VfGH vom 28.09.1992, b65/91
Sammlungsnummer
13141
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Bestätigung eines von der erstinstanzlichen Behörde unzuständigerweise erlassenen, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagenden Bescheides durch die belangte Behörde; kein Kollegialbeschluß der Grundverkehrskommission
Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Eheleute J und B W übertrugen mit Schenkungsvertrag aus dem Gutsbestand der in ihrem Miteigentum stehenden Liegenschaft in EZ 36, Grundbuch 56230 Weitenau, - einem landwirtschaftlichen Anwesen - an drei ihrer Kinder (die Beschwerdeführer) je ein Waldgrundstück, und zwar an den Erstbeschwerdeführer das Grundstück 99 im Ausmaß von 10.401 m2, an die Zweitbeschwerdeführerin das Grundstück 98/1 im Ausmaß von
10.417 m2 und an die Drittbeschwerdeführerin das Grundstück 100 im Ausmaß von 10.038 m2.
Die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Hallein versagte der vorgesehenen Übertragung des Eigentums unter Berufung auf § 3 Abs 1 und § 4 Z 4 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986, LGBl. 73 (im folgenden: SGVG 1986), die Zustimmung.
Der gegen diesen Bescheid von den Erwerbern eingebrachten Berufung gab die Grundverkehrs-Landeskommission Salzburg keine Folge.
2. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, ausschließlich von den Erwerbern erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.
3. Die Grundverkehrs-Landeskommission Salzburg als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (s. etwa ) - Beschwerde erwogen:
1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn der Bescheid von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen wurde, die Behörde also eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen hat (zB VfSlg. 8828/1980, 9692/1983, 9696/1983, 10244/1984, 10374/1985, 10647/1985, 10901/1986). Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt auch dann vor, wenn zwar in letzter Instanz die zuständige Behörde, in unterer Instanz aber eine sachlich unzuständige Behörde entschieden hat (s. etwa VfSlg. 5700/1968, 7605/1975, 8883/1980, 9599/1983, 10952/1986, 11033/1986), die Rechtsmittelbehörde also den Mangel, daß in erster Instanz eine sachlich unzuständige Behörde eingeschritten ist, nicht wahrnimmt, sondern in der Sache selbst entscheidet (zB VfSlg. 8188/1977, 8309/1978, 10306/1984; vgl. etwa auch VfSlg. 8716/1979, 8845/1980, 9930/1983).
Des weiteren wird dieses Grundrecht verletzt, "wenn der durch keinen Kollegialbeschluß gedeckte Bescheid einer kollegial eingerichteten Verwaltungsbehörde unzuständigerweise durch den Vorsitzenden erlassen wird" (VfSlg. 9636/1983; in diesem Sinn auch VfSlg. 7122/1973); so insbesondere auch dann, wenn statt der Grundverkehrsbehörde erster Instanz nur ihr Vorsitzender den Bescheid erläßt (VfSlg. 7605/1975).
Es begründet jedoch weder die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich geschützten Rechtes, wenn die Mitglieder einer Kollegialbehörde, die an der Erlassung des Bescheides mitgewirkt haben, in der Ausfertigung des Bescheides nicht genannt sind (so zB VfSlg. 7293/1974, 8893/1980, 8904/1980, 9141/1981, 10320/1985; vgl. auch VfSlg. 5671/1968, 89, 6877/1972).
2. Nach § 17 Abs 1 SGVG 1986 ist Grundverkehrsbehörde iS dieses Gesetzes in der Regel die für den politischen Bezirk am Sitz der Bezirksverwaltungsbehörde eingerichtete Grundverkehrskommission. Sie besteht gemäß § 18 Abs 1 erster Satz SGVG 1986 aus dem Bezirkshauptmann als Vorsitzendem oder einem von ihm aus dem Stand der rechtskundigen Beamten der Bezirkshauptmannschaft bestellten Vertreter sowie als Beisitzer aus zwei im politischen Bezirk wohnhaften land- oder forstwirtschaftlichen Fachmännern, einem Vertreter der Gemeinde, in der das Grundstück oder dessen größter Teil gelegen ist, weiters in den Fällen, in denen es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, das dazu abgeschlossen werden soll, um ein Grundstück anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu widmen, als Beisitzer zusätzlich aus je einem Vertreter der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg und der Salzburger Landarbeiterkammer.
Gemäß § 18 Abs 5 zweiter Satz SGVG 1986 ist die Grundverkehrskommission beschlußfähig, wenn der Vorsitzende (Stellvertreter) und zwei Beisitzer - in den Fällen des zweiten Halbsatzes des § 18 Abs 1 des Gesetzes vier Beisitzer - anwesend sind. Die Grundverkehrskommission entscheidet mit Stimmenmehrheit (§18 Abs 5 dritter Satz SGVG 1986).
Nach § 20 Abs 9 erster Satz SGVG 1986 werden Bescheide der Grundverkehrskommission vom Vorsitzenden (Stellvertreter) unter Berufung auf den Beschluß der Kommission ausgefertigt. Sofern es sich um nur das Verfahren betreffende Anordnungen (§63 Abs 2 AVG) handelt, werden diese vom Vorsitzenden (Stellvertreter) selbständig getroffen (§20 Abs 9 zweiter Satz SGVG 1986).
3.a) Im vorliegenden Fall hat die Behörde erster Instanz - die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Hallein - in ihrer Sitzung am einen Beschluß gefaßt, der in der mit datierten Niederschrift über diese Sitzung folgendermaßen wiedergegeben ist:
"Dem ggst. Rechtsgeschäft wird im Hinblick auf die Bestimmungen der §§3 und 4 des Sbg. Grundverkehrsgesetzes 1986 einstimmig die Zustimmung versagt.
Begründung:
Das ggst. Rechtsgeschäft dient keinesfalls dem allgemeinen Interesse der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes, sondern im Gegenteil der Schwächung dieses Standes.
Außerdem würde durch die gegenständlichen Waldteilungen die bestehende Agrarstruktur in diesem Gebiet nachteilig beeinflußt werden."
b) Der Wortlaut dieses Beschlusses wurde dem damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer und zugleich Verfasser des Schenkungsvertrages mit Schreiben vom (zugestellt am ), das die Fertigung "Der Bezirkshauptmann als Vorsitzender:" aufweist, mit folgendem Zusatz mitgeteilt:
"Dies wird Ihnen gemäß § 45 Abs 3 AVG 1950 nachweislich zur Kenntnis gebracht. Es steht Ihnen frei, dazu innerhalb von 4 Wochen eine Gegenäußerung einzubringen."
Der damalige Rechtsvertreter der Beschwerdeführer erstattete sodann an die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Hallein eine mit datierte Äußerung, die bei dieser Behörde laut Eingangsstempel am einlangte.
c) Daraufhin erging der mit datierte, am zugestellte Bescheid der Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Hallein, der die Fertigung "Der Bezirkshauptmann als Vorsitzender:" aufweist und dessen Spruch folgendermaßen lautet:
"Gemäß § 3 Abs 1 und § 4 Ziffer 4 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 73/86, wird von der Grundverkehrskommission Hallein dem Schenkungsvertrag vom , abgeschlossen zwischen J und B W, Scheffau, Weitenau 9 und J W, B S und M K, betreffend die Grundstücke 99, 98/1 und 100, alle KG Weitenau, Gemeinde Scheffau, die grundverkehrsbehördliche Zustimmung verweigert."
Die Begründung dieses Bescheides hat folgenden Wortlaut:
"Gemäß § 20 Abs 9 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986 sind die Bescheide der Grundverkehrskommission vom Vorsitzenden unter Berufung auf den Beschluß der Kommission auszufertigen.
Im Gegenstande lautet dieser Beschluß wie folgt:
'... (Es folgt der oben unter II.3.a wiedergegebene Wortlaut des Spruches) ...'.
Dieser Beschluß wurde dem Rechtsvertreter der Vertragsparteien gem. § 45 Abs 3 AVG 1950 nachweislich zur Kenntnis bzw. allfälligen Gegenäußerung gebracht.
Die dazu abgegebene Stellungnahme des Herrn öffentl. Notars Dr. L O vermag jedoch den Beschluß der erwähnten Grundverkehrskommission vom nicht zu erschüttern. Laut Aktenlage sollen nämlich von 134.313 m2 Waldfläche insgesamt
30.856 m2, d.i. beinahe 1/4 der gesamten Waldfläche abgetrennt werden. Das bedeutet einerseits zweifelsohne eine Schwächung des leistungsfähigen Bauernstandes. Da sich andererseits die Abteilung dieser Grundflächen auf 3 ca. gleichgroße Grundstücke - auf 3 verschiedene Erwerber - bezieht, muß hier auch ein Nachteil für die Agrarstruktur infolge der Grundstückszersplitterung gesehen werden.
Deshalb mußte spruchgemäß entschieden werden."
4. Eine zusammenschauende Wertung des aus den Akten ersichtlichen Verwaltungsgeschehens führt zu dem Ergebnis, daß der von der Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Hallein in ihrer Sitzung am gefaßte (unter II.3.a im Wortlaut wiedergegebene) Beschluß, wonach dem hier in Rede stehenden Rechtsgeschäft (Schenkungsvertrag) die Zustimmung verweigert wird, nicht als ein die Angelegenheit erledigender (vgl. dazu § 59 Abs 1 AVG) Abspruch der - als Kollegialbehörde eingerichteten - Grundverkehrsbehörde erster Instanz gewertet werden kann. Der Wortlaut dieses Beschlusses wurde nämlich dem (damaligen) Rechtsvertreter der Beschwerdeführer unter ausdrücklicher Berufung auf § 45 Abs 3 AVG - danach ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen - schriftlich mit dem Bemerken zur Kenntnis gebracht, daß es ihm freistehe, dazu innerhalb von vier Wochen eine "Gegenäußerung" einzubringen. Dies zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, daß in dem Beschluß nur die auf der Grundlage des Ergebnisses des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens - also insbesondere ohne Berücksichtigung einer allfälligen Stellungnahme der Beschwerdeführer zum Ergebnis der Beweisaufnahme - gebildete Auffassung der Grundverkehrsbehörde erster Instanz zum Ausdruck kommt, es seien die Voraussetzungen für die Zustimmung zu dem in Rede stehenden Schenkungsvertrag aus bestimmten (in der Begründung des Beschlusses nur knapp angedeuteten) Gründen nicht gegeben.
Im Einklang mit dieser Wertung des Verwaltungsgeschehens wurde denn auch eine ausdrücklich als Bescheid bezeichnete (in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliederte) Erledigung der Grundverkehrsbehörde erster Instanz erst erlassen, nachdem bei dieser Behörde eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführer iS des § 45 Abs 3 AVG eingelangt war. Diesem Bescheid, der
jedenfalls auf Grund des Wortlautes seines Spruches ("... wird von
der Grundverkehrskommission Hallein ... die grundverkehrsbehördliche
Zustimmung verweigert.") der Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Hallein zuzurechnen ist, liegt kein Kollegialbeschluß dieser Behörde zugrunde. Der Beschluß vom kann jedenfalls nicht als ein solcher Beschluß gewertet werden. Der Bescheid wurde daher vom Vorsitzenden dieser Kollegialbehörde allein erlassen.
Hiezu aber fehlte dem Vorsitzenden die Zuständigkeit.
Dadurch, daß die belangte Behörde den unzuständigerweise erlassenen erstinstanzlichen Bescheid bestätigt hat, sind die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere VfSlg. 7605/1975).
5. Da die Beschwerdeführer aus den dargelegten Gründen (II.4.) durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurden, war der Bescheid aufzuheben, ohne daß zu prüfen war, ob die Beschwerdeführer auch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurden.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 2.500 S enthalten.