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VfGH vom 23.09.2008, b62/07

VfGH vom 23.09.2008, b62/07

Sammlungsnummer

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Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein 1967 geborener nigerianischer Staatsangehöriger, hält sich nach eigenen Angaben seit August 2000 im Bundesgebiet auf. Der unmittelbar nach seiner Einreise gestellte Asylantrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom abgelehnt.

Ein weiterer Asylantrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom abgewiesen. Mit Beschluss vom lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

2. Am beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen. Dieser Antrag wurde mit im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom zurückgewiesen.

3. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom abgewiesen, weil die Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß § 73 NAG gesetzlich nicht vorgesehen sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der Art 2, 3 und 8 EMRK behauptet, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der §§72 Abs 1 erster Satz, 73 Abs 2 und 81 Abs 1 NAG angeregt und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am - mit Erkenntnis vom , G246,247/07 ua., unter anderem die Wortfolge "von Amts wegen" in § 73 Abs 2 NAG als verfassungswidrig aufgehoben. Der dieses Verfahren einleitende Prüfungsbeschluss wurde am im Internet bekannt gemacht.

2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986); darüber hinaus muss der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes gestellt worden sein ().

3. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren schon anhängig. Da auch das ihr vorausgegangene Verwaltungsverfahren vor Bekanntmachung des Prüfungsbeschlusses, nämlich am , angestrengt worden ist, ist der ihr zugrunde liegende Fall somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesstelle an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-

enthalten.