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OGH vom 14.08.2014, 13Os71/14m

OGH vom 14.08.2014, 13Os71/14m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Strafsache gegen Adrian K***** wegen Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 51 Hv 66/13k des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen die Durchführung der Hauptverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Adrian K*****, AZ 51 Hv 66/13k des Landesgerichts Wiener Neustadt, verletzt die Durchführung der Hauptverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers § 61 Abs 1 Z 5 StPO.

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 51 Hv 66/13k-26, wird aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an dieses Gericht verwiesen.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren AZ 51 Hv 66/13k des Landesgerichts Wiener Neustadt legte die Staatsanwaltschaft Adrian K***** mit Strafantrag als Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB qualifizierte Verhaltensweisen zur Last (ON 16).

In der ohne Beiziehung eines Verteidigers durchgeführten Hauptverhandlung (ON 22) dehnte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Anklage (unter anderem) auf den Vorwurf weiterer, als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB qualifizierter, Straftaten aus (ON 22 S 5 ff), worauf die Einzelrichterin Adrian K***** (soweit hier von Interesse) anklagekonform der Begehung dieser strafbaren Handlungen (Schuldspruch C) schuldig erkannte (ON 22 S 15).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, steht die Durchführung der Hauptverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 61 Abs 1 Z 5 StPO besteht im Einzelrichterverfahren (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen) notwendige Verteidigung, wenn für die nach den Urteilsfeststellungen begangene (14 Os 173/10p, EvBl 2011/76, 517; Ratz , WK-StPO § 468 Rz 31; Fabrizy , StPO 11 § 61 Rz 3; aM die ältere Rsp [vgl RIS-Justiz RS0098131]; Haißl in Schmölzer/Mühlbacher , StPO § 61 Rz 10 sowie Rebisant , JBl 2011, 808 [Entscheidungsanmerkung]) Straftat eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. Mit Blick auf die die Annahme von Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB tragenden Konstatierungen (US 5, 8) hätte der Angeklagte durch einen Verteidiger vertreten sein müssen (zur Vorgehensweise bei sich im Lauf der Hauptverhandlung ergebenden Verteidigerzwang vgl 14 Os 173/10p).

Da eine dem Angeklagten nachteilige Wirkung dieser Gesetzesverletzung nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Die Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 30) sowie alle vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen (siehe insbesondere ON 28) sind damit gegenstandslos.

Bleibt anzumerken, dass die Ausdehnung der Verhandlung und des Urteils auf die in Rede stehenden (zu C abgeurteilten) Straftaten auch mangels Belehrung des unvertretenen Angeklagten über das Zustimmungserfordernis nach § 263 Abs 1 zweiter Satz StPO (siehe ON 22 S 7) unzulässig war (RIS-Justiz RS0098866 [T1]).

Außerdem zeigt die Generalprokuratur zutreffend auf, dass das Protokoll über die Hauptverhandlung entgegen § 271 Abs 1 Z 7 StPO nicht die in § 260 Abs 1 Z 1 StPO bezeichneten Angaben enthält (ON 22 S 14 f).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00071.14M.0814.000