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OGH vom 02.03.2017, 12Os13/17d

OGH vom 02.03.2017, 12Os13/17d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harry E***** und weitere Angeklagte wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Harry E***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom , GZ 4 Hv 56/16v-115, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Harry E***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung wurde Harry E***** mit dem – auch in Ansehung des Genannten einen zu Unrecht nicht gesondert ausgefertigten (RIS-Justiz RS0101841, RS0120887 [T2, T 3]; Schroll in WK2 StGB § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50) Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe enthaltenden – angefochtenen Urteil der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./2./ und 3./), des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (A./1./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B./) und des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs 1 StGB (D./) schuldig erkannt.

Danach haben

A./ in G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken jeweils Lejla D***** mit Gewalt zur Duldung nachstehender – zu 2./ und 3./ dem Beischlaf gleichzusetzender – geschlechtlicher Handlungen genötigt,

1./ am Harry E***** und der abgesondert verfolgte Desmond K***** zur Duldung intensiver Berührungen an der Brust und im Genitalbereich jeweils über der Kleidung, indem sie Lejla D***** in die 4bKlasse der Neuen Mittelschule F***** zerrten, sie dort durch einen Stoß zu Boden brachten und an Armen und Beinen festhielten, um körperliche Gegenwehr zu verhindern;

2./ am Harry E***** und der abgesondert verfolgte Desmond K***** zur Duldung der digitalen Vaginalpenetration durch Harry E*****, indem sie Lejla D***** in die 4cKlasse der Neuen Mittelschule F***** zerrten, ihr – nachdem Harry E***** sie zu Boden gebracht hatte – unter Überwindung ihrer körperlichen Gegenwehr Hose und Unterhose bis zu den Knien herunterzogen und sie an Armen und Beinen festhielten, wobei Sellim M***** , dessen Vorsatz sich jedoch nur auf die Duldung intensiver Berührungen an der Brust und im Genitalbereich der Lejla D***** durch Harry E***** und den abgesondert verfolgten Desmond K***** erstreckte, die beiden durch das Zuhalten der Klassenzimmertür von innen unterstützte;

3./ am 7. oder Harry E*****, Sellim M*****, Abdelrahman A*****, Hussein AlO***** und der abgesondert verfolgte Desmond K***** zur Duldung intensiver Berührungen zunächst über der Kleidung an der Brust und im Genitalbereich durch Hussein AlO***** und Desmond K***** sowie an der Brust durch Sellim M***** und schließlich zur Duldung digitaler Vagnialpenetration je mit zwei Fingern durch Harry E***** und in der Folge durch Abdelrahman A*****, wobei Letztgenannter gleichzeitig die nackte Brust des Opfers intensiv betastete, indem sie unter gegenseitiger Anfeuerung und in Anwesenheit weiterer Personen Lejla D***** auf einer Liege im Schularztzimmer der Neuen Mittelschule F***** liegend umzingelten, sie in dieser Position fixierten und ihr schließlich unter Überwindung ihrer körperlichen Gegenwehr die Hose bis zu den Knien hinunterzogen, wobei sich der Vorsatz des Sellim M***** und des Hussein AlO***** nur auf Duldung intensiver Berührungen an der Brust und im Genitalbereich der Lejla D***** erstreckte;

B./ Harry E***** am in G***** Lejla D***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zur Unterlassung belastender Angaben gegenüber der bereits von der Schulleitung der Neuen Mitteilschule F***** informierten Kriminalpolizei zu nötigen versucht, indem er sinngemäß ankündigte, er und seine Freunde würden sie schlagen, wenn sie vor der Polizei gegen sie aussage;

D./ Harry E***** Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

1./ am in S***** weggenommen, nämlich Gewahrsamsträgern des Unternehmens P***** drei Armbanduhren, zwei Hosen und drei T-Shirts im Wert von 71 Euro,

2./ am in G***** wegzunehmen versucht, nämlich Gewahrsamsträgern des Unternehmens Z***** ein T-Shirt im Wert von 19,95 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harry E*****.

Der Beschwerdeführer behauptet eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der tatrichterlichen Feststellungen zum Schuldspruch A./2./ in Ansehung der Aussage des Zeugen Camil H***** in der Hauptverhandlung am , wonach dieser aufgrund der Tatsache, dass Harry E***** zwischen ihm und Lejla D***** gelegen sei, nicht sagen könne, ob dieser tatsächlich einen Finger in die Vagina der Lejla D***** eingeführt habe (ON 103 S 39). Dem Einwand zuwider steht diese Deposition aber zu den kritisierten Konstatierungen nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch (US 9 f). Inwieweit sie „im Widerspruch“ zur Aussage des Zeugen Emir J***** (ON 103 S 45 ff) stehen sollte, erklärt die Beschwerde nicht.

Die Mängelrüge zum Schuldspruch A./3./ (Z 5 zweiter Fall) behauptet, das Erstgericht habe zu Unrecht die Angaben des Angeklagten Abdelrahman A***** unerörtert gelassen, wonach nur Desmond K***** und er selbst Lejla D***** an ihrer Vagina angefasst hätten, alle anderen jedoch nur am Gesäß und an der Brust (ON 102 S 59 f). Damit orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Aussage des Genannten (vgl RISJustiz RS0098471 [T2, T 5]), der in der Folge weiter ausführte, auch der Nichtigkeitswerber habe sie angefasst, er wisse aber nicht wie (ON 102 S 61).

Zum Schuldspruch B./ zeigt der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf die – vom erkennenden Gericht neben der als glaubhaft und nachvollziehbar beurteilten Aussage der Lejla D***** nur unterstützend angeführte (US 23) – Urteilserwägung, dass Harry E***** von seinen Lehrern als großgewachsen und beeindruckende Persönlichkeit beschrieben worden sei, weshalb aggressives Verhalten ihm durchaus wesensimmanent sei, keine offenbar unzureichende oder willkürliche Entscheidungsbegründung (Z 5 vierter Fall) auf. Eine solche läge nur vor, wenn unter Einbeziehung aller – und nicht bloß einzelner – beweiswürdigender Erwägungen zu einer Urteilsannahme ein Widerspruch mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen aufgezeigt würde (vgl Ratz, WKStPO § 581 Rz 455; RISJustiz RS0118317 [T2]).

Soweit sich die Beschwerde mangels ausdrücklicher Einschränkung der Anfechtungserklärung auch gegen die Schuldsprüche A./1./ und D./ wendet, diese jedoch inhaltlich unbekämpft lässt, mangelt es schon an deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285 Z 2 StPO), sodass insoweit auf sie keine Rücksicht zu nehmen war.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde gegen den Beschluss über die Anordnung von Bewährungshilfe (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00013.17D.0302.000
Schlagworte:
Strafrecht

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