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OGH vom 14.07.2011, 13Os75/11w

OGH vom 14.07.2011, 13Os75/11w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rok S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter und dritter Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 23 Hv 89/11m des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten Nika Si***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom , AZ 6 Bs 231/11p, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Nika Si***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Das Landesgericht Innsbruck verhängte mit Beschluss vom (ON 15) über Nika Si***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht-, der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO und setzte diese am 1. März (ON 32) und am (ON 70) zuletzt ohne Annahme des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr fort.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab Haftbeschwerden dieser Beschuldigten mit Beschlüssen vom 15. März (ON 49) und (im vorgelegten Kopienakt nicht einjournalisiert) vom nicht Folge.

Dabei erachtete es Nika Si***** dringend verdächtig, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäterin mit Rok S*****, Branko St***** und weiteren unbekannten Tätern fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht zu haben, und zwar

(1) am in Innsbruck Schibekleidung im Wert von 4.459,93 Euro Gewahrsamsträgern des Sportgeschäfts E*****;

(2) in Tröpolach Gewahrsamsträgern des Sportgeschäfts Sp***** am und am jeweils eine Schijacke im Wert von insgesamt 2.099 Euro.

In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht dieses (als hafttragend erachtete) Verhalten dem Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, 15 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den zuletzt genannten Beschluss erhobene Grundrechtsbeschwerde der mittlerweile rechtswirksam angeklagten Nika Si***** schlägt fehl.

Die Grundrechtsbeschwerde reklamiert Unvollständigkeit (vgl § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) der Begründung des dringenden Tatverdachts hinsichtlich der Diebstähle vom und vom , weil das Oberlandesgericht (mit der Haftbeschwerde) in slowenischer Sprache vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen von vornherein jeden Beweiswert abgesprochen habe, ohne deren (nicht übersetzten) Inhalt zu erörtern. Aus den Erklärungen gehe hervor, dass die dort angeführten Personen mit der Beschwerdeführerin, deren Mobiltelefon (laut ebenfalls vorgelegtem) Einzelgesprächsnachweis an den Tagen der angelasteten Diebstähle in Slowenien eingeloggt gewesen sei, persönlich telefoniert hätten.

Unvollständigkeit liegt dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht vor, weil der Inhalt der Erklärungen in der Gerichtssprache deutsch (vgl § 53 Abs 1 Geo), solcherart als erörterungsbedürftiges Beweisergebnis gar nicht zur Verfügung stand. Unterbliebene Sachverhaltsaufklärung (etwa durch Veranlassung der Übersetzung der Erklärungen) aber ist nicht Gegenstand einer Mängelrüge (vgl 12 Os 120/08a; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 426) und kann auch nicht unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (vgl Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) mit Grundrechtsbeschwerde geltend gemacht werden ( Ratz , Zur Bedeutung von Nichtigkeitsgründen im Grundrechtsbeschwerdeverfahren, ÖJZ 2005, 415 ff [417 f]; vgl 14 Os 16/05t).

Dass das Vorgehen des Beschwerdegerichts (nicht von der gemäß § 89 Abs 2b iVm Abs 5 erster Satz StPO vorgesehenen Möglichkeit zur Aufklärung nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretener oder bekannt gewordener Umstände Gebrauch zu machen) zu einer Verzögerung des Verfahrens und damit zu einer Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) geführt hätte, macht die Grundrechtsbeschwerde nicht geltend (§ 3 Abs 1 GRBG).

In der unterlassenen Beiziehung eines Dolmetschers für die slowenische Sprache bei „der“ (nicht näher bezeichneten) Haftverhandlung liegt keine Grundrechtsverletzung. Der aus Art 5 Abs 4 MRK abzuleitende Anspruch eines Beschuldigten auf rechtliches Gehör im Rahmen des Haftprüfungsverfahrens ( Grabenwarter , EMRK 4 § 21 Rz 36; Meyer-Ladewig , EMRK 3 Art 5 Rz 89) umfasst zwar auch ohne unmittelbare Anwendbarkeit des Art 6 MRK (vgl EGMR , Reinprecht gegen Ö, Nr 67175/01 ua) einen solchen auf Übersetzungshilfe. Ein unbedingtes Recht des Beschuldigten auf Übersetzung in seine Muttersprache ergibt sich daraus (wie im Übrigen auch aus Art 6 Abs 3 lit e MRK) jedoch nicht (vgl RIS-Justiz RS0075055; Bachner Foregger , WK StPO § 56 Rz 14; Kühne IntKomm EMRK Art 6 Rz 612). Dass der Beschwerdeführerin eine hinreichende Verständigung mit dem Dolmetscher für die kroatische Sprache nicht möglich gewesen wäre, behauptet die Grundrechtsbeschwerde gar nicht.

Soweit sich diese auch gegen die Ablehnung einer Substituierung der Haft durch Kaution wendet, genügt der Hinweis auf die nicht bekämpfte Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO (vgl § 180 Abs 1 StPO). Andere gelindere Mittel werden nicht konkret bezeichnet (RIS-Justiz RS0116422).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.