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VfGH vom 05.03.2009, B66/07

VfGH vom 05.03.2009, B66/07

Sammlungsnummer

18726

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Heranziehung eines Wohnungseigentümers zur Haftung für die - infolge einer Wasserversorgung über eine eigene Abzweigleitung - primär vom Mieter eines anderen Wohnungseigentümers geschuldeten Abwassergebühren; kein Einfluss der übrigen Wohnungseigentümer auf die Vermietung eines Wohnungseigentumsobjektes; verfassungskonforme Auslegung der Haftungsregelung des Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978 möglich

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Die Gemeinde Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. März

2006 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 23 Abs 1 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. für Wien 2/1978 idF LGBl. 45/2000 (im Folgenden: KKG), zur Haftung hinsichtlich des Abwassergebührenrückstandes der B. KEG für den Zeitraum vom bis in der Höhe von EUR 1.112,68 herangezogen und gemäß § 171 Wr. Abgabenordnung, LGBl. für Wien 21/1962 idF LGBl. 3/2003 (im Folgenden: WAO), aufgefordert, diesen Betrag binnen eines Monats zu entrichten. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, gemäß § 23 Abs 1 KKG hafte neben dem Gebührenschuldner der Schuldner der Grundsteuer von dem Grundbesitz, von dem Abwässer in den öffentlichen Kanal abgeleitet werden. Die Einbringung des Abgabenrückstandes sei bei der Abgabenschuldnerin, der B. KEG, nicht ohne Schwierigkeiten möglich. Die von der Magistratsabteilung 6 (Erhebungs- und Vollstreckungsdienst) durchgeführten Exekutionsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Der Vollständigkeit halber werde mitgeteilt, dass der persönlich haftende Gesellschafter der B. KEG ebenfalls zur Haftung herangezogen werde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Abgabenberufungskommission vom abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer unbestritten Eigentümer der betreffenden Liegenschaft im Haftungszeitraum und damit Schuldner der Grundsteuer gewesen sei. Gemäß § 18 WAO sei die Ermessensentscheidung, den Schuldner der Grundsteuer gemäß § 23 Abs 1 KKG iVm § 9 Abs 1 Z 1 Grundsteuergesetz, BGBl. 149/1955 (im Folgenden: GrundsteuerG), zur Haftung heranzuziehen, nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei der Ermessensentscheidung seien daher nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgaben- bzw. Haftungsschuld, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen in Betracht zu ziehen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme könne nur dann gesprochen werden, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden könne. Voraussetzung für die Heranziehung des Haftungspflichtigen sei somit, dass die Abgabenschuldigkeit beim Primärschuldner nicht hereingebracht werden könne. Die Primärschuldnerin habe sich bereits mehrfach in Zahlungsschwierigkeiten befunden und mehrere Ratenvereinbarungen nicht eingehalten. Schließlich sei der Einhebungsversuch daran gescheitert, dass "das Unternehmen unbekannt verzogen" sei. Fest stehe, dass zumindest derzeit keine Einbringungsmöglichkeit bestehe. Es entspreche daher der Billigkeit, den Berufungswerber zur Haftung heranzuziehen. Zum Einwand des nunmehrigen Beschwerdeführers, die Haftung könne ihn nicht allein treffen, da er nicht Alleineigentümer sei, sei anzumerken, dass es der Abgabenbehörde freistehe, wen sie zur Haftung heranziehe, sofern sie dabei die abgabenrechtlichen Ermessensrichtlinien des § 18 WAO beachte. Der nunmehrige Beschwerdeführer sei zu 167/810 Anteilen Eigentümer an der betreffenden Liegenschaft, welche im Miteigentum von acht Personen stehe. Da es sich hierbei um einen der größten Anteile handle und der Berufungswerber bis zur Eintragung im Grundbuch am die meisten Anteile gehalten habe, sei ihm gegenüber die Geltendmachung der Haftung ermessensgerecht. Die Heranziehung sämtlicher Eigentümer zur Haftung sei nicht erforderlich. Im Übrigen sei die nach dem Ermessen geforderte Zweckmäßigkeit deshalb gegeben, da bei der Abstandnahme von der Haftung der Abgabengläubiger seines Anspruches verlustig gehen würde. Es sei daher kein Grund evident, den nunmehrigen Beschwerdeführer von der Haftung zu entbinden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§23 Abs 1 KKG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe gegen § 23 Abs 1 KKG das Bedenken, dass die darin enthaltene Haftungsregelung gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verstoße, da durch diese Regelung jemand verpflichtet werde, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbinde. Es bestehe im konkreten Fall kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Abgabenschuldner und dem Beschwerdeführer als Wohnungseigentümer. Ein solcher Zusammenhang wäre nur dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer Bestandgeber des an die B. KEG vermieteten Lokals gewesen wäre oder sonst eine rechtliche Eingriffsmöglichkeit auf das Bestandverhältnis gehabt hätte. Der Beschwerdeführer habe weder auf die Auswahl des Mieters Einfluss nehmen können noch sei er zur Kündigung des Bestandverhältnisses legitimiert gewesen, das unterscheide den vorliegenden Sachverhalt wesentlich von jenem, welcher der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 11.942/1988, zugrunde gelegen sei. § 23 Abs 1 KKG sei daher verfassungswidrig.

3. Die Abgabenberufungskommission legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie hält dem Beschwerdevorbringen entgegen, dass die Bedenken gegen § 23 Abs 1 KKG nicht berechtigt seien und stützt sich in ihrer Argumentation u.a. auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 11.942/1988:

"...

§ 23 Abs 1 KKG ordnet im Wesentlichen an, dass der Grundstückseigentümer für die Abwassergebühren aller in § 7 Abs 1 litb bis e WVG angeführten Personen haftet, die auf seinem Grundstück über eine selbstständige Abzweigleitung Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage entnehmen und in einen öffentlichen Kanal ableiten.

Der sachliche Zusammenhang zwischen dem primären Abgabenschuldner und dem Haftenden besteht unter anderem darin, dass z. B. im Fall des § 7 Abs 1 litd WVG der Betriebsinhaber sein Unternehmen im Gebäude des Haftpflichtigen betreibt. Dies gilt auch im Falle des Wohnungseigentums.

Wenn nun der Beschwerdeführer den Eindruck vermittelt, es bestehe zwischen dem Mieter eines Objektes, dass [gemeint wohl: das] im Wohnungseigentum eines Dritten steht [,] und dem Wohnungseigentümer eines anderen Objektes kein Zusammenhang, ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim Wohnungseigentum um das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht handelt, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Der Wohnungseigentümer ist dabei Miteigentümer der ganzen Liegenschaft (samt Gebäude) und somit auch Eigentümer des vermieteten Objektes.

Entsprechend dem ... Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes

[VfSlg. 11.942/1988] besteht sehr wohl ein sachlicher Zusammenhang zwischen einem Primärschuldner und dem Grundeigentümer. Dieser Rechtsprechung kann nicht entnommen werden, dass dem Grundeigentümer - wie vom Beschwerdeführer gefordert - ein bestimmter Einfluss auf das Bestandsverhältnis [gemeint wohl: Bestandverhältnis](z. B. Kündigungsrecht) zukommen muss.

Unzutreffend ist auch die Behauptung, § 23 Abs 1 KKG stelle eine willkürliche Regelung dar, welche ohne Beweglichkeitskriterien einen nicht nachvollziehbaren Haftungstatbestand für Wohnungseigentümer schaffe. Vielmehr gibt diese Bestimmung - in sachlich gerechtfertigtem Umfang - den Kreis der Personen vor, die zur Haftung herangezogen werden können. Die Geltendmachung der Haftung und somit auch die Heranziehung eines von mehreren Haftungspflichtigen ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in das Ermessen der Behörde gestellt. Ermessensentscheidungen der Abgabenbehörde haben sich gemäß § 18 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1961, in der geltenden Fassung, innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Kommen mehrere Haftungspflichtige in Betracht, so ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen ( Zl. 2001/17/0075).

§ 23 Abs 1 KKG stellt somit keine willkürliche Regelung dar, sondern räumt der Behörde lediglich Ermessen ein, die davon innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch machen kann, was im Übrigen auch erfolgt ist.

...

Ebenso wenig wurde dem Gesetz ein gleichheitswidriger Inhalt

unterstellt oder Willkür geübt. Der Beschwerdeführer gehört zu dem in

§23 Abs 1 KKG angeführten Personenkreis und kann somit zur Haftung

herangezogen werden. Bei der Ausübung des Auswahlermessens wurde

berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer zu 167/810 Anteilen

Eigentümer der Liegenschaft war. Weiters wurde im angefochtenen

Bescheid festgehalten, dass der Haupteigentümer, Herr ..., ebenfalls

zur Haftung heranzuziehen ist. Zudem wurden auch der persönlich

haftende Gesellschafter der ... KEG, Herr ..., und die neue

Wasserabnehmerin, die ... KEG, zur Haftung bezüglich der Rückstände

an Wasser- und Abwassergebühren herangezogen.

Hinsichtlich des Vorbringens, dass das Bestandsverhältnis

[gemeint wohl: Bestandverhältnis] von Anfang an zwischen der ... KEG

und der ... GmbH abgeschlossen worden wäre und Bestandsobjekt

[gemeint wohl: Bestandobjekt] das Objekt G 2-4 gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass dies erstmals in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof behauptet wurde. Während des gesamten Verfahrens unterließ es der Beschwerdeführer, der sogar durch die Hausverwaltung vertreten war, ein diesbezügliches Vorbringen zu erstatten."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

1.1. Nach § 11 Abs 1 KKG unterliegt die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz in einen öffentlichen Straßenkanal der Gebührenpflicht. Gemäß § 12 Abs 1 Z 1 leg.cit. gelten als in den öffentlichen Kanal abgegeben u.a. "die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10, ermittelte Wassermenge". In diesem Fall ist gemäß § 14 Abs 1 KKG der Wasserabnehmer (§7 des Wasserversorgungsgesetzes 1960) Gebührenschuldner.

1.2. Gemäß § 23 Abs 1 KKG haftet neben dem Gebührenschuldner der Schuldner der Grundsteuer von dem Grundbesitz, von dem Abwässer in den öffentlichen Kanal abgeleitet werden (§11 Abs 1 leg.cit.) oder auf dem Arbeiten (§§17 und 18 leg.cit.) vorgenommen wurden, für alle dafür festgesetzten Gebühren und Nebengebühren. Gemäß § 9 Abs 1 Z 1 GrundsteuerG ist Schuldner der Grundsteuer der Eigentümer oder, wenn der Steuergegenstand ein grundstücksgleiches Recht ist, der Berechtigte. Dies gilt nicht hinsichtlich jenes Miteigentümers, dessen Anteil am Steuergegenstand gemäß § 2a Abs 2 Z 2 GrundsteuerG von der Entrichtung der Grundsteuer befreit ist.

1.3. Die Wasserversorgung erfolgt nach dem Wasserversorgungsgesetz, LGBl. für Wien 10/1960, zuletzt geändert durch LGBl. für Wien 33/2007 (im Folgenden: WVG). Wasserabnehmer ist gemäß § 7 Abs 1 lita leg.cit. der Hauseigentümer für die über den Wasserzähler seines Hauses bezogene Wassermenge.

2. Gemäß § 7 Abs 2 WVG haften bei Miteigentum für die sich aus diesem Gesetz ergebenden Verpflichtungen die Miteigentümer zur ungeteilten Hand. Wird Wasser für mehrere Häuser, die im Eigentum verschiedener Personen stehen, über eine einzige Abzweigleitung und einen einzigen Wasserzähler abgegeben, so gilt gemäß § 7 Abs 3 der Abs 2 WVG sinngemäß (Haftung aller zur ungeteilten Hand). Gemäß § 12 Abs 1 WVG bilden die nach dem Wasserzähler bzw. nach dem Einlaufschieber angeordneten Wasserversorgungsleitungen die Innenanlage. Die Herstellung solcher Innenanlagen ist meldepflichtig; mit den Arbeiten darf teils sofort, bei größeren Anlagen erst nach einer "Nichtuntersagung" innerhalb von vier Wochen begonnen werden.

3. Nach den Feststellungen der belangten Behörde war die primäre Gebührenschuldnerin eine KEG; nach dem Beschwerdevorbringen, mit dem die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift der Sache nach übereinstimmt, wurde das Kaffeehaus der KEG in einem Gebäude betrieben, das ein Wohnungseigentumshaus ist, wobei der Beschwerdeführer nicht Wohnungseigentümer jenes Objektes ist, welches an die KEG vermietet war. Die belangte Behörde tritt dem Beschwerdevorbringen, die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers sei unsachlich, weil ihn mit der Mieterin "nichts verbinde", mit dem Hinweis entgegen, dass auch der Beschwerdeführer als (mehrfacher) Wohnungseigentümer Miteigentümer der gesamten Liegenschaft sei.

3.1. Soweit schlichte Miteigentümer eines Wohnhauses gemeinsam Wasserabnehmer sind (also im Regelfall), ergibt sich aus dieser Rechtsstellung auch ihre (solidarische - § 7 Abs 2 WVG) Primärhaftung für Wasser- und Kanalgebühren und insoweit auch die Tragung des Insolvenzrisikos für die jeweils anderen Miteigentümer. Dies gilt im Wesentlichen auch für das Wohnungseigentum, und zwar unabhängig davon, ob die Wohnungseigentümer ihre Objekte selbst bewohnen oder ob diese vermietet sind, soweit - wie üblich - die Wasserversorgung über einen gemeinsamen Zähler erfolgt und die hausinterne Lastenverteilung der Wasser- und Abwassergebühren auf die Eigentümer der jeweiligen Wohnungseigentumsobjekte im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile, d.h. nach Maßgabe der Nutzwerte (vgl. §§7 ff iVm § 32 Wohnungseigentumsgesetz 2002 - WEG 2002) vorgenommen wird. Im Falle einer Vermietung überwälzt zwar der vermietende Wohnungseigentümer die auf ihn entfallenden Betriebskosten auf seinen Mieter; die Tragung des Insolvenzrisikos durch die übrigen Wohnungseigentümer bleibt davon aber unberührt.

3.2. Im Beschwerdefall wurde jedoch ein im Wohnungseigentum stehendes Objekt nicht aus der allgemeinen Anlage des Hauses, sondern im Wege einer eigenen Abzweigleitung mit eigenem Zähler mit Wasser versorgt und es sind weder die Wohnungseigentumsgemeinschaft noch der betreffende Wohnungseigentümer Wasserabnehmer und Primärschuldner der hier in Rede stehenden Gebühren, sondern dessen Mieter.

Den übrigen Wohnungseigentümern kommt auf die Vermietung eines Wohnungseigentumsobjektes weder rechtlich noch wirtschaftlich eine Ingerenz zu:

3.2.1. Es gilt ganz allgemein (vgl. zur ausschließlichen Kostentragung des vermietenden Wohnungseigentümers für die Verwaltung des vermieteten Objekts: OGH SZ 2003/35; zu seiner Abrechnungsverpflichtung: ; zum Kündigungsrecht: ), dass alle Angelegenheiten, die nur die Modalitäten des dem Wohnungseigentümer gänzlich überlassenen und auch nur von ihm ausübbaren Nutzungsrechts am Wohnungseigentumsobjekt beziehungsweise Bestandobjekt betreffen, nur zwischen dem Mieter und dem konkreten Wohnungseigentümer abzuwickeln sind (); auch der Fortbestand des Mietverhältnisses mit den Miteigentümern der Liegenschaft - im Falle der Wohnungseigentumsbegründung nach Abschluss eines Mietvertrages - bedeutet nicht, dass der Wohnungseigentümer nicht befugt ist, jene Rechte aus dem Mietverhältnis allein geltend zu machen, die ihm auf Grund seiner besonderen Rechtsposition zukommen ( = SZ 70/256).

3.2.2. Gemäß § 4 Abs 3 WEG 2002 kann der Hauptmieter des Wohnungseigentumsobjekts nur mietrechtliche Ansprüche, die sich auf die allgemeinen Teile der Liegenschaft oder auf die Liegenschaft als Gesamtheit beziehen, ungeachtet der Rechtsstellung des Wohnungseigentümers als Vermieter auch gegen die Eigentümergemeinschaft geltend machen.

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat es in seinem Erkenntnis zur Haushaltsbesteuerung, VfSlg. 5318/1966, als unsachlich angesehen, wenn jemand verhalten wird, "für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet", also "für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen".

3.3.1. Im Erkenntnis VfSlg. 12.776/1991 zum Tir. VergnügungssteuerG 1982 hat der Verfassungsgerichtshof zur subsidiären Haftung des Eigentümers eines vermieteten Veranstaltungslokals für rückständige Vergnügungssteuer ausgesprochen,

"[es] würde unsachlich und damit gleichheitswidrig sein und einen Verfassungsverstoß darstellen, wenn der Eigentümer der für eine Vergnügung benutzten Räume oder Grundstücke auch dann anmelde- und haftungspflichtig würde, wenn ihm die tatsächliche Herrschaft über diese Räume oder Grundstücke nicht zukommt."

3.3.2. Ungeachtet seines mit dem ausschließlichen Nutzungsrecht an einem Wohnungseigentumsobjekt verbundenen Miteigentums am Gebäude ist die Rechtsstellung eines Wohnungseigentümers betreffend die Nutzung seines Wohnobjektes, insbesondere durch Vermietung, wie dies oben (vgl. Pkt. 3.2.) dargestellt wurde, durch den Ausschluss eines Mitspracherechtes aller übrigen Wohnungseigentümer weitgehend der eines Alleineigentümers angenähert. Im hier relevanten Zusammenhang kann daher nicht mehr davon gesprochen werden, dass ein Wohnungseigentümer in einer für den hier zu beurteilenden Sachverhalt rechtlich bedeutsamen Verbindung mit dem Mieter eines anderen Wohnungseigentümers steht:

a) Er partizipiert weder an der Nutzung noch steht ihm irgendein Einfluss auf die Auswahl des und auf die Vertragsgestaltung mit dem Mieter eines anderen Wohnungseigentümers zu. Insoweit unterscheidet sich ein Wohnungseigentümer von einem Allein- oder von einem schlichten Miteigentümer, der jedenfalls zugleich stets auch Vermieter ist (zur Unzulässigkeit der undifferenzierten Gleichbehandlung von Wohnungs- und schlichten Miteigentümern bei der Erteilung von Bauaufträgen mit Blick auf ihre unterschiedlichen Verfügungsmöglichkeiten vgl. schon VfSlg. 15.047/1997).

b) Die vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11.942/1988 im Zusammenhang mit der Haftung des Grundeigentümers für alle auf seinem Grundstück anfallenden Abwassergebühren im Sinne des § 23 KKG (auch damals ging es um die Haftung für Abwassergebühren eines Betriebsinhabers mit eigenem Anschluss) angestellten Überlegungen gingen dahin, dass das Ausmaß der zu erwartenden Abgabenbelastung, welches von der - dem Grundeigentümer bei Vertragsabschluss an sich bekannten - Art der Verwendung abhängt, für den Haftungspflichtigen vorherseh- und beeinflussbar sei. Diese Überlegungen, die - allerdings beschränkt auf die Beurteilung der vom Verwaltungsgerichtshof damals vorgetragenen Bedenken - zur Beurteilung des § 23 KKG als verfassungskonform geführt haben, lassen sich aus den oben genannten Gründen auf die hier vorliegende Konstellation des Verhältnisses des Mieters eines Wohnungseigentümers zu allen übrigen Wohnungseigentümern nicht übertragen.

c) Die Haftung des Beschwerdeführers kann auch nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, dass er mit seinem Entschluss, Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft zu werden, bis zu einem gewissen Grade (nämlich bei der Tragung der Betriebs- und Instandhaltungskosten) auch ein Insolvenzrisiko in Bezug auf die übrigen Wohnungseigentümer übernimmt (das mitunter durchaus beträchtlich sein kann, insbesondere wenn diese über mehrere Wohnungseigentumsobjekte verfügen), weil ihm hier einerseits ein - im Wohnungseigentumsrecht jedenfalls nicht begründetes - zusätzliches Risiko für den Mieter eines anderen Wohnungseigentümers aufgebürdet wird, der nicht durch die allgemeine Wasserversorgungsanlage des Hauses versorgt wird, sondern selbst Wasserabnehmer ist.

d) Selbst wenn man ein Erfordernis der Zustimmung aller Wohnungseigentümer zum Ausscheiden eines Wohnungseigentumsobjektes aus der Versorgung mit Wasser aus der allgemeinen Versorgungsanlage des Hauses und zur Herstellung einer weiteren Abzweigleitung samt Zähler unterstellt (was hier nicht weiter untersucht zu werden braucht), so vermag auch ein solches Zustimmungserfordernis allein die Haftung nicht zu rechtfertigen (so in Bezug auf das Zustimmungserfordernis zu einem Dachausbau im Zusammenhang mit der Haftung von Wohnungseigentümern für fremde Stellplatzabgaben schon VfSlg. 15.784/2000).

3.4. Der Wortlaut des § 23 KKG steht aber einer verfassungskonformen Interpretation, wonach dann, wenn ausnahmsweise der Mieter eines Wohnungseigentümers Wasserabnehmer und damit Gebührenschuldner ist, in teleologischer Reduktion des Wortlautes nur der vermietende Wohnungseigentümer als Haftender nach § 23 KKG in Betracht kommt, nicht entgegen.

3.5. Der Verfassungsgerichtshof muss aus Anlass dieses Falles nicht beurteilen, ob diese bei verfassungskonformer Interpretation gebotene Einschränkung auch dann gilt, wenn bei einem Wohnungseigentumsobjekt, das nicht von der allgemeinen Wasserversorgungsanlage versorgt wird, sondern über eine eigene Abzweigleitung mit Zähler verfügt, der Wohnungseigentümer selbst (und nicht sein Mieter) Wasserabnehmer und damit Gebührenschuldner ist; diese Frage wird daher offen gelassen.

4. Da die belangte Behörde im vorliegenden Fall § 23 Abs 1 KKG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat, hat sie den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.