OGH vom 01.09.2020, 10ObS91/20k

OGH vom 01.09.2020, 10ObS91/20k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Celar Senoner WeberWilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, FriedrichHillegeistStraße 1, wegen Waisenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 114/19x16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Mit Bescheid vom wurde die Waisenpension des 1994 geborenen Klägers ab vorsorglich eingestellt (34 Cgs 314/18f des Erstgerichts).

[2] Mit dem Bescheid vom wurde die Waisenpension mit Ablauf des Monats September 2018 entzogen und der von bis entstandene Überbezug in Höhe von 1.593,68 EUR zurückgefordert (8 Cgs 16/19t des Erstgerichts).

[3] Der Kläger hat den Betrag von 1.593,68 EUR noch vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz an die Beklagte gezahlt.

[4] Der Kläger begehrt mit seinen gegen diese Bescheide gerichteten Klagen in den verbundenen Verfahren nach Modifikation

[5] 1. die Weitergewährung der Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß über den hinaus und

[6] 2. die Feststellung, dass kein Rückforderungsanspruch aus dem Titel der Waisenpension zugunsten der beklagten Partei bestehe und die beklagte Partei schuldig sei, den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 1.593,68 EUR binnen 14 Tagen an den Kläger zurückzuüberweisen.

[7] Die Beklagte wandte dagegen ein, dass der Kläger sein Studium (Bachelor-Studium Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben habe, sodass seine Kindeseigenschaft gemäß § 252 Abs 2 ASVG mit Ende des Sommersemesters 2018 weggefallen sei. Die Waisenpension sei daher mit Ablauf des Monats September 2018 zu entziehen gewesen. Der Kläger hätte dies erkennen müssen und habe Meldevorschriften verletzt. Die Beklagte habe daher die zu Unrecht erbrachten Geldleistungen gemäß § 107 Abs 1 ASVG zurückzufordern.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe im Zeitraum von bis lediglich zwei Prüfungen im Wintersemester 2017/18 positiv abgelegt. Der Kläger habe sein Studium 2014 begonnen, die Mindeststudiendauer betrage 6 Semester. Er habe nach einer Studiendauer von 9 Semestern nur knapp die Hälfte der erforderlichen 180 ECTS-Punkte zur Absolvierung des Bachelor-Studiums erreicht, sodass von einem ernsthaften und zielgerichteten Studium nicht ausgegangen werden könne. Der Kläger habe der Beklagten im September 2018 zunächst nicht bekannt gegeben, dass er im vergangenen Studienjahr nur 5 ECTS-Punkte erreicht habe, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass er die Waisenpension nur bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen beziehen könne. Ihm sei daher eine fahrlässige Verletzung von Meldevorschriften vorzuwerfen.

[9] Das gab der Berufung des Klägers nicht Folge. § 252 Abs 2 Z 1 lit b ASVG verweise statisch auf § 2 Abs 1 lit b FLAG in der Fassung BGBl 1992/311. Nach dieser Bestimmung komme es für die Beurteilung eines Studiums als ernsthaft und zielstrebig nicht auf erreichte ECTSPunkte an, sondern ausschließlich auf die Ablegung von Prüfungen in jedem Studienjahr des ersten Studienabschnitts im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden. Der Kläger habe im Studienjahr 2017/18 jedoch lediglich zwei Prüfungen im Umfang von 3,5 Semesterwochenstunden abgelegt, sodass sein Begehren auf Weitergewährung der Waisenpension über den hinaus nicht berechtigt sei. Weder komme es nach der Gesetzeslage auf einen „im Durchschnitt“ erzielten Studienerfolg an noch spiele eine Rolle, ob im Einzelfall besonders schwierige Prüfungen abzulegen seien. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er die Waisenpension nur bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen weiter beziehen könne, sodass der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 Satz 1 4. Fall ASVG verwirklicht sei.

Rechtliche Beurteilung

[10] In seiner gegen dieses Urteil erhobenen außerordentlichen Revision vermag der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

[11] In einer zulässigen Rechtsrüge muss dargelegt werden, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sein soll, weil sonst keine Überprüfung der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsansicht stattfinden kann (RS0043654 [T15]). Diesen Anforderungen genügt die außerordentliche Revision im vorliegenden Fall nicht.

[12] Der Revisionswerber hält – unter Verweis auf die unterhaltsrechtliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0047687) – an seinem Argument fest, dass es nicht am Studienerfolg in den einzelnen Abschnitten eines Studiums zu messen sei, ob ein Studium erfolgreich und zielstrebig betrieben werde. Es müsse eine Gesamtbetrachtung angestellt werden: der Kläger habe im Durchschnitt mehr als 20 ECTSPunkte pro Jahr erreicht, daher mehr, als das Familienlastenausgleichsgesetz fordere. Berücksichtige man nur die Studienerfolge des Studienjahrs 2017/18, wäre der Kläger gegenüber Studierenden, die vermeintlich leichtere Prüfungen gestaffelt ablegen, ungerechtfertigt benachteiligt. Der Kläger habe im Studienjahr 2017/18 unter anderem die Prüfung „Übung Mechanik 1“ abgelegt, bei der die Durchfallquote 90 % betrage. Für die Absolvierung dieser Prüfung würden 2 ECTSPunkte angerechnet, erst nach Absolvierung der Prüfung könne man zu einer Lehrveranstaltungsprüfung antreten, welche mit 5 ECTSPunkten veranschlagt sei.

[13] Mit diesen Ausführungen zeigt der Kläger nicht auf, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig sei: Denn das Berufungsgericht hat – zutreffend – ausgeführt, dass § 252 Abs 2 Z 1 lit b ASVG statisch auf § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 verweist. Dabei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201, der im Bereich der Sozialversicherung die Rechtslage im Bereich der Angehörigeneigenschaft für Studierende nach dem FLAG 1967 idF BGBl 1992/311 beibehalten wollte (10 ObS 107/08w SSVNF 22/69 mwH; Pöltner/Pacic, ASVG § 123 ASVG Rz 18a [95. Lfg]). Die auf § 2 Abs 1 lit b ASVG idF BGBl 1992/311 beruhende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts rügt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht, wenn er sich auf die von ihm durchschnittlich erreichten „ECTSPunkte“ für seinen Standpunkt beruft, denn dieses Kriterium für die Zielstrebigkeit eines Studiums enthält § 2 Abs 1 lit b Satz 12 FLAG erst seit der Novelle BGBl I 2007/90.

[14] Zur rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 Satz 1 4. Fall ASVG vorliege, enthält die außerordentliche Revision keine Rechtsrüge. Dieser rechtlich gesondert beurteilbare Aspekt ist für den Obersten Gerichtshof daher nicht überprüfbar (RS0043338 [T15]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00091.20K.0901.000

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