OGH vom 11.06.2013, 14Os89/12p

OGH vom 11.06.2013, 14Os89/12p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bitsakos als Schriftführer in der Strafsache gegen Klaus G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dr. Gernot H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 10 Hv 69/11k 57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgerichts Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Dr. Gernot H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Mitangeklagten Klaus G***** und Erich L***** enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte Dr. Gernot H***** des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 12 zweiter Fall, 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

Danach haben „sich die Angeklagten“ zwischen und in K***** und Wien ein Klaus G***** als Geschäftsführer der K***** GmbH anvertrautes Gut, nämlich den unter Eigentumsvorbehalt der C***** GmbH Co Anlagen KG stehenden und ihm am als Leasingfahrzeug übergebenen Kompaktlader der Marke Takeuchi TB 1140 samt Zusatzausrüstung in einem 50.000 Euro übersteigenden (Rest )Wert von zumindest 55.200 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, und zwar

1./ Klaus G*****, indem er den Kompaktlader Dr. Gernot H***** als Gesellschafter und Erich L***** als Prokurist jeweils der A***** GmbH „bzw“ Verfügungsberechtigten der Agentur J***** GmbH zur Befriedigung einer Forderung der R***** GmbH gegenüber der A***** GmbH aushändigte;

2./ Dr. Gernot H***** und Erich L*****, indem sie gemeinsam Klaus G***** darum ersuchten, ihnen bzw der A***** GmbH den Kompaktlader zur Befriedigung einer Forderung der R***** GmbH gegenüber der A***** GmbH zu überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Z 4, 5, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Gernot H***** verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung der in der Hauptverhandlung am (ON 56 S 24) gestellten Anträge auf Einvernahme von Mag. S***** als Zeugin und auf Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Unglaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten L*****, die Übernahmebestätigung vom (ON 5a S 25 ff) nicht unterschrieben zu haben (ON 39 S 26), sowie der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung zwischen der H.***** GmbH (als Rechtsvorgängerin der K***** GmbH) und der R***** GmbH vom (ON 5a S 11) über den Verkauf des tatverfangenen Kompaktladers an Letztgenannte.

Vorweg ist dazu klarstellend auszuführen, dass sich der Kompaktlader nach den Urteilsannahmen ab durchgehend, also auch im März 2007, aufgrund eines mit der C***** GmbH Co Anlagen KG als (zu diesem Zeitpunkt) Eigentümerin abgeschlossenen Leasingvertrags vom (ON 8 S 3 ff) im Gewahrsam des damaligen Leasingnehmers, also von Franz B***** als Einzelunternehmer, befunden hat (US 7 ff, 14 f). Der bloße schriftliche Abschluss eines Kaufvertrags und die Unterfertigung einer schriftlichen Übergabebestätigung durch aus Sicht der Eigentümerin und des Gewahrsamträgers dritte Personen betrifft demnach für sich betrachtet keine für die Lösung der Schuld und Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache.

Weshalb sich aber aus dem durch die Aufnahme der begehrten Beweismittel angestrebten Nachweis, dass Erich L***** die angesprochene Übergabebestätigung unterfertigte, ergeben sollte, dass die Baumaschine tatsächlich von der A***** GmbH als Leasingnehmerin der R***** GmbH übernommen wurde (die Übergabe also nicht wie von den Tatrichtern primär aufgrund der Angaben des Zeugen B***** und des Angeklagten G***** angenommen bloß fingiert war), woraus der Beschwerdeführer die „Rechtswirksamkeit“ des (ohne Wissen der damaligen Eigentümerin abgeschlossenen) Kaufvertrags zwischen dem letztgenannten Unternehmen und der H.***** GmbH vom März 2007 und gutgläubigen Eigentumserwerb der Käuferin nach § 367 ABGB mittels „Besitzanweisung“ ableitet (vgl dazu gleich unten), ließ der Antrag offen.

Auch unter dem Aspekt einer grundsätzlich zulässigen (vgl RIS Justiz RS0098429, RS0028345) Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Erich L***** ist der Antrag nicht berechtigt, weil sich aus dem Vorbringen nach dem Vorgesagten keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dieser hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (vgl RIS Justiz RS0120109).

Der Antrag auf Vernehmung der Mag. S***** als Zeugin ließ zudem nicht erkennen, weshalb diese zumal deren persönliche Anwesenheit bei der Unterschriftsleistung von niemandem behauptet worden war Angaben über die Echtheit der vom Beschwerdeführer dem Angeklagten L***** zugeschriebenen Unterschrift machen könnte. Da nicht Schlussfolgerungen oder Rechtsmeinungen sondern nur sinnliche Wahrnehmungen Thema des Zeugenbeweises sind (vgl RIS Justiz RS0097540), konnte somit dahingestellt bleiben, ob die Zeugin nach späterem Vergleich der Unterschrift auf der angesprochenen Bestätigung mit einer Kopie eines Lichtbildausweises der Meinung war, dass diese von Erich L***** stammte, oder ob die R***** GmbH ihrer Ansicht nach im März 2007 Eigentum an der tatverfangenen Baumaschine erlangt haben konnte.

Nur der Vollständigkeit halber bleibt in diesem Zusammenhang daher anzumerken, dass die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, die R***** GmbH habe im März 2007 (also vor der inkriminierten Veruntreuungshandlung des Klaus G*****, der erst aufgrund des Leasingvertrags vom [ON 5a S 29 ff] Vertrauensmann [§ 367 ABGB] der C***** GmbH Co Anlagen KG wurde) trotz nicht erfolgter körperlicher Übergabe der Sache durch „Besitzanweisung“ (vgl RIS Justiz RS0124252) gutgläubig Eigentum (vgl § 367 ABGB in der seit geltenden Fassung BGBl I 2005/120) von der (nicht berechtigten) H.***** GmbH (als Unternehmerin in deren gewöhnlichen Betrieb) erworben, jegliche Anführung von Beweisergebnissen vermissen lässt, die nahelegen würden, dass der damalige Sachinhaber Franz B***** (als Leasingnehmer der C***** GmbH Co Anlagen KG) den Kompaktlader als Besitzdiener oder Besitzmittler je für die H.***** GmbH (und nicht für seine Leasinggeberin) in Gewahrsam gehabt hätte oder dass B***** von wem auch immer je angewiesen worden wäre, die Sache ab der „Übernahmebestätigung“ () für die R***** GmbH innezuhaben (vgl RIS Justiz RS0021151; vgl zudem zum gutgläubigen Eigentumserwerb durch bloße Übergabssurrogate: Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek , ABGB 6 § 367 Rz 2 und 9).

Unzweifelhaft gab das Erstgericht im Gesamtkontext (US 8 und 14) mit der Bezeichnung der „Veräußerung“ des Kompaktladers und des daraufhin zwischen der R***** GmbH und der A***** GmbH abgeschlossenen Leasingvertrags (ON 5a S 13 ff) als „Scheingeschäfte“ (vgl dagegen § 916 ABGB und RIS Justiz RS0018149) zwischen den Angeklagten zu erkennen, dass die Verträge für die Angeklagten ausschließlich der Lukrierung von Geldmitteln für die A***** GmbH oder den Beschwerdeführer im Wege eines Leasinggeschäfts mit der R***** GmbH vorgeblich zur Finanzierung des tatsächlich schon von der C***** GmbH Co Anlagen KG (damals für Franz B*****) finanzierten Kompaktladers dienten, ohne dass der R***** GmbH die fehlende Berechtigung der H.***** GmbH an dem im Vorbehaltseigentum der C***** GmbH Co Anlagen KG stehenden Fahrzeug bekannt war (US 8 f). Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt somit nicht vor (vgl RIS Justiz RS0117995). Entgegen dem weiteren Beschwerdeeinwand blieben diese Feststellungen weder unbegründet (Z 5 vierter Fall; vgl US 14 f und 17) noch stehen sie insoweit in Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zueinander.

Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider stützte das Erstgericht die Feststellung, wonach der Kompaktlader tatsächlich nie an die A***** GmbH übergeben wurde, sondern ab dem stets bei Franz B***** (nach dem im Rahmen einer Vermietung durch die K***** GmbH) in Verwendung stand und sich lediglich einmal wegen einer Reparatur und offener Leasingraten im Gewahrsam des Erstangeklagten bzw der K***** GmbH befand (US 7 ff), mängelfrei auf die Zeugenaussagen von Franz B***** (ON 56 S 20 ff) und Günter L***** (ON 56 S 12 f) sowie auf die Verantwortung des Erstangeklagten (ON 39 AS 9; ON 56 AS 23; vgl US 13 und 14).

Die in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die umstrittene Unterschrift aufgestellte Behauptung aktenwidriger (Z 5 fünfter Fall) Begründung der Annahme, mit der „Übernahmebestätigung“ vom sei eine tatsächliche Übergabe des Kompaktladers bloß vorgetäuscht worden (US 8 f), übergeht, dass die Tatrichter die bloße Unterschrift mit Recht gerade nicht als Beweis für eine körperliche Übergabe der Maschine an die A***** GmbH angesehen haben, womit die Frage in Bezug auf deren Urheber vom Erstgericht zutreffend erkannt keine für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen Umstand betrifft (US 9 und 14 f).

Inwiefern Schwierigkeiten des Franz B***** bei der Erfüllung der aus dem Leasingvertrag mit der C***** GmbH Co Anlagen KG folgenden Zahlungsverpflichtungen von Relevanz sein sollen, bleibt offen, sodass das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers (Z 5 zweiter und vierter Fall) auf sich beruhen kann. Das Motiv für die zweifache „Verleasung“ ein und desselben Kompaktladers berührt weder die Schuldfrage noch den anzuwendenden Strafsatz, weshalb die darauf bezogene Kritik (Z 5 zweiter Fall) mangels Bedeutung für die Sachentscheidung ins Leere geht (vgl RIS Justiz RS0088761).

Dem weiteren Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider gelangte das Erstgericht aufgrund der Verantwortung des Erstangeklagten (G*****) vor der Polizei (ON 4 S 75) im Zusammenhalt mit der Einlassung des Beschwerdeführers, Klaus G***** habe die Herausgabe des Kompaktladers von der Übernahme der Zahlungsverpflichtung gegenüber der C***** GmbH Co Anlagen KG abhängig gemacht (ON 4 S 81 und ON 39 AS 18), zu der Annahme, dass Dr. Gernot H***** und Erich L***** den Angeklagten Klaus G***** um Herausgabe des Kompaktladers an die R***** GmbH ersucht (US 11) und dadurch beim Letztgenannten den Tatentschluss erweckt hatten (US 22). Die seiner ursprünglichen Verantwortung widersprechenden Angaben des Erstangeklagten in der Hauptverhandlung (ON 39 AS 8) und die (in Bezug auf die Bestimmungstäterschaft leugnende) Verantwortung des Beschwerdeführers (insbesondere ON 39 AS 15) haben die Tatrichter erörtert und als unglaubwürdig beurteilt (US 17 bis 19), weshalb die Urteilsbegründung auch in diesem Punkt nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) geblieben ist.

Indem die Mängelrüge behauptet, die Begründung der Tatrichter sei widersprüchlich (Z 5 dritter Fall), weil der aus der Verantwortung des Zweitangeklagten gezogene Schluss hinsichtlich der Bestimmung des Erstangeklagten „nicht nachvollziehbar“ sei, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung.

Schließlich gründete das Erstgericht entgegen der neuerlich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nehmenden Kritik (Z 5 zweiter und vierter Fall) des Beschwerdeführers ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 394 mwN) die Feststellung, wonach dieser Kenntnis vom Eigentumsvorbehalt der C***** GmbH Co Anlagen KG hatte (US 11), unter anderem mängelfrei auf dessen eigene Verantwortung, ihm sei „klar gewesen“, dass es sich beim Kompaktlader um ein Leasingfahrzeug handle (ON 39 S 18), und er sei vier bis sechs Monate vor der (US 10: am erfolgten) Eröffnung des Konkurses über die A***** GmbH vom Drittangeklagten darüber informiert worden, dass der Kompaktlader im Eigentum der C***** GmbH Co Anlagen KG stehe (ON 39 S 14; US 17 bis 19). Auf die spätere Behauptung des Erstangeklagten, der Beschwerdeführer habe vom „Doppelleasing“ nichts gewusst, gingen die Tatrichter ohnehin ein, haben dieser Aussage aber im Hinblick auf Widersprüche zur Verantwortung des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt (US 19).

Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a und b, der Sache nach nur lit a) orientiert sich mit dem Einwand fehlender Konstatierungen zur vorsätzlichen Erweckung des Tatentschlusses prozessordnungswidrig (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584 und 593) ebensowenig an den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen (US 10 f, 17 f und 22) wie mit der Behauptung eines vom Beschwerdeführer rechtsirrtümlich angenommenen (gutgläubigen) Eigentumserwerbs der R***** GmbH vor Einziehung des Kompaktladers durch diese (US 11 f, 17 f und 22 f).

Bleibt anzumerken, dass der durch die Vermietung an Franz B***** (US 10) bloß mittelbare Gewahrsam des Angeklagten G***** am ihm seit März 2008 als Organ der K***** GmbH anvertrauten Kompaktlader (vgl hiezu Spielbüchler in Rummel 3 , § 309 Rz 2; Koziol/Welser , Bürgerliches Recht I 13 257 f mwN) zum Zeitpunkt dessen Zueignung, nämlich der Herausgabe an die A***** GmbH bzw die Agentur J***** GmbH zur Befriedigung einer Forderung der R***** GmbH gegen deren Leasingnehmerin, einer Strafbarkeit nach § 133 StGB nicht entgegensteht ( Kienapfel/Schmoller , StudB BT II § 133 RN 29 ff).

Da die Subsumtionsrüge (Z 10) mit ihrem gegen die Annahme der Wertqualifikation des § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB gerichteten Vorbringen nicht methodengerecht darlegt, weshalb bei der Schadensermittlung die Umsatzsteuer außer Betracht bleiben soll, verfehlt sie einmal mehr die prozessordnungskonforme Geltendmachung materieller Nichtigkeit (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 588). Im Übrigen sind nach von der Judikatur entwickelten Grundsätzen bei Bewertung des Schadens aus Vermögensdelikten allfällige abgabenrechtliche Auswirkungen unbeachtlich. Das Vorsteuerabzugsrecht (§ 12 UStG) ist für die Schadensermittlung bedeutungslos (RIS Justiz RS0076279).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.