OGH vom 27.06.2018, 13Os67/18d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Petra W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 21 Hv 1/17f-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung der Petra W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Danach hat sie am in L***** unter dem Einfluss eines ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer undifferenzierten Schizophrenie, eine Polizeibeamtin mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem sie BI Franziska H***** Schläge gegen die Brust versetzte, als diese an ihr eine Festnahme vollziehen wollte, und dadurch das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 StGB begangen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 1, 3 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen geht– wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt – fehl.
Nach Vorliegen des Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Prim. Dr. K***** (ON 16) tauschte die Staatsanwaltschaft den Strafantrag (ON 8) gegen einen sachverhaltsidenten Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB (ON 20) aus (ON 1 S 4; zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise siehe RISJustiz RS0098099 sowie Danek/Mann, WKStPO § 227 Rz 5 f).
Entgegen der Besetzungsrüge (Z 1) bewirkt der bloße Umstand, dass der Vorsitzende des Schöffengerichts vor Einbringung dieses Antrags auch die (zur Einholung des Gutachtens vertagte) Hauptverhandlung über den Strafantrag durchführte, nicht seine Ausgeschlossenheit (RIS-Justiz
RS0130667).
Auf rein hypothetische Überlegungen der Besetzungsrüge, was gewesen wäre, wenn der Vorsitzende des Schöffengerichts als Einzelrichter nicht vertagt, sondern ein Unzuständigkeitsurteil gefällt hätte, ist mangels Fallbezugs nicht einzugehen.
Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert einen Verstoß gegen § 434 Abs 1 letzter Satz StPO, weil der Vorsitzende als Einzelrichter kein Unzuständigkeitsurteil gefällt habe. Solcherart spricht sie weder einen nichtigen Akt der Hauptverhandlung noch eine Verletzung oder Missachtung einer der in § 281 Abs 1
Z 3 StPO
taxativ aufgezählten Bestimmungen an, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (RISJustiz RS0099118, RS0099128). Hinzugefügt sei, dass die praktische Bedeutung des Austauschs der Anklage (§ 227 Abs 2 StPO, hier iVm § 429 Abs 1 StPO) gerade darin liegt, ein Unzuständigkeitsurteil zu vermeiden (Danek/Mann, WKStPO § 227 Rz 5).
Die tatsächliche Annahme von Kriterien für die Anordnung einer Maßnahme nach §§ 21 bis 23 StGB ist aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall in Verbindung mit Z 5 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar. Werden die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt, ist dies Gegenstand der Sanktionsrüge nach Z 11 zweiter Fall. Der Inhalt der – hier auf das Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen gegründeten – Gefährlichkeitsprognose kann nur mit Berufung thematisiert werden
(RIS-Justiz
RS0113980). Die gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen wurden vom Erstgericht, das im Urteil die Person der Betroffenen, deren Zustand im Urteilszeitpunkt und die Art der Anlasstat ausführlich erörterte (US 2, 3, 4 und 5), berücksichtigt. Die darauf gegründete Gefährlichkeitsprognose wurde somit aus Sicht der Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO rechtsrichtig vorgenommen.
Indem die Sanktionsrüge (Z 11) „offenbar unzureichende Begründung“ der Prognoseentscheidung einwendet und kritisiert, dass das Erstgericht dem Gutachten der Sachverständigen Prim. Dr. K***** folgte, ohne darzulegen (vgl dazu US 6), wie es über die negative Gefährlichkeitsprognose einer anderen Expertin hinwegkam, deren Gutachten für ein anderes Verfahren erstellt und in der Hauptverhandlung verlesen wurde, bringt sie ein Berufungsvorbringen zur Darstellung (RISJustiz RS0118581 [T11], RS0113980). Hinzugefügt sei, dass nach Erstattung von Befund Gutachten auf mangelnde Sachkunde der Sachverständigen gegründete Einwendungen nicht mehr zulässig sind (RIS-Justiz RS0115712 [T10] und RS0126626). Fachliche Zweifel an der Expertise eines Sachverständigen sind nach § 127 Abs 3 erster Satz StPO durch dessen Befragung, falls diese nicht zum Ziel führt, durch Beiziehung eines weiteren Sachverständigen auszuräumen. Einen darauf gerichteten Antrag stellte die Betroffene nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung aber nicht (ON 33 S 26).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00067.18D.0627.000 |
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