VfGH vom 12.12.2016, E931/2016

VfGH vom 12.12.2016, E931/2016

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) mangels Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges binnen einer Woche; teils Abweisung, Ablehnung und Zurückweisung der Beschwerde

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, nicht binnen einer Woche erging.

Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Erkenntnisses weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Die Beschwerde wird daher insoweit abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, abgelehnt.

3. Soweit die Beschwerde abgewiesen wird oder ihre Behandlung abgelehnt wird, wird sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

4. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt B. des angefochtenen Erkenntnisses wendet, zurückgewiesen.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Gambias, stellte am einen Asylantrag. Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages Italien zuständig sei. Zugleich wurde die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Italien stimmte einer Überstellung nach Italien am zu.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom abgewiesen.

Am , am und am wurde der Beschwerdeführer jeweils nicht an der bekannten Meldeadresse angetroffen. Eine vom Beschwerdeführer als Lebensgefährtin bezeichnete Frau teilte im Rahmen des Vorführversuches am mit, dass der Beschwerdeführer nicht mehr an dieser Wohnadresse wohne. Unter Mitnahme seiner Sachen sei der Beschwerdeführer verzogen. Sie gab weiters an, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht zu kennen, jedoch vom Beschwerdeführer schwanger zu sein.

Am wurde der Beschwerdeführer an der bekannten Meldeadresse amtlich abgemeldet.

Am wurde der Beschwerdeführer entsprechend einem Festnahmeauftrag gemäß § 40 BFA-VG anlässlich einer Straßenkontrolle festgenommen. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt unerlaubt im Bundesgebiet auf und war im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels vom . Nach Einvernahme durch die Behörde um 18:40 Uhr wurde über den Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid (eigenhändig zugestellt um 19:50 Uhr) die Schubhaft verhängt.

2. Gegen diesen Schubhaftbescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter am (Gründonnerstag) um 19:07 Uhr per Fax Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht nahm – auf Grund der (Feiertags-) Regelung des § 20 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) +– als Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde Dienstag, , an und beraumte eine mündliche Verhandlung daraufhin für an.

3. Anlässlich der mündlichen Verhandlung über die Schubhaftbeschwerde am wurde durch das Bundesverwaltungsgericht verkündet, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorlägen. In der folgenden schriftlichen Ausfertigung, dem angefochtenen Erkenntnis, führt das Bundesverwaltungsgericht in Spruchpunkt A.I. und A.II. begründend aus, dass die Behörde in Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zu Recht Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet habe, da aus dem vergangenen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werde könne, dass er die Abschiebung zu umgehen oder jedenfalls zu behindern beabsichtige. Der Schubhaft liege ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde. Es seien auch keine die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände zu erkennen gewesen, daher lägen auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor.

Wörtlich wird wie folgt begründet:

"3.1.5. Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, da aus dem vergangene[n] Verhalten de[s] BF mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung zu umgehen oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Der BF kann nach Italien zurückgeschoben werden, die Behörde hat auch alles sichergestellt, die Abschiebung zeitnah durchzuführen. Der Schubhaft liegt ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde, sie ist unter Berücksichtigung der Umstände auch verhältnismäßig. Der BF hat keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde.

3.2. Zu Spruchpunkt A.II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Die getroffene[n] Feststellung und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Dieser Spruchpunkt wurde am mündlich verkündet."

Der Antrag auf Ersatz der Aufwendungen sei mangels Rechtsgrundlage abzuweisen; § 35 Abs 3 VwGVG sei auch nicht EMRK-widrig bzw. verstoße auch nicht gegen die Grundrechte-Charta (Spruchpunkt A.III. und A.IV.). Der Antrag auf Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr bzw. dessen Refundierung sei zurückzuweisen (Spruchpunkt A.V). Der Antrag, dem Beschwerdeführer unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben, sei iSd § 40 Abs 4 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen; der Beschwerdeführer habe ohnedies einen Bevollmächtigen mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung betraut (Spruchpunkt A.VI.). Im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer solchen Fallkonstellation sei die Revision zuzulassen (Spruchpunkt B.).

Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt.

4. Dagegen richtet sich die vorliegende auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt, sowie die Verletzung in dem durch Art 5 EMRK und das BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit, in dem durch das BVG gegen rassische Diskriminierung, BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie in den Rechten gemäß Art 47 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (GRC) behauptet wird und die (kostenpflichtige) Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses begehrt wird.

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass er am Abend des Gründonnerstages per Fax Beschwerde erhoben habe, der Richter jedoch die Auffassung vertreten habe, dass die Entscheidungsfrist erst mit dem darauffolgenden Dienstag zu laufen beginne, da es am Karfreitag laut der gemäß § 19 BVwGG beschlossenen Geschäftsordnung keine Amtsstunden gebe und es sich beim Ostermontag um einen gesetzlichen Feiertag handle. Die in § 20 Abs 2 GO-BVwG vorgesehene Einschränkung einer Einbringung von Schriftsätzen auch in grundrechtseingriffsintensiven Angelegenheiten erscheine nicht vereinbar mit den Garantien des "habeas corpus-Verfahrens" iSd Art 5 Abs 4 EMRK und Art 6 Abs 1 PersFrSchG. Über die Schubhaft sowie über die Zulassung der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft sei erst am , sohin 11 Tage nach Einbringung der Beschwerde entschieden worden; dadurch sei der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

§19 BVwGG und § 20 Abs 1 GO-BVwG verstießen gegen die gesetzlichen Vorgaben des AVG, nach dessen §§32, 33 AVG der Karfreitag ausdrücklich nicht den Beginn der Frist hindere. Der Beschwerdeführer rege daher an, aus Anlass der Beschwerde ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und die Wortfolge "wann (Amtsstunden) und" in § 19 BVwGG als verfassungswidrig aufzuheben, da sie den Garantien des Art 5 Abs 4 EMRK und Art 6 Abs 1 PersFrSchG und Art 47 GRC zuwiderlaufe.

5. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Rechtslage

Die für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§76 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 100/2005, idF BGBl I 70/2015 lautet:

Schubhaft und gelinderes Mittel

Schubhaft

§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art 28 Abs 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs 2 Z 1 oder im Sinne des Art 2 litn Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§56 oder 71 FPG,§ 13 Abs 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs 8 und § 12 Abs 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Artikel 6 des Bundesverfassungsgesetzes vom über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, idF BGBl I 2/2008 lautet:

" (1) Jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen."

III. Erwägungen

Die Beschwerde ist teilweise begründet:

1. Das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, mit dem darüber entschieden wird, ob eine Festnahme oder Anhaltung einer Person rechtmäßig war oder ist, verletzt das durch Art 1 ff. des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit und durch Art 5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit), wenn es gegen die verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung verstößt, wenn es in Anwendung eines verfassungswidrigen, insbesondere den genannten Verfassungsvorschriften widersprechenden Gesetzes erlassen wurde oder wenn es gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage ergangen ist; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (VfSlg 13.708/1994, 15.131/1998, 15.684/1999 und 16.384/2001).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ist auch verletzt, wenn die Entscheidung über die Recht-mäßigkeit des Freiheitsentzuges entgegen dem verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernis des Art 6 Abs 1 letzter Satz BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (im Folgenden: PersFrSchG) nicht binnen einer Woche ergangen ist.

Im vorliegenden Fall wurde die Schubhaftbeschwerde vom Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter am Gründonnerstag, dem um 19:07 Uhr per Telefax beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Sie wurde als mit eingelangt gewertet und die mündliche Verhandlung am anberaumt.

Aus der Anordnung in Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG, dass die Entscheidung binnen einer Woche zu ergehen hat, erfließt auch die Verpflichtung des erkennenden Verwaltungsgerichtes, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, dass auch im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid seine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG möglichst bald, spätestens innerhalb einer Woche dem Beschwerdeführer (gegebenenfalls seinem Rechtsvertreter) und der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zugeht (vgl. VfSlg 13.893/1994, 14.193/1995, 18.081/2007, 18.964/2009, 19.968/2015).

Die gemäß Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG gebotene Frist von einer Woche ist grundsätzlich ab dem Einlangen einer Beschwerde bei der zuständigen Behörde zu berechnen (vgl. VfSlg 18.081/2007 mH auf Kopetzki , Art 6 PersFrG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz 46 ff. sowie insb. Rz 50, wonach der Fristenlauf im Falle eines antragsbedürftigen Verfahrens mit der Antragstellung bzw. mit dem Einlangen des Antrags bei der zuständigen Behörde beginnt).

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Verfas-sungsgesetzgeber unabhängig von behördeninternen Vorgängen eine einwöchige Frist als Obergrenze festgelegt hat (vgl. VfSlg 18.081/2007, 18.964/2009). Der aus Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG erfließenden Verpflichtung, die auch im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG innerhalb einer Woche verlangt, ist das belangte Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht nachgekommen, erging doch die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Inschubhaftnahme sowie über die Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht in dem von Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG geforderten Zeitraum von einer Woche. Die Verpflichtung, innerhalb einer Woche zu entscheiden, folgt unmittelbar aus Art 6 Abs 1 PersFrSchG. Selbst dann, wenn besondere zusätzliche organisatorische Voraussetzungen zu treffen gewesen wären, hätte das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung über die Schubhaftbeschwerde jedenfalls innerhalb einer Woche treffen müssen (VfSlg 13.893/1994, 14.193/1995 sowie zur Verpflichtung, allfällige organisatorische Vorkehrungen zu treffen VfSlg 18.081/2007).

Der Beschwerdeführer wurde daher dadurch, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges nicht binnen einer Woche erging, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt.

2. Durch die begehrte Aufhebung der verspätet ergangenen Entscheidung würde die Rechtsverletzung aber nicht beseitigt, sondern insoweit sogar verschärft werden, als die im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ergehende Entscheidung nur noch später ergehen könnte. Der Verfassungsgerichtshof hat sich deshalb auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) stattgefunden hat (vgl. VfSlg 18.014/2006 mwN, 18.964/2009, 19.968/2015).

3. Im Übrigen aber hat das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren nicht ergeben, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches an einem weiteren in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leidet. Angesichts des Umstandes, dass sowohl für die Anordnung als auch für die Aufrechterhaltung der Schubhaft eine – aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles unbedenkliche – gesetzliche Grundlage vorliegt und das Bundesverwaltungsgericht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft aus verfassungsrechtlicher Sicht nachvollziehbar begründet hat, liegt keine (weitere) Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) vor.

Insoweit ist die Beschwerde daher abzuweisen.

4. Gemäß § 88a Abs 2 Z 1 VfGG ist eine Beschwerde gegen Aussprüche gemäß § 25a Abs 1 VwGG, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B VG zulässig ist, nicht zulässig. Die Beschwerde – die das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ausdrücklich zur Gänze anficht – ist daher insoweit, sohin hinsichtlich des Spruchpunktes B. des angefochtenen Erkenntnisses, zurückzuweisen.

5. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte A.I., A.III., A.IV., A.V. und A.VI. des angefochtenen Erkenntnisses wendet, abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Kostenersatz zu Recht unter Verweis auf § 35 Abs 3 VwGVG abgewiesen hat, nicht anzustellen.

Insoweit die Beschwerde die Rechtswidrigkeit der Wortfolge "wann (Amtsstunden) und" in § 19 BVwGG behauptet, ist darauf zu verweisen, dass die Frist von einer Woche unmittelbar aus Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG folgt.

IV. Ergebnis

1. Soweit durch Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Erkenntnisses ausgesprochen wurde, dass gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Erkenntnisses abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt B. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

3. Im Übrigen – sohin hinsichtlich der Spruchpunkte A.I, A.III., A.IV., A. V. und A.VI. des angefochtenen Erkenntnisses – wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

4. Soweit die Beschwerde abgewiesen wird oder ihre Behandlung abgelehnt wird, wird sie gemäß Art 144 Abs 3 und 4 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG bzw. § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl. VfSlg 16.760/2002). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:E931.2016