OGH vom 06.09.2017, 13Os73/17k

OGH vom 06.09.2017, 13Os73/17k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Nada M***** und einen Angeklagten wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nada M***** und Stanko M***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 61/16s-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Nada M***** betreffenden Schuldspruch I B i erfassten Taten nach § 38 FinStrG, demzufolge auch im diese Angeklagte betreffenden Ausspruch über die Strafe nach dem FinStrG (einschließlich der Wertersatzstrafe), aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte Nada M***** und die Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen den diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch nach dem FinStrG wenden, auf die Aufhebung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Stanko M***** sowie der Angeklagten Nada M***** und der Staatsanwaltschaft im Übrigen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Nada M***** (richtig: jeweils) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (I B i) und der vorsätzlichen Eingriffe in Monopolrechte nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 FinStrG (I B ii) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II), Stanko M***** (richtig: jeweils mehrerer) Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (I A i) und der vorsätzlichen Eingriffe in Monopolrechte nach § 44 Abs 1 FinStrG (I A ii) schuldig erkannt.

Danach haben

(I) im Zuständigkeitsbereich des Zollamts W***** vom bis zum jeweils in einer Vielzahl von Angriffen vorsätzlich

(A) Stanko M*****

(i) gewerbsmäßig eingangsabgabepflichtige Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht, indem er insgesamt 199.400 Zigaretten, auf die Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer von zusammen 50.216,24 Euro entfielen, von Bosnien und Herzegowina über Slowenien nach W***** transportierte;

(ii) zu seinem oder eines anderen Vorteil (US 10) die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen verletzt, indem er die vom Schuldspruch I A i umfassten Zigaretten, auf die ein Kleinverkaufspreis von 45.247,76 Euro entfiel (US 7), zum Zweck der entgeltlichen Verwertung Nada M***** übergab;

(B) Nada M*****

(i) gewerbsmäßig Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, nämlich insgesamt 212.600 Zigaretten drittländischer Herkunft, auf die Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer von zusammen 53.540,50 Euro entfielen, durch Übernahme teils von Stanko M***** (im Umfang des Schuldspruchs I A i), teils vom gesondert verfolgten Branko M*****, an sich gebracht und teilweise – durch Verkauf an verschiedene Abnehmer – verhandelt;

(ii) durch die vom Schuldspruch I B i erfassten Taten zu den Finanzvergehen (gemeint [US 6 bis 10]:) des Stanko M***** (Schuldspruch I A ii) und des Branko M***** beigetragen, die jeweils zu deren oder eines anderen Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen verletzten, indem sie ihr die genannten Zigaretten, auf die ein Kleinverkaufspreis von 48.243,10 Euro entfiel, zum Zweck der entgeltlichen Verwertung übergaben.

(II) Nada M***** am in W***** den Zollbeamten Gerhard N***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien behauptete, der Genannte habe die in ihrer Vernehmung als Beschuldigte im vorangegangenen Ermittlungsverfahren abgelegte Verantwortung zu den durch die Taten laut Schuldsprüchen I B manipulierten Mengen an Zigaretten trotz ihrer Einwände unrichtig protokolliert, ihn somit einer von Amts wegen zu verfolgenden mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, falsch verdächtigt, wobei sie wusste, dass diese Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich die jeweils auf Z 5, von Nada M***** darüber hinaus auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.

Ihre jeweiligen Schuldsprüche nach dem FinStrG bekämpfen die Beschwerdeführer mit inhaltsgleich ausgeführten Mängelrügen (nominell Z 5).

Nach den – insoweit unmissverständlichen – Konstatierungen des Schöffengerichts waren 199.400 Zigaretten drittländischer Herkunft tatverfangen (Schuldsprüche I A i, I A ii, I B ii sowie Teil des Schuldspruchs I B i), die Stanko M***** in insgesamt 89 Fahrten mit einem PKW über die Unionsgrenze nach Slowenien und weiter nach dem Inland befördert hat (US 5 ff).

Die Beschwerdeführer behaupten „Undeutlichkeit“ (Z 5 erster Fall) der betreffenden Feststellungen, weil daraus nicht hervorgehe, ob „die Freimengen, die zum Eigenbedarf oder als Geschenk abgabenfrei eingeführt werden dürfen, berücksichtigt worden sind“. Sie entwickeln diesen Einwand aus der – urteilsfremden – Hypothese, Stanko M***** habe „diese Fahrten fast ausschließlich nicht (immer) alleine unternommen“, sondern „Passagiere mit dem Kleinbus transportiert“.

Der Sache nach wird damit das Fehlen von Feststellungen zu einem sogenannten Ausnahmesatz vorgebracht (RIS-Justiz RS0122332). Anders als zur gesetzmäßigen Geltendmachung eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a; jedoch sofern die Rüge bloß auf eine Reduktion des strafbestimmenden Wertbetrags je Schmuggelfahrt zielt Z 11 erster Fall) geboten unterlassen es die Angeklagten dabei jedoch, auf in der Hauptverhandlung vorgekommene, konkrete Verfahrensergebnisse hinzuweisen, die – vom Erstgericht nicht getroffene – Feststellungen indiziert hätten, welche die rechtliche Annahme von Abgabenfreiheit aller oder einzelner (der vom Schuldspruch I A i erfassten) Einfuhren zur Konsequenz haben könnten (RIS-Justiz RS0118580 [insbesondere T 15]); Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).

Die übrige Beschwerde der Angeklagten Nada M***** richtet sich gegen den Schuldspruch II.

Ihre diesbezüglichen Feststellungen stützten die Tatrichter nicht nur auf die Zeugenaussage N*****, sondern auch auf jene des Christian Mö***** unter Miteinbeziehung der (auch in der Hauptverhandlung) wechselnden Verantwortung der Beschwerdeführerin sowie auf daraus abgeleitete Plausibilitätserwägungen (US 17 f).

Die Mängelrüge bezeichnet – ihrer Ansicht nach für die Richtigkeit der inkriminierten Behauptung
sprechende – Details der Aussage des Zeugen N***** als „unberücksichtigt“ (Z 5 zweiter Fall). Dabei geht es um die von ihm protokollierte Vernehmung der Beschwerdeführerin als Beschuldigte betreffend deren Information über die Aufnahme von aus ihren Angaben „hochgerechnete[n] Zahlen“ ins Protokoll und zur Funktion, in der Mö***** an der Vernehmung beteiligt war. Indem sie diese Details bloß isoliert hervorkehrt, ohne an der Gesamtheit der diesbezüglichen Beweiswerterwägungen Maß zu nehmen, verfehlt die Rüge (schon) die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119370).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält die zur Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) der Falschbezichtigung getroffenen Feststellungen (US 11) für unzureichend.

Sie versäumt es jedoch, aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die tatrichterlichen Feststellungen, wonach die Angeklagte „wusste“, „dass der von ihr geäußerte Sachverhalt nicht den Tatsachen entsprach“ und sie N***** damit „einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung falsch verdächtigte“, dieses Vorsatzerfordernis nicht zum Ausdruck bringen sollten.

Das übrige, nominell auf Z 9 lit a gestützte Vorbringen (zu möglichen Gründen für das Zustandekommen einer „falschen Protokollierung durch den Zollbeamten“) erschöpft sich in eigenständigen, vom Urteilsinhalt abweichenden Spekulationen abseits der Anfechtungskategorien der §§ 281 Abs 1, 281a StPO.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass das angefochtene Urteil im die Angeklagte Nada M***** betreffenden Schuldspruch I B i mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die ihr zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das Erstgericht subsumierte die von diesem Schuldspruch erfassten Taten (auch) § 38 FinStrG (idgF). Diese Qualifikationsnorm verlangt (in Abs 2) die Absicht des Täters, durch wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens sich selbst einen abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen (vgl Fellner, FinStrG § 38 Rz 14; Pohnert, ZWF 2017, 159 [163]; Kert/Leitner, ZWF 2017, 170; 13 Os 127/16z; 13 Os 13/17m; 13 Os 17/17z; 13 Os 52/17x).

Die Tatrichter gingen zwar – dem Wortlaut des § 38 Abs 2 FinStrG entsprechend – von einer auf das Sich-Verschaffen eines solchen Vorteils gerichteten Absicht der Angeklagten Nada M***** aus (US 16). Den – für die rechtliche Beurteilung insoweit maßgebenden (RIS-Justiz RS0119090) – Sachverhaltsbezug aber stellten sie dahin her, dass diese Angeklagte auf das Erlangen einer (fortlaufenden) „Einnahme“, also bloß wirtschaftlicher Vorteile aus dem ihr zur Last liegenden (gewinnbringenden) Verhandeln der (zuvor von Stanko M***** und von Branko M***** geschmuggelten) Zigaretten abzielte (US 9).

Die weitere Feststellung, der Angeklagten sei es darauf angekommen, sich eine derartige „Einnahme“ (auch) „durch die wiederkehrende vorschriftswidrige Einfuhr von Zigaretten (sohin durch die Einsparung von Eingangsabgaben durch wiederholten Schmuggel)“ zu verschaffen (US 9), ändert daran nichts. Denn die Einfuhr von Zigaretten liegt ihr nach den tatrichterlichen Feststellungen gerade nicht zur Last (zur Abgrenzung von Schmuggel und Abgabenhehlerei vgl Lässig in WK2 FinStrG § 37 Rz 17). Ein – als Bezugspunkt von gewerbsmäßiger Begehungsweise (§ 38 FinStrG) infrage kommender – Sachverhalt, der sie (selbst) zur Abgabenschuldnerin hätte werden lassen, wurde auch sonst nicht konstatiert.

Die vom Erstgericht geschaffene Feststellungsgrundlage reicht für die Subsumtion nach § 38 FinStrG daher nicht hin.

Der darin gelegene Subsumtionsfehler (Z 10) führte bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte Nada M***** und die Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen den diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch nach dem FinStrG wenden, darauf zu verweisen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei weiters festgehalten, dass ein Teil der – mehreren (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 7 ff) vom Schuldspruch I A i erfassten Finanzvergehen vor dem (Inkrafttreten der Neufassungen des § 35 Abs 1 lit a FinStrG und des § 38 FinStrG mit BGBl I 2015/163) begangen wurde. Insoweit hat nach den Urteilskonstatierungen Stanko M***** die Tatbestandselemente der §§ 35 Abs 1 lit a, 38 FinStrG (I A i) sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage erfüllt (US 5 ff, 9, 16). Hievon ausgehend ist – da der Günstigkeitsvergleich nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen vorzunehmen ist (RIS-Justiz RS0119085 [T1]) – das zum Urteilszeitpunkt geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Angeklagten nicht günstiger als das Tatzeitrecht, aus welchem Grund gemäß § 4 Abs 2 FinStrG eben Letzteres anzuwenden ist (vgl 13 Os 47/16k). Der Umstand, dass das Erstgericht hingegen ersichtlich (auch auf die vor dem begangenen Taten) Urteilszeitrecht anwendete, wirkt aber nicht zum Nachteil des Angeklagten, sodass der aufgezeigte Rechtsfehler unter dem Aspekt amtswegigen Vorgehens auf sich zu beruhen hat.

Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Stanko M**********, der Angeklagten Nada M*****, soweit sie sich gegen den sie betreffenden Strafausspruch nach dem StGB wendet, und der Staatsanwaltschaft im Übrigen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00073.17K.0906.000
Schlagworte:
Strafrecht

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.