OGH vom 21.12.2011, 9Ob5/11t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei A***** Bank AG, *****, vertreten durch die Klein, Wuntscheck Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 10.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 174/10k 14, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 219/09s 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „A***** AG, *****“ berichtigt.
II. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
ad I. Aus dem Firmenbuch (FN *****, Handelsgericht Wien) ist ersichtlich, dass die Firma der Beklagten nunmehr „A***** AG“ lautet und dass sich deren neue Geschäftsanschrift in „*****“ befindet. Die Bezeichnung der Beklagten ist daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen (vgl 1 Ob 108/11f ua).
ad II. Der Kläger beauftragte die Beklagte (damaliger Firmenwortlaut: C***** Aktiengesellschaft) im November 2006 über Vermittlung seines A***** Beraters mit dem Erwerb von Anteilen des von der L***** Co. B. V. emittierten Wertpapiers „D*****“ zum Gesamtpreis von 10.500 EUR. Die Beklagte hatte dem konzessionierten Finanzdienstleister A***** einen Verkaufsprospekt überlassen, worin diesem Wertpapier „100 %ige Sicherheit“ und „100 % Kapitalgarantie“ bescheinigt wurden. Für den Kläger war beim Erwerb entscheidend, dass er aufgrund der Kapitalgarantie einen Ertrag erzielen, aber nichts von seinem Kapital verlieren könne. Ob die Beklagte Garantin war, war für die Kaufentscheidung des Klägers nicht maßgebend. Der Kläger hätte das gegenständliche Produkt auch dann erworben, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass es sich bei der Garantin um die renommierte Großbank L***** Inc. handle. Im September 2008 wurden sowohl die Garantin als auch die Emittentin insolvent. Das „Insolvenzrisiko“ war beim Gespräch des Klägers mit seinem Berater kein Thema gewesen.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, gestützt auf die von ihm behauptete Kapitalgarantie der Beklagten, die Aufhebung des Vertrags über den Ankauf von Wertpapieren wegen Irrtums und die Zahlung von 10.500 EUR sA Zug um Zug gegen Rückübertragung der Wertpapiere „D*****“.
Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren, beantragt dessen Abweisung und wendet ein, dass sie keine Kapitalgarantie übernommen habe. Der Kläger sei Kunde einer Vertriebspartnerin der Beklagten gewesen und von dieser beraten worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese abweisende Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Aufklärungspflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens über das allgemeine Insolvenzrisiko und der Haftung der Beklagten bei Zwischenschaltung eines konzessionierten Wertpapierunternehmens noch keine Rechtsprechung vorliege.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger erhobene Revision, die bezüglich der Zulässigkeit des Rechtsmittels auf die berufungsgerichtliche Begründung der Zulassung verweist, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich gemäß § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken:
Der Oberste Gerichtshof hat schon in seiner dieselbe Werbebroschüre betreffenden Entscheidung 4 Ob 176/10a die Auffassung des Gerichts zweiter Instanz, aus dem Prospektinhalt sei nicht zu schließen, dass die Beklagte Garantin des beworbenen Produkts sei, als vertretbar bezeichnet. An dieser Auffassung wurde in den nachfolgenden Entscheidungen festgehalten (4 Ob 20/11m; 8 Ob 38/11p ua).
Zu der hier entscheidenden Rechtsfrage, ob der Kläger deshalb unrichtig informiert wurde, weil er von der Beklagten nicht auf die Gefahr der Insolvenz der Emittentin oder der Garantin hingewiesen worden sei, hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits in einer Reihe von vergleichbar gelagerten Fällen, in denen es auch um Zertifikate „D*****“ ging, Stellung genommen (4 Ob 20/11m; 8 Ob 148/10p; 8 Ob 38/11p; 9 Ob 87/10z; 1 Ob 132/11k ua). In 4 Ob 20/11m legte der Oberste Gerichtshof mit eingehender Begründung dar, dass die Beklagte im Anlassfall im Hinblick auf die Einschätzung der Finanzkraft der Emittentin durch die Fachkreise im November 2006 davon ausgehen durfte, dass das Bonitätsrisiko bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur sei. Dass die in der Werbebroschüre angeführten exzellenten Ratings der drei führenden Ratingagenturen zum Kaufdatum noch gültig gewesen seien, sei von den dortigen Klägern nicht bestritten worden. Unter diesen Umständen sei die in der Werbebroschüre in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin ausreichend gewesen; einer darüber hinausgehenden Aufklärung der Kläger über das allgemeine Bonitätsrisiko habe es nicht bedurft. Schon mangels Verletzung von Aufklärungspflichten sei das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt. Auch auf die Frage der Zurechnung des Verhaltens eines A***** Beraters zur Beklagten komme es daher nicht an.
Nichts anderes gilt auch im vorliegenden, gleich gelagerten Fall. Da der Oberste Gerichtshof zu den maßgebenden Rechtsfragen in den - wenngleich erst nach dem bekämpften Berufungsurteil ergangenen - zitierten Entscheidungen bereits eingehend Stellung genommen hat, mangelt es der vorliegenden Revision an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO, die nach ständiger Rechtsprechung noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein muss (RIS Justiz RS0112769 ua). Der Umstand allein, dass sich die hier zu beantwortenden Rechtsfragen in mehreren Parallelverfahren verschiedener Anleger stellen bzw stellten, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0042816 ua). Auf eine Insolvenzausfallversicherung hat sich der Kläger in erster Instanz nicht berufen. Diesbezügliche Überlegungen in der Revision vermögen daher keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen.
Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.