OGH vom 07.10.2019, 14Os91/19t (14Os92/19i)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Mohamed D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten gegen die Urteile des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom , GZ 12 Hv 31/18i-331, und vom , GZ 12 Hv 31/18i-337b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit jedem der beiden angefochtenen Urteile wurde Mohamed D***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, (zu ON 331 zu ergänzen:) § 15 StGB (je zu A/I/2), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall sowie (zu ON 337b verfehlt) § 15 StGB (je zu A/II/2) und nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (je zu G) schuldig erkannt.
Danach hat er (jeweils)
als Mitglied einer
aus zumindest zehn, in den Urteilen teils namentlich genannten Personen bestehenden kriminellen Vereinigung
(jeweils) A/I/2) in O*****, Polen, der Ukraine und den Niederlanden in mehreren Angriffen andere dazu bestimmt und (zu ON 331) zu bestimmen versucht (b), vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabisblüten mit einem Reinsubstanzgehalt von 1 % Delta-9-THC und 19 % THCA, in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b
SMG) übersteigenden Quantität aus der Ukraine über Polen und die Tschechische Republik aus- und nach Österreich einzuführen, indem er das zumeist in Öfen eingeschweißte Suchtgift organisierte und in Auftrag gab, die unmittelbaren Kuriere mit dem Transport beauftragte und die Verbindung zwischen ihnen und den (teils namentlich genannten) Vermittlern in Österreich hielt, die Suchtmittelerlöse entgegennahm und eine intensive Reisetätigkeit zu den einzelnen Mitgliedern der kriminellen Vereinigung von der Ukraine über Polen und Österreich bis in die Niederlande entwickelte, und zwar
in Bezug auf insgesamt 49,5 kg Cannabisblüten mit einer Reinsubstanz von 495 g Delta9THC und 9,405 kg THCA, nämlich die Aus- und Einfuhr von
a) zumindest 5 kg in einer Sporttasche und einem Heizkörper durch Ajmal K***** und Sakirullah M***** im Frühjahr 2016 (vor dem );
b) zumindest 5 kg durch K***** und M***** am , wobei es insoweit beim Versuch blieb;
d) zumindest 7 kg in einem Ofen im Juni 2016 über Vermittlung des Muddsar A*****, der das Suchtgift in O***** übernahm und an Dominik E***** weitergab;
f) zumindest 16 kg in zwei Öfen im August 2016, wobei das Suchtgift an A***** nach O***** geliefert und von diesem an E***** weitergegeben wurde;
j) zumindest 8 kg in einem Ofen von 2. bis über Vermittlung des A***** durch Oleksii N***** nach G***** zu E*****;
k) 8,5 kg vor dem und am durch Nazar Mo***** und andere nach G***** zu E*****;
zu ON 337b:
in Bezug auf insgesamt 46 kg Cannabisblüten mit einer Reinsubstanz von 460 g Delta9THC und 8,740 kg THCA, nämlich die Aus- und Einfuhr von
c) zumindest 5 kg in einem Ofen durch Mo***** am nach S*****;
e) 8 kg im Juni oder Juli 2016 nach S*****;
g) 18 kg in Öfen im Herbst 2016 nach S***** in die Wohnung des S*****, wo es an diesen übergeben wurde;
h) zumindest 8 kg erneut im Herbst 2016 nach S***** in die Wohnung des S*****;
i) zumindest 7 kg von 15. bis , wobei das Suchtgift in S***** an S***** übergeben wurde;
(jeweils) A/II) in der Ukraine anderen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b
SMG) übersteigenden Quantität überlassen und (zu ON 331) zu überlassen versucht sowie andere zur Überlassung bestimmt, indem er die (jeweils) zu A/I/2) angeführten Cannabisblüten in mehrfachen Angriffen mit dem Auftrag an die Drogenkuriere übergab, das Suchtgift nach Österreich zu transportieren und dort an andere, teils namentlich genannte Personen weiterzugeben;
(jeweils) G) in der Ukraine von Frühjahr 2016 bis Anfang Mai 2017 zur vorschriftswidrigen Erzeugung von Suchtgift in einer das 25fache der Grenzmenge (§ 28b
SMG) übersteigenden Quantität beigetragen, indem er für die Erzeuger der (jeweils) zu A/I/2) angeführten Cannabisblüten als regelmäßiger Abnehmer des Suchtgifts fungierte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die zu ON 331 aus Z 3, 4, 5a, 9 lit a und 10, zu ON 337b aus Z 3, 5a, 9 lit a, 10 und 11, jeweils des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen, weitgehend wortgleich argumentierenden Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt.
Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO liegt ausschließlich bei in der Hauptverhandlung erfolgter Verletzung oder Missachtung einer der in dieser Gesetzesstelle
taxativ aufgezählten – oder in (nach Inkrafttreten der StPO erlassenen) Nebengesetzen enthaltenen, ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden – Bestimmungen vor (RISJustiz RS0099118; Ratz, WKStPO § 281 Rz 193).
Eine solche sprechen die Verfahrensrügen (Z 3) mit den Vorwürfen einer Missachtung von § 248 Abs 3 StPO und eines „unzulässigen Eingriffs“ in die Verteidigungsrechte des Angeklagten zufolge Unterbleibens einer Übersetzung der Aussagen der Mitangeklagten und Zeugen nicht an.
Das Recht eines der Gerichtssprache unkundigen Angeklagten auf Übersetzungshilfe (hier: von Dolmetschleistungen; § 56 Abs 1 erster Satz, Abs 2, § 126 Abs 1 zweiter Satz StPO) und das Anhörungsrecht nach § 248 Abs 3 StPO sind vielmehr durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützt (Kirchbacher, WKStPO § 248 Rz 30; Hinterhofer, WKStPO § 126 Rz 187). Erfolgreiche Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes setzt wiederum entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung voraus, welcher die von den Beschwerden ins Treffen geführte „Rüge“ des Angeklagten, der im Übrigen (an der angegebenen Fundstelle) bloß darauf hinwies, dass er „das letzte Mal“ weggeschickt worden sei, ohne sich äußern zu können und ankündigte, nach der Aussage aller Zeugen „etwas sagen“ zu wollen (ON 255 S 18), nicht gleichzusetzen ist.
Ebenso unberechtigt ist die – zu ON 331 auf Z 4 und zu ON 337b auf Z 3 gestützte – Kritik an der Ausscheidung des Verfahrens wegen einzelner der gegen den Angeklagten erhobenen (nämlich der letztlich dem Schuldspruch zu ON 331 zugrunde liegenden) Vorwürfe (ON 302 S 32 f). Denn während sich die Beschwerde zu ON 331 gar nicht auf einen (begründeten) Widerspruch gegen die Verfahrenstrennung oder einen Antrag auf (neuerliche) Verfahrensvereinigung beruft und ein Verstoß gegen § 37 Abs 1 StPO nicht per se mit Nichtigkeit bedroht ist (vgl dazu Oshidari, WKStPO § 37 Rz 13; Ratz, WKStPO § 281 Rz 306, 380; RISJustiz RS0096872), steht eine zu ON 337b behauptete Missachtung von § 260 Abs 1 Z 3 StPO nicht in Rede.
Die Tatsachenrügen (Z 5a) wecken mit dem Hinweis auf – vom Erstgericht erörterte – Angaben der Zeugen Nadja E***** (ON 331 US 19 f; ON 337b US 27) sowie (zu ON 337b) S***** (ON 337b US 22) und der Behauptung die – in der Hauptverhandlung gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesenen (ON 302 S 34, ON 337a S 22), von den Tatrichtern für glaubwürdig erachteten (ON 331 US 20, ON 337b US 17 f, 26 f) – belastenden Aussagen des abgesondert verfolgten A***** sowie (zu ON 337b) des Zeugen Michael L***** anlässlich deren Vernehmungen durch die Kriminalpolizei könnten zur Begründung „von Feststellungen“ nicht herangezogen werden, weil die Genannten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlungen unbekannten Aufenthalts waren, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RISJustiz RS00118780), sondern üben bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (Ratz, WKStPO § 281 Rz 431; RISJustiz RS0099649).
Die Rechtsrügen (Z 9 lit a) vermissen Feststellungen zur Beurteilung des Geltungsbereichs der österreichischen Strafgesetze für die im Ausland begangenen Taten des niederländischen Angeklagten, lassen dabei jedoch die Konstatierungen außer Acht, nach denen die verfahrensgegenständlichen Cannabisblüten, zu deren Erzeugung der Beschwerdeführer beigetragen (jeweils G), zu deren Aus- und Einfuhr er andere bestimmt (jeweils A/I/2) und die er anderen überlassen hat (jeweils A/II/2), nach der Täterintention für die Verbringung nach und den Verkauf in Österreich bestimmt waren (zu ON 331: US 8 ff, 14 ff, vgl auch US 36; zu ON 337b: US 8 ff, US 11 ff, vgl auch US 32 f). Aus welchem Grund österreichische Interessen (§ 64 Abs 1 Z 4 StGB) dennoch nicht betroffen sein sollten (vgl dazu aber RISJustiz RS0092207, RS0092209; vgl auch Salimi in WK² StGB § 64 Rz 47) und welche darüber hinausgehenden Feststellungen insoweit erforderlich gewesen wären, erklären sie nicht. Ebenso wenig wird dargelegt, weshalb in den Fällen, in denen das Suchtgift nach den Urteilsannahmen jeweils im Auftrag des Beschwerdeführers tatsächlich bestimmungsgemäß nach Österreich eingeführt und dort anderen überlassen wurde, ihm insoweit also die Beteiligung an strafbaren Handlungen angelastet wird, die bereits die unmittelbaren Täter im Inland begangen haben (§ 62 StGB), inländische Gerichtsbarkeit nicht schon nach § 64 Abs 1 Z 8 StGB zu bejahen sein sollte (14 Os 99/12h, 11 Os 94/16g).
Die – jeweils gegen die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG gerichteten – Subsumtionsrügen (Z 10) leiten mit dem Hinweis auf eine (einen anderen Urteilssachverhalt betreffende) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (14 Os 81/12m) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab, weshalb es neben den – eingangs des Vorbringens ohnehin teilweise zitierten – Feststellungen zu einem (jeweils) auf die Dauer von (zumindest) einem Jahr angelegten, auf die Begehung von Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz gerichteten bewussten und gewollten Zusammenschluss der Mitglieder der Gruppierung, als deren „führender Kopf“ der (wenn auch grundsätzlich in den Niederlanden und Großbritannien lebende; vgl dazu Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 10) Angeklagte agierte, und der detaillierten Beschreibung seiner Tathandlungen innerhalb der hierarchisch strukturierten Vereinigung (ON 331 US 5 ff; ON 337b US 6 ff) weiterer Konstatierungen dazu bedurft hätte, „aufgrund welcher korrespondierender Willensäußerungen insbesondere der (Erst)Angeklagte in irgendwelche kriminellen Machenschaften, die allenfalls (zu ON 331) A***** oder (zu ON 337b) S***** und K***** gesetzt haben, eingebunden war“.
Soweit die Beschwerden in diesem Zusammenhang behaupten, keines der Mitglieder der Vereinigung habe bestätigt, sich „im Sinne einer zumindest konkludenten Willenseinigung zur Erreichung des verpönten Zwecks .. mit dem Angeklagten zusammengeschlossen“ zu haben, und auf insoweit angeblich entlastende Verfahrensergebnisse verweisen, orientieren sie sich nicht an den eben zitierten Feststellungen, verfehlen solcherart den im konstatierten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS099810) und üben einmal mehr bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik.
Entgegen dem Vorwurf der Sanktionsrüge (Z 11) zu ON 337b hat das Erstgericht mit Urteil vom (ON 337b) zu Recht keine Zusatzstrafe zu der mit jenem vom (ON 331) ausgesprochenen Freiheitsstrafe verhängt, weil die Anwendung von § 31 StGB die – hier zufolge der vom Angeklagten ergriffenen Rechtsmittel noch nicht eingetretene – Rechtskraft des VorUrteils voraussetzt (Ratz in WK² StGB § 31 Rz 3; RISJustiz RS0090610; vgl auch RS0090926).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00091.19T.1007.000 |
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