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VfGH vom 30.01.1981, B95/79

VfGH vom 30.01.1981, B95/79

Sammlungsnummer

9009

Leitsatz

Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; Begriff der forstwirtschaftlichen Grundstücke (Waldgrundstücke); keine Bedenken gegen § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc; keine denkunmögliche Anwendung; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom vom Beteiligten H.S. die Liegenschaft EZ 217 II KG L., bestehend aus der Gp. 2334 Wald im Ausmaß von 8.448 Quadratmeter. Im Kaufvertrag wird ausgeführt, daß der Verkäufer "den Beruf eines Professors in W. ausübt und die verkaufte Liegenschaft nicht landwirtschaftlich genutzt wurde".

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde L. vom 3. Feber 1978, IG-486/77, wurde diesem Kaufvertrage gemäß § 6 Abs 1 litc des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 4/1971 idF LGBl. 6/1974 (künftig: GVG), die Zustimmung versagt.

2. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung gab mit Bescheid vom , Z LGv-83/5, der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt:

Auf Grund einer Äußerung der Bezirksforstinspektion Kufstein stehe fest, daß es sich bei dem Kaufgrundstück um eine normal nutzbare Waldparzelle handle, bei der wegen der Windgefährdung des Waldgebietes nur Nutzungen in entsprechenden zeitlichen Abständen in Frage kämen. Der Beschwerdeführer verfüge weder im Bereich der Bezirksforstinspektion Kufstein noch in der Gemeinde L. über einen sonstigen Waldbesitz, er besitze auch keinen Betrieb, in dessen Rahmen von ihm die Waldparzelle selbst bewirtschaftet werden könnte. Da eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Kaufgrundstückes nur im Rahmen eines bereits bestehenden land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bzw. eines größeren Waldbesitzes möglich sei, erfülle die beabsichtigte Eigentumsübertragung den Versagungstatbestand des § 6 Abs 1 litc GVG. Daran ändere nichts, daß auch der Verkäufer über keinen entsprechenden Betrieb verfüge, da nur entscheidend sei, ob der Erwerber die Liegenschaft selbst bewirtschaften werde.

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Der Beschwerdeführer macht vorerst geltend, daß er durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht ua. dann verletzt, wenn sich die Behörde eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit zur Fällung einer Sachentscheidung anmaßt (VfSlg. 7106/1973).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Kaufvertrages verweigert und damit eine Sachentscheidung gefällt. Wäre die Grundverkehrsbehörde zur Fällung einer Sachentscheidung nicht zuständig gewesen, so wäre der Beschwerdeführer im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Den Bestimmungen des GVG unterliegen gemäß § 1 Abs 1 Z 1 land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, wobei für die Beurteilung, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches ist, nicht seine Bezeichnung im Steuer- oder Grenzkataster, sondern seine Beschaffenheit oder seine bisherige Verwendung maßgebend sind.

Wie der VfGH in dem zum Tir. Grundverkehrsgesetz ergangenen Erk. VfSlg. 7898/1976 ausgesprochen hat, ist bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber unter den Gesichtspunkten des Grundverkehrs (soweit es sich um den Rechtserwerb durch Inländer handelt) nur den Verkehr mit solchen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen darf, die gegenwärtig einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, und daß er zwecks Hintanhaltung von Umgehungshandlungen Grundstücke, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, dann in die Grundverkehrsregelung einbeziehen kann, wenn der Entfall der Widmung lediglich eine aus diesem Zweck erklärbare Zeit zurückliegt (VfSlg. 7538/1975).

b) Der Beschwerdeführer vermeint, die Grundverkehrsbehörde habe ihre Zuständigkeit deshalb zu Unrecht in Anspruch genommen, weil sie sich lediglich dafür interessiert habe, ob das Kaufgrundstück land- und forstwirtschaftlich genutzt werden könne, nicht aber, ob es land- oder forstwirtschaftlich genutzt werde. Aus den Ermittlungen im Zusammenhang mit der aktenkundigen Tatsache, daß es sich beim Verkäufer um einen Lehrer handle, ergebe sich, daß das Kaufgrundstück zumindest derzeit einer land- bzw. forstwirtschaftlichen Nutzung überhaupt nicht zugeführt werde. Gemäß dem von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachten sei es ohnehin nur bedingt nutzbar. Die belangte Behörde hätte diesbezügliche Erhebungen anstellen müssen, die ergeben hätten, das Kaufgrundstück werde bereits seit einer derart langen Zeit nicht mehr genutzt, daß es nicht mehr als ein dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmetes Grundstück angesehen werden könne.

c) Unbestritten ist, daß es sich bei dem Kaufgrundstück um eine

8.448 Quadratmeter große Waldparzelle handelt. Unbestritten ist auch, daß wegen der Windgefährdung dieses Waldgebietes Nutzungen nur in entsprechenden zeitlichen Abschnitten in Frage kommen. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht weiters hervor, daß die Bezirksforstinspektion Kufstein bekanntgab, daß gegen das geplante Rechtsgeschäft vom forstwirtschaftlichen Standpunkt keine Einwendungen bestehen, wenn sich der Käufer verpflichte, "keine spekulationsartige Nutzung des Holzvorrates durchzuführen".

Der Beschwerdeführer bringt schließlich in seiner Eingabe vom selbst vor, daß wohl "der Verkäufer aufgrund seiner Berufstätigkeit sich sehr wenig um die Waldparzelle kümmern" habe können, daß für ihn jedoch "die Bewirtschaftung des Waldes ein Hobby" wäre.

Der VfGH hegt auf Grund der Verfahrensergebnisse keinen Zweifel, daß es sich beim Kaufobjekt um ein Waldgrundstück handelt.

Wie der VfGH bereits mit Erk. vom , B176/76, aussprach, können bei Waldgrundstücken nämlich Rückschlüsse aus der Unterlassung einer forstwirtschaftlichen Nutzung nur unter Berücksichtigung des Umstandes gezogen werden, daß Schlägerungen und Nutzungen anderer Art nur in langfristigen Intervallen vorgenommen werden können. Wenn auch der Waldbestand des Kaufgrundstückes nicht gepflegt wurde und sich der Voreigentümer seit langer Zeit um den Baumwuchs nicht gekümmert haben sollte, wurde - wie das Gesamtbild ergibt - das Kaufobjekt der Holzzucht jedenfalls nicht entzogen (VfSlg. 7235/1973). Daß das Kaufgrundstück nur ein Ausmaß von

8.448 Quadratmeter besitzt und der Verkäufer offensichtlich über keinen forstwirtschaftlichen Betrieb im technischen Sinn verfügt, steht ebenfalls seiner Beurteilung als forstwirtschaftliches Grundstück iS des GVG nicht entgegen, da hiefür eine forstwirtschaftliche Nutzung - im bereits dargelegten Sinn - genügt und organisatorische Einrichtungen dafür nicht notwendig sind. Wenn einzelne Versagungstatbestände auf eine bestimmte Betriebsform abstellen, so hat das auf die Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörde keinen Einfluß (VfSlg. 8257/1978). Bei dieser Sachlage ist der VfGH der Meinung, daß das kaufgegenständliche Grundstück nach wie vor nach seiner tatsächlichen Beschaffenheit und der Art der tatsächlichen Verwendung dem forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet ist.

Die belangte Behörde hat somit das GVG zu Recht auf das vorliegende Rechtsgeschäft angewendet und eine Sachentscheidung gefällt, für die sie nach dem Gesetz zuständig war. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.

2. a) Der Beschwerdeführer erachtet sich auch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit für verletzt. Die belangte Behörde berufe sich hinsichtlich der Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke von einem Nichtlandwirt auf einen Nichtlandwirt zu Unrecht auf die ständige Rechtsprechung des VfGH, da "ein generalisierender Rechtsstandpunkt" dieser Art vom VfGH nicht vertreten werde und sich auch mit dem das GVG beherrschenden Grundsatz der Abwägung öffentlicher Interessen nicht in Einklang bringen lasse. Maßgeblich seien vielmehr die Umstände des Einzelfalles, aus denen sich vorliegendenfalls ergebe, daß sich durch die Genehmigung des Kaufvertrages nicht nur keinerlei Nachteile, sondern sogar eine wesentliche Verbesserung der Nutzung des kaufgegenständlichen Grundstückes ergeben würde.

b) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des vorliegenden Kaufvertrages wird der Beschwerdeführer in der Ausübung seiner Privatrechte beschränkt. Der angefochtene Bescheid greift daher in das Eigentum des Beschwerdeführers ein (VfSlg. 6735/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Daß gegen die im angefochtenen Bescheid angewendeten Bestimmungen des § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc GVG Bedenken nicht bestehen, hat der VfGH wiederholt ausgesprochen (VfSlg. 6991/1973, 7538/1975, 7546/1975, 7685/1975, 7881/1976, 8011/1977 und 8245/1978). Auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles sind Bedenken gegen die herangezogenen Gesetzesvorschriften nicht entstanden, solche wurden auch nicht vorgebracht.

Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Normen könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur bei einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes, des Rechtes auf Gleichheit nur dann, wenn die belangte Behörde den angewendeten Bestimmungen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte, stattgefunden haben (VfSlg. 8317/1978).

All dies ist jedoch nicht der Fall.

§6 Abs 1 litc GVG bestimmt, daß einem Rechtserwerb iS des § 3 Abs 1 ua. dann nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß das dem GVG unterliegende Grundstück jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen wird, der es nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. Für diesen Untersagungstatbestand hat die Behörde insbesondere zu beurteilen, ob zu besorgen ist, daß der Erwerber das überlassene Grundstück nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, worunter in diesem Zusammenhang eine organisatorische Einrichtung zu verstehen ist, bewirtschaftet wird.

Im angefochtenen Bescheid wird die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung damit begründet, daß der Erwerber im Bereich der Bezirksforstinspektion Kufstein und auch innerhalb der Gemeinde L. über keinen weiteren Waldbesitz verfüge und auch keinen Betrieb besitze, in dessen Rahmen er die Waldparzelle selbst bewirtschaften können werde. Aufgrund des gegebenen Flächenausmaßes komme auch eine eigenständige Bewirtschaftung des Kaufgrundstückes schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Der VfGH kann nicht finden, daß der belangten Behörde unter den gegebenen Umständen der Vorwurf gemacht werden kann, daß sie das Gesetz in einer der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltenden denkunmöglichen Weise angewendet hat. Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, ist vom VfGH nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Falle - die Entscheidung von einer nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichteten Kollegialbehörde gefällt wurde und die Anrufung des VwGH gegen diese Entscheidung nicht zulässig ist (VfSlg. 8317/1978).

Weder aus dem Verwaltungsgeschehen noch aus dem verfassungsgerichtlichen Verfahren ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde dadurch, daß sie den herangezogenen Vorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, oder durch ein willkürliches Verhalten zur Verweigerung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gekommen wäre. Insbesondere ist es nicht willkürlich, wenn die belangte Behörde angenommen hat, daß der Versagungstatbestand nach § 6 Abs 1 litc GVG auch dann gegeben ist, wenn das Grundstück schon vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet wurde (VfSlg. 7685/1975, 8245/1978).

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß der Beschwerdeführer weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums noch auf Gleichheit verletzt worden ist.

3. Der Beschwerdeführer behauptet schließlich, ohne dies jedoch näher zu begründen, durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes (Art6 StGG) verletzt worden zu sein.

Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen, daß allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, durch Art 6 StGG nicht ausgeschlossen werden (VfSlg. 7546/1975, 8174/1976). Die belangte Behörde hat auch das Gesetz nicht in einer gegen Art 6 StGG verstoßenden Weise angewendet.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid somit auch nicht im Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes verletzt worden.

4. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.