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OGH vom 21.02.2013, 9Ob9/13h

OGH vom 21.02.2013, 9Ob9/13h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner in der Rechtssache des Antragstellers W***** R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin Stadtgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Enteignungsentschädigung (1.599.517 EUR sA), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 22 R 376/12s 67, mit dem dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 13 Nc 9/09x 63, keine Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Mit Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom , Zl *****, wurden zur Durchführung eines Straßenbauprojektes die Eigentümerin des Grundstücks 366/9 EZ ***** Grundbuch ***** und der Antragsteller als Eigentümer des auf dem Grundstück befindlichen Superädifikats (Imbissstand) gemäß den Enteignungsbestimmungen des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 enteignet und den Enteigneten Entschädigungen zugesprochen, davon dem Antragsteller 4.752 EUR.

Am beantragte der Antragsteller beim Erstgericht die Festsetzung einer Enteignungsentschädigung in Höhe von 1.599.517 EUR sA, in eventu die gerichtliche Festsetzung eines Betrags (vgl AS 63).

Die gegen die Enteignung erhobene Beschwerde des Antragstellers beim Verwaltungsgerichtshof wurde teilweise ab und teilweise zurückgewiesen.

Der Beschwerde des Grundstückseigentümers wurde vom Verwaltungsgerichtshof teilweise Folge gegeben und der Enteignungsbescheid wegen mangelhafter Begründung in Bezug auf das Ausmaß der enteigneten Fläche teilweise aufgehoben.

Am beantragte der Kläger beim Amt der Salzburger Landesregierung die Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens, weil die Enteignung seines Superädifikats eine notwendige Folge der Grundstücksenteignung sei, der aber durch die Aufhebung des Enteignungsbeschlusses bezüglich des Grundstücks die Grundlage entzogen sei.

Mit Beschluss vom unterbrach das Erstgericht das Entschädigungsverfahren bis zur soweit verfahrensgegenständlich rechtskräftigen Entscheidung über die am beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens und im Falle der Wiederaufnahme bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Enteignungsverfahrens vor dem Amt der Salzburger Landesregierung.

Mit Beschluss des Rekursgerichts vom wurde dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers insoweit keine Folge gegeben.

Mit Bescheid vom wies das Amt der Salzburger Landesregierung den Wiederaufnahmeantrag ab.

Am beantragte der Antragsteller beim Erstgericht deshalb die Fortsetzung des Verfahrens.

Am entschied das Amt der Salzburger Landesregierung neuerlich über die Enteignung der Grundstückseigentümerin.

Am erhob der Antragsteller gegen den den Wiederaufnahmeantrag abweisenden Bescheid der Salzburger Landesregierung vom Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.

Am beantragte er beim Amt der Salzburger Landesregierung erneut die Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens, weil mit dem Bescheid vom nicht das ganze Grundstück 366/9 und insbesondere nicht die Teilfläche enteignet worden sei, auf der sich sein Superädifikat befinde.

Mit Bescheid vom wies das Amt der Salzburger Landesregierung auch diesen Wiederaufnahmeantrag ab.

Mit dem nun bekämpften Beschluss vom wies das Erstgericht den Fortsetzungsantrag vom ab und unterbrach das Verfahren bis zur „materiell rechtskräftigen Entscheidung“ des Wiederaufnahmeverfahrens (Antrag vom ) hinsichtlich des Enteignungsverfahrens und im Falle der Wiederaufnahme bis zur „materiell rechtskräftigen Entscheidung“ des Enteignungsverfahrens vor dem Amt der Salzburger Landesregierung. Das Verfahren könne erst dann fortgesetzt werden, weil im Falle einer Aufhebung der Enteignung des Antragstellers dem gegenständlichen Außerstreitverfahren die (meritorische) Grundlage entzogen wäre. Der Fortsetzungsantrag vom sei abzuweisen, weil aufgrund der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom keine rechtskräftige Entscheidung des Wiederaufnahmeverfahrens vorliege.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers im Ergebnis keine Folge. Zwar trete die formelle Rechtskraft von Bescheiden einer Verwaltungsbehörde mit der Unanfechtbarkeit des Bescheids durch ordentliche Rechtsmittel ein, wozu die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht zähle. Allerdings hindere die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof den Eintritt sämtlicher Rechtswirkungen. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Erstgericht sei die Frist zur Erhebung einer Beschwerde bezüglich des Bescheids des Amtes der Salzburger Landesregierung vom noch nicht abgelaufen gewesen. Da der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen könne, müsse das Gericht die Bindungswirkung erst annehmen, wenn innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist an den Verwaltungs-gerichtshof keine Beschwerde erhoben worden sei oder der Verwaltungsgerichtshof der erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt habe. Da die Unterbrechung daher zu Recht erfolgt sei, komme auch die angestrebte Verfahrensfortsetzung nicht in Betracht. Nicht zuletzt sei es zweckmäßig, das Verfahren bis zur Erledigung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde(n) zu unterbrechen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil nicht hinreichend geklärt sei, ob die Unterbrechung eines Verfahrens zur Festsetzung einer Enteignungsentschädigung ungeachtet der Bindungswirkung des formell rechtskräftigen Verwaltungsbescheids in einem derartigen Fall nicht doch andauere.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig , weil sich die Notwendigkeit der Unterbrechung hier schon aus der Struktur des Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens nach § 15 Abs 1 Salzburger LandesstraßenG 1972 ergibt, ohne dass es auf die vom Rekursgericht thematisierte Frage der aufschiebenden Wirkung einer Verwaltungsgerichtshof-beschwerde ankäme. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG liegt nicht vor.

Gemäß § 25 Abs 2 AußStrG kann ein Außerstreitverfahren ganz oder zum Teil von Amts wegen oder auf Antrag unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.

Richtig ist zwar, dass die Rechtskraft von Bescheiden mit formeller Rechtskraft, dh mit Unanfechtbarkeit durch ordentliche Rechtsmittel, eintritt (RIS Justiz RS0049515). Auch wurde zur Parallelbestimmung des § 190 ZPO bereits wiederholt ausgesprochen, dass Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofbeschwerden keine Unterbrechungsgründe sind (RIS Justiz RS0036898). Die Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall würde jedoch die Besonderheiten des Enteignungs und Entschädigungsverfahrens nach § 15 Abs 1 Salzburger LandesstraßenG 1972 verkennen. Diese Bestimmung sieht vor:

§ 15. (1) Für die Durchführung der Enteignung und die Festsetzung der Entschädigung sind die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes – EisenbEntG 1954, BGBl Nr 71, in der Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 191/1999, mit folgenden Abweichungen sinngemäß anzuwenden:

a) über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung entscheidet die Landesregierung als Straßenrechtsbehörde, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist;

b) der Enteignungsbescheid hat auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen; sie ist, mangels einer Vereinbarung der Parteien, auf Grund der Schätzung beeideter Sachverständiger zu ermitteln;

c) jeder der beiden Teile kann, wenn er sich durch die Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt hält, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Enteignungsbescheides die Festsetzung des Betrages der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Wenn die gerichtliche Entscheidung angerufen wird, tritt der Bescheid der Landesregierung hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt der im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart;

d) …

§ 15 Abs 1 lit c leg cit weist somit nur die Überprüfung der Entschädigungssumme dem Gericht zu (wobei in Abweichung zu § 18 Abs 1 Satz 3 EisbEG an die Stelle der Zuständigkeit des Landesgerichts jene des Bezirksgerichts tritt), während die Frage, ob die Enteignung als solche zu Recht erfolgt ist, im Verwaltungsrechtsweg zu überprüfen ist. Anders als bei einer präjudiziellen Vorfrage iSd § 25 Abs 2 AußStrG, die bei gegebenen Voraussetzungen unabhängig von der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens auch vom Gericht selbst geklärt werden könnte, bildet der Enteignungsbescheid hier eine tatbestandliche Voraussetzung für die Einleitung des Gerichtsverfahrens.

Dementsprechend wurde in der Entscheidung 7 Ob 239/00y ausgesprochen, dass mit dem einen Enteignungsbescheid aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs dem gerichtlichen Verfahren zur Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung die Basis entzogen wurde und daher die im Entschädigungsverfahren ergangenen Entscheidungen wirkungslos seien.

Weiters wurde in der Entscheidung 1 Ob 95/07p erkannt, dass der durch die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Entschädigung Beschwerte noch keinen Antrag bei Gericht stellen muss, solange noch offen sei, ob die Berufungsbehörde die Entscheidung zur Gänze beseitigen oder teilweise eingeschränkt werde. Anderes sei „verfahrensökonomisch ganz unsinnig“. Die Notwendigkeit, das gerichtliche Verfahren auszusetzen bzw zu unterbrechen, beschränke sich dann auf die (selteneren) Fälle der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs gegen die Entscheidung der (dort: wasserrechtlichen) Berufungsbehörde.

Aus all dem geht hervor, dass im Falle einer erfolgreichen Wiederaufnahme des Enteignungsverfahrens des Antragstellers bis zu dessen Abschluss keine Kognitionsbefugnis des Gerichts über eine Entschädigungssumme gegeben wäre. Danach wäre es aber auch im vorliegenden Fall verfahrensökonomisch verfehlt, das Entschädigungsverfahren im gegenwärtigen Stadium mit dem Risiko einer nachträglichen Wirkungslosigkeit fortzuführen. Das erstgerichtliche Verfahren wurde daher zu Recht bis zur (materiell) rechtskräftigen Entscheidung über die Wiederaufnahme des Enteignungsverfahrens und gegebenenfalls des Enteignungsverfahrens selbst unterbrochen.

Ein Widerspruch zur Abweisung des Antrags vom auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens wird dadurch nicht begründet: Dem nun bekämpften Unterbrechungsbeschluss kommt nur die Bedeutung zu, die bereits mit Beschluss vom ausgesprochene Unterbrechung bis zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag vom zu verlängern.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG), ohne dass es erforderlich wäre, der Antragsgegnerin die Möglichkeit einer Äußerung (§ 52 Abs 2 iVm § 71 Abs 4 AußStrG) einzuräumen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (§ 15 Abs 1 Salzburger LandesstraßenG 1972 iVm § 44 Abs 2 EisbEG).