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OGH vom 08.03.2011, 12Os14/11t

OGH vom 08.03.2011, 12Os14/11t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald K***** wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom , GZ 39 Hv 82/10y-26, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Lienz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde Harald K***** mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

Danach hat er sich zusammengefasst wiedergegeben in M***** und anderen Orten Österreichs auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, und zwar

I./ am , indem er die Broschüre „Sieg oder Tod Das Magazin aus der Ostmark“ samt Begleitschreiben „Die Hand zum Gruße Kamerad! ... Unseren Feinden sei gesagt: Möget ihr in Blutschande gezeugten Bastarde eine gerechte Strafe erhalten, denn die Götter selbst werden über euer Schicksal richten“ an den inhaftierten und einschlägig nach § 3g VerbotsG vorbestraften Bernd A***** übermittelte, wobei die Broschüre nachstehendes auszugsweise wiedergegebene Interview zum Inhalt hatte: Interview ... mit H*****: „ ... am 16. August dieses Jahres traf ich bei einem Spaziergang, bei der Walhalla in Donaustauf ... einige Kameraden. Diese führten ein Transparent mit sich, auf dem stand 'Rudolf Hess in die Walhalla' ... Tags darauf, auf der offiziellen Rudolf Hess Mahnwache in München hatten wir, zum Schrecken der hiesigen Staatsschützer, ein identisches Transparent dabei“ und dadurch seine Verherrlichung des Nationalsozialismus bzw dessen tragender Personen zum Ausdruck gebracht;

II./ am , indem er einen Brief an den inhaftierten und einschlägig nach § 3g VerbotsG vorbestraften Bernd A***** mit dem auszugsweise wiedergegebenen Inhalt übermittelte:

„Sei gegrüßt Kamerad! Vorab wünsche ich dir alles Beste für das bevorstehende Kampfjahr 2009. ... insgesamt waren wir mit über 200 Kameraden vorstellig und ließen die verblendeten und hirngewaschenen Bastarde, welche versuchten, sich uns in den Weg zu stellen, wissen, dass wir es sind, die die Zukunft des deutschen Volkes bestimmen werden. Mit Sprüchen wie 'Passau bleibt bunt oder Wotan mag keine N.........' versuchten sie uns womöglich einzuschüchtern. Doch das Einzige was sie damit erreichen ist es unser Herz noch weiter mit Hass zu füllen, mit einem Hass, der sich eines Tages wie ein Flächenbrand über das gesamte Abendland ausbreiten wird und möge dieser Brand so gewaltig sein, dass er das Antlitz unserer Feinde zu vernichten vermag!“,

wobei er dadurch die Verbreitung des völkischen Gedankens im nationalsozialistischen Sinn verherrlichte bzw den Erhalt der weißen Rasse als vorrangiges Ziel des Nationalsozialismus glorifizierte;

III./ zwischen der Vollendung seines 14. Lebensjahrs und , indem er in seiner Wohnung nachstehende Gegenstände sowie CDs und auf DVDs und MP4-Player gespeicherte Musikdateien mit fremdenfeindlichem, verhetzendem und NS propagandistischem Inhalt ansammelte, um diese Gegenstände sowie CDs und Musikdateien als Anschauungs- und Propagandamaterial im Sinn der Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankens durch Herzeigen, Übermitteln an dritte Personen bzw Abspielen vor dritten Personen einzusetzen, und zwar:

1./ Poster von Rudolf Hess;

2./ Porträtbild von Adolf Hitler;

3./ Aufkleber „Es lebe das deutsche Reich“;

4./ Liedtext „Die Fahne hoch...“

5./ eine vom abgesondert verfolgten Manuel Sch***** übergebene Schulungsmappe mit nachstehendem auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:

a./ Ein Gewissensaufruf! ... Geschichtsfälschung, Lügen- und Greuelpropaganda über eine Generation der Besten unseres Volkes, Besatzergesetze, die uns in unseren Grundrechten beschneiden und in geistigen sowie physischen Ketten zu halten versuchen, Umerziehung und Gehirnwäsche durch permanente flutartige Medienübertragung ... die Befürwortung der artenzersetzenden Rassenvermischung als unsere tödlichste Gefahr ... Du wirst lernen und erfahren, was dieses dich umgebende System der Lüge, der Falschheit und des Verrates wirklich mit unserem deutschen Volk, mit der weißen Rasse und dem gesamten Planeten geplant hat, du wirst historische Fakten erkennen, welche dir jedes offizielle Geschichtsbuch bisher verschwieg ... Betrachte diese Schulungsmappe als Waffe, die dazu beiträgt, dich körperlich und geistig kampftauglich zu machen!

b./ Artenkunde Anthropologie: ... Dass dieses uns umgebende System jedoch die Gleichheit aller Menschen predigt, um somit einen Einheitssklaven heranzuzüchten, der leicht zu beherrschen und zu unterwerfen ist, darf es im Sinne der Herrschenden keine völkische Verschiedenartigkeit geben. Ein gesundes Artenbewusstsein ist jedoch unerlässlich für den Fortbestand unserer Rasse. Diese Rubrik vermittelt schlagfertige Argumente gegen Rassenvermischung, welche zweifellos den Tatbestand des Völkermordes erfüllt, und weist auf, warum der Erhalt unserer weißen Rasse oberste Priorität hat.

c./ in der Rubrik „Helden und Märtyrer“: Interview mit Richard S***** „... Wenn sie mich fragen, was mein religiöser Glaube ist, dann ist es der, dass unser Volk eine Religion haben sollte, die sich im Einklang mit der Natur befindet und welche die arische Seele anspricht, welche alle Arier vereint, nicht nur einen Teil von ihnen, eben eine absolute Lebensphilisophie, welche sich an den 14 Wörtern (Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft der weißen Kinder sichern) orientiert. Die einzige Religion, die in allen Kriterien diesen Anforderungen entspricht, ist die des Nationalsozialismus ...; einzig Gewehre und Bajonette wenden das Blatt der Geschichte, Gewehre und Bajonette sind die einzigen Mittel, die zur Rettung unserer Rasse taugen. Furcht erzeugt Respekt. Terror ergibt die notwendigen Resultate. So arbeiten Regierungen. Dies ist der einzige Weg, durch welchen unsere Rassen mit den Verrätern fertig werden kann. ... Wir sind im Krieg! Adolf Hitler beschrieb es richtig in 'Mein Kampf' ...; Wer von uns kann sich an ... den Soldaten der Waffen-SS, den Burschen der HJ ... messen? ... Aber wir ... können ihren Beispielen von Mut, Ehre, Treue, Stolz und Rasse, Bewusstsein und Disziplin folgen, indem wir all diese Menschen vom einfachen treuen preußischen Soldaten bis hin zum Führer, vom völkischen Schreiberling bis hin zum bewaffneten Kämpfer als Vorbilder in unsere Herzen, in unser Leben aufnehmen ...;

6./ folgende (auf US 27 bis 42 auszugsweise wiedergegebene) gespeicherte Liedtexte:

a) „SS, SA Germania das Reich“:

b) „Noten des Hasses“:

c) „Ruhm und Ehre“:

d) „SA Sturm vom Fuldastrand“:

e) „Dem deutschen Soldat“

f) „Das Giftgas“

g) „In Belsen“:

h) „Die Fahne senkt“:

i) „Judenschwein“

j) „Bibi Blocksberg“:

k) „Brennende Kohle“:

l) „Deutschlands Vaterlied“:

m) „Arischer Zorn“:

n) „ Am Tag als Ignatz Bubis starb“:

o) „Meine Ehre heißt Treue“

p) „Sturmführer“

q) „Es zittern die morschen Knochen“

r) „Im Osten nun marschieren wir“

s) „SS marschiert in Feindesland“

t) „A. Rules (Auschwitzrules)“

u) „Adolf der Große“

IV./ zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Ende 2006/2007 durch demonstratives Ausführen des Hitler-Grußes im Beisein des abgesondert verfolgten Marvin W***** bei gehisster altdeutscher Fahne sowie durch demonstrative Präsentation der altdeutschen Fahne während Marvin W***** den Hitler-Gruß ausführte, wobei sich beide für fotografische Ablichtungen aufstellten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 345 Abs 1 Z 10a und 11 lit a StPO stützt. Sie schlägt fehl.

Rechtliche Beurteilung

Das im Rahmen der Tatsachenrüge (§ 345 Abs 1 Z 10a StPO) erstattete Vorbringen verkennt das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes, dessen Wirkung erst dort beginnt, wo die Grenze der freien Beweiswürdigung überschritten wird, wenn also unter konkretem Verweis auf aktenkundige Beweismittel völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung aufgezeigt werden (RIS-Justiz RS0118780; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 470 ff, § 345 Rz 11 f).

Diesen Anforderungen wird der Angeklagte mit seinen Hinweisen, die Geschworenen hätten sich mit dem freisprechenden Ausgang des Verfahrens AZ 29 Hv 46/10f des Landesgerichts Innsbruck nicht ausreichend auseinandergesetzt, es sei „nicht auszuschließen“, dass das inkriminierte Verhalten zum Schuldspruch IV./ bereits 2003 stattgefunden und dass nicht er, sondern Marvin W***** die Fahne bereitgestellt hätte, nicht gerecht. Die Niederschrift der Geschworenen (§ 331 Abs 3 StPO), auf die der Angeklagte mehrfach Bezug nimmt, ist als Begründung für die Beweiswürdigung nicht zugleich deren Gegenstand, weshalb die Tatsachenrüge nicht auf sie gestützt werden kann (RIS Justiz RS0115549; Philipp , WK-StPO § 331 Rz 10). Solcherart versagt auch das auf diese rekurrierende Vorbringen, die Laienrichter seien „wohl eher von einem bloßen Besitzwillen der Materialien ohne Intention der Verbreitung des Gedankenguts ausgegangen“.

Indem der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO) den Bedeutungsinhalt isoliert herausgegriffener Textteile eigenständig interpretiert und davon ausgehend die Tatbildlichkeit dieser Passagen verneint, verfehlt er den in den festgestellten Tatsachen des gesamten Wahrspruchs der Geschworenen gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0101476) und übersieht, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des (normativen) Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ - einschließlich des Bedeutungsinhalts inkriminierter Äußerungen, Handlungen oder Textstellen auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, sodass dessen Bejahung einer Anfechtung mit Rechts- und Subsumtionsrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK 2 § 3g VG Rz 17). Mit der Behauptung, die Inhalte der Textpassagen stellten „nicht die Meinung des Angeklagten“ dar, ist die Rüge nicht an der Prozessordnung orientiert, die ein Festhalten an dem von den Geschworenen als erwiesen angenommenen Sachverhalt auch in subjektiver Beziehung voraussetzt. Schließlich leitet auch der Einwand, der vom Angeklagten getätigte „Hitlergruß“ sei in den frühen Morgenstunden auf einem Berg nicht für die Außenwelt wahrnehmbar, nicht aus dem Gesetz ab, weshalb das als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipierte Verbrechen nach § 3g VerbotsG seinem Wortlaut zuwider auf der objektiven Tatseite eine konkrete Gefährdung oder gar eine qualifizierte Publizitätswirkung (wie §§ 3d und 3h VerbotsG) voraussetzen solle (RIS-Justiz RS0079825; Lässig in WK 2 § 3g VG Rz 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das Einziehungserkenntnis betreffend „die (nicht bereits ausgefolgten) Gegenstände laut Standblatt Nr. 549/06 (ON 6) sowie die Briefe etc laut Beilagen zu ON 5 mit der Maßgabe“, „dass der MP4-Player nicht eingezogen wird, wenn die darauf gespeicherten Daten ohne Kostenaufwand gelöscht werden können“ (US 43), mit dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 13 StPO behaftet ist. Die Urteilspassage, wonach diese Gegenstände (Briefe, 62 CDs und DVDs, diverse Druckschriften, Papiere, Lichtbilder und Aufzeichnungen [Beilagenordner zu ON 5 und ON 6]) zur Begehung der strafbaren Handlungen verwendet wurden (US 46), reicht - ungeachtet der zustimmenden Erklärung des Angeklagten (ON 24 S 21) zur abschließenden Beurteilung der Einziehungsvoraussetzungen nicht aus, zumal sie keine Rückschlüsse auf eine besondere Beschaffenheit zulässt, die die Maßnahme rechtfertigen würde ( Ratz in WK 2 § 26 Rz 3 f).

Diese Nichtigkeit war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 344 StPO), weil sich die Berufung des Angeklagten bloß gegen den Strafausspruch richtet. Dem Berufungsgericht ist in einem solchen Fall zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung einer die vorbeugende Maßnahme betreffenden Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 13 StPO zugunsten des Angeklagten nicht möglich (vgl 14 Os 59/10y; Ratz , WK-StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14; 14 Os 83/10b, EvBl-LS 2010/162, 972).

In Anbetracht der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Lienz für die vorbehaltene (§ 443 Abs 2 StPO), gesondert zu treffende Entscheidung über den Antrag auf Einziehung (§§ 445 Abs 3, 445a StPO), war mit Delegierung an dieses Gericht vorzugehen (§§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Satz, 344 zweiter Satz StPO;14 Os 83/10b; Tipold , WK-StPO § 443 Rz 98 ff; RIS-Justiz RS0101479, RS0100318).

Anzumerken bleibt, dass in die Ausfertigung des Urteils ohne gesetzliche Grundlage auch die Ausfertigung des Beschlusses auf Erteilung einer Weisung aufgenommen wurde (RIS Justiz RS0101841).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.