VfGH vom 14.03.2001, b98/99

VfGH vom 14.03.2001, b98/99

Sammlungsnummer

16131

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Festlegung einer zehnjährigen Beobachtungsphase vor der gesetzlichen Anerkennung von Anhängern eines Religionsbekenntnisses als Religionsgesellschaft im Hinblick auf das Gleichheitsrecht und die Religionsfreiheit; öffentliches Interesse an einer Rechtsaufsicht auch für rechtlich existente Bekenntnisgemeinschaften während dieser Phase; Abmilderung der potentiellen Verschlechterung der Rechtsposition gesetzlich nicht anerkannter religiöser Gesellschaften durch eine Übergangsbestimmung hinsichtlich der Erlangung von Rechtspersönlichkeit auch aufgrund der alten Rechtslage nach dem Anerkennungsgesetz gestellter Anträge

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verfassungsgerichtshof verweist zunächst auf die Sachverhaltsdarstellung einschließlich der Schilderung des Verwaltungsgeschehens sowie vorangegangener Verfahren in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses B2287/97 vom (= VfSlg. 15.124/1998), mit welchem er den Bescheid der Bundesministerin (damals:) für

Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufhob. Mit diesem Bescheid hatte die Bundesministerin den Antrag der Beschwerdeführer zu 1) bis 4) auf Anerkennung der Religionsgemeinschaft "Jehovas Zeugen" als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft im Sinne des Gesetzes betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. 68/1874 (im folgenden: AnerkennungsG), abgewiesen.

2. Mit trat das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I 19/1998 (im folgenden: BekGG), in Kraft. Nach dem zweiten Satz des § 11 Abs 2 dieses Gesetzes gelten Anträge auf Anerkennung als Religionsgesellschaft als Anträge im Sinne des § 3 BekGG, wobei der Tag des Inkrafttretens des BekGG als Tag der Einbringung zu gelten hat.

In Anwendung dieser Bestimmung wertete die Bundesministerin in der Folge den Antrag auf Anerkennung der "Zeugen Jehovas" im fortgesetzten Verfahren als Antrag auf Anerkennung nach § 3 BekGG und stellte mit dem - unbekämpft gebliebenen - Bescheid vom fest, daß die Religionsgemeinschaft "Jehovas Zeugen" als religiöse Bekenntnisgemeinschaft gemäß § 2 Abs 1 BekGG Rechtspersönlichkeit erworben habe.

3. Den sodann von den Proponenten sowie der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Jehovas Zeugen" eingebrachten weiteren Antrag vom auf gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft gemäß § 2 AnerkennungsG wies die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten mit Bescheid vom unter Bezugnahme auf § 11 Abs 1 Z 1 BekGG ab und begründete dies im wesentlichen damit, daß die in dieser Gesetzesstelle festgelegte zusätzliche Voraussetzung für eine Anerkennung, nämlich der 10-jährige Bestand als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit, nicht erfüllt sei.

4. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die von den schon im Verfahren B2287/97 eingeschrittenen vier Beschwerdeführern und weiters von der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Jehovas Zeugen" erhobene Beschwerde nach Art 144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung des für verfassungswidrig erachteten § 11 Abs 1 Z 1 BekGG geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

b) Die belangte Behörde erstattete eine

Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat

über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der bekämpfte Bescheid der Bundesministerin stützt sich insbesondere auf die Bestimmung des § 11 Abs 1 Z 1 BekGG. Mit dieser Bestimmung, die sich als lex fugitiva zum AnerkennungsG erweist, wurde dieses Gesetz insofern geändert, als in Hinkunft Anhängern eines Religionsbekenntnisses die Anerkennung als Religionsgesellschaft nur mehr unter der (zusätzlichen) Voraussetzung zu erteilen ist, daß die Religionsgemeinschaft vor ihrer Anerkennung durch zehn Jahre hindurch als Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit im Sinne des BekGG Bestand hatte. Dies soll es der Kultusbehörde ermöglichen, das Verhalten der Religionsgemeinschaft durch zehn Jahre hindurch dahingehend zu beobachten, ob sie sich im Hinblick auf ihre Lehre und deren Anwendung in die bestehende Rechtsordnung einzugliedern bereit ist. Dabei ist - wie sich aus § 5 Abs 1 Z 1 iVm § 9 Abs 2 BekGG ergibt - insbesondere auch zu beobachten, ob die Gefahr besteht, daß die Religionsgemeinschaft ein gesetzwidriges Verhalten bestimmter Art an den Tag legt: dies ist etwa bei Aufforderung zu einem strafbaren Verhalten, bei Behinderung der psychischen Entwicklung von Heranwachsenden, bei Verletzung der psychischen Integrität und bei Anwendung psychotherapeutischer Methoden, insbesondere zum Zwecke der Glaubensvermittlung, gegeben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , B1713/98, B66/99).

2. Soweit in der Beschwerde die Verfassungswidrigkeit der angewendeten Rechtsvorschriften, insbesondere des § 11 Abs 1 Z 1 BekGG und eine verfassungswidrige Anwendung dieser Bestimmung behauptet wird, ist auf die eben zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom zu verweisen: Aus den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ergibt sich, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit der von der Behörde angewendeten Bestimmungen des § 11 BekGG in dem von der Behörde angenommenen Inhalt keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Soweit der belangten Behörde - sub titolo einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes - Willkür vorgeworfen wird, ist die Beschwerde ebenfalls nicht im Recht: Sie meint nämlich, daß die Behörde schon aufgrund der bereits viele Jahrzehnte währenden Tätigkeit der Zeugen Jehovas entscheiden hätte können, ob die gesetzlich geforderten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen und daß die Behörde insofern das Vorbringen im Antrag schlechthin ignoriert hätte. Die Beschwerde verkennt dabei freilich, daß § 11 Abs 1 Z 1 BekGG nicht bloß die Beobachtung des faktischen Verhaltens von religiösen Gemeinschaften genügen läßt, sondern an die Möglichkeit der Beobachtung einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten, bestimmten rechtlichen Pflichten und einer dementsprechenden Rechtsaufsicht unterliegenden Gemeinschaft anknüpft; gegen eine Vorschrift dieses Inhalts bestehen aber - wie sich ebenfalls aus dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom ergibt - keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgsetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen, was gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.