VfGH vom 27.11.2000, b98/00
Sammlungsnummer
15993
Leitsatz
Aufhebung eines Bescheides der Bundesschiedskommission wegen objektive Willkür begründender Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde; zulässige Koppelung von kurativem Einzelvertrag und Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrag auch bezüglich des Erlöschens des Vertragsverhältnisses
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Schriftsatz vom beantragte die Kärntner Gebietskrankenkasse (in Hinkunft: Gebietskrankenkasse) bei der Landesschiedskommission für Kärnten, diese möge feststellen,
"daß § 23 Abs 5 des VU-Gesamtvertrages de(m) ASVG, insbesondere dem § 343a ASVG, entspricht".
§ 23 Abs 5 Vorsorgeuntersuchungs-Gesamtvertrag bestimmt, daß das Einzelvertragsverhältnis ua. in jenen Fällen erlischt, in denen ein kurativer Einzelvertrag gemäß § 343 Abs 4 ASVG gekündigt wird. Ihren nunmehrigen Feststellungsantrag begründete die Gebietskrankenkasse damit, daß die in Rede stehende Bestimmung des Vorsorgeuntersuchungs-Gesamtvertrages im Verhältnis zur Ärztekammer für Kärnten strittig geworden sei.
1.2. Die Landesschiedskommission für Kärnten entschied nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid vom , den Antrag als unbegründet abzuweisen.
1.3. Die Gebietskrankenkasse erhob dagegen Berufung an die Bundesschiedskommission, die dieses Rechtsmittel jedoch mit Bescheid vom als unbegründet abwies und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte.
In der Begründung ihres Berufungsbescheides führt die Bundesschiedskommission im wesentlichen folgendes aus:
"Entgegen der weiterhin vertretenen Ansicht der Antragstellerin ist im § 343a Abs 2 ASVG keine zwingende Kombination von Einzelverträgen nach § 343a ASVG und § 343 ASVG vorgesehen. Jeder freiberuflich tätige Arzt hat Anspruch auf Abschluss eines Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages. Der Krankenversicherungsträger kann zwar den Abschluss eines solchen Einzelvertrages davon abhängig machen, dass der Arzt auch einen kurativen Vertrag im Sinne des § 343 ASVG abschließt; er muss es aber nicht. Nach dem Gesetz kann es daher durchaus freiberuflich tätige Ärzte ohne einen Vertrag nach § 343 ASVG, aber mit einem Vertrag nach § 343a ASVG geben. § 343a Abs 1 und 2 ASVG enthält selbst keinerlei Regelung über ein allfälliges Erlöschen eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Gemäß § 343a Abs 3 ASVG gelten vielmehr die Bestimmungen der §§338 bis 351 ASVG sinngemäß und sohin sind dafür allein die Erlöschensgründe des § 343 Abs 2 ASVG maßgeblich.
Dem § 343 Abs 2 ASVG ist aber der von der Antragstellerin behauptete Erlöschensgrund nicht zu entnehmen. Erlöschen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Vertragsverhältnis bei Zutreffen der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen automatisch endet, ohne dass es einer Kündigung oder einer sonstigen Beendigungserklärung bedarf. Entgegen der Ansicht der Berufungswerberin ist die Aufzählung der Erlöschensgründe im § 343 Abs 2 ASVG taxativ (vgl EB 599 BeilNR 7. GP 102; Mosler in Strasser, Arzt und gesetzliche Krankenversicherung
7.3.7.1 mwH; Jabornegg/Resch/Seewald, Der Vertragsarzt ... 196). Den §§341 ff ASVG kommt insoweit auch zwingende Wirkung zu(,) und die darin enthaltene Ermächtigung an die Vertragspartner erlaubt keine beliebige Erweiterung des Inhaltes eines Gesamtvertrages durch die Gesamtvertrags-Parteien (Mosler aaO 7.1.1 und 7.3.1 mwH). Eine Abschwächung des Kündigungsschutzes im Gesamtvertrag würde nämlich dem Schutzzweck zu Gunsten der Ärzte zuwiderlaufen (Mosler aaO 273).
Den Parteien des Gesamtvertrages ist es demnach verwehrt, weitere Erlöschensgründe zu vereinbaren. Soweit die Antragstellerin meint, die Aufzählung der Endigungsgründe könne schon deshalb nicht taxativ sein, weil es unbestritten überdies noch eine einvernehmliche Auflösung des Einzelvertrages oder den Verzicht auf die Fortsetzung des Einzelvertragsverhältnisses gebe, verkennt sie elementare Grundsätze des Vertragsrechts. Eine einvernehmliche Auflösung wird ebenso wie ein Verzichtsvertrag als zweiseitiger Vertrag auch vom rechtsgeschäftlichen Willen des Betroffenen getragen, während ein Erlöschen des Vertragsverhältnisses ohne jegliche Willensbildung und ohne Einfluß des Betroffenen erfolgt.
§ 2(3) Abs 5 des Vorsorgeuntersuchungs-Gesamtvertrages entspricht daher, soweit er die Kündigung des kurativen Einzelvertrages als Erlöschensgrund für den Vorsorgeuntersuchungs-Gesamtvertrag vorsieht, nicht nur nicht dem § 343a ASVG, sondern steht auch im Widerspruch zu den zwingenden Bestimmungen des § 343 ASVG (in diesem Sinn auch die Entscheidung der Landesberufungskommission für Kärnten vom SSV-NF 11/B3); diese Bestimmung verstößt somit gegen ein gesetzliches Verbot und ist folglich nichtig (§879 Abs 1 ABGB)."
2.1. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art 144 B-VG. Darin behauptet die Gebietskrankenkasse, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein, und beantragt, den angefochtenen Bescheid seinem gesamten Umfange nach kostenpflichtig aufzuheben.
Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Die Begründung des Bescheides der Bundesschiedskommission (...) ist (...) völlig einseitig (willkürlich)(,) weil sich die Bundesschiedskommission mit den Gründen, die für die Bejahung des geltend gemachten Anspruches sprechen, überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Nicht erörtert wurde beispielsweise das Argument, daß was Anlaß des Feststellungsantrages der Kärntner Gebietskrankenkasse gebildet hat, es vorkommt, daß niedergelassene Ärzte, die auf Grund des Bestandes eines kurativen Vertrages zum Abschluß eines Vertrages gemäß § 343a ASVG kommen, sodann selbst den kurativen Vertrag aufkündigen, den Vor(sorge)untersuchungs-Einzelvertrag aber behalten wollen, ferner, daß in einem solchen Fall - nämlich bei Eigenaufkündigung des kurativen Vertrages durch einen Arzt (-) eine Kündigungsbeschränkung für die Gebietskrankenkasse widersinnig wäre, weil eine soziale Härte einen Arzt, der selbst den kurativen Vertrag aufgibt, gar nicht mehr treffen könnte.
Die auf Seite 3 des bekämpften Bescheides zu entnehmenden Ausführungen, daß die Aufzählung der Erlöschensgründe im § 343 Abs 2 ASVG taxativ sei und daß die Ermächtigung der §§341 ff ASVG an die Vertragspartner keine beliebige Erweiterung des Inhaltes eines Gesamtvertrages durch die Gesamtvertragspartei(en) zulasse, steht nämlich mit dem Gesetz im Widerspruch, ohne daß die Bundesschiedskommission auf diesen Widerspruch überhaupt eingegangen wäre: Gemäß § 342 (1) ASVG haben die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln: ... 2. die Auswahl der Vertragsärzte, Abschluß und Lösung der mit diesen zu treffenden Abmachungen (Einzelverträge); ...
Das Gesetz bestimmt somit unmißverständlich, daß es den Partnern des Gesamtvertrages nicht nur möglich ist(,) sondern sogar zwingend aufgetragen wird, in den Gesamtvertrag Bestimmungen über Abschluß und Lösung der mit den Vertragsärzten zu treffenden Abmachungen in den Einzelverträgen zu vereinbaren. Dies steht in einem von der Bundesschiedskommission nicht einmal erwähnten eklatanten Gegensatz zur Behauptung, daß die Aufzählung der Erlöschensgründe im § 343 Abs 2 ASVG taxativ sei, dies umso mehr, als die Spezialbestimmung des § 343a (2) von einem Erlöschen des Anspruches des freiberuflich tätigen Arztes auf einen Einzelvertrag für die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen dann spricht, wenn der Einzelvertrag oder ein nach § 343 abgeschlossener Einzelvertrag wirksam gekündigt wurde. Die Zitierung der Bestimmungen der §§338-351, also mithin auch des § 343 Abs 2 ASVG findet sich im darauf folgenden dritten Absatz des § 343a(,) und zwar dahin, daß 'im übrigen' (also falls nicht im vorigen Absatz speziell etwas anderes geregelt ist), die Bestimmungen der §§338-351 'sinngemäß' gelten, soweit in den Absätzen 1 und 2 nichts anderes bestimmt ist."
2.2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die §§341 ff des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben - soweit hier relevant - samt Überschriften folgenden Wortlaut:
"Gesamtverträge
§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.
(2) (aufgehoben)
(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.
(4) ...
Inhalt der Gesamtverträge
§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:
1. ...;
2. die Auswahl der Vertragsärzte, Abschluß und Lösung der mit diesen zu treffenden Abmachungen (Einzelverträge);
...
Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und Auflösung des
Vertragsverhältnisses
§343. (1) Die Auswahl der Vertragsärzte und der Abschluß der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt erfolgt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Diese Einzelverträge sind sodann für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie für die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues und für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wirksam. Einzelverträge, die nicht im Rahmen der jeweils nach § 342 Abs 1 Z 1 vereinbarten Zahl und örtlichen Verteilung abgeschlossen werden, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Hauptverbandes und der zuständigen Ärztekammer, bei Nichteinigung der Zustimmung des Hauptverbandes und der Österreichischen Ärztekammer. Mit approbierten Ärzten (§3c des Ärztegesetzes 1984) kann kein Einzelvertrag abgeschlossen werden, es sei denn, der Arzt hat gemäß Artikel 36 Abs 2 der Richtlinie 93/16/EWG das Recht erworben, den ärztlichen Beruf als praktischer Arzt im Rahmen eines Sozialversicherungssystems auszuüben.
(2) Das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und dem Träger der Krankenversicherung erlischt ohne Kündigung im Falle:
1. der Auflösung des Trägers der Krankenversicherung;
2. des Wirksamwerdens gesetzlicher Vorschriften, durch die die Tätigkeit des Trägers der Krankenversicherung entweder eine vrtliche oder eine sachliche Einschränkung erfährt, in deren Folge die Tätigkeit als Vertragsarzt nicht mehr in Frage kommt;
3. des Todes des Vertragsarztes, wobei die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Honoraransprüche des Arztes auf die Erben übergehen;
4. der rechtskräftigen Verurteilung des Vertragsarztes
a) wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe oder
b) wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung;
5. einer im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes wegen groben Verschuldens strafgerichtlichen rechtskräftigen Verurteilung;
6. eines wiederholten rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils, in welchem ein Verschulden des Vertragsarztes im Zusammenhang mit der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit festgestellt wird.
(3) Der Träger der Krankenversicherung ist zur Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem Vertragsarzt verpflichtet, wenn der Arzt die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes verliert oder wenn ihm diese Berechtigung von Anfang an fehlte oder wenn einvernehmlich mit der zuständigen Ärztekammer festgestellt wird, daß die Voraussetzungen, die zur Bestellung des Vertragsarztes erforderlich sind, von Anfang an nicht gegeben waren.
(4) ..."
1.2.1. Gemäß § 132b Abs 1 ASVG haben die Versicherten für sich und ihre Angehörigen (§123 ASVG) Anspruch auf jährlich eine Vorsorge(Gesunden)untersuchung.
1.2.2. § 343a ASVG lautet:
"Gesamtvertrag für die Durchführung der Untersuchungen nach den
§§132a und 132b sowie der sonstigen Maßnahmen zur Erhaltung der
Volksgesundheit nach § 132c Abs 1 Z 1
§343a. (1) Zwischen dem Hauptverband und der Österreichischen Ärztekammer ist ein für die Vertragsparteien verbindlicher Gesamtvertrag abzuschließen, der die Durchführung der Untersuchungen nach den §§132a und 132b sowie der sonstigen Maßnahmen zur Erhaltung der Volksgesundheit nach § 132c Abs 1 Z 1 regelt und der die Vergütung der ärztlichen Leistungen vorsieht; dieser Gesamtvertrag bedarf der Zustimmung der beteiligten Träger der Krankenversicherung und der beteiligten Ärztekammern.
(2) Jeder freiberuflich tätige Arzt hat Anspruch auf Abschluß eines Einzelvertrages im Sinne des Gesamtvertrages nach Abs 1. Der Krankenversicherungsträger kann nach Maßgabe des § 343 Abs 1 den Abschluß dieses Einzelvertrages davon abhängig machen, daß der Arzt auch einen Vertrag im Sinne des § 343 abschließt. Lehnt der Arzt einen solchen Vertragsabschluß ab, so erlischt sein Anspruch. Der Anspruch erlischt ferner, wenn der Einzelvertrag oder ein nach § 343 abgeschlossener Einzelvertrag wirksam gekündigt wurde, gemäß § 343 Abs 2 ohne Kündigung erloschen oder gemäß § 343 Abs 3 aufgelöst worden ist.
(3) Im übrigen gelten die Bestimmungen der §§338 bis 351 sinngemäß, soweit in den Abs 1 und 2 nichts anderes bestimmt ist."
1.3. Die §§345a und 346 ASVG lauten - soweit hier relevant - samt Überschriften wie folgt:
"Landesschiedskommission
§345a. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesschiedskommission zu errichten. ...
(2) Die Landesschiedskommission ist zuständig:
1. zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages und
2. ...
(3) Gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission kann Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden."
Bundesschiedskommission
§346. (1) Zur Entscheidung über Berufungen, die gemäß § 345a Abs 3 erhoben werden, ist eine Bundesschiedskommission zu errichten."
2.1. Die Beschwerde wirft keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften auf; solche Bedenken sind auch beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden.
2.2.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg 10338/1985, 11213/1987).
Eine - objektive Willkür begründende - Verkennung der Rechtslage ist der belangten Behörde hier in der Tat anzulasten:
2.2.2. Die belangte Behörde meint, es sei dem Krankenversicherungsträger zwar erlaubt, den Abschluß eines Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages vom Abschluß eines kurativen Einzelvertrages abhängig zu machen. Aus § 343 Abs 2 ASVG schließt die Behörde jedoch, daß es den Parteien des Gesamtvertrages verwehrt sei, weitere Erlöschensgründe zu vereinbaren, (weshalb eine Verknüpfung des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages mit dem kurativen Einzelvertrag offenbar nicht im Rahmen des Gesamtvertrages vereinbart werden könne). Zu § 343a Abs 1 und 2 ASVG äußert sich die Behörde dahin, daß diese Bestimmungen "keinerlei Regelung über ein allfälliges Erlöschen eines bestehenden Vertragsverhältnisses" enthielten, weshalb (auch) die Beendigung eines Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages allein nach § 343 Abs 2 ASVG zu beurteilen sei.
2.2.3. Die belangte Behörde übersieht zunächst, daß dem Krankenversicherungsträger auf dem Boden des § 343a Abs 2 ASVG die Gestaltungsfreiheit zukommt, den Abschluß eines Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages nicht bloß anläßlich des jeweiligen Einzelvertragsschlusses, sondern auch generell, im Rahmen des Gesamtvertrages, vom Bestehen eines kurativen Einzelvertrages abhängig zu machen:
Die gesetzliche Verweisung "nach Maßgabe des § 343 Abs 1" bindet den Krankenversicherungsträger nämlich bloß an die Bestimmungen des Gesamtvertrages und an das Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Diese Verweisung zeigt - und keine gesetzliche Bestimmung spricht dagegen -, daß die Parteien des Gesamtvertrages schon im Gesamtvertrag die für Vertragsärzte gesetzlich zulässige Koppelung von kurativem Einzelvertrag und Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrag vorsehen können. Bereits dieses gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Recht, eine Koppelung zweier Verträge zu statuieren, begreift nicht allein die Regelung des Abschlusses in sich, sondern auch jene des Erlöschens der in Rede stehenden Verträge.
2.2.4. Bei der Beurteilung der Frage, ob vor dem Hintergrund der gesetzlich zulässigen Koppelung eines Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages an das Bestehen eines kurativen Einzelvertrages die Gesamtvertragsparteien eine Regelung über das Erlöschen des ersteren im Falle der Beendigung des zuletzt genannten Vertrages schaffen dürfen, hat die belangte Behörde - wenn sie die Auffassung vertritt, § 343a ASVG treffe keine Regelung über das Erlöschen eines bestehenden Vertragsverhältnisses - überdies die Bestimmung des § 343a Abs 2 vierter Satz ASVG außer acht gelassen, welche lautet:
"Der Anspruch erlischt ferner, wenn der Einzelvertrag oder ein nach § 343 abgeschlossener Einzelvertrag wirksam gekündigt wurde, gemäß § 343 Abs 2 ohne Kündigung erloschen oder gemäß § 343 Abs 3 aufgelöst worden ist."
Die Wendung "(d)er Anspruch" kann sich dabei nicht nur auf den Abschluß eines (noch nicht bestehenden) Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages beziehen, wird doch ein solcher Vertrag im Zeitpunkt der Beendigung eines kurativen Einzelvertrages idR bereits bestehen, sondern auch auf den im Falle des Erlöschens des kurativen Einzelvertrages wohl vorrangig interessierenden Gesichtspunkt des Anspruches auf Fortbestand des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages.
Soweit daher das Recht der Gesamtvertragsparteien, eine - zulässige - Koppelung des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages mit dem kurativen Einzelvertrag derart abzusichern, daß es im Falle der Beendigung des kurativen Einzelvertrages selbsttätig zu einem Erlöschen des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages kommt, nicht ohnehin schon aus den zuvor erwähnten Gründen aus § 343a Abs 2 zweiter Satz ASVG abzuleiten ist, beseitigt das allein naheliegende Verständnis des vierten Satzes des § 343a Abs 2 ASVG die letzten Zweifel.
Die von der belangten Behörde ausschließlich näher in Betracht gezogene Bestimmung des § 343 Abs 2 ASVG erweist sich somit als nicht einschlägig.
2.3. Dadurch, daß die belangte Behörde - in Verfolg eines schon durch den Wortlaut des § 343a Abs 2 ASVG widerlegten Verständnisses des § 343 Abs 2 ASVG - verkannt hat, daß die erstgenannte Bestimmung als Rechtsgrundlage für die strittige Gesamtvertragsnorm in Betracht zu ziehen ist, hat sie im Sinne der zuvor zitierten hg. Rechtsprechung (objektive) Willkür geübt und die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse in ihrem durch Art 7 Abs 1 B-VG iVm Art 2 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten sind S 4.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefällt werden (§19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953).