OGH vom 13.11.2019, 13Os71/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Schrott in der Strafsache gegen Mario S***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mario S***** und Evelyn P***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 28/19a-424, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mario S***** und Evelyn P***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 13 Os 110/18b) jeweils des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben in V***** und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
Evelyn P***** am 13. und am ein Gut im Wert von mehr als 300.000 Euro, das ihr als Geschäftsführerin der P***** GmbH anvertraut worden war, sich oder einem Dritten zugeeignet, indem sie zusammen rund 4.480.000 Euro (US 10 und 13), die sieben im Ersturteil namentlich genannte Personen gegen die vertragliche Zusicherung, dieses Giralgeld auf einem bestimmten Konto der P***** GmbH zu belassen, zur Verfügung gestellt hatten, abredewidrig auf Konten Dritter transferierte, sowie
Mario S***** (richtig) Evelyn P***** hierzu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB) und zu deren strafbarer Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er sie zum abredewidrigen Geldtransfer aufforderte, die diesem zugrunde liegenden Verträge mit Dritten aushandelte und ihr diesbezügliche Daten und Urkunden zur Verfügung stellte (US 16 und 18 f).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wenden sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO erhobenen (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.
Nach dem Urteilssachverhalt umfasst der Schuldspruch zwei Taten: Die eine bestand in der Überweisung eines Teils des anvertrauten (§ 133 StGB) Giralgelds von 500.109,02 Euro als (unbesichertes) „Privatdarlehen“ auf ein Konto des Sven W***** am (US 10 f). Die andere bestand in der Überweisung eines weiteren Teils auf – einer „Zugriffsmöglichkeit“ der Beschwerdeführer entzogene (US 14) – Fremdkonten am , und zwar von 3.940.409,89 Euro als Einsatz für von der G***** LLC durchzuführende Finanzgeschäfte sowie von 50.000 USD als „Beteiligung“ an diesem Unternehmen (US 12 f). Beides widersprach mit den Geldgebern getroffenen Vereinbarungen, wonach „das Kapital auf dem […] Konto weder für fremde noch für eigene Zwecke behoben, verringert oder zu Gunsten der P***** GmbH oder Dritter ausbezahlt“ werden durfte, vielmehr dort „eingefroren“ bleiben musste (US 6 ff und 13 f).
Die von den Mängelrügen (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung der Feststellungen zum (jeweiligen) Bereicherungsvorsatz der Beschwerdeführer (US 18 f) findet sich auf den US 30 ff.
Wie jene zum Zueignungsvorsatz folgerte sie
das Erstgericht (als Teil der „subjektiven Tatseite“)
– willkürfrei – vor allem aus dem „objektiven Tatgeschehen“ (US 30). Es sah sie ferner durch die (auch insoweit) teilweise geständige Verantwortung, die manipulativen Versuche, ihr Vorgehen (nachfolgend) gegenüber den Geldgebern zu „verschleiern“, sowie durch das einschlägig getrübte Vorleben und die zur Tatzeit „triste finanzielle Situation“ beider Beschwerdeführer bestätigt (US 30). Die Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz (im Besonderen) stützte es zusätzlich auf Plausibilitätserwägungen zu ihrer Verantwortung in Bezug auf die dargestellten (konkreten) Geschäftsvorgänge ab (US 30 f).
Mit dem Einwand, diese Begründung hätte einer (darüber hinausgehenden) „Unterscheidung zwischen den zwei abgrenzbaren Tathandlungen“ sowie einer diesbezüglich „ausführlichen und eigenständigen Auseinandersetzung“ bedurft, wird weder der behauptete Nichtigkeitsgrund (Z 5 erster Fall) noch sonst eine der von § 281 Abs 1, 281a StPO eröffneten Anfechtungskategorien angesprochen.
Indem die weitere, gegen die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz „im Speziellen“ gerichtete Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) nur die zuletzt erwähnten Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette berücksichtigt, versäumt sie prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370), die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen, und entzieht sich schon deshalb einer sachlichen Erwiderung.
Der vom Schöffengericht unter Hinweis auf ihre vorangegangenen, „massiv einschlägige[n]“ gerichtlichen Aburteilungen sachverhaltsmäßig bejahte Umstand, „Vermögensdelinquenz“ sei den Beschwerdeführern „geradezu wesensimmanent“ (US 30), ist weder eine entscheidende Tatsache noch erblickten die Tatrichter darin erkennbar eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer solchen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410). Mit Kritik an dieser Urteilsprämisse verfehlen die Mängelrügen (Z 5 vierter Fall) daher den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS-Justiz RS0106268). Im Übrigen ist der vom Erstgericht gezogene Schluss von Taten, die Gegenstand rechtskräftiger Schuldsprüche sind, auf eine kriminelle Neigung der Täter unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Dies unabhängig davon, ob sie „[z]um nunmehr vorgeworfenen Tatzeitpunkt“ – wie jedenfalls zur Zeit der Begehung jener Straftaten, derentwegen ihre „Erstverurteilung“ erging – (noch) „gänzlich unbescholten“ waren.
Das übrige, gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite gerichtete Vorbringen (Z 5 vierter Fall) macht keinen Begründungsmangel geltend, indem es
- nicht jene tatrichterlichen Beweiswerterwägungen, die den bekämpften Feststellungen zugrunde liegen, sondern diese selbst (aufgrund eigenständiger Interpretation von Verfahrensergebnissen) als „denkunmöglich[en]“, „jeglichen Erfahrungsgrundsätzen“ widersprechenden „Rückschluss“ bezeichnet sowie
- das angefochtene Urteil mit jenem des ersten Rechtsgangs und dem rechtskräftigen Freispruch eines (ehemals) Mitangeklagten vergleicht.
Der Vorwurf der Sanktionsrügen, das Erstgericht habe „ungerechtfertigter Weise § 31, 40 StGB bei der Beurteilung der Strafbemessung außer Acht gelassen“, somit zu Unrecht keine Zusatzstrafe verhängt (Z 11 erster Fall), trifft nicht zu:
Nach den tatrichterlichen Feststellungen (US 4) wurden beide Beschwerdeführer mit (die jeweils einzige vorangegangene gerichtliche Abstrafung bildendem, rechtskräftigen) Urteil des Landesgerichts Wels vom , AZ 11 Hv 31/09m, schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Wie die Beschwerden selbst einräumen, wurden keineswegs alle dem (jeweils) angefochtenen – unter Einbeziehung der bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche (13 Os 110/18b) gefällten (US 2; vgl RIS-Justiz RS0098685 und RS0100041) – Strafausspruch zugrunde liegenden Taten vor jenem Vor-Urteil begangen. Die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 erster Satz StGB lagen demnach (jeweils) nicht vor (RIS-Justiz RS0113612), sodass die Verhängung von (bloßen) Zusatzstrafen ausgeschlossen war (RIS-Justiz RS0090813 [insbesondere T 19], jüngst 11 Os 71/18b).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht (in Ansehung des S*****) nicht von materieller Subsidiarität sonstigen Beitrags (§ 12 dritter Fall) gegenüber der Bestimmung (§ 12 zweiter Fall) ausging (siehe aber Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 112; RIS-Justiz RS0113616, RS0089933, RS0090381). Alternative – also rechtlich gleichwertige – Tatbestandsvarianten können nicht in (Konkurrenz oder) Scheinkonkurrenz zueinander stehen (11 Os 60/19m, EvBl 2019/151, 1024 [mit Hinweis von Ratz], RIS-Justiz RS0132692). Nach ständiger Rechtsprechung sind die Beteiligungsformen (§ 12) rechtlich gleichwertig (RIS-Justiz RS0090732, RS0117604 [insbesondere T 4]). Ob – hiervon ausgehend – insoweit (ohnedies) nur konkurrenzfreie Betrachtung in Frage kommt (so schon Ratz in WK2 StGB Vor § 28–31 Rz 50; vgl auch Oberressl in WK2 StGB § 312a Rz 9), kann hier dahinstehen, weil die Annahme beider Täterschaftsformen für den betreffenden Angeklagten jedenfalls ohne Nachteil (vgl § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) blieb.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00071.19V.1113.000 |
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