OGH vom 23.07.2013, 10ObS89/13f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Rath Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 29/13a 22, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach der auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schließen in Zukunft trotz zumutbarer Krankenbehandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von 7 Wochen oder mehr eine Versicherte vom allgemeinen Arbeitsmarkt aus, während dies bei einer prognostizierten Krankenstandsdauer von 6 Wochen jährlich noch nicht angenommen wird (10 ObS 253/99z, SSV NF 13/122 mwN ua). Dies wird damit begründet, dass nicht damit gerechnet werden kann, dass leidensbedingte Krankenstände in diesem Ausmaß von den in Betracht kommenden Arbeitgebern akzeptiert werden (10 ObS 159/93, SSV NF 7/76 ua). In welchem Umfang die Klägerin in der Vergangenheit Krankenstände konsumierte, ist für die Entscheidung nicht von ausschlaggebender Bedeutung, weil diese, selbst wenn sie berechtigt waren, immer nur im Zusammenhang mit der konkret verrichteten Tätigkeit zu sehen sind. Wesentlich ist ausschließlich die Krankenstandsprognose, ausgehend von den Anforderungen in den Verweisungsberufen (10 ObS 152/93, SSV NF 7/75 ua). In der Vergangenheit liegende Krankenstände können daher allenfalls ein Beweiswürdigungsindiz für die Prognose abgeben, brauchen aber nicht näher festgestellt werden (10 ObS 159/03k, SSV NF 17/75 ua; RIS Justiz RS0084364 [T3]). Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Versicherte einen Krankenstand in Anspruch nimmt (genommen hat), sondern ob ein solcher Krankenstand aus medizinischer Sicht notwendig ist (10 ObS 159/03k, SSV NF 17/75 mwN).
2. Nach § 87 Abs 1 ASGG hat das Gericht sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht in der Frage des Ausschlusses vom Arbeitsmarkt infolge von Krankenständen die Verpflichtung zur amtswegigen Beweisaufnahme, wenn sich aus dem Vorbringen, den Beweisergebnissen oder dem Akteninhalt Hinweise für die in der Zukunft zu erwartenden Krankenstände ergeben. In diesem Fall ist das Gericht von Amts wegen verpflichtet, entscheidungswesentliche Tatumstände in seine Überprüfung einzubeziehen (10 ObS 253/99z, SSV NF 13/122 mwN).
3. Diesen dargelegten Grundsätzen sind die Vorinstanzen gefolgt. Die Frage, welche Krankenstände die Klägerin in der Vergangenheit in Anspruch genommen hat und ob diese Krankenstände aus medizinischer Sicht notwendig waren, ist daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Feststellungsmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor. Soweit die Klägerin geltend macht, die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Krankenstandsprognose sei mit den Grundsätzen des Beweisrechts nicht in Einklang zu bringen und es bestehe ein unauflösbarer Widerspruch zwischen den von ihr im Jahr 2012 konsumierten Krankenständen in der Dauer von beinahe 4 Monaten und der vom Erstgericht aufgrund der Ausführungen der medizinischen Sachverständigen im gegenständlichen Verfahren festgestellten Krankenstands-prognose von jährlichen Krankenständen in der Dauer von insgesamt sechs Wochen, ist ihr grundsätzlich entgegenzuhalten, dass in der Vergangenheit gelegene Krankenstände immer nur im Zusammenhang mit der konkret verrichteten Tätigkeit zu sehen sind, während für einen möglichen Ausschluss der Versicherten vom Arbeitsmarkt ausschließlich die Prognose für die Zukunft ausgehend von den Anforderungen in den konkreten Verweisungsberufen maßgebend ist (10 ObS 152/93, SSV NF 7/75 ua). Weiters sind für die Krankenstandsprognose ausschließlich die auf die im konkreten Fall vorliegenden Leidenszustände zurückzuführenden Krankenstände maßgebend, während Krankenstände durch andere Ursachen wie Erkältungen usw nicht zu berücksichtigen sind (vgl 10 ObS 119/92, SSV NF 6/70 ua). Schließlich hat sich der neurologisch psychiatrische Sachverständige in der mündlichen Gutachtenserörterung in der Tagsatzung am mit den von der Klägerin für das Jahr 2012 vorgelegten Krankenstandsbestätigungen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, aus denen allerdings keine konkrete Diagnose hervorgeht, auseinandergesetzt und diese als nicht nachvollziehbar beurteilt.
4. Die außerordentliche Revision der Klägerin bekämpft somit im Ergebnis die aufgrund der ärztlichen Gutachten getroffenen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen über die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft bei der Klägerin zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände. Dem Revisionsgericht ist es jedoch verwehrt, die Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellungen zu überprüfen. Eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn bei Übernahme der Ausführungen von Sachverständigen ein Verstoß gegen die Denkgesetze unterlaufen wäre. Ob unter Berücksichtigung anderer Beweisergebnisse ein Sachverständigengutachten eine ausreichende Grundlage für die Feststellungen bildet, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die ausschließlich von den Tatsacheninstanzen zu beurteilen ist. Beschränkt sich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlussfolgerungen auf die Beurteilung natur-wissenschaftlicher, medizinischer Fragen, so liegt darin kein Verstoß gegen die Denkgesetze, mögen auch andere Beweisergebnisse in eine andere Richtung weisen. Dass in den Gutachten ein Verstoß gegen die Denkgesetze unterlaufen wäre, vermag die Revision jedoch nicht aufzuzeigen (vgl 10 ObS 195/02b).
Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.