OGH vom 19.04.2018, 12Os11/18m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Valentin F***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom , GZ 200 Hv 4/17i-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil in den darin enthaltenen Aussprüchen über die Einziehung, den Verfall und die Konfiskation ersatzlos aufgehoben.
Mit seinem weiteren darauf bezogenen Beschwerdevorbringen wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Im ersten Rechtsgang wurde Valentin F***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom (ON 13) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 StGB „in Anwendung des § 19 JGG iVm § 5 Z 4 JGG“ nach § 28a Abs 4 SMG zu einer (richtig:) gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von dreißig Monaten verurteilt.
Der dagegen zu seinem Nachteil erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft Graz gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom , AZ 1 Bs 136/16h (ON 19), durch Ausschaltung der gänzlich bedingten Strafnachsicht Folge und sah gemäß §§ 43a Abs 4, 43 Abs 1 StGB (lediglich) einen Teil der Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nach.
Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 12 Os 37/17h, wurde über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes das erstinstanzliche Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, aufgrund eines dem Verurteilten zum Nachteil gereichenden Rechtsfehlers mangels Feststellungen in seinem solcherart § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG verletzenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des zugleich gefassten, Bewährungshilfe und eine Weisung anordnenden Beschlusses) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen (ON 35).
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Valentin F***** im zweiten Rechtsgang – unter formal verfehlter (RIS-Justiz RS0100041; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 33) Wiederholung des im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs und unter überflüssiger abermaliger Zitierung (auch) des § 19 Abs 1 JGG – nach dem sich aus § 5 Z 4 iVm § 5 Z 11 JGG ergebenden Strafrahmen von bis zu siebeneinhalb Jahren (vgl US 8) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 iVm § 43 Abs 1 StGB ein Teil von siebzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zugleich wurden „gemäß § 26 StGB iVm § 34 SMG die sichergestellten Suchtgiftutensilien, nämlich zwei digitale Feingrammwaagen, vier Rauchgeräte und neun Crusher“ eingezogen, „gemäß § 20 StGB ein Betrag in Höhe von 100.000 Euro, welcher den aus dem Suchtgifthandel erlangten Erlösen entspricht“, für verfallen erklärt und „gemäß § 19a StGB das silberfarbige Mobiltelefon der Marke HTC“ konfisziert (US 3).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
Indem die Sanktionsrüge die Heranziehung des Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens von einem Verbrechen mit „mehreren Vergehen“ (US 8) mit der Argumentation bekämpft, es sei dem Angeklagten in Ansehung des vorschriftswidrigen Besitzens von Suchtgift (2./) nur ein Vergehen anzulasten, setzt sie sich in unzulässiger Weise über den hinsichtlich der Schuld- und Subsumtionsfrage bereits in Rechtskraft erwachsenen und von der Kassation durch den Obersten Gerichtshof nicht umfassten Schuldspruch (vgl US 2) hinweg (RIS-Justiz RS0100142).
Demgegenüber zeigt sie in Bezug auf die – im ersten Rechtsgang (von der Staatsanwaltschaft unbekämpft) unterlassenen – Erkenntnisse über den Wertersatzverfall eines Betrags von 100.000 Euro und die Konfiskation eines Mobiltelefons zutreffend einen Verstoß gegen die Grundsätze des Verschlechterungsverbots im Sanktionenbereich im Sinne der §§ 16, 293 Abs 3 [§ 290 Abs 2] StPO auf. Dieses gilt für jede Unrechtsfolge für sich und betrifft demnach auch – gemäß § 443 Abs 3 StPO dem Ausspruch über die Strafe gleichgestellte – vermögensrechtliche Anordnungen (vgl RIS-Justiz RS0100700 [insbesondere T 12]; vgl auch RIS-Justiz RS0129178 zur Konfiskation).
Die solcherart bewirkte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 726) war hinsichtlich der im zweiten Rechtsgang gleichermaßen erstmalig ergangenen, vom Beschwerdeführer jedoch unbeanstandet gelassenen Maßnahme der Einziehung diverser Suchtgiftutensilien nach § 26 StGB von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 50 f).
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass waren somit die im angefochtenen Urteil enthaltenen Aussprüche über die Einziehung, den Verfall und die Konfiskation ersatzlos aufzuheben.
Mit seinem weiteren darauf bezogenen Beschwerdevorbringen war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 28a Abs 4 SMG eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten und sah gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Strafteil von siebzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Dabei erachtete es grundsätzlich die Verhängung einer Strafe von zweiundzwanzig Monaten für angemessen, brachte davon jedoch angesichts der langen weder vom Berufungswerber noch vom Verteidiger zu verantwortenden Verfahrensdauer zwei Monate in Abzug (US 8).
Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen und den langen Deliktszeitraum, als mildernd hingegen das umfassende, reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, die Begehung der Straftaten teils als Jugendlicher, teils nach Vollendung des 18., aber noch vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie die lange Verfahrensdauer.
Die dagegen vom Angeklagten erhobene Berufung strebt eine Herabsetzung und gänzliche bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe an.
Wie schon anlässlich der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt, hat das Schöffengericht, wie bereits im ersten Rechtsgang, zu Recht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen als erschwerend gewertet. Trotz des zutreffenden Hinweises der Berufung, dass die Unbescholtenheit außer Betracht geblieben sei, erweist sich die ausgemessene Freiheitsstrafe – unter Berücksichtigung deren bereits vom Erstgericht vorgenommener, zahlenmäßig ausgewiesener Reduktion um zwei Monate wegen überlanger Verfahrensdauer – jedoch dem
Unrecht der Taten und der Schuld des Angeklagten angemessen.
Angesichts des bisherigen ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten genügt jedoch die bloße Androhung der Vollziehung der verhängten Freiheitsstrafe, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Da dem auch generalpräventive Erwägungen nicht entgegenstehen, war der Berufung daher insoweit Folge zu geben und die gesamte Strafe für eine Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachzusehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00011.18M.0419.000 |
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