VfGH vom 10.06.2002, b69/01
Sammlungsnummer
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Spruch
Der beschwerdeführende Bund ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der mitbeteiligten Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 1962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat die Lieferung und Installation eines Film- und eines Printprozessors für das Landesgendarmeriekommando Oberösterreich gemäß den Bestimmungen der ÖNORM A 2050 im nicht offenen Verfahren ausgeschrieben; der geschätzte Auftragswert wurde mit 1,7 Mio S beziffert.
Von fünf zur Angebotsabgabe eingeladenen Unternehmern haben vier Bieter termingerecht Angebote gelegt, unter ihnen auch die mitbeteiligte Partei. Mit Schreiben vom wurde dieser mitgeteilt, daß ihr Angebot nicht berücksichtigt werde und der Zuschlag an eine Mitbieterin erfolgen solle.
Die mitbeteiligte Partei beantragte daraufhin beim Bundesvergabeamt (BVA) die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Begehren festzustellen, daß wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz (BVergG) bzw. die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.
Mit Bescheid vom , Z F-27/99-10, gab das BVA diesem Antrag statt: Der Auftraggeber hätte nach umsichtiger und sachkundiger Schätzung des Auftragswertes und sorgfältiger Prüfung des Marktsegments einen höheren Auftragswert veranschlagen müssen, weshalb das Vergabeverfahren in den sachlichen Geltungsbereich des BVergG fallen hätte müssen. Nach dessen Bestimmungen hätte das Anbot der Zuschlagsempfängerin wegen Vorliegens eines unbehebbaren Mangels ausgeschieden werden müssen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des Bundes in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des Bescheides begehrt wird.
3. Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
Eine mitbeteiligte Partei hat eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet ab- bzw. zurückzuweisen. Der Bund hat auf diese Äußerung repliziert.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. ) - Beschwerde erwogen:
1. Beim Verfassungsgerichtshof sind bei Behandlung der vorliegenden Beschwerde Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 1 BVergG 1997 entstanden, durch den die gesetzliche Regelung des Vergabeverfahrens und des vergabespezifischen Rechtsschutzes für die Vergabe von Lieferaufträgen durch die im Anhang V des BVergG 1997 genannten Auftraggeber auf Aufträge beschränkt wird, deren geschätztes Auftragsvolumen einen bestimmten Betrag übersteigt. Der Verfassungsgerichtshof hat daher ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 130.000 SZR beträgt" in § 5 Abs 1 BVergG 1997 eingeleitet; mit Erkenntnis vom , G351-355/01, hat er ausgesprochen, daß u.a. die geprüfte Wortfolge in § 5 Abs 1 BVergG 1997 als verfassungswidrig aufgehoben wird.
Diese Entscheidung hat aber keine Auswirkungen auf das Ergebnis des vorliegenden Bescheidprüfungsverfahrens, da es nach Lage des Falles ausgeschlossen ist, daß der beschwerdeführende Bund durch den bekämpften Bescheid infolge Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Wortfolge in seiner Rechtssphäre nachteilig betroffen wurde. Das BVA hat seine Zuständigkeit zur Erlassung des hier angefochtenen Bescheides bejaht. Die Aufhebung und Nichtanwendung der als verfassungswidrig qualifizierten Wortfolge in § 5 Abs 1 BVergG 1997 ändert im vorliegenden Anlaßfall nichts an dieser Zuständigkeit und (gerade im Hinblick auf die von der belangten Behörde konstatierten Rechtswidrigkeiten) am materiellen Prüfungsmaßstab. Angesichts dessen geht das Vorbringen des beschwerdeführenden Bundes, er sei in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, da das BVA mangels Überschreitens des in § 5 Abs 1 BVergG grundgelegten Schwellenwertes zur Entscheidung nicht zuständig gewesen wäre, ins Leere.
2. Im übrigen wirft die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Fragen auf: Mit dem vorliegenden Bescheid hat das BVA festgestellt, daß die Zuschlagsempfängerin ein Hauptangebot mit einer kürzeren als der in den Ausschreibungsbedingungen geforderten Gewährleistungsfrist gelegt hätte und ihr Angebot wegen eines unbehebbaren Mangels auszuscheiden gewesen wäre.
Ob diese Beurteilung des BVA letztlich zutreffend ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen; eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung kann dem BVA diesbezüglich keineswegs vorgeworfen werden. Insbesondere hat es seine Entscheidung plausibel und nachvollziehbar begründet und sie weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und die materiell-vergaberechtlichen Fragen zutreffend beurteilt wurden, hat der Verfassungsgerichtshof auch dann nicht zu prüfen, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid des BVA - einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG - richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).
3. Da das Verfahren sohin nicht ergeben hat, daß der beschwerdeführende Bund in von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden ist, und auch keine Verletzung in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen festgestellt werden konnte, war seine Beschwerde abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Ein Kostenzuspruch an den beschwerdeführenden Bund kommt - obwohl das Verfahren zur Bereinigung der Rechtslage geführt hat - schon deshalb nicht in Betracht, weil Beschwerdeführer und belangte Behörde Organe desselben Rechtsträgers sind. Der Kostenzuspruch an die beteiligte Partei basiert auf § 88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- enthalten.