OGH vom 19.12.2018, 10ObS87/18v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeits-pension, Rehabilitationsgeld und Übergangsgeld, über den (richtig:) Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als (richtig:) Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 27/18h-24, mit dem der (richtig:) Beschluss des Landesgerichts Innsbruck in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 47 Cgs 205/17a-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der vor dem geborene Kläger beantragte am bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension, wobei er hervorhob, dass der Antrag vorrangig auf Zuerkennung von Leistungen der Rehabilitation (inklusive Rehabilitationsgeld) gelte.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ein weiterer vom Kläger behaupteter Anspruch auf Zuerkennung von Übergangsgeld (zum bisherigen Verfahrensgang siehe den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , 10 ObS 87/18v).
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension vom ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Mit seiner fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension sowie von Übergangsgeld bzw Rehabilitationsgeld.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Das Erstgericht wies (auch) das Klagebegehren auf Zuerkennung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Übergangsgeld mit Urteil „ab“ (richtig in diesem Umfang: mit Beschluss zurück). Der Anspruch auf Übergangsgeld sei nicht von der Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG erfasst. Mangels Bescheids sei der Rechtsweg für diesen Anspruch unzulässig.
Das (in diesem Umfang richtig:) Rekursgericht gab der „Berufung“ (richtig: dem Rekurs) des Klägers im Umfang des Anspruchs auf Übergangsgeld mit der Maßgabe nicht Folge, dass es die Zurückweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung eines Übergangsgeldes (richtig:) bestätigte. Der Rechtsweg für die Geltendmachung dieses Anspruchs sei unzulässig, weil der Kläger entgegen seinen Angaben keinen Antrag auf Zuerkennung von Übergangsgeld gestellt habe, sodass dieser Anspruch auch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom gewesen sei.
Das Rekursgericht sprach in berichtigender Ergänzung seiner Entscheidung mit Beschluss vom aus, dass der Revisionsrekurs aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zulässig sei, weil sich aus einem vom Kläger erstmals mit dem Revisionsrekurs vorgelegten Beiblatt zum Antrag im Verfahren vor der beklagten Pensionsversicherungsanstalt ergebe, dass dieser am auch einen Antrag auf Zuerkennung von Übergangsgeld gestellt habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der (richtig:) Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er eine inhaltliche Entscheidung über seinen Anspruch auf Übergangsgeld anstrebt.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel die auch vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage geltend, dass er am auch einen Antrag auf Übergangsgeld gestellt habe, für dessen Geltendmachung mit der vorliegenden Klage der Rechtsweg zulässig sei. Er legt ein Beiblatt zu seinem Antrag vom vor, wonach er einen „Antrag auf Gewährung der Rehabilitation gemäß § 270a, 253e ASVG, auf sofortige Krankenversicherung sowie Rehabilitations und Übergangsgeld im gesetzlichen Ausmaß“ gestellt habe.
1.1 Auf Versicherte, die – wie der Kläger – vor dem das 50. Lebensjahr vollendet haben (ältere Versicherte), bleiben die § 253e, 306 ASVG idF des BBG 2011, BGBl I 2010/111, gemäß § 669 Abs 5 ASVG weiter anwendbar. Ihnen gebührt nach § 306 Abs 1 Satz 3 ASVG aF Übergangsgeld bei Gewährung beruflicher Rehabilitation nach § 253e oder § 270e ab dem Stichtag für die Leistungsfeststellung (10 ObS 117/17d mwH).
1.2 Zum Übergangsgeld hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 117/17d ausgesprochen, dass es nicht von der Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG erfasst ist. Übergangsgeld wird gemäß (dem insofern weder durch das SRÄG 2012 noch durch das SVÄG 2016, BGBl I 2017/29, oder das SVÄG 2017, BGBl I 2017/38 veränderten) § 367 Abs 1 ASVG nur über einen darauf gerichteten Antrag gewährt. Ein Bescheid ist in diesem Fall vom Pensionsversicherungsträger nur zu erlassen, wenn die beantragte Leistung ganz oder teilweise abgelehnt wird und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlangt (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG).
2.1 Selbst wenn man im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers davon ausginge, dass er tatsächlich am auch einen Antrag auf Übergangsgeld gestellt hätte, so hat er diesen die Zulässigkeit des Rechtswegs begründenden Umstand erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht. Dem steht jedoch das Neuerungsverbot des § 482 ZPO entgegen, das auch im Rechtsmittelverfahren in Sozialrechtssachen ausnahmslos gilt (RISJustiz RS0042049).
2.2 Richtig ist, dass dem Neuerungsverbot nicht Tatsachen und Beweismittel unterliegen, die jederzeit von Amts wegen zu beachtende Umstände betreffen. Dazu gehört auch die Zulässigkeit des Rechtswegs (§ 67 ASGG;10 ObS 11/09d, SSVNF 23/33; RISJustiz RS0119356; RS0108589). Gemäß § 42 Abs 1 JN (iVm § 2 ASGG) ist jedoch nur auf jene Tatsachen von Amts wegen Bedacht zu nehmen, aus denen das der Prozessvoraussetzungen, hier daher die Unzulässigkeit des Rechtswegs, hervorgeht. Für das (positive) Vorliegen dieser Prozessvoraussetzungen fehlt hingegen eine entsprechende Vorschrift, weshalb Tatsachen, die im Rechtsmittelverfahren gegen eine Zurückweisung der Klage vorgebracht werden, dem Neuerungsverbot unterliegen (9 Ob 75/16v mwH; RISJustiz RS0053062).
2.3 Der Kläger hat erstmals in seiner Berufung (insofern richtig: Rekurs) gegen die (richtig:) Zurückweisung seiner Klage im Umfang des Übergangsgeldes geltend gemacht, dass er die Zuerkennung von Übergangsgeld auch bei der Beklagten beantragt habe. Ein Hinweis auf einen solchen Antrag ergab sich jedoch nicht aus dem Inhalt des erstinstanzlichen Aktes: Die Beklagte legte dem Erstgericht in der mündlichen Streitverhandlung vom (Protokoll ON 10, S 1) eine Kopie des Antrags „des Klägers auf Berufsunfähigkeitspension sowie den Antrag auf Leistungen der Rehabilitation (inklusive Rehabilitationsgeld)“ vor. Der Antrag trägt einen handschriftlichen Vermerk: „(siehe Beilage)“. Eine solche Beilage wurde von der Beklagten jedoch nicht vorgelegt. Der (unvertretene) Kläger erhielt vom Erstgericht die Möglichkeit einer Urkundenerklärung zu dem von der Beklagten vorgelegten Antrag vom und gab dazu die Erklärung ab, dass er die Echtheit anerkennt und zur Richtigkeit auf das eigene Vorbringen verweist (ON 10, Prot S 6). Die Protokollierung dieser Passagen rügte der Kläger auch nicht in seinem Protokollberichtigungsantrag ON 13, dem das Erstgericht teilweise stattgab.
2.4 Ein Beiblatt zu seinem Antrag vom an die Beklagte, aus dem sich (auch) ein Antrag auf Zuerkennung von Übergangsgeld ergibt, legte der Kläger erstmals mit seinem Revisionsrekurs vor. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in seinem (mit anwaltlicher Vertretung) eingebrachten Rekurs gegen die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Verfügung vortrug, dass er dem Antragsformular ein Beiblatt angeschlossen habe, „in welchem er beantragte, ihm Versicherungsschutz zur Sanierung seiner Zähne und allgemein in der Krankenversicherung zu gewähren“ (ON 6).
3.1 Die erstmals im Rechtsmittelverfahren gegen die Zurückweisung der Klage in diesem Umfang geltend gemachte Tatsache, dass ein Antrag auf Übergangsgeld auf einem Beiblatt zum Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt wurde, unterliegt nach den dargestellten Grundsätzen dem Neuerungsverbot des § 482 ZPO. Es fehlt, wie von den Vorinstanzen zutreffend angenommen, bereits aus diesem Grund im Umfang des Begehrens auf Zuerkennung von Übergangsgeld an der Zulässigkeit des Rechtswegs für den geltend gemachten Anspruch.
3.2 Daher bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die Beklagte bisher keinen Bescheid über die (gänzliche oder teilweise) Ablehnung eines Anspruchs auf Übergangsgeld erlassen und der Kläger auch nicht behauptet hat, die Erlassung eines solchen Bescheids ausdrücklich beantragt zu haben (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG), was aber weitere Voraussetzung der Rechtswegzulässigkeit ist, weil das Übergangsgeld weder in § 222 Abs 1 noch Abs 2 ASVG genannt ist (§ 367 Abs 1 ASVG).
Der Revisionsrekurs war mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens im Sinn dieser Bestimmung liegen nicht vor.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00087.18V.1219.000 |
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