OGH vom 15.02.2012, 12Os14/12v

OGH vom 15.02.2012, 12Os14/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Potmesil als Schriftführer in der Strafsache gegen Halil D***** und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 28 HR 267/11x des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Hasan A***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom , AZ 10 Bs 397/11w (ON 157), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wird zu AZ 14 St 190/11p ein Ermittlungsverfahren (unter anderem) gegen den Jugendlichen Hasan A***** wegen des Verdachts der Verbrechen des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 75, 15 Abs 1 StGB geführt. Er ist dringend verdächtig, am in M***** zur Ausführung der strafbaren Handlungen des Halil D*****, welcher Birol Du***** durch das Versetzen mehrerer wuchtiger Messerstiche mit einem etwa 31 cm langen Küchenmesser zu töten versuchte, sowie des Halil D***** und des Tolga K***** beigetragen zu haben, die im bewussten und gewollten Zusammenwirken Hicabi Du***** durch das Versetzen von sieben Messerstichen in Rumpf, Arme und Hals vorsätzlich töteten, indem er mit den Genannten zum Tatort fuhr, sich auf Anweisung des D***** versteckte, um nötigenfalls eingreifen zu können und sodann Birol Du***** mehrere Faustschläge und Fußtritte gegen Kopf und Körper versetzte.

Mit Beschluss vom ordnete die Ermittlungsrichterin des Landesgerichts Salzburg die neuerliche Fortsetzung der am über Hasan A***** verhängten Untersuchungshaft mit Wirksamkeit bis an (ON 138, 143).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Beschwerde des Hasan A***** (ON 145) wurde am dem Oberlandesgericht Linz zu AZ 10 Bs 397/11v vorgelegt, das mit Beschluss vom der Beschwerde nicht Folge gab und seinerseits die Fortdauer der über Hasan A***** verhängten Untersuchungshaft aus den vom Erstgericht herangezogenen Gründen anordnete, wobei es das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr ausdrücklich bejahte (ON 157 S 4). Durch diesen Beschluss wurde eine Haftfrist bis längstens (Montag,) wirksam.

Noch vor Zustellung der Beschwerdeentscheidung, nämlich am , erklärte Hasan A***** durch seinen Verteidiger, er ziehe die Beschwerde zurück, und beantragte erneut seine Enthaftung, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel (ON 156, 158, 161 S 45).

In der daher anberaumten Haftverhandlung vom wurde dem Verteidiger der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom ausgehändigt und die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft bis längstens beschlossen (ON 159).

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Hasan A***** (ON 163).

Wie schon in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 12 Os 170/11h, in dieser Strafsache ausführlich dargelegt, ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass anders als bei einer Beschwerde an das Oberlandesgericht nicht die Haft, sondern die Entscheidung über die Haft den Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde bildet (RIS Justiz RS0110146, RS0114488, RS0112012). Gesetzlicher Bezugspunkt einer Grundrechtsbeschwerde ist somit (nur) die bekämpfte Entscheidung.

Die Grundrechtsbeschwerde setzt sich inhaltlich mit den die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft begründenden Erwägungen des Oberlandesgerichts nicht auseinander. Indem lediglich vorgebracht wird, dass eine Zustellung der Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgrund der nachträglich erfolgten „Zurückziehung“ der Beschwerde unzulässig wäre, zumal überdies „er (der Beschluss) neuerdings eine verlängerte Untersuchungshaft verhängt“, weswegen „die Verteidigung ... vor einem Rätsel steht“, wendet sich die Grundrechtsbeschwerde vielmehr gegen das Gesetz (§ 81 StPO). Entgegen der vorgetragenen Ansicht ist die Erklärung der „Zurückziehung“ einer Beschwerde, über die bereits entschieden wurde, prozessual unwirksam (vgl Fabrizy , StPO 11 § 81 Rz 2; RIS Justiz RS0096901; vgl auch RIS Justiz RS0037520). Die vom Verteidiger aus der Betrachtung einer ganz anderen Konstellation, nämlich der Frage nach verjährungshemmender Wirkung einer Bescheidzustellung im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren, abgeleitete Argumentation geht am hier gegebenen Zusammenhang vorbei. § 174 Abs 3 Z 5 StPO ordnet überdies für Beschlüsse, mit denen die Untersuchungshaft verhängt oder fortgesetzt wird, die Mitteilung der Dauer ihrer Wirksamkeit an, wobei der datumsmäßigen Festlegung einer Haftfrist (§ 175 Abs 1 StPO) nur deklarative Bedeutung zukommt (RIS Justiz RS0109708, RS0097630; Kirchbacher/Rami , WK StPO § 174 Rz 21, 27). Maßgeblicher Zeitpunkt der grundrechtsrelevanten Prüfung durch den Obersten Gerichtshof ist jener der Beschlussfassung des Rechtsmittelgerichts, so dass auch aus diesem Grund der Hinweis auf die Rückziehung der Beschwerde anlässlich der späteren Tatrekonstruktion den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS Justiz RS0106584).

Die weiters vertretene These, der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom hätte „richtigerweise als unzustellbar und rechtlich irrelevant aus dem Akt entfernt werden müssen“, entzieht sich demnach einer weiteren sachbezogenen Erwiderung.

Die Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.