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VfGH vom 29.11.1993, b61/90

VfGH vom 29.11.1993, b61/90

Sammlungsnummer

13590

Leitsatz

Keine Verletzung des Gleichheitsrechts, der Meinungsäußerungsfreiheit und der Erwerbsausübungsfreiheit durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes aufgrund mehrerer Schuldsprüche unter anderem wegen reklamehaften Herausstellens der eigenen Person in den Medien

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt mit dem Kanzleisitz in Salzburg, wendet sich mit der vorliegenden Beschwerde nach Art 144 B-VG gegen den Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom , mit dem über die Berufung des Beschwerdeführers als Disziplinarbeschuldigten sowie über die Berufung des Kammeranwaltes gegen das Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der (damaligen) Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland (an welchen die Disziplinarsache übertragen worden war) vom entschieden wurde. Da sich die Beschwerde (wie hier vorwegnehmend bemerkt sei) bloß gegen jene Teile der Berufungsentscheidung richtet, mit denen ein Schuldspruch (im Wege der Bestätigung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses oder in Stattgebung der Berufung des Kammeranwaltes) gefällt wurde, beschränkt sich die folgende Wiedergabe der von den Disziplinarbehörden beider Rechtsstufen erlassenen Bescheide auf die für die vorliegende Beschwerdesache relevanten Bescheidteile.

2. Der genannte Disziplinarrat befand den beschwerdeführenden Rechtsanwalt (im Teil I. des Bescheides) des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes schuldig (und verhängte über ihn eine Geldbuße) weil er

"6) (zu D 16/84): in dem von ihm verfaßten, in der Zeitschrift 'Salzburger Fenster' Nr. 3, 1. Jahrgang, Dezember 1979 unter dem Titel 'Kann man in Salzburg verteidigen?' veröffentlichten Artikel

a) der Standesvertretung der Rechtsanwälte vorgeworfen hat, die Verteidigung eines Mandanten des öfteren zu erschweren, wobei auch vor der Person des Verteidigers nicht haltgemacht werde, und hiezu erläuternd ausgeführt hat, daß diese Erschwernisse dann geschehen würden, wenn sich ein Verteidiger in bedeutenden Strafverfahren mehr als gewöhnlich, jedoch noch immer im Rahmen der ihm von der Standesordnung und von der Strafprozeßordnung auferlegten Pflicht für seine Klienten einsetze;

b) seine Person als Rechtsanwalt in Salzburg dadurch reklamehaft herausgestellt hat, daß er ausführte, die von ihm behaupteten Erschwernisse bei der Verteidigung würden dann zwar nicht geschehen, wenn es sich um nicht die Tagesgewöhnlichkeit übersteigende Strafverfahren handelt, und auch dann nicht, wenn sich ein Verteidiger etwa nur auf das Lesen der Akten oder das Aufzeigen von Aktenwidersprüchen beschränkt, wohl aber dann, wenn sich ein Verteidiger in bedeutenden Strafverfahren mehr als gewöhnlich, jedoch immer noch im Rahmen der ihm von der Standesordnung und der Strafprozeßordnung auferlegten Pflicht für seine Klienten einsetze und als Zusammenfassung seiner Ausführungen u. a. bemerkt, daß es am bedauerlichsten allerdings sein würde, wenn es einem Verteidiger an Mut fehle, diese Umstände (gemeint sind die behaupteten Erschwernisse) aufzuzeigen, und weiter ausgeführt hat, es müsse die Aufgabe des Verteidigers sein, im Sinne der ihm auferlegten Standespflicht mutig und unerschrocken für die Interessen seines Mandanten zu kämpfen;

7) (zu D 74/84): im Februar 1983 gegenüber dem Österreichischen Rundfunk, Landesstudio Salzburg, nachstehende, zur Veröffentlichung bestimmte Erklärungen abgegeben hat, die sodann am um 7.45 Uhr in der Landesrundschau wiedergegeben und am gleichen Tage in den Lokalnachrichten ab

12.45 Uhr im Hörfunk in einem Interview gebracht worden sind:

a) Das Disziplinarrecht der Rechtsanwaltskammer sei als Instrument anzusehen, das dazu diene, interne Kritik abzuwürgen und Rechtsanwälte unter Druck zu setzen;

b) insbesondere der Präsident des Disziplinarrates der Salzburger Rechtsanwaltskammer sei als Kläger und Richter in eigener Sache aufgetreten, was aus rechtsstaatlicher Sicht untragbar sei;

c) er habe außerdem den Präsidenten des Disziplinarrates der Salzburger Rechtsanwaltskammer Dr. E M, den Kammeranwalt Dr. O W und den Kammeranwalt-Stellvertreter Dr. E B zum Rücktritt aufgefordert, weil diese Kammerfunktionäre angeblich in Disziplinarangelegenheiten Anzeiger und Richter in einer Person waren, was als Gefahr für die Demokratie angesehen wird;

wobei diese sachwidrigen Erklärungen in der Öffentlichkeit falsche Eindrücke über die Disziplinargerichtsbarkeit der Rechtsanwälte entstehen lassen konnten. ...

10) (zu D 111/84):

a) im Rahmen einer am abgehaltenen Pressekonferenz und in einer dort ausgegebenen Mitteilung gegen den Richter des Bezirksgerichtes Salzburg, Dr. R H, den Vorwurf der Befangenheit in der Privatanklagesache gegen Rechtsanwalt Dr. E B, 28 U 1509/81 des BG Salzburg, erhoben, ohne im Verfahren selbst die Befangenheit geltend gemacht zu haben, und diesen Vorwurf mit der Schilderung der Gründe eines Ablehnungsantrages gegen den Richter Dr. R H anläßlich einer Hauptverhandlung vom verbunden hat, wobei für das Herantreten an die Öffentlichkeit kein begründeter Anlaß bestanden hatte und die Presseinformation primär auf einen persönlichen Angriff gegen Richter Dr. R H und ein reklamehaftes Herausstellen seiner eigenen Person abgestellt war;

b) in der Privatanklagesache 28 U 1509/81 gegen RA Dr. E B in der am überreichten Eingabe, mit welcher die ausgeführte Berufung zurückgezogen wird, dem Vorsitzenden des in dieser Strafsache fungierenden Berufungssenates eine Befangenheit unterstellt hat, ohne einen diesbezüglichen prozessualen Antrag gestellt zu haben, und diese Befangenheitsvermutung zum Grund für die Zurückziehung der Berufung gemacht hat; und

c) in der Privatanklagesache gegen RA Dr. O W, 27 U 972/81 des BG Salzburg, in der am überreichten Mitteilung der Verhandlungsrichterin Dr. G K Befangenheit unterstellt hat, ohne einen prozessualen Ablehnungsantrag vorgenommen zu haben, und vielmehr diese Befangenheit mit Äußerungen eines an der gegenständlichen Strafsache nicht beteiligten Richters und einem Zusammentreffen dieses Richters mit Dr. G K, über dessen Verlauf oder Gesprächsinhalt ihm nichts bekannt ist, begründet hat;

11) (zu D 115/84): in der periodischen Druckschrift 'Salzburger Nachrichten' vom ein als 'Dankesbrief an den Präsidenten der Salzburger Rechtsanwaltskammer' bezeichnetes Inserat einschalten hat lassen, in welchem in spöttischer Schreibweise der Präsident der Salzburger Rechtsanwaltskammer, Dr. K A, in der Öffentlichkeit herabgesetzt wird, insbesondere durch folgende Ausführungen:

a) Bei Dr. A habe offensichtlich schon ein Umdenkungsprozeß eingesetzt, nachdem er im November 1982 noch den Antrag Dris. S beim Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung des Disziplinarstatutes als 'absurd' bezeichnet hatte;

b) Dr. A sei in einem Salzburger Presseerzeugnis als 'Telefonanrufbeantworter in Rechtsfragen' angepriesen worden und habe durch diese 'mutige Werbung' somit schlüssig aufgezeigt, was er vom Werbeverbot des Disziplinarstatutes halte;

c) wenngleich derartige Rechtsauskünfte in dieser Form nicht unbedingt seriös seien, habe Dr. A aber durch die angebotenen Telefonauskünfte gezeigt, daß auch seiner Ansicht nach der Rechtsanwalt seine Fähigkeiten dem Konsumenten anpreisen müsse; und

d) im übrigen werde der Schritt Dris. A zur Werbung zur Einstellung aller Disziplinarverfahren von Rechtsanwälten führen, welche bisher wegen ähnlicher Vorgänge disziplinär verfolgt wurden.

12) (zu D 118/84): in seinem an Rechtsanwalt Dr. R Z und in Durchschrift an alle österreichischen Rechtsanwaltskammern und den Justizminister gesandten Schreiben vom den Rechtsanwalt Dr. R Z mit den Ausführungen 'braven Einstehens für den Kammerpräsidenten' und 'defensor presidentis et kammerae' herabgesetzt hat."

Hingegen sprach der Disziplinarrat (im Teil II. des Bescheides) den Beschwerdeführer von der Anschuldigung frei, er habe

"7) (zu D 118/84):

a) in seinem an den Kammeranwalt, den Kammeranwalt-Stellvertreter und die Mitglieder des Disziplinarrates der Salzburger Rechtsanwaltskammer gerichteten und auch in Kopie anderweitig versandten Schreiben vom die Mitglieder des Disziplinarrates der Salzburger Rechtsanwaltskammer der 'Kabinettsjustiz' geziehen, dem Präsidenten dieses Disziplinarrates vorgeworfen, als Anzeiger und Richter in einer Person aufzutreten und dem Kammeranwalt-Stellvertreter Mitwirkung an einer Art 'Privatjustiz' vorgeworfen, weshalb alle Mitglieder des Disziplinarrates die fachliche und vor allem moralische Berechtigung verloren hätten, weiterhin tätig zu sein..."

3. Im Rahmen der Entscheidung über die ergriffenen Rechtsmittel bestätigte die OBDK die (oben wiedergegebenen) Schuldsprüche des Disziplinarrates zu I/6, I/7, I/10, I/11 und I/12, hob den erstinstanzlichen Bescheid im (gleichfalls oben wiedergegebenen) Freispruch zu II/7 lita hingegen auf und erkannte den Beschwerdeführer (weiters) des wie folgt umschriebenen Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes schuldig:

(Der Beschwerdeführer) "hat in seinem an den Kammeranwalt, den Kammeranwalt-Stellvertreter und die Mitglieder des Disziplinarrates der Salzburger Rechtsanwaltskammer gerichteten und auch in Kopie anderweitig versandten Schreiben vom die Mitglieder des Disziplinarrates der 'Kabinetts-Justiz' geziehen, dem Präsidenten dieses Disziplinarrates vorgeworfen, als Anzeiger und Richter in einer Person aufzutreten und dem Kammeranwalt-Stellvertreter Mitwirkung an einer Art 'Privatjustiz' vorgeworfen, weshalb alle Mitglieder des Disziplinarrates die fachliche und vor allem die moralische Berechtigung verloren hätten, weiterhin tätig zu sein; ..."

Im Zusammenhang mit der teilweisen Aufhebung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses in einigen Punkten und der teilweisen Zurückverweisung der Disziplinarsache an den Disziplinarrat hob die OBDK diesen Bescheid auch im Strafausspruch auf.

II. 1. Die vorliegende Beschwerde nach Art 144 B-VG richtet sich gegen den beschriebenen, Schuldsprüche enthaltenden Teil des von der OBDK gefällten Disziplinarerkenntnisses mit dem Antrag, diese Rechtsmittelentscheidung (im Umfang der Anfechtung) wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufzuheben. Im einzelnen macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und im Gleichheitsrecht sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung des von ihm für verfassungswidrig gehaltenen § 2 des Disziplinarstatutes (RGBl. 40/1872; im folgenden: DSt) geltend.

2. Die belangte OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, der Beschwerde keine Folge zu geben.

III. Die Beschwerde ist nicht gerechtfertigt.

1. Der Beschwerdeführer bezieht sich auf das hg. Erk. B1286/87 vom (VfSlg. 11776/1988) und bringt vor, daß § 2 DSt deshalb verfassungswidrig sei, weil "Verwaltungsbrauch" keine nach der österreichischen Bundesverfassung maßgebliche Rechtsquelle darstelle; im öffentlichen Recht könne auf Gewohnheiten nur dann Rücksicht genommen werden, wenn sich ein Gesetz ausdrücklich darauf beziehe. Das Akzeptieren eines "Prinzips verfestigter Standesauffassungen" (im zitierten Erkenntnis) entspreche somit nicht dem Legalitätsprinzip.

Diese Kritik am bezogenen Erkenntnis ist jedoch vom Ansatz her verfehlt, denn es wird nicht etwa - wie der Beschwerdeführer anscheinend annimmt - der normative Bereich des § 2 DSt gleichsam um ein Verbot des Zuwiderhandelns gegen "verfestigte Standesauffassungen" erweitert, sondern es liegt bloß eine aus dem Grundsatz der verfassungskonformen Gesetzesauslegung gewonnene Präzisierung des gegebenen Gesetzesinhaltes vor. Der Verfassungsgerichtshof erinnert daran, daß er im Erk. VfSlg. 11776/1988 von seiner sodann näher begründeten Auffassung ausgegangen ist, "daß der Inhalt des Begriffes der Standespflichten aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und den gefestigten Gewohnheiten des jeweiligen (Berufs-)Standes festgestellt werden kann" und daß die Verwendung der im § 2 DSt enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe mit Art 18 B-VG vereinbar und daher zulässig ist und - daran anknüpfend - insbesondere folgendes ausgesprochen hat:

"Im Ergebnis ist der VfGH einer Meinung mit Frowein (in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, S. 183), daß 'Art7 mit dem Verbot rückwirkender Strafgesetze eine der wichtigsten Grundlagen des rechtsstaatlichen Strafprozesses, aber darüber hinaus eine grundlegende Norm des Freiheitsschutzes' enthält. 'Nur wenn der Bürger weiß, welches Verhalten strafbar ist, kann er seinen Freiheitsspielraum erkennen und ausnutzen. Ohne die Grundsätze nullum crimen sine lege und nulla poena sine lege wäre auch die für einen Rechtsstaat fundamentale Rechtssicherheit nicht gewährleistet.'

Einer Verurteilung nach § 2 DSt muß daher - verfassungskonform im Sinne des Art 7 MRK - zugrundeliegen, daß sie wegen einer Verletzung von Berufspflichten oder wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes erfolgt, die sich aus gesetzlichen Regelungen oder aus verfestigten Standesauffassungen (wozu allenfalls Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur Bedeutung besitzen; vgl. hiezu Appl. 5493/72 (CD 45, 23), aber auch Appl. 6782/74 (DR 9, 13)) ergeben, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen."

2. Des weiteren hält der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Schuldspruch im Faktum I/6 (offenbar gemeint: litb) § 45 RL-BA 1977 ("Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter", beschlossen vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (Vertreterversammlung) am ), und zwar ersichtlich den das Verbot des reklamhaften Herausstellens der Person des Rechtsanwaltes festlegenden ersten Halbsatz dieses Paragraphen, für gesetzwidrig. Hiezu genügt es, auf das - erst nach Beschwerdeeinbringung - in einem Verordnungsprüfungsverfahren gefällte Erk. VfSlg. 12467/1990 hinzuweisen, demzufolge der erste Halbsatz des § 45 nicht gesetzwidrig war.

3. Auf das (insbesondere) die Auslegung des § 2 DSt betreffende Erk. VfSlg. 11776/1988 inhaltlich bezugnehmend, kritisiert der Beschwerdeführer ferner, daß den in bestimmten Fakten gefällten Schuldsprüchen weder gesetzliche Regelungen noch verfestigte Standesauffassungen zugrundelägen.

Auch diese - teils unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung geübte - Kritik am angefochtenen Bescheid ist nicht berechtigt. Was den Schuldspruch zum Faktum I/6 litb anlangt, besteht die (im materiellen Sinn verstandene) gesetzliche Regelung im ersten Halbsatz des § 45 RL-BA 1977; im übrigen behauptet der Beschwerdeführer lediglich, daß "verfestigte Standesauffassungen" fehlten, setzt sich aber mit der eingehenden Begründung des jeweiligen Schuldspruchs inhaltlich nicht weiter auseinander. Auch der Verfassungsgerichtshof vermag insoweit keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler der bekämpften Disziplinarentscheidung zu finden.

4. Der Beschwerdeführer macht weiters eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Meinungsäußerung geltend und leitet jene im Hinblick auf Art 10 Abs 2 EMRK daraus ab, daß es dem Rechtsanwalt - gleich einem Journalisten - gestattet sein müsse, Darstellungen zu geben, die verletzend, schockierend oder beunruhigend sein können.

Dieser auf einer generalisierenden Betrachtung beruhenden Ansicht kann der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht beipflichten, der in seiner Rechtsprechung eine Verletzung des durch Art 10 EMRK gewährleisteten Rechtes dann annimmt, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen die Schranken des Art 10 EMRK mißachtenden Inhalt unterstellt hat (). Daß diese Schranken für den Berufsstand der Rechtsanwälte aber im Hinblick auf deren Aufgabenbereich andere sind als für Journalisten, bedarf nach Auffassung des Gerichtshofs wohl keiner weiteren Begründung. Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Disziplinarbehörde diese Schranken in Ansehung des jeweils in Betracht zu ziehenden konkreten Verhaltens des beschuldigten Rechtsanwaltes mißachtet hätte, hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben und sind auch vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt worden.

5. Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, daß eine Verletzung des Gleichheitsrechtes deshalb vorliege, weil "Rechtsanwälte in ihren Grundrechten auf Erwerbsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen Mitgliedern der Gesellschaft eingeschränkt (seien)".

Auch dieser Beschwerdevorwurf geht fehl, weil er auf einer unzutreffenden Prämisse beruht, nämlich der unbegründeten Annahme eines Vorrangs des Gleichheitsgebotes gegenüber anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

6. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß auch sonst die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht hervorgekommen ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.