehrleuten, die von innen das Gebäude (nach allenfalls darin befindlichen Personen) durchsuchten und das bereits umfangreiche Feuer mehrere Stunden bekämpften“, bestand (US 11). Aus welchem Grund diese Konstatierungen für die Subsumtion nach § 169 Abs 2 StGB nicht ausreichen sollten (vgl auch 13 Os 97/16p, 15 Os 39/16y; Murschetz in WK2 StGB § 169 Rz 6, wonach die Gefahr auch aufgrund eines erforderlichen [für die einschreitenden Helfer gefährlichen] Rettungseinsatzes bestehen kann), erklärt die Beschwerde nicht (RIS-Justiz RS0116565).
Die vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu B./I./ befinden sich auf US 12. Das weitere Vorbringen, das Erstgericht hätte Feststellungen darüber treffen müssen, „in welcher Art und Weise der Zweitangeklagte dem Erstangeklagten die Brandlegung aufgetragen hätte“, macht nicht klar, weshalb über die vorliegenden Urteilsannahmen hinaus (US 9) weitergehende Feststellungen zur Bestimmungshandlung des Beschwerdeführers zu treffen gewesen wären. Warum zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 169 Abs 2 StGB ein „Beschädigungs- oder Vernichtungsvorsatz“ notwendig sei, legt die Rüge ebenso wenig dar.
Indem die Beschwerde mit eigenen beweiswürdigenden Überlegungen darauf verweist, „Brandstifter“ würden „in den wenigsten Fällen“ damit rechnen, dass der Brand sogleich entdeckt und die Feuerwehr verständigt werde, weshalb eine „Gefährdungsexposition von Feuerwehrleuten aus Sicht des Täters nicht vorsatzgetragen“ sein könne, verfehlt sie den in den getroffenen Feststellungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00099.19V.1007.000 |
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