OGH vom 09.10.2019, 13Os68/19b

OGH vom 09.10.2019, 13Os68/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Jukic in der Strafsache gegen Matthias K***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 49 Hv 8/18y-93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2 (zu ergänzen iVm § 161 Abs 1) StGB (III), demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Matthias K***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 StGB (I), des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 StGB (II), des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2 (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 StGB (III) und des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 2 StGB (zu ergänzen) iVm § 153e Abs 2 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Ko***** GmbH

(I) zwischen dem und dem

1) durch Privatentnahmen in der Höhe von gesamt 154.000 Euro und

2) durch Bezahlung von eigenen Verbindlichkeiten in der Höhe von 49.719 Euro, die im Zusammenhang mit dem Ankauf seines Grundstücks ***** standen (US 6),

das Vermögen der Ko***** GmbH verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger vereitelt oder geschmälert, weiters

indem er entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen so geführt hat, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens, Finanz und Ertragslage der Ko***** GmbH erheblich erschwert wurde, und sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschafft hätten, unterließ,

(II) vom bis zum grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der genannten Gesellschaft herbeigeführt und

(III) vom bis zum in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Ko***** GmbH grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger vereitelt oder geschmälert sowie

(IV) vom bis zum gewerbsmäßig eine größere Zahl illegal erwerbstätiger Personen beschäftigt oder mit der selbständigen Durchführung von Arbeiten beauftragt, indem er zumindest 100 Personen als geringfügig beschäftigt oder teilzeitbeschäftigt zur Sozialversicherung anmeldete, obwohl er diese tatsächlich über die Geringfügigkeits bzw Teilzeitgrenze weit hinaus beschäftigte und dementsprechend höhere Löhne auszahlte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 (richtig) lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a), worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme hinweist, in Bezug auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2 iVm § 161 Abs 1 StGB (III) einen Rechtsfehler auf, weil die angefochtene Entscheidung zur Frage der Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung wenigstens eines der Gläubiger nach Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit keine Feststellungen enthält (vgl dazu Kirchbacher in WK2 StGB § 159 Rz 79).

Der aufgezeigte Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich sowie die Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu:

Nach dem insoweit ungerügt gebliebenen Protokoll wurden in der Hauptverhandlung am einverständlich und solcherart gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO zulässig „sämtliche HV-Protokolle“ (ON 92 S 4) verlesen. Dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider durfte sich das Erstgericht somit bei der Urteilsfällung auch auf sämtliche in früheren Protokollen festgehaltene Aussagen stützen.

Die beweiswürdigende Verwertung des Sachverständigengutachtens ON 49 ist aufgrund der Erklärung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung am , seine schriftliche Expertise aufrechtzuerhalten (ON 92 S 12 ff [§ 258 Abs 1 StPO]), ebenso wenig zu beanstanden.

Zum Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) betreffend den Schuldspruch I:

Die Verantwortung des Angeklagten wurde vom Erstgericht erörtert (US 15), weshalb der darauf bezogene Einwand der

Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht (RISJustiz RS0118316).

Der aus dem äußeren Tatgeschehen (US 16), also dem Begleichen eigener Verbindlichkeiten mit Mitteln der Gesellschaft (vgl dazu US 6), gezogene Schluss der Tatrichter auf das Wissen und Wollen des Angeklagten bei der Tatbegehung (US 7 und 16) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RISJustiz RS0098671).

Die vermisste Begründung der Feststellungen zur Gläubigermehrheit findet sich im Urteil (siehe insbesonders US 17, wo das Erstgericht unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall mängelfrei auf das Anmeldungsverzeichnis [Beilage ./13 zu ON 17] und andere Verfahrensergebnisse verweist).

Soweit sich die Mängelrüge nicht an den Entscheidungsgründen orientiert, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).

Wenn es trotz Gelingens der Vermögensverringerung nicht zur Gläubigerschädigung kommt, kann – bei wie hier mängelfrei festgestelltem Vorsatz des Angeklagten (US 7 und 16) – strafbarer Versuch vorliegen (RIS-Justiz RS0115184 [T1]; Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 19 ff; Rainer SbgK § 156 Rz 2, 29 ff, 42).

Die Frage, ob die Gläubiger einen Befriedigungsausfall erlitten, ist somit hier bloß für die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung von Bedeutung und solcherart einer Anfechtung aus Z 5 entzogen (RISJustiz RS0117499). Aus dem zweiten Anwendungsfall der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO kann wiederum nur die rechtsfehlerhafte Bewertung von Strafzumessungstatsachen bekämpft werden, nicht aber die Feststellung des Strafzumessungssachverhalts (RIS-Justiz RS0099869).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Daran orientiert sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht, indem sie zu I Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermisst, gleichzeitig aber die insoweit getroffenen Urteilskonstatierungen übergeht, wonach der Angeklagte eine Schädigung der Gläubigerinteressen durch seine Handlungen zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (US 16).

Das weitere Vorbringen zu I, eine Gläubigerschädigung sei nicht eingetreten, betrifft – wie dargelegt – bloß die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung und demzufolge keine entscheidende Tatsache. Im Übrigen findet sich die Feststellung eines (tatsächlich eingetretenen) Gläubigerschadens im Urteil (US 7).

Die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit durch das tatbestandsmäßige Handeln wurde zu II festgestellt (US 8). Soweit sich die Behauptung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen (Z 9 lit a) nicht an diesen Feststellungen orientiert, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung. Welche Konstatierungen über die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 9) hinaus zu rechtsrichtiger Subsumtion erforderlich sein sollten, leitet die Rechtsrüge nicht aus dem Gesetz ab (vgl aber RISJustiz RS0116565).

Im dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aufgrund der Aufhebung des Sanktionsausspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge (Z 11).

Zu einem Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO in Bezug auf den Schuldspruch IV – wie von der Generalprokuratur vorgeschlagen – sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, weil der Wille der Tatrichter, die insoweit relevierten Feststellungen zur vorsätzlichen illegalen gleichzeitigen Beschäftigung von zumindest 10 erwerbstätigen Personen zu treffen (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 19), in den Entscheidungsgründen klar genug zum Ausdruck kommt (vgl dazu insbesondere US 12 und 20, wonach im Prüfungszeitraum bis 45 Personen mit je 20 Wochenstunden angemeldet waren, die nach den Feststellungen des Erstgerichts 39 Stunden in der Woche arbeiteten und vom Angeklagten dafür 90.000 Euro pro Jahr, im relevanten Tatzeitraum [bis ] insgesamt zumindest 220.000 Euro „schwarz“ ausbezahlt erhielten). Auch die diesbezüglichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind dem Urteil hinreichend deutlich zu entnehmen (vgl dazu US 8 und 9).

Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte auf die insoweit kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Der den Schuldspruch I betreffende Zuspruch an die Privatbeteiligte Konkursmasse Ko***** GmbH blieb von der Aufhebung unberührt, sodass die Akten zur Entscheidung über die dagegen gerichtete Berufung vorerst dem Oberlandesgericht zuzuleiten waren (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00068.19B.1009.000

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