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OGH vom 06.12.2011, 10ObS91/11x

OGH vom 06.12.2011, 10ObS91/11x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Ganzert Partner, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Kremser Landstraße 3, 3100 St. Pölten, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Streitwert: 2.629,93 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 88/11i 21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 18 Cgs 106/10i-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die klagende Partei nicht verpflichtet sei, das für den Zeitraum bis bezogene Kinderbetreuungsgeld von insgesamt 2.629,93 EUR zurückzuzahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 2.629,93 EUR binnen vier Wochen zu zahlen.“

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger wurde anlässlich der Geburt seines Kindes E***** am im Jahr 2005 (teils rückwirkend) das im Spruch angeführte Kinderbetreuungsgeld (für sechs Monate) zuerkannt und ausbezahlt. In diesem Jahr bezog er ein Einkommen im maßgeblichen Gesamtbetrag (§ 8 Abs 1 KBGG) von 16.239,92 EUR, das den Grenzbetrag von 14.600 EUR (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG idF bis ) um 11,23 % überstieg und darauf beruhte, dass er zunächst (vom bis ) geringfügig beschäftigt und anschließend (zum Zeitpunkt der Antragstellung []) beschäftigungslos war, schließlich jedoch (ab ) ein Arbeitsverhältnis angetreten hatte. Der Kläger hatte aufgrund der ihm von der beklagten Partei erteilten Auskünfte nie den Eindruck, den Grenzbetrag zu überschreiten.

Über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der Zahlungsplan wurde am angenommen und gerichtlich bestätigt. Die Quote betrug 56 %, zahlbar in sieben gleichen Teilquoten zu je 8 %, wobei die erste Quote am zur Zahlung fällig wurde, die weiteren Teilquoten jeweils zum 20. 6. der Folgejahre. Nach Bestätigung der Rechtskraft des Zahlungsplans wurde das Schuldenregulierungsverfahren am aufgehoben.

Mit Bescheid vom widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den im Spruch angeführten Zeitraum und verpflichtete den Kläger zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von insgesamt 2.629,93 EUR binnen vier Wochen, weil er mit den maßgeblichen Einkünften gemäß § 8 KBGG für das Jahr 2005 in der Höhe von 16.239,92 EUR den Grenzbetrag gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG von 14.600 EUR überschritten habe. Die Rückforderung erfolge gemäß § 30 Abs 2 iVm § 31 Abs 2 KBGG.

Dagegen erhob der Kläger die vorliegende, erkennbar auf die Feststellung, dass er nicht zur Rückzahlung verpflichtet sei, gerichtete Klage. Er habe Privatkonkurs angemeldet und der Zahlungsplan sei bewilligt worden. Daher sei er zur Rückzahlung nicht in der Lage. Dass er die Einkommensgrenze für das Kinderbetreuungsgeld (nur geringfügig) überschritten habe, sei nicht vorhersehbar gewesen, weil er „wechselweise“ gearbeitet habe und dazwischen arbeitslos gewesen sei.

Den Bescheid, mit dem der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld zurückgefordert wurde, ließ der Kläger unbekämpft.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und bestritt, dass die Überschreitung des Grenzbetrags für den Kläger nicht vorhersehbar gewesen sei. Soweit noch von Bedeutung wendete sie ein, der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte sei immer nur rückwirkend festzustellen. Die Überprüfung der Anspruchsgrundlagen gemäß § 2 KBGG könne frühestens dann erfolgen, wenn die Einkünfte des jeweiligen Veranlagungsjahres abschließend feststünden; also nach Ablauf von fünf Jahren, weil der Bezieher von Kinderbetreuungsgeld nach Ablauf des Bezugsjahres fünf Jahre Zeit habe, seine Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen. Hier sei der Rückforderungsanspruch frühestens mit der subjektiven Kenntnis der zuständigen Sachbearbeiterin am also nach rechtskräftiger Beendigung des Schuldenregulierungsverfahrens entstanden, weil das Bundesrechenzentrum die Einkommensdaten hinsichtlich des Klägers für das gesamte Jahr 2005 am übermittelt habe, am die Bezugsbestätigung vom AMS Wels bei der beklagten Partei eingelangt sei und am die Lohnbestätigung zur Feststellung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld bzw auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld übermittelt worden sei. Es könne sich daher beim Rückforderungsanspruch nur um eine zur Gänze zu befriedigende Masseforderung handeln.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf noch folgende Feststellungen:

Bei der Antragstellung am wurde dem Kläger keine mündliche Beratung erteilt, wie das auf den Grenzbetrag anrechenbare Einkommen ermittelt werde, sondern lediglich ein Informationsblatt [Anm: dessen Inhalt zur Gänze festgestellt wurde] ausgehändigt. Schon bei dieser Gelegenheit erkundigte sich der Kläger bei der beklagten Partei, wie es sich damit verhalte, dass er vom 2. 1. bis geringfügig beschäftigt gewesen sei und erhielt die Auskunft, dass dies „kein Problem“ sei, dies würde „gar nicht zählen“. Er war bei der Antragstellung beschäftigungslos und man erklärte ihm, wenn er Arbeit finde, solle er sich wieder melden. Das tat der Kläger, nachdem er ab ein Arbeitsverhältnis angetreten hatte. Bei der beklagten Partei wurde er aber nicht einmal über seine konkreten Einkommensverhältnisse oder sonstige Daten befragt. Es wurde ihm lediglich mitgeteilt, dass er ohnedies dazu verdienen dürfe, wobei ihm wieder der Höchstbetrag von 14.600 EUR ohne jede nähere Erklärung oder Belehrung zur Ermittlung dieses Betrags genannt wurde. Insbesondere erfolgte zu keiner Zeit eine Belehrung zur Aliquotierung dieses Betrags, obwohl von Anfang an der Bezug auf sechs Monate befristet war. Gerade deshalb hatte der Kläger bei der Begründung des Dienstverhältnisses und (auch) in weiterer Folge die beklagte Partei aufgesucht, weil für ihn „das Ganze nicht mehr überblickbar“ war. Aufgrund der erteilten Auskunft hatte der Kläger nie den Eindruck, dass er den Grenzbetrag überschreiten würde.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht das Vorliegen eines Härtefalls wegen Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze. Auch bei Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs habe der Kläger die Überschreitung im Einzelfall nicht erkennen können, weil er überraschend die Vollbeschäftigung verloren und Arbeitslosengeld bezogen habe und zum Teil auch nur geringfügig beschäftigt gewesen sei. Der Berechnungsmodus sei nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs zwar nicht derart unbestimmt, dass er verfassungswidrig sei; allerdings seien Berechnungsschwierigkeiten bei der Beurteilung der Vorhersehbarkeit mitzubedenken, weil der Verfassungsgerichtshof auch ausgesprochen habe, dass die Berechnungsmethode deshalb verfassungskonform sei, weil das Risiko der Rückzahlung durch die Härtefallregelung abgefedert werde. Von einem Bürger, der seine mangelnde Sachkenntnis erkenne, könne man nicht mehr verlangen, als dass er sich bei der zuständigen Gebietskrankenkasse eine Rechtsauskunft hole. Dort sei der Kläger aber mit allgemeinen Aussagen abgespeist worden. Im Merkblatt sei nicht einmal erwähnt, dass das Arbeitslosengeld als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu werten sei. „Der Vollständigkeit halber“ führte das Erstgericht noch aus, dass die beklagte Partei nur die Quote verlangen könne und der Umstand eines rechtskräftigen Zahlungsplans über Einwand im Titelverfahren zu berücksichtigen sei. Nachzügler, die ihre Forderungen erst nach Annahme des Zahlungsplans bekannt gäben, hätten außerdem nur nach Maßgabe der Einkommens und Vermögenslage des Schuldners Anspruch auf die Quote.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichts (dem es die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug) auf. In rechtlicher Hinsicht vertrat es folgenden Standpunkt:

Zur Frage der Rückforderung wegen Unvorhersehbarkeit sei die beklagte Partei mit ihren Ausführungen im Recht. Mit der Behauptung, der Kläger habe sich auf die Auskunft der beklagten Partei verlassen und für ihn sei der Eindruck entstanden, die Zuverdienstgrenze werde nicht überschritten, spreche er nicht das Kriterium der „Unvorhersehbarkeit“ an, sondern den Umstand, dass die Überschreitung nicht verschuldet worden sei, weil er sich auf die Auskunft der beklagten Partei verlassen habe. Der Rückforderungsanspruch sei aber verschuldensunabhängig. Selbst eine durch eine im vorliegenden Fall gar nicht festgestellte unrichtige Rechtsauskunft der beklagten Partei oder durch eine (dem Kläger nicht vorwerfbare) unrichtige Berechnung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte hervorgerufene geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze stelle nach ständiger Rechtsprechung keine „unvorhersehbare“ Überschreitung iSd § 1 lit a KBGG Verordnung dar. Mit dem Kriterium der Unvorhersehbarkeit seien vielmehr nicht zu erwartende Einkünfte, wie etwa die Entlohnung von Supplierstunden, die von einer Lehrerin überraschend gehalten werden müssen, oder Überstunden, die wegen der Kündigung einer Kollegin plötzlich geleistet werden müssen und nicht wie üblich durch Zeitausgleich abgegolten werden, gemeint. Eine Verkomplizierung der Berechnung der Zuverdienstgrenze durch einen Wechsel von Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung falle nicht darunter.

Hinsichtlich der Auswirkungen des Schuldenregulierungsverfahrens vertrete die beklagte Partei weiterhin die Ansicht, der Rückforderungsanspruch entstehe frühestens mit Übermittlung der Einkommensdaten durch die Abgabenbehörde, wobei das Bundesrechenzentrum erst am (lange nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens) die Einkommensdaten des Klägers für das Jahr 2005 übermittelt habe, was ergänzend festzustellen sei. Die beklagte Partei sei daher keine Insolvenzgläubigerin, wäre aber nur als solche zu einem Vorgehen nach § 197 IO verpflichtet gewesen und hätte nur in diesem Fall lediglich Anspruch auf die Quote nach Maßgabe der Einkommens und Vermögenslage des Schuldners.

Dieser Meinung sei nicht zu folgen. Insolvenzforderungen seien gemäß § 51 Abs 1 IO (bzw damals noch inhaltsgleich KO, es werde jedoch der Einfachheit halber der nunmehr geltende Begriff „Insolvenz“ verwendet) Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Schuldner zur Zeit der Insolvenzeröffnung zustehen. Solche Forderungen seien auch bedingte oder betagte Ansprüche. Die Voraussetzungen einer Insolvenzforderung seien dann erfüllt, wenn zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits sämtliche Tatbestandserfordernisse für die Entstehung der Forderung vorhanden seien, möge sie auch noch nicht fällig und vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein. Die Rechtsstellung als Insolvenzgläubiger sei auch unabhängig davon, ob der Gläubiger von seinen Rechten im Insolvenzverfahren, wie etwa der Anmeldung seiner Forderung, Gebrauch mache.

Der Anspruch der beklagten Partei auf Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes stelle einen Bereicherungsanspruch dar, wobei vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Bereicherungsansprüche Insolvenzforderungen seien. Alle Tatbestandselemente (unabhängig vom Eintritt einer allfälligen weiteren Bedingung) dieses Bereicherungsanspruchs seien bereits vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens vorhanden gewesen. § 8 Abs 1 Z 1 KBGG stelle hinsichtlich des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG) auf die steuerpflichtigen Einkünfte während des Anspruchszeitraums ab. Dieser sei bei einem ganzjährigen Bezug von Kinderbetreuungsgeld das Kalenderjahr, ansonsten habe eine Umrechnung der während des Anspruchszeitraums erzielten Einkünfte auf einen fiktiven Jahresbetrag zu erfolgen. Daher sei spätestens mit Ende des Jahres 2005 im konkreten Fall, weil der Kläger nur befristet Betreuungsgeld beantragt habe, eigentlich schon ab August 2005 das relevante Einkommen festgestanden und eine Überschreitung der Zuverdienstgrenze erkennbar gewesen.

Der Rückforderungsanspruch stelle daher eine Insolvenzforderung dar; es komme nämlich auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts an, nicht hingegen auf subjektive Hindernisse in der Sphäre der beklagten Partei. Ihrem Argument, sie habe erst im April 2009 die Einkommensdaten des Klägers vom Bundesrechenzentrum erhalten, sei zu erwidern, dass grundsätzlich den Krankenversicherungsträgern von den Finanzbehörden auf Anfrage die Daten für die Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte EDV mäßig übermittelt würden. Wenn die beklagte Partei mit der Anfrage aus subjektiven Gründen beinahe fünf Jahre zuwarte, ändere das nichts am Charakter als Insolvenzforderung. Kein tragfähiges Argument sei auch, dass Kinderbetreuungsgeldbezieher fünf Jahre Zeit für eine Arbeitnehmerveranlagung hätten. Es sei zwar richtig, dass Werbungskosten (§ 16 EStG) bei Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen seien; allerdings ändere die Abhängigkeit der Höhe des Rückforderungsanspruchs von der Geltendmachung von Werbungskosten im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung nichts am Charakter des Rückforderungsanspruchs als Insolvenzforderung, weil es sich dabei lediglich um eine (unschädliche) Bedingung handle.

Dass § 31 Abs 7 KBGG in der damals geltenden Fassung hinsichtlich der Frist für die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs auf einen Zeitraum von fünf Jahren ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts durch den Krankenversicherungsträger abstellte, sei für die Frage, ob eine Insolvenzforderung vorliege, ohne Bedeutung, weil diese Erleichterung der Rückforderung zugunsten des Kinderbetreuungsgeldträgers einer Verjährungsbestimmung entspreche und damit einen ganz anderen Regelungsinhalt habe als § 51 IO. Ob eine Forderung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehe, habe nichts mit der Frist zu tun, wie lange eine Forderung geltend gemacht werden könne. Der Rückforderungsanspruch der beklagten Partei stelle daher eine nicht angemeldete Insolvenzforderung dar.

Da der Rückforderungsbescheid vom durch Klagseinbringung außer Kraft getreten sei (§ 71 Abs 1 ASGG), liege ein Fall vor, in welchem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein Exekutionstitel erwirkt werde. Daher sei im vorliegenden Titelverfahren gemäß § 197 Abs 1 IO zu prüfen, ob die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote der Einkommens und Vermögenslage des Schuldners entspreche.

Dass die Anmeldung der Forderung aus alleinigem Verschulden des Klägers unterblieben sei, was gemäß § 156 Abs 6 „IO“ zu einer gänzlichen Rückzahlungspflicht führen würde, habe die beklagte Partei nicht behauptet. Abgesehen davon sei eine Verletzung der Mitteilungspflicht des Klägers im Hinblick auf seine mehrfache Kontaktaufnahme mit der beklagten Partei auch nicht ersichtlich. Da es somit auf die Einkommens und Vermögenssituation des Klägers ankomme, dazu aber noch Feststellungen fehlten, sei das Ersturteil mangels Spruchreife aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig, weil zu den Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf den Rückforderungsanspruch gemäß § 31 Abs 2 KBGG höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem auf Klagsabweisung (und Bescheidwiederholung) gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In seiner Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Vorweg ist klarzustellen, dass gemäß § 273 Abs 1 IO die Änderungen dieses Bundesgesetzes durch das IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29), mit in Kraft getreten sind und soweit die folgenden Absätze nichts anderes bestimmen auf Insolvenzverfahren (Konkursverfahren, Sanierungsverfahren) Anwendung zu finden haben, die nach dem eröffnet oder wieder aufgenommen (§ 158 Abs 2 IO) werden. Angesichts der eingangs festgehaltenen Verfahrensdaten sind die materiellrechtlichen Änderungen der KO durch das IRÄG 2010 daher noch nicht anzuwenden (8 Ob 126/10b; 8 Ob 64/11m). Trotz der Unanwendbarkeit der materiellrechtlichen Änderungen der Konkursordnung durch das IRÄG 2010 ist jedoch angesichts des Umstands, dass der hier noch anzuwendende § 51 Abs 1 KO inhaltlich keine Veränderung erfahren hat (wie in den Entscheidungen der Vorinstanzen und den Rechtsmitteln) die neue Terminologie des § 51 Abs 1 IO zu verwenden, wonach Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehen ( Insolvenzgläubiger ) als Insolvenzforderungen bezeichnet werden.

Die Rekurswerberin zieht nicht in Zweifel, dass die Voraussetzungen einer Insolvenzforderung dann erfüllt sind, wenn zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits sämtliche Tatbestandserfordernisse für die Entstehung der Forderung vorhanden sind, mag sie auch noch nicht fällig und vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein (RIS Justiz RS0063809). Sie wendet sich jedoch gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Anspruch der beklagten Partei auf Rückforderung des vom Kläger zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes einen solchen für das Insolvenzverfahren bedeutsamen Bereicherungsanspruch darstelle. Dazu wiederholt die beklagte Partei ihren Standpunkt, dass schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Abs 2 letzter Satz KBGG ein Rückforderungsanspruch frühestens nach „Übermittlung“ des Gesamtbetrags der Einkünfte des Leistungsbeziehers an die beklagte Partei durch die Abgabenbehörde entstehe. Da die Einkommensdaten des Klägers für das Kalenderjahr 2006 der Rekurswerberin unbestrittenermaßen erst im April 2009 bekannt geworden seien, sei der Rückforderungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt entstanden. Mangels Rückforderungsanspruchs zum Zeitpunkt der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens am habe die beklagte Partei keine Insolvenzforderung iSd § 51 Abs 1 IO im Insolvenzverfahren des Klägers anmelden können.

Dieser Rechtsstandpunkt entspreche auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich des sachlich vergleichbaren Rückforderungsanspruchs von Notstandshilfe in der Entscheidung vom zu Zl 2010/08/0080. Auch in diesem Verfahren habe der Beschwerdeführer damit argumentiert, dass es sich bei diesem Rückforderungsanspruch um eine Insolvenzforderung gehandelt hätte, für welche das AMS als Gläubiger gemäß § 197 Abs 1 KO nur Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan auszuzahlende Quote gehabt hätte, soweit dies der Einkommens und Vermögenslage des Beschwerdeführers als Gemeinschuldner entspreche.

Die Vergleichbarkeit der Rückforderungsnorm des § 25 AlVG mit § 31 Abs 2 KBGG, wonach der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten sei, wenn sich ohne dessen Verschulden aufgrund des von der Abgabenbehörde an die beklagte Partei übermittelten Gesamtbetrags der Einkünfte ergebe, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt habe, sei nach dem Inhalt evident. Die sachliche Identität dieser Rückforderungsbestimmung sei aus der Entstehungsgeschichte des KBGG abzuleiten, welches aus einer Weiterentwicklung des (seinerseits aus dem AlVG entwickelten) KGG entstanden sei. Im zitierten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen aus der Arbeitslosenversicherung ungeachtet der fehlenden Bescheidpflicht bei der antragsgemäßen Leistungsgewährung (§ 47 Abs 1 AlVG) eine in Bescheidform zu erlassende Neufeststellung bzw den Widerruf der Leistung iSd § 24 Abs 1 oder 2 AlVG voraussetze und erst der bescheidmäßig ausgesprochene Widerruf bei Vorliegen der weiteren in § 25 AlVG genannten Voraussetzungen den Rückforderungsanspruch begründe (über den zugleich mit dem Widerruf bescheidmäßig entschieden worden sei).

Genau wie in diesem Fall sei auch hier der verfahrensgegenständliche Rückforderungsanspruch erst mit Erlassung des angefochtenen Bescheids, also weit nach der Konkurseröffnung, entstanden. Ein Vorgehen gemäß § 197 Abs 1 IO sei daher nicht geboten. Da das Berufungsgericht zu Recht festgestellt habe, dass die Überschreitung der Zuverdienstgrenze für den Kläger nicht unvorhersehbar gewesen sei, sei die beklagte Partei zur Rückforderung des gesamten bezogenen Kinderbetreuungsgeldes berechtigt.

Die Rekursbeantwortung hält dem lediglich entgegen, es werde „aus prozessualer Vorsicht“ auch vorgebracht, dass der von der beklagten Partei erhobene Rekurs verspätet erhoben worden sei. Der Kläger vertrete den Standpunkt, dass „vor Insolvenzeröffnung die Überschreitung der Zuverdienstgrenze für die beklagte Partei erkennbar war und eine Insolvenzforderung darstellt“. Die im Rekurs zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil der dortige Antragsteller seine selbständige Erwerbstätigkeit dem AMS nicht bekannt gegeben habe; demgegenüber habe der Kläger mehrfach Kontakt mit der beklagten Partei aufgenommen und dieser „nichts verschwiegen“, sondern immer wieder Rücksprache gehalten.

Diesen Ausführungen ist vorerst zu erwidern, dass der Beschluss des Berufungsgerichts am elektronisch an den Beklagtenvertreter zugestellt wurde. Der ebenfalls elektronisch eingebrachte Rekurs der beklagten Partei gegen diesen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wurde am (innerhalb der vierwöchigen Rekursfrist gemäß § 521 Abs 1 Satz 2 ZPO) erhoben und ist daher entgegen dem in der Rekursbeantwortung vertretenen Standpunkt nicht verspätet.

Den Rekursausführungen der beklagten Partei ist hingegen wie sich bereits aus 10 ObS 54/10d ergibt zu folgen.

1. Demnach enthält das KBGG in § 31 nämlich folgende eigene Rückforderungsbestimmungen:

1.1. Nach dem ersten Absatz des § 31 KBGG ist der Leistungsbezieher im Fall der Einstellung, der Herabsetzung, des Widerrufs oder der Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

1.2. Darüber hinausgehend sieht § 31 Abs 2 KBGG eine Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann vor, wenn rückwirkend Tatsachen festgestellt werden, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„ Die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung besteht auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde , bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht oder die zur Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrages der Einkünfte (§ 8) erforderliche Mitwirkung trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist verweigert wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrages der Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat. “

2. Im vorliegenden Fall kommt allein der Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 KBGG in Betracht, wobei entscheidende Bedeutung dem Merkmal der „ rückwirkenden Feststellung “ von Tatsachen, die einem Anspruch entgegenstehen, zukommt. Die vom Kläger ins Spiel gebrachten verschuldensbezogenen Kriterien des § 31 Abs 1 KBGG (zB unwahre Angaben [„nichts verschwiegen“] bzw Erkennenmüssen des Fehlens eines Leistungsanspruchs) haben für die Auslegung des § 31 Abs 2 KBGG keine Bedeutung (10 ObS 54/10d).

3. Wie in der zitierten Entscheidung bereits ausgesprochen wurde, gelten nach der Lehre als „rückwirkend festgestellte Tatsachen“ alle für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblichen Umstände, die erst zu einem nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt festgestellt wurden ( Ehmer ua, Kinderbetreuungsgeld² 230). Für diese Ansicht spricht, dass Abs 2 - auch in Abgrenzung zu Abs 1 - eine objektive Rückzahlungsverpflichtung normiert (so bereits RIS-Justiz RS0124064), die nur davon abhängt, dass sich nachträglich eine (ursprünglich nicht bekannte) Tatsache herausstellte , bei deren Vorliegen kein Anspruch auf die Leistung besteht (10 ObS 54/10d).

4. Der Umstand, dass es beim Kläger an einer der Anspruchsvoraussetzungen für das Kinderbetreuungsgeld fehlte, ist unstrittig: hat doch gemäß § 2 Abs 1 Z 3 idF bis der Elternteil nur dann Anspruch für sein Kind, „ sofern die maßgeblichen Einkünfte im Kalenderjahr den Grenzbetrag von 14.600 EUR nicht übersteigen “.

5. Die Rückzahlungsverpflichtung nach § 31 Abs 2 KBGG setzt aber voraus, dass „ rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht “. Es besteht daher auch dann kein Rückforderungsanspruch nach § 31 Abs 2 KBGG, wenn dem Krankenversicherungsträger bei der Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes bereits alle für die Gewährung maßgebenden Umstände bekannt waren und er (etwa aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht oder einer unrichtigen Berechnung) trotzdem das Kinderbetreuungsgeld auszahlt, falls er nachträglich die Unrichtigkeit der Gewährung bemerkt (RIS-Justiz RS0126122; 10 ObS 54/10d). Hier ist auch auf die Bestimmung des § 30 Abs 2 KBGG zu verweisen (auf den die beklagte Partei im angefochtenen Bescheid den Widerruf der Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes stützt), der diese Frage wie folgt regelt: „ Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung einer Leistung nach diesem Bundesgesetz nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt , ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. “

5.1. Der Widerrufsgrund muss sich also, um Grundlage für eine Rückforderung bilden zu können wie bereits zu P 3. ausgeführt , erst nachträglich herausgestellt haben (RIS-Justiz RS0126122; 10 ObS 54/10d). Ein solcher Grund für die Rückforderung liegt hier im Bekanntwerden des Ausmaßes der Einkünfte des Klägers aus dem Jahr 2005 („ auf Grund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrages “ [§ 31 Abs 2 KBGG]), das unstrittig erst im Jahr 2009, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrat.

5.2. Nach diesen Grundsätzen kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, im vorliegenden Fall wären bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am ) sämtliche Tatbestandserfordernisse für den Rückforderungsanspruch der beklagten Partei erfüllt gewesen; muss sich doch der Widerrufsgrund, um Grundlage für eine Rückforderung bilden zu können, jeweils „ nachträglich herausgestellt haben “ (RIS-Justiz RS0126122), was hier zum genannten Zeitpunkt eindeutig noch nicht der Fall war.

5.3. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die von der beklagten Partei zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach erst der bescheidmäßig ausgesprochene Widerruf der zuerkannten Leistung (hier: Kinderbetreuungsgeld) den Rückforderungsanspruch begründet: handelte es sich doch bei der gegenständlichen Rückforderung schon aus den in P 5. bis 5.2. dargelegten Gründen um keine Insolvenzforderung, weshalb ihre Anmeldung nicht notwendig war.

5.4. Der Rekurs ist mit dem Abänderungsantrag erfolgreich, weil die Anspruchsberechtigung des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld zu verneinen ist und die Ansicht des Berufungsgerichts, selbst eine durch eine (im vorliegenden Fall gar nicht festgestellte) unrichtige Rechtsauskunft der beklagten Partei oder durch eine (dem Kläger nicht vorwerfbare) unrichtige Berechnung des maßgebenden Gesamtbetrags der Einkünfte hervorgerufene geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze stelle noch keine „unvorhersehbare“ Überschreitung der Zuverdienstgrenze iSd § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung dar, mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang steht (10 ObS 37/11f mwN; vgl auch 10 ObS 66/11w).

5.5. Es kann daher zufolge Spruchreife gleich in der Sache selbst im klagsabweisenden Sinn (und auch bescheidwiederholend) erkannt werden (10 ObS 11/11g), weil mit der Erhebung des Rekurses die Entscheidungskompetenz auf den Obersten Gerichtshof übergegangen ist (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO;10 ObS 25/11s; 10 ObS 125/08t). Dem Kläger bleibt es unbenommen, im nachgeschalteten Verwaltungsverfahren gemäß § 1 lit b der KBGG Härtefälle Verordnung nach Vorliegen des rechtskräftigen Urteils die Gewährung von Zahlungserleichterungen (Ratenzahlung) beim Versicherungsträger zu beantragen (vgl RIS Justiz RS0124750).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.