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VfGH vom 18.09.2014, E910/2014

VfGH vom 18.09.2014, E910/2014

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz aufgrund Außer-Acht-Lassung des konkreten Sachverhalts sowie unzureichender Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen betreffend die Verfolgungslage Homosexueller in Nigeria

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger. Den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes und den Verwaltungsakten zufolge stellte der Beschwerdeführer am den Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, homosexuell zu sein. Unmittelbar vor seiner Flucht habe der Beschwerdeführer Geschlechtsverkehr mit seinem Partner gehabt und sei dabei von seinem Vater entdeckt worden. Sein Vater habe geschrien. Daraufhin hätten sich viele Leute versammelt und begonnen, den Beschwerdeführer und seinen Partner zu schlagen. Der Partner des Beschwerdeführers sei von den Leuten getötet worden, der Beschwerdeführer habe fliehen können und sich nach Abuja begeben. Dort habe er einen Libanesen getroffen, der ihm geholfen habe, das Land zu verlassen.

2. Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005, (in weiterer Folge: AsylG 2005) und auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 mit Bescheid vom ab und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus. Die Fluchtgründe des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig; in Nigeria bestehe keine solche extreme Gefährdungslage, dass ein Zurückkehrender einer Gefährdung im Sinne der Art 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

3. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und erstattete umfangreiches Vorbringen zur Lage Homosexueller in Nigeria.

4. Der Asylgerichtshof führte am eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen erneut befragt wurde und Unterlagen zur Bescheinigung seiner Integration in Österreich vorlegte. Am erstattete der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme mit Vorbringen zur aktuellen Lage Homosexueller in Nigeria.

5. Das vom Asylgerichtshof geführte Beschwerdeverfahren wurde mit vom Bundesverwaltungsgericht fortgeführt. Mit Schreiben vom übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria, die nach dem Begleitschreiben "insbesondere aktuelle Recherchen zum Problem- bzw. Themenkreis der Situation Homosexueller in Nigeria" enthalten sollten. Diesem Schreiben sind Feststellungen zur allgemeinen politischen Lage und Versorgungslage in Nigeria mit Stand August 2013 angehängt, Ausführungen zur Lage Homosexueller in Nigeria finden sich darin nicht.

6. Mit Schreiben vom erstattete der Beschwerdeführer eine erneute Stellungnahme, in der er sein bisheriges Vorbringen zur Verfolgungssituation Homosexueller in Nigeria bekräftigte.

7. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gemäß § 3 Abs 1 sowie § 8 Abs 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt A), verwies das Verfahren gemäß § 72 Abs 20 Z 1 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück (Spruchpunkt B) und erklärte die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B VG für nicht zulässig (Spruchpunkt C).

7.1. In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die "seitens des Antragsstellers ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse, welche seiner Darstellung nach zu seinem Ausreiseentschluss geführt haben, können positiv festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt werden". Mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer homosexuell sei.

7.2. Zur Verfolgungssituation Homosexueller in Nigeria traf das Bundesverwaltungsgericht folgende Feststellungen:

"Strafgesetzliche Bestimmungen:

In Nigeria ist Homosexualität strafbar, wenn sie privat oder öffentlich praktiziert wird. Die bloße Disposition ist nicht strafbar. Die Art der Strafverfolgung ist abhängig von dem Gebiet bzw. dem Bundesstaat, in dem der Tatbestand begangen wurde bzw. verhandelt wird.

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten (Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kebbi, Niger, Sokoto, Yobe und Zamfara) in welchen die Scharia gilt, drohen Gefängnis, zwischen 40 und 100 Peitschenhiebe oder die Todesstrafe durch Steinigung.

In den südlichen Bundesstaaten ist gem. Artikel 214 des Criminal Code Acts eine Person, die mit einer Person oder mit einem Tier Geschlechtsverkehr 'unnatürlicher Art' hat oder einem Mann erlaubt, 'unnatürlichen Geschlechtsverkehr' mit ihm oder ihr auszuüben, eines Verbrechens schuldig und mit 14 Jahren Gefängnis zu bestrafen. Nach Artikel 215 ist der Versuch der oben beschriebenen Handlungen mit einer siebenjährigen Haftstrafe zu ahnden. Laut Artikel 217 ist ein Mann, der mit einem anderen Mann eine 'schwere Unanständigkeit' begeht, oder einen Mann dazu anstachelt, eine 'Unanständigkeit' zu begehen, eines Verbrechens schuldig und mit einer dreijährigen Haftstrafe zu bestrafen.

Am beschloss das Unterhaus des nigerianischen Parlaments ein Gesetz, das bis zu 14 Jahre Haft für Homosexuelle vorsieht ('Same Sex Marriage Prohibition bill and other Related Matters'). Gleichgeschlechtliche Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, können künftig mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden. Bis zu 10 Jahren Gefängnis ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen. Bereits 2006 hat es zwei Versuche gegeben, eine Verschärfung der bestehenden Gesetze gegen Homosexuelle zu erwirken. Vor dem Unterhaus hatte bereits der nigerianische Senat im November 2011 einen Gesetzesvorschlag zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe beschlossen, der eine Teilnahme an oder Bezeugung von gleichgeschlechtlichen Ehe-Zeremonien verbietet und öffentliche Zurschaustellung von Zuneigung zwischen Personen gleichen Geschlechts und LGBT-Organisationen kriminalisiert.

Im Mai 2007 verabschiedete der Bundesstaat Lagos eine eigene Gesetzgebung gegen Homosexuelle, die ähnlich drastisch wie der Gesetzesvorschlag der Same Sex Marriage (Prohibition) Bill ist.

Diese Feststellungen betreffend die entsprechend den nördlichen bzw. südlichen Bundestaaten jeweils unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich übereinstimmend aus einem Bericht von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin Asylum Research and Documentation), 'Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung' vom , dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, 'Nigeria: Homosexualität' vom , sowie dem Bericht des Bundesasylamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, 'Nigeria, Homosexualität in Nigeria', vom März 2007. Dem oben genannten Bericht von ACCORD sowie dem Bericht der UK Border Agency, 'Operational Guidance Note – Nigeria' vom ist zu entnehmen, dass für männliche Homosexualität der Tod durch Steinigung als Höchststrafe, im Fall von Frauen die Auspeitschung und Inhaftierung vorgesehen ist.

Dass im November 2011 seitens des Senates ein Gesetzesvorschlag zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen sowie im Mai 2013 ein Gesetz seitens des Unterhauses des nigerianischen Parlaments beschlossen wurden, ist dem Bericht von ACCORD (Anfragebeantwortung zu Nigeria: Informationen zur Lage von Homosexuellen) vom zu entnehmen. Die Feststellung, dass in Lagos im Mai 2007 eine eigene Gesetzgebung gegen Homosexuelle verabschiedet wurde, ergibt sich aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, 'Nigeria: Homosexualität' vom sowie dem Bericht der UK Border Agency, 'Report of Joint British-Danish Fact Finding Mission to Lagos and Abuja, Nigeria, 9 – and 5 – 12 January 2008' vom .

Umsetzung von strafgesetzlichen Bestimmungen in der Praxis:

In den nördlichen Bundestaaten:

Bereits die Anzahl der Anklagen vor Scharia-Gerichten wegen Homosexualität ist sehr gering und beträgt etwa 2 bis 5 Fälle pro Jahr bezogen auf den Zeitraum 2003 bis inkl. 2008. Für den Zeitraum 2008 bis dato sind überhaupt keine Anklagen belegt. Die Zahl der Verurteilungen ist noch geringer als jene der Anklagen, da zum einen Anklagen zum Teil mangels Zeugen fallengelassen werden oder keine Verurteilungen erfolgen. Urteile mit denen im Zeitraum 2003 bis 2007 Tod durch Steinigung verhängt wurde, sind von Rechtsmittelgerichten aufgehoben und nicht vollstreckt worden. Ebenso sind im Jahr 2010 und im Jahr 2011 keine derartigen Verurteilungen erfolgt. Es gibt keine Quellen, die eine Vollstreckung einer Todesstrafe wegen Homosexualität belegen würde.

Im Bundesstaat Kano wurde (ca.) im Jahr 2002 ein Mann wegen gewaltsamen Analverkehrs mit einem 12 jährigen Jungen von einem Scharia-Gericht zu 100 Stockschlägen, einer zweijährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 5.000,00 Naira verurteilt. Ebenso wurde Anfang 2002 ein Mann im Bundesstaat Zamfara wegen Sodomie zu 200 Stockschlägen und einer 1 jährigen Haftstrafe wegen Sodomie verurteilt. In Kano wurden im Frühsommer 2013 neun Bettler seitens der 'Hisbah' (religiöse Polizei, Anm.) verhaftet, denen homosexuelle Handlungen vorgeworfen wurden. Weiters wurden etwa im selben Zeitraum neun Teenager und drei Erwachsene wegen in einem Park durchgeführter homosexueller Handlungen verhaftet.

Die Feststellungen zur geringen Anzahl von Anklagen und Verurteilungen ergeben sich aus dem Bericht der UK Border Agency, Home Office, 'Nigeria, Country of Origin Information (COI) Report, vom , in welchem wiederum auf den 'British-Danish 2008 'Fact-Finding Mission Report, Oktober 2008' verwiesen wird, in dem etwa ausgeführt wird, dass zwischen 2003 und 2007, sohin in etwa 4 Jahren 20 Personen wegen Homosexualität angeklagt worden seien. Für das Jahr 2008 sind auch nur 2 Anklagen belegt, sodass sich insgesamt die Einschätzung ergibt, dass sich Anklagen nach der Scharia wegen Homosexualität in der geringen Anzahl von etwa 2 bis 5 pro Jahr erschöpfen. Dass die Zahl der Verurteilungen noch geringer ausfällt ergibt sich ebenfalls aus diesem Bericht und steht dies weiters im Einklang damit, dass auch ai von einer geringen Zahl an Verurteilungen spricht. Der Hinweis, dass es laut HRW in den meisten Fällen, in denen Scharia-Gerichte wegen Sodomie verhandelt haben, nicht um sexuelle Praktiken unter Erwachsenen gegangen sei, sondern um Missbrauch von Kindern, indiziert ebenfalls, dass die Anzahl von Verurteilungen von Erwachsenen Homosexuellen als sehr gering zu bezeichnen ist. Dass die bisher ergangenen Steinigungsurteile von Rechtsmittelgerichten aufgehoben worden sind, ergibt sich aus der gleichen Quelle und dem Umstand, dass Vollstreckungen von Steinigungsurteilen wegen Homosexualität nicht belegbar sind. Die Tatsache, dass im Jahr 2010 keine Verurteilungen zum Tod durch Steinigung erfolgt sind, ergibt sich aus dem Bericht von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin Asylum Research and Documentation), 'Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung' vom . Die angeführten Verurteilungen zweier Männer zu je 100 Stockschlägen im Jahr 2002 sind dem Bericht des Bundesasylamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, 'Nigeria, Homosexualität in Nigeria', vom März 2007 zu entnehmen. Die Information, dass auch im Jahr 2011 keine Steinigungen durchgeführt wurden, ist dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, 'Nigeria: Homosexualität' vom , zu entnehmen. Dass in Kano im Frühsommer 2013 insgesamt zwölf Erwachsene und neun Teenager wegen homosexueller Handlungen verhaftet wurden, ergibt sich aus dem Bericht von ACCORD (Anfragebeantwortung zu Nigeria: Informationen zur Lage von Homosexuellen) vom .

In den südlichen Bundesstaaten:

Ähnlich wie in den nördlichen Bundesstaaten ist auch die Anzahl der Verurteilungen wegen Homosexualität in den südlichen Bundesstaaten sehr gering und geht über einige wenige belegte Fälle pro Jahr nicht hinaus. Im Jahr 2008 wurden etwa 18 Männer wegen Sodomie angeklagt, aber ihre Anklagen wurden zu Anklagen wegen 'Landstreicherei' umgewandelt, letztlich wurden fünf der Männer gegen Kaution freigelassen, die restlichen dreizehn Männer blieben in Haft. Im September 2012 verurteilte ein Gericht in Abuja einen nigerianischen Schauspieler aufgrund 'having sexual intercourse with another man through the anus' zu drei Monaten Haft. Im März 2012 verurteilte ein Gericht in Nasarawa State zwei Männer zu einer zweijährigen Haftstrafe aufgrund sexueller Handlungen, im September 2012 verurteilte ein Gericht in Abuja einen Mann zu einer dreimonatigen Haftstrafe wegen Sodomie. Im April 2013 verhängte ein Gericht ebenfalls in Nasarawa gegen drei Personen wegen der angeblich 'unnatürlichen Straftat der Homosexualität' Untersuchungshaft. Präsident Goodluck Jonathan begnadigte Anfang März 2013 einen ehemaligen Armeemajor, der 1996 von einem Militärgericht wegen 'Sodomie, einem anderen Namen für Homosexualität' zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Der Umstand, dass lediglich von einer geringen Zahl an Verurteilungen pro Jahr auszugehen ist, ergibt sich etwa aus einer Auskunft vom des Immigration and Refugee Board of Canada, in der für einzelne Jahre etwa 2006, 2007, 2008 und 2012 nur sehr vereinzelte Fälle beschrieben werden. Im heutigen Informationszeitalter ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass sich gehäuftere Verurteilungen auch medial in der Berichtslage widerspiegeln würden, wenn es solche Verurteilungen gäbe. Dass staatliche Verfolgungsmaßnahmen, konkret Strafverfahren wegen Homosexualität keine maßgeblich wahrscheinliche Gefahr für Homosexuelle in Nigeria darstellen, ergibt sich weiters aus der Einschätzung des 'edgeboston.com 2008 report', wonach eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben für Homosexuelle nicht primär in staatlichen Verfolgungsmaßnahmen begründet ist, sondern allenfalls vom Mob oder von Übergriffen durch Behördenorgane ausgeht (dazu siehe unten).

Aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, 'Nigeria: Homosexualität' vom ergibt sich die Information betreffend die im September 2012 erfolgte Verurteilung des nigerianischen Schauspielers in Abuja zu 3 Monaten Haft wegen Analverkehrs mit einem anderen Mann. Dass im Jahr 2012 zwei Männer wegen gemeinsamer homosexueller Handlungen bzw. ein Mann wegen Sodomie zu Haftstrafen verurteilt wurden, ergibt sich aus einem Bericht von Human Rights Watch vom (Nigeria Country Chapter). Die Information betreffend die erfolgten Anklagen von 18 Männern wegen Sodomie und der nachfolgenden Umwandlung ihrer Anklagen in die Delikte 'Landstreicherei' basiert auf einem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada, 'Nigeria: Treatment of sexual minorities, including legislation, state protection, and support services; the safety of sexual minorities living in Lagos und Abuja (2010- January 2012)' vom Februar 2012, sowie einem Bericht der UK Border Agency, Home Office, 'Nigeria, Country of Origin Information (COI) Report, vom . Dass im April 2013 gegen drei Personen die Untersuchungshaft wegen homosexueller Handlungen verhängt wurde und im März 2013 ein wegen Sodomie verurteilter Mann seitens des Präsidenten begnadigt wurde, ist dem Bericht von ACCORD (Anfragebeantwortung zu Nigeria: Informationen zur Lage von Homosexuellen) vom zu entnehmen.

Nichtstaatliche Verfolgungsmaßnahmen und gesellschaftlicher Umgang mit Homosexuellen:

LGBT-Personen werden in vielen Lebensbereichen diskriminiert. Homosexuelle werden ausgehend davon, dass Homosexualität als teuflisch angesehen wird, von den Kirchen ausgeschlossen, was wiederum ihre Chancen auf Bildung verringert, da Kirchen im Bereich der Erziehung häufig Pflichten des Staates übernehmen. Zudem werden Homosexuelle oft auch von der Mittelschule verwiesen. Homosexuelle werden auch oft mit steigenden HIV/Aids-Raten in Verbindung gebracht, da die Gesellschaft davon ausgeht, dass HIV/Aids die Bestrafung für unmoralisches Verhalten sei. In fast allen Kirchen wird Homosexualität als teuflisch gesehen. Verschiedene Quellen sprechen davon, dass Homosexuelle zuweilen erpresst werden. Erpressungen fänden meistens im Zusammenhang mit der Onlinekontaktsuche in größeren Städten wie Lagos, Port Harcourt oder Abuja statt. Konkrete Übergriffe von Privaten auf Homosexuelle sind jedoch kaum belegbar und erschöpfen sich in der Berichtslage in einigen wenigen Fällen pro Jahr, wobei davon auszugehen ist, dass die Dunkelziffer höher ist. Die nigerianische Polizei ist nicht in der Lage, Homo-, Bi- und Transsexuellen Schutz zu gewähren.

Diese Feststellungen ergeben sich aus einer Gesamtschau der Berichtslage zu Übergriffen gegen Homosexuelle, wie etwa einem im Internet unter der 'Yawning Bread' website veröffentlichten Bericht, wonach ein Student des Birnin Kudu College in Jigawa State im April 2002 von Studienkollegen ermordet wurde, die ihn im Verdacht hatten, homosexuell zu sein. Derselben Quelle zufolge wurde 2006 auf ein lesbisches Paar christlichen Glaubens ein Anschlag mit Säure über das Schlafzimmerfenster verübt. Eine der Frauen starb infolge des Anschlags, die andere wurde verletzt. Edgeboston berichtet über einen jungen Schwulen, der in Lagos von einer Gruppe angegriffen wurde, die die Stadt von Homosexuellen säubern wollte. Niemand wurde strafrechtlich verfolgt, selbst dann nicht, als er an seinen Verletzungen starb. Keine Maßnahmen wurden weiters ergriffen, als im Jahr 2008 Mitglieder der House of Rainbow Metropolitan Community Church von Personen mit Steinen beworfen und geschlagen wurden. Im März 2011 kursierte laut USDOS, Country Reports on Human Rights Practices - Nigeria, , ein Video, das die Vergewaltigung von drei jungen Frauen durch zehn Männer zeigte. Die Frauen waren verdächtigt, lesbisch zu sein und sollten 'geheilt' werden. In der Folge versteckten sich die Mädchen aus Angst vor weiteren Übergriffen. Die Männer wurden nicht angezeigt. Laut einer Pressemeldung von Mitte Oktober 2005 wurden in Twon-Brass, Bundesstaat Bayelsa, von einer örtlichen Vigilantengruppe sechs Teenager im Alter zwischen 12 und 17 Jahren vor ein besonderes örtliches 'Aktionskommittee' gebracht. Von diesem wurden sie wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen zu 90 Stockhieben 'verurteilt'. Nach einem Vertreter von TIER (The Initiative for Equal Rights) inkludiert Gewalt gegen LGBT-Personen Erpressungen Prügelattacken, Raubüberfällen und Entführungen. Die nigerianische Polizei sei laut Auskunft des kanadischen Immigration and Refugee Board sehr schwach und nicht in der Lage, Homo-, Bi- und Transsexuellen Schutz zu gewähren. Die meisten Delikte, die gegenüber Homosexuellen begangen würden, würden nicht bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Die Berichtslage zeigt, dass es lediglich sehr vereinzelte dokumentierte Übergriffe von Privaten auf Homosexuelle gibt. Auch wenn die Dunkelziffer als höher anzunehmen ist, da Übergriffe oftmals von den Opfern nicht angezeigt werden, ist dennoch nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass auch die absolute Anzahl von Übergriffen im Verhältnis zur Einwohnerzahl und jenem Bevölkerungsteil, der Homosexuell veranlagt ist, sehr gering ist, da, wenn es sich diesbezüglich um massive und generelle Gefährdungslage handeln würde, sich dies in der heutigen Informationsgesellschaft auch in der Berichtslage, insbesondere jener diverser NGO¿s widerspiegeln würde, zumal es auch in Nigeria Vereinigungen und Hilfsorganisationen für Homosexuelle gibt. Die Information, dass Homosexuelle oft vom Ausschluss aus Kirchen und daher vom Bildungssystem betroffen sind, ergibt sich aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, 'Nigeria: Homosexualität' vom sowie dem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada, 'Nigeria: Treatment of sexual minorities, including legislation, state protection, and support services; the safety of sexual minorities living in Lagos und Abuja (2010- January 2012)' vom Februar 2012 sowie dem Bericht des Refugee Review Tribunal Australia, 'RRT Reseach Response' vom .

Hilfsorganisationen für Homosexuelle in den Städten:

Vor dem Hintergrund, dass Schätzungen zufolge der Anteil von Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung zwischen 3 und 10 Prozent liegt, ist bei einer Einwohnerzahl Nigerias von 152 Mio. Menschen sohin von einer Zahl zwischen schätzungsweise 4,560.000 und 15,200.000 Homosexuellen auszugehen. Aufgrund der gesellschaftlichen Tabuisierung halten die meisten Homosexuellen ihre Homosexualität geheim, sodass es auch keine explizite Schwulenszene in Nigeria gibt. Dennoch gibt es in größeren Städten, so etwa Lagos oder Abuja, einige wenige Clubs, die gewisse Möglichkeiten für Treffen bieten. Bei einem unauffälligen Verhalten in der Öffentlichkeit können Homosexuelle in den Großstädten Lagos und Abuja ein sicheres Leben führen. In Nigeria existieren zumindest 10 NGOs, die offen den Einsatz für die Rechte von LGBT-Personen zu einem ihrer Aufgabenbereiche erklärt haben. Konkret setzen sich etwa die Organisationen Alliance Rights Nigeria (ARN), die Organisation Support Project in Nigeria (SPIN), die Organisation Changing Attitude Nigeria (CAN), die Organisation Friends Unite Nigeria (FUN) sowie die Organisation International Centre for Reproductive Health and Sexual Rights (Increse) für die Rechte sexueller Minderheiten in Nigeria ein. Seitens der Regierung wird die Arbeit dieser Organisationen nicht behindert oder verboten. Das Aufgabengebiet des legal bei der Regierung registrierten International Centre for Advocacy on Rights to Health (Icarh) liegt bei der Aufklärung von Homosexuellen über HIV und AIDS.

Die Feststellungen betreffend den durchschnittlichen Anteil von Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung ergibt sich aus einer Übersicht an diversen Internetberichten (www.psychomeda.de/lexikon/homosexualitaet.html; www.wissen.de/lexikon/homosexualitaet u.a.). Die Information, wonach es zwar keine explizite Schwulenszene in Nigeria, jedoch einige Clubs gibt, die Homosexuellen Kontaktmöglichkeiten einräumt, ist dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, 'Nigeria: Homosexualität' vom , sowie dem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada, 'Nigeria: Treatment of sexual minorities, including legislation, state protection, and support services; the safety of sexual minorities living in Lagos und Abuja (2010- January 2012)' vom Februar 2012 zu entnehmen. Derselben Quelle ist auch die Einschätzung eines Repräsentanten der Organisation TIER (The Initiative for Equal Rights), einer NGO, die für die Rechte sexueller Minderheiten eintritt, zu entnehmen, derzufolge das Leben für LGBT-Personen in urbanen Gebieten tendenziell sicherer ist als im ländlichen Raum, dies allein aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte in Städten. Die Feststellung, dass bei einem diskreten Verhalten ein sicheres Leben für homosexuelle Personen in den Großstädten der südlichen Bundesstaaten wie Lagos und Abuja möglich ist, ergibt sich aus der in derselben Quelle wiedergegebenen Einschätzung des für Nigeria zuständigen Direktors der NGO 'Global Rights', einer NGO, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzt. Mit dieser Einschätzung im Einklang steht die ebenso in dem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada vom Februar 2012 zitierte Ansicht eines Repräsentanten von TIER, wonach Homosexuelle überall leben könnten, 'if no one knows they are gay'. Die oben wiedergegebenen Meinungen decken sich mit der im Bericht des Bundesasylamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, 'Nigeria, Homosexualität in Nigeria', vom März 2007 zitierten Ansicht eines Vertreters der nigerianischen Homo-, Bi- und Transsexuellenorganisation Alliance Rights Nigeria (ARN), von der in einer Auskunft des kandadischen Immigration and Refugee Board vom berichtet wird und derzufolge homosexuelle Personen beiderlei Geschlechts beispielsweise in Lagos - im Gegensatz zu den Scharia-Bundesstaaten - frei leben könnten, soweit sie nicht die Rechte anderer Personen verletzen würden. Die Feststellung betreffend die Existenz diverserer NGOs, deren Einsatzgebiet u. a. der Eintritt für die Rechtes von sexuellen Minderheiten darstellt, ergibt sich u. a. aus dem Bericht der UK Border Agency, Home Office, 'Nigeria, Country of Origin Information (COI) Report, vom , dem Bericht des Bundesasylamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, 'Nigeria, Homosexualität in Nigeria', vom März 2007 sowie dem Bericht der UK Border Agency, 'Operational Guidance Note – Nigeria' vom . Letztgenannter Quelle ist die Information zu entnehmen, dass die Arbeit der für Rechte von Homosexuellen eintretenden NGOs nicht seitens der Regierung behindert wird. Die Information betreffend das Aufgabengebiet des International Centre for Advocacy on Rights to Health (Icarh) sowie den Umstand, dass diese Organisation legal registriert ist, ergibt sich aus dem Bericht der 'Deutschen Welle', Die Angst der Homosexuellen in Nigeria, vom ."

7.3. Zur Nichtzuerkennung von Asyl führte das Bundesverwaltungsgericht aus, auf Grund des festgestellten Sachverhaltes sei zu erkennen, dass der Beschwerdeführer tatsächlichen Beeinträchtigungen durch die örtliche Bevölkerung seines Heimatdorfes bzw. seiner engeren Heimatregion ausgesetzt gewesen sei. Des Weiteren traf das Bundesverwaltungsgericht folgende Ausführungen:

"Im Hinblick auf die vorliegende Homosexualität des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass die in den Feststellungen aufgezeigten Größenverhältnisse einer geschätzten Anzahl an Homosexuellen in Nigeria im Vergleich zu einer verschwindenden nachweisbaren Zahl von Sanktionierung von Homosexualität tatsächlich keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung darstellt. So ist es zwar richtig, dass wie – in den Feststellungen festgehalten – in Nigeria Homosexualität strafbar ist, jedoch ist auch festzuhalten, dass keine maßgebliche Anzahl von staatlichen Sanktionierungen der Homosexualität erweislich sind. So sind beispielsweise – wie festgestellt – im Jahr 2010 und 2011 keinerlei derartigen Verurteilungen in Nigeria erfolgt. Wie in den Feststellungen weiters festgehalten wurde auch in den südlichen Bundestaaten Nigerias lediglich einige verschwindend wenige Urteile wegen Homosexualität gefällt. Daran verändert auch die seitens des gewillkürten Vertreters aufgezeigte allfällige Verschärfung von einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nichts. Eine generelle Veränderung der gesellschaftlichen Situation kann jedoch auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden. Den vom Beschwerdeführer vorgelegten exemplarischen Fällen von strafrechtlichen Verfolgungen und sonstigen Ereignissen ist entgegenzuhalten, dass einerseits jeweils nicht dargestellt wurde, welchen rechtskräftigen Ausgang ein solches Verfahren letztlich genommen hat und ist dies in Nigeria von zentraler Bedeutung; so sind in den letzten Jahren insbesondere im Norden Nigerias vereinzelt drakonische strafrechtliche Urteile erster Instanz aufgrund des Scharia-Gesetzes ausgesprochen worden, welche lückenlos allesamt durch Obergerichte bzw. Höchstgerichte in der Hauptstadt aufgehoben wurden. Des Weiteren ist hiezu argumentativ aufzuzeigen, dass insbesondere den dargestellten vereinzelten Medienberichten zu solchen Handlungen eine gegenüber den behördlichen Beweisergebnis geringere Beweiskraft beizumessen ist, da die genannten Medien oftmals ins 'reißerischer Art' verhalten sind, Schlagzeilen prekärer Themen zu präsentieren, um die Auflagenstärke zu steigern – wie dies übrigens auch in westlichen Demokratien erkennbar ist – und zeigt sich auch in westlichen Demokratien, dass die überwiegende Mehrzahl der präsentierten Medienartikel einer Überprüfungen an wahren Gegebenheiten und Sachverhalten nicht standhalten.

Dem Umstand der geringen Zahl an Verurteilungen pro Jahr ist entnehmbar, dass Verfolgungsmaßnahmen in concreto Strafverfahren wegen Homosexualität in Nigeria keine maßgeblich wahrscheinliche Gefahr für Homosexuelle darstellt. Auch eine Gefährdungslage von Seiten privater Personen tatsächlich verfolgt zu werden ist gemessen an der Bevölkerungszahl Nigerias bzw. der geschätzten Anzahl an Homosexuellen als vernachlässigbar bzw. nicht als real risk einzustufen."

In der Folge zitierte das Bundesverwaltungsgericht Teile der Begründung eines Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom , dessen "Erkenntnislage" sich nicht wesentlich von der aktuellen Situation in Nigeria unterscheide. Da sich die Lage in Nigeria im Verhältnis zu dieser zitierten Entscheidung nicht verschlechtert habe und der Beschwerdeführer nicht als Aktivist für die Rechte von Homosexuellen anzusehen sei oder sich in irgendeiner Weise politisch betätigt habe, wäre er "selbst bei Zugrundelegung seines Vorbringens kein potentielles Opfer staatlicher Verfolgung (wegen unterstellter Gegnerschaft zum herrschenden 'System' mit den konservativen Moralvorstellungen, die zur Ablehnung der Homosexualität beitragen". Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich auch, dass die ihm widerfahrenen Verfolgungshandlungen Dritter (nur) aufgetreten seien, als er "sexuelle Handlungen in einer der Öffentlichkeit (zumindest indirekt) zugänglichen Weise" gesetzt habe. Er habe nicht behauptet, auch bei anderen Handlungen Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein. Besondere Hinweise auf eine Vulnerabilität des Antragstellers, zum Beispiel Krankheit oder fehlende Arbeitsfähigkeit oder sehr geringes oder sehr hohes Alter, seien nicht ersichtlich. Aus den getroffenen Feststellungen gehe weiters hervor, dass die Situation von Homosexuellen in von Yoruba bewohnten Teilen Nigerias besser sei. In diesem Landesteil befänden sich verschiedene Großstädte und die Hauptstadt Lagos; es seien keine Hindernisse ersichtlich, weshalb sich der Beschwerdeführer dort nicht niederlassen könne. Dass der Beschwerdeführer von nigerianischen Bundesbehörden gesucht werde, sei im Verfahren nicht behauptet worden, weshalb von keiner landesweiten Verfolgung wegen seiner Homosexualität auszugehen sei. Dass ihn die Bewohner seiner Herkunftsregion im ganzen Land verfolgen würden, sei nicht behauptet worden und sei angesichts der Größe Nigerias in diesem konkreten Fall kaum vorstellbar. Es sei dem Beschwerdeführer insofern keine wohlbegründete Furcht vor maßgeblich wahrscheinlicher Verfolgung einer (allenfalls) bei ihm tatsächlich vorliegenden Homosexualität bei einer Rückkehr erkennbar bzw. sei ihm eine solche Furcht jedenfalls nicht zusinnbar.

7.4. Zur Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes führte das Bundesverwaltungsgericht aus, im gesamten Asylverfahren fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 Abs 1 AsylG 2005 ausgesetzt sein würde. Dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohten, dass die Abschiebung im Licht des Art 3 EMRK unzulässig sei, könne nicht festgestellt werden. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass es Abgeschobenen im vorliegenden Herkunftsstaat an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehle. Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sei im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliege, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Wiederspruch zu Art 3 EMRK erscheinen zu lassen.

8. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, der Art 3 und 8 EMRK sowie des Art 47 GRC behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.

9. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichts, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht ging zunächst von der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers aus. Demnach ist der Beschwerdeführer homosexuell und wurde in seiner Heimat von seinem Vater beim Geschlechtsverkehr mit seinem Freund entdeckt, woraufhin der Freund des Beschwerdeführers von einer aufgebrachten Menschenmenge getötet wurde, während der Beschwerdeführer flüchten konnte.

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht traf Länderfeststellungen (unter anderem) zur Verfolgungslage Homosexueller in Nigeria. Nach diesen Feststellungen werden homosexuelle Kontakte in Nigeria in allen Landesteilen strafrechtlich verfolgt, wobei nicht nur eine formelle Strafbarkeit besteht, sondern auch tatsächliche Ermittlungen von staatlichen Organen geführt und – wenngleich selten – gerichtliche Verurteilungen ausgesprochen werden. Darüber hinaus werden in Nigeria – den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zufolge – Homosexuelle in vielen Lebensbereichen diskriminiert und sind Opfer von Erpressung und privaten Übergriffen; die nigerianische Polizei ist dabei nicht in der Lage, Homosexuelle vor solchen Übergriffen zu schützen.

2.3. Anschließend an diese Feststellungen vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass beim Beschwerdeführer keine "begründete Furcht vor Verfolgung" bestehe, weil angesichts des Größenverhältnisses der Zahl der schätzungsweise in Nigeria befindlichen Homosexuellen zur Zahl der "Sanktionierung von Homosexualität" keine "maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung" bestehe.

2.4. Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht grob die Ergebnisse seines eigenen Ermittlungsverfahrens und deren Bedeutung für den Beschwerdefall. Aus der Zahl gerichtlicher Verurteilungen Homosexueller in Nigeria während der letzten Jahre kann nämlich nicht abgeleitet werden, dass kein reales Risiko einer strafgerichtlichen Verfolgung für den Beschwerdeführer in der Zukunft besteht. Dazu kommt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinen Ausführungen auf Verurteilungsstatistiken bezieht, die aus den Jahren vor dem Inkrafttreten einer in den Länderfeststellungen genannten gesetzlichen Verschärfung im Jahr 2013 stammen.

Zu der neben der Möglichkeit strafgerichtlicher Verfolgung bestehenden Gefahr von Übergriffen Privater, vor denen staatliche Organe Homosexuelle – den Länderfeststellungen zufolge – nicht zu schützen vermögen, führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass solche Verfolgungshandlungen "(nur) dann aufgetreten sind, als er sexuelle Handlungen in einer der Öffentlichkeit (zumindest indirekten) zugänglichen Weise gesetzt hat". Damit bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht offenbar auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wonach dieser in seinen eigenen Privaträumlichkeiten beim Geschlechtsverkehr mit seinem Freund entdeckt wurde. In einem solchen Fall von sexuellen Handlungen, die "in einer der Öffentlichkeit (zumindest indirekten) zugänglichen Weise gesetzt" werden, auszugehen, stellt ein weiteres Abgehen des Bundesverwaltungsgerichtes vom festgestellten Sachverhalt dar. In diesem Zusammenhang ist zudem auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , C 199/12 bis C 201/12, zur Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG zu verweisen. In diesem Urteil führte der Gerichtshof aus, dass die zuständigen Behörden bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eines Asylwerbers nicht erwarten können, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

2.5. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit bei seiner Entscheidung dadurch Willkür geübt, dass es im Beschwerdefall den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen und sich mit wesentlichen Ermittlungsergebnissen nur unzureichend auseinandergesetzt hat bzw. aus diesen Schlüsse gezogen hat, die mit den jeweiligen Ermittlungsergebnissen denkmöglich nicht vereinbar sind.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden. Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:E910.2014