VfGH vom 21.09.2015, E865/2015

VfGH vom 21.09.2015, E865/2015

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Zurückweisung eines Antrags auf Entschädigung wegen Versagung einer Fichtenaufforstung im Vogelschutzgebiet "Waldviertel" auf Grund verspäteter Einbringung; denkunmögliche Gesetzesanwendung durch Anknüpfung an den Zeitpunkt der Erlassung der Europaschutzgebiete-Verordnung; konkrete Eigentums- bzw Nutzungsbeschränkung Resultat eines die Aufforstungsbewilligung versagenden Bescheides infolge einer Naturverträglichkeitsprüfung

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Eltern des Beschwerdeführers beabsichtigten im Rahmen ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, ihre – im Europaschutzgebiet "Waldviertel" gelegenen – Grundstücke mit Fichtenkultur aufzuforsten. Zu diesem Zweck beantragten sie im März 2010 die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung. Die Bewilligung für die geplante Fichtenaufforstung wurde letztlich mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom mit der Begründung versagt, dass eine Aufforstung mit Fichten "zu einer erheblichen Beeinträchtigung (negatives Ergebnis der Naturverträglichkeitsprüfung) des Europaschutzgebiet[s] Waldviertel" führen würde. Die Niederösterreichische Landesregierung stützte ihre Entscheidung auf ein naturschutzfachliches Gutachten, demzufolge die geplante Aufforstung mit einer Fichtenkultur nicht den Erhaltungszielen des Natura 2000 – Vogelschutzgebiets "Waldviertel" entsprechen, weil es zu einem großflächigen Qualitäts- und Habitatsverlust für die Heidelerche kommen würde. Als Alternative wird in dem Gutachten eine Aufforstung an einem anderen Ort vorgeschlagen.

Ein früheres – bereits im Jahr 2010 von einem Naturschutzsachverständigen erstelltes – Gutachten nennt auch die Möglichkeit einer lichten Aufforstung mit Kiefern als Alternative.

Mit Schreiben vom gaben die Eltern des Beschwerdeführers bekannt, dass sie diesem ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb übergeben hätten und benannten den Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger für das laufende Verfahren.

2. Mit – dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden – Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer gemäß §§23 und 30 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NSchG 2000), LGBl 5500-11, die Vergütung der durch die Versagung der Aufforstung mit Fichtenkultur entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile auf Grund des Bescheids der Niederösterreichischen Landesregierung vom . Hinsichtlich der Höhe des Begehrens war dem Antrag eine Bewertung der vermögensrechtlichen Nachteile durch den forstwirtschaftlichen Bewertungsreferenten der Landwirtschaftskammer Niederösterreich beigelegt, in welcher dieser die Ertragsdifferenz zwischen einer forstlichen Bewirtschaftung mit der Baumart Fichte und jener eines aufgelichteten Kiefernwaldes mit einer Gesamtentschädigung von € 10.720,– plus Umsatzsteuer) bewertete.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass für die Beurteilung einer allfälligen Entschädigung nur der Vergleich mit dem Ist-Bestand (im vorliegenden Fall: Heugewinnung) entscheidend sein könne, ein Vergleich mit einer fiktiven sonstigen Möglichkeit (hier: die Aufforstung mit einem lichten Kiefernwald) komme nicht in Frage. Weiters könnten nur Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigt werden, die faktisch und rechtlich umsetzbar seien. Eine Aufforstung mit Fichten stelle aber gerade keine rechtlich umsetzbare Nutzungsmöglichkeit dar, weil sie mangels Naturverträglichkeit nicht bewilligungsfähig sei. Für das bescheidmäßig ausgesprochene Verbot der Fichtenaufforstung bestehe daher kein Entschädigungsanspruch. Wie im Bescheid weiter ausgeführt wird, ergebe sich die Nutzungseinschränkung bereits aus dem Gesetz, da im Gesetz festgelegt sei, dass eine nicht naturverträgliche Maßnahme nicht bewilligungsfähig sei. Die derzeitige landwirtschaftliche Nutzung (Heugewinnung) sei weiterhin möglich.

3. Mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Entschädigungsantrag des Beschwerdeführers "wegen verspäteter Einbringung" zurück.

In seiner Begründung verwirft das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zunächst die Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung, dass kein Entschädigungsanspruch für Nutzungsmöglichkeiten bestehe, die mangels Naturverträglichkeit nicht bewilligungsfähig seien, weil damit die Entschädigungsbestimmung des § 23 NÖ NSchG 2000 ad absurdum geführt würde, bezwecke "diese doch eben einen Ausgleich für [nach Unterschutzstellung] unmöglich gewordene Nutzungsvarianten […]".

Ebenso wenig teilt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Ansicht, dass sich die Nutzungseinschränkung bereits aus dem Gesetz ergebe, weil nicht naturverträgliche Maßnahmen nicht bewilligungsfähig seien, vielmehr kommt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu dem Schluss, dass sich die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten im vorliegenden Fall daraus ergebe, dass die betroffenen Grundstücke durch Verordnung als Teil des Europaschutzgebiets festgelegt worden seien. Erst die auf Grund des NÖ NSchG 2000 erlassene Verordnung über die Europaschutzgebiete, LGBl 5500/6-6 (im Folgenden: Europaschutzgebiete-Verordnung), löse die in § 10 NÖ NSchG 2000 enthaltene Bewilligungspflicht aus. Die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit resultiere somit nicht unmittelbar aus dem Bescheid. Nach der Auffassung des Landesverwaltungsgerichts wird "[m]it dem die Bewilligung versagenden Bescheid […] lediglich das sich bereits aus der Verordnung bewirkte Verbot für den Einzelfall konkretisiert".

Da nach § 30 Abs 3 NÖ NSchG 2000 ein Entschädigungsantrag nach § 23 leg.cit. bei sonstigem Anspruchsverlust innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Europaschutzgebiete-Verordnung einzubringen sei, sei der dem Verfahren zugrunde liegende Antrag vom richtigerweise wegen Verspätung zurückzuweisen, weil die Europaschutzgebiete-Verordnung bereits am in Kraft getreten sei.

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung bzw. eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes vorgebracht:

Die Europaschutzgebiete-Verordnung enthalte keine konkreten Verbotsnormen, ebenso wenig statuiere § 10 NÖ NSchG 2000 ein konkretes Verbot. Das Zusammenspiel von Gesetz und Verordnung löse lediglich ein Prüfverfahren aus. Ein allfälliges Verbot der Durchführung einer Aufforstung mit Fichtenkultur werde erst nach Abschluss eines Naturverträglichkeitsprüfungsverfahrens "generiert". Der Beschwerdeführer verweist auf Judikatur des Obersten Gerichtshofes, der im Rahmen seiner sukzessiven Zuständigkeit nach dem steirischen und oberösterreichischen Naturschutzrecht festgestellt habe, dass die konkrete Nutzungseinschränkung nicht durch die bloße Einbeziehung von Grundstücken in das Europaschutzgebiet durch Verordnung ohne Festlegung von konkreten Ge- und Verboten bewirkt werde (s. ).

Nach Ansicht des Beschwerdeführers verkenne das Landesverwaltungsgericht, dass mit der Einführung der Naturverträglichkeitsprüfung und dem Abstellen auf den "günstigen Erhaltungszustand [von natürlichen Lebensräumen von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten]" ein "System des schutzzielbezogenen, präzisen und dynamischen Naturschutzes" geschaffen worden sei. Nach dem "alten" Naturschutzmodell seien die bewilligungspflichtigen Maßnahmen (Widmung, Rodung, Erdbewegung) im Gesetz klar normiert gewesen (s. Landschaftsgebietsschutz nach § 6 NÖ NSchG, LGBl 5500-3), hingegen könne die Beurteilung des "günstigen Erhaltungszustandes" der Population und Habitate von den spezifisch geschützten Vogelarten "nur mit hohem Sachverständigenaufwand" gelöst werden. Ein Vergleich mit dem flächenbezogenen Naturschutzmodell nach der alten Rechtslage – wie dies das Landesverwaltungsgericht anstelle – gehe daher ins Leere.

5. Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit folgenden Ausführungen erstattet:

Das System der europäischen Naturschutzrichtlinien (s. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. 1992 L 206, 7, [Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie], sowie Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. 1979 L 103, 1, [Vogelschutz-Richtlinie]), die das NÖ NSchG 2000 umsetze, impliziere, dass der Zustand der Schutzgüter kein statischer sei, sondern dieser sich – im besten Fall positiv – verändere. Im Rahmen der von der Richtlinie geforderten Verträglichkeitsprüfung sei von der zuständigen Behörde zu beurteilen, ob durch die geplante Maßnahme eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes erfolge:

"Diese Erheblichkeitsprüfung erfolgt natürlich gebietsbezogen und auch bezogen auf die im Gebiet vorkommenden Schutzgüter. Bei der Prüfung der Erheblichkeit ist somit auf den aktuellen Zustand der Schutzgüter einzugehen. Da dieser Zustand aber Schwankungen unterliegen kann und im optimalen Fall (aus Sicht des Natura 2000 – Schutzregime[s]) sich auch in Richtung [eines] günstigen Erhaltungszustand[s] entwickelt, ist es möglich, dass eine Bewilligung die derzeit nicht erteilt werden kann, auf Grund der Besserung des Erhaltungszustandes zukünftig erteilt werden darf."

Bezogen auf den vorliegenden Fall kommt die Niederösterreichische Landesregierung schließlich zu dem Ergebnis, dass basierend auf dem den EU-Richtlinien immanenten dynamischen System des Naturschutzes eine aus heutiger Sicht nicht naturverträgliche Fichtenaufforstung in Zukunft – auf Grund der Besserung des Erhaltungszustandes der Population der Heidelerche im Europaschutzgebiet "Waldviertel" – keinen erheblichen Eingriff mehr darstellen könnte. Folglich sei es nicht richtig, bei der Frage einer Entschädigung auf den Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung abzustellen, weil dieser Zeitpunkt keine Aussage über zukünftig zulässige Nutzungen zulasse.

6. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Gerichtsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der es den Beschwerdebehauptungen Folgendes entgegenhält:

Das niederösterreichische Naturschutzgesetz könne nicht mit dem steiermärkischen Naturschutzgesetz, noch weniger mit dem oberösterreichischen Naturschutzgesetz verglichen werden. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes stehe unter der Prämisse, dass sich konkrete Ge- und Verbote weder aus der Schutzverordnung selbst noch aus dem steiermärkischen Naturschutzgesetz entnehmen ließen. Im NÖ NSchG 2000 gebe es hingegen konkrete Verbotsnormen (es wird auf die §§17 und 18 leg.cit. verwiesen), die sich nach Maßgabe der richtlinienkonformen Interpretation auch auf das konkrete Europaschutzgebiet bezögen. Dies bedeute, "dass schon allein durch die Unterschutzstellung Nutzungs- und Bewirtschaftungsbeschränkungen begründet werden, wenn gesetzliche Eingriffs- oder Einwirkungsverbote – wie in Niederösterreich – dies vorsehen […]".

Unter Verweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ( Zl. 91/10/0228) bzw. auf näher genannte Literaturbeiträge kommt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu folgendem Schluss:

"[D]ie Präklusionsbestimmung zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruches [stellt] somit auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung ab[…]. Aufgrund einer zufolge richtlinienkonformer Interpretation schon bestehenden Nutzungsbeschränkung für den Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigten, wie eben nach dem NÖ NSchG, ist der Anspruch auf Entschädigung der Ertragsminderung oder des Aufwandsersatzes bereits mit Erlassung der Verordnung entstanden. Auf weitere konkrete Umsetzungsmaßnahmen – wie vom Beschwerdeführer vorgebracht – kommt es damit in Niederösterreich nicht an. Der Ansicht, dass von Vorneherein kein Entschädigungstatbestand ausgelöst werde, kann daher nicht beigetreten werden."

II. Rechtslage

Es ist unstrittig, dass die betroffenen Grundstücke des Beschwerdeführers in der KG Lembach der Marktgemeinde Rappottenstein und damit im Europaschutzgebiet "Waldviertel" liegen.

1. Für die Beurteilung des vorliegenden Falles sind daher folgende Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 (NÖ NSchG 2000), LGBl 5500-11, bzw. der Verordnung über die Europaschutzgebiete, LGBl 5500/6-6, (im Folgenden: Europaschutzgebiete-Verordnung), maßgeblich. Die §§9 und 10 NÖ NSchG 2000 lauten:

" § 9

Europaschutzgebiet

(1) Die folgenden Bestimmungen (§§9 und 10) dienen dem Aufbau und dem Schutz des europäischen ökologischen Netzes 'Natura 2000', insbesondere dem Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete. Die getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Pflanzen- und Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

(2) Im Sinne der §§9 und 10 bedeuten:

1. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie: Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. Nr L 206 vom , S. 7), die zuletzt durch die Richtlinie 97/62/EG des Rates vom (ABl. Nr L 305, S. 42) geändert worden ist.

2. Vogelschutz-Richtlinie: Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. Nr L 103 vom , S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie 97/49/EG der Kommission vom (ABl. Nr L 223 vom , S. 9) geändert worden ist.

3. Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung: die in die Liste nach Artikel 4 Abs 2 Satz 3 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie eingetragenen Gebiete.

4. Europäische Vogelschutzgebiete: Gebiete zur Erhaltung wildlebender Vogelarten im Sinne des Artikel 4 Abs 1 und 2 der Vogelschutz-Richtlinie.

5. Prioritäre natürliche Lebensraumtypen: vom Verschwinden bedrohte Lebensraumtypen, für deren Erhaltung der Gemeinschaft besondere Verantwortung zukommt und die in Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet sind.

6. Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums: die Gesamtheit der Einwirkungen, die den betreffenden Lebensraum und die darin vorkommenden charakteristischen Arten beeinflussen und die sich langfristig auf seine natürliche Verbreitung, seine Struktur und seine Funktionen sowie das Überleben seiner charakteristischen Arten auswirken können.

7. Prioritäre Arten: wildlebende Tiere und Pflanzen für deren Erhaltung der Gemeinschaft besondere Verantwortung zukommt und die in Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet sind.

8. Erhaltungszustand einer Art: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten auswirken können.

9. Erhaltungsziele: Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der in Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aufgeführten natürlichen Lebensräume und der in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführten Tier- und Pflanzenarten, die in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung vorkommen sowie der in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführten und der in Artikel 4 Abs 2 dieser Richtlinie genannten Vogelarten sowie ihrer Lebensräume, die in einem Europäischen Vogelschutzgebiet vorkommen.

(3) Gebiete gemäß Abs 1 sind durch Verordnung der Landesregierung zu besonderen Schutzgebieten mit der Bezeichnung 'Europaschutzgebiete' zu erklären. Zu Europaschutzgebieten können insbesondere auch bereits bestehende Natur- und Landschaftsschutzgebiete erklärt werden.

(4) Die Verordnung nach Abs 3 hat die flächenmäßige Begrenzung des Schutzgebietes, den jeweiligen Schutzgegenstand, insbesondere prioritäre natürliche Lebensraumtypen und prioritäre Arten, die Erhaltungsziele sowie erforderlichenfalls zur Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes notwendige Gebote und Verbote festzulegen. Zu verbieten sind insbesondere Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzgebietes oder seiner Bestandteile führen können. Weitergehende Schutzvorschriften nach diesem Gesetz bleiben unberührt.

(5) Für die Europaschutzgebiete sind die nötigen Pflege-, Entwicklungs- und Erhaltungsmaßnahmen hoheitlicher oder vertraglicher Art zu treffen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie der Vogelarten des Anhanges I der Vogelschutzrichtlinie, die in diesen Gebieten vorkommen, entsprechen (Managementplan). Diese Maßnahmen sind soweit sie Auswirkungen auf die Raumordnung haben dem Raumordnungsbeirat vorzulegen. Ausgenommen sind Förderungen von Maßnahmen zur Verwaltung von Europaschutzgebieten.

(6) Die Landesregierung hat den Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen zu überwachen und zu dokumentieren. Die prioritären natürlichen Lebensraumtypen und die prioritären Arten sind hiebei besonders zu berücksichtigen.

§10

Verträglichkeitsprüfung

(1) Projekte,

- die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Europaschutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind und

- die ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten,

bedürfen einer Bewilligung der Behörde.

(2) Die Behörde hat auf Antrag eines Projektwerbers oder der NÖ Umweltanwaltschaft mit Bescheid festzustellen, dass das Projekt weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebietes führen kann. Dabei sind bereits erfolgte Prüfungen in vorausgegangenen oder gleichzeitig durchzuführenden Verfahren zu berücksichtigen.

(3) Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens hat die Behörde eine Prüfung des Projektes auf Verträglichkeit mit den für das betroffene Europaschutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen, insbesondere die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in diesem Gebiet, durchzuführen (Naturverträglichkeitsprüfung).

(4) Hat die Behörde aufgrund der Ergebnisse der Naturverträglichkeitsprüfung festgestellt, dass das Gebiet als solches nicht erheblich beeinträchtigt wird, ist die Bewilligung zu erteilen.

(5) Hat die Behörde aufgrund der Ergebnisse der Naturverträglichkeitsprüfung festgestellt, dass das Gebiet als solches erheblich beeinträchtigt wird (negatives Ergebnis der Naturverträglichkeitsprüfung), hat sie Alternativlösungen zu prüfen.

(6) Ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn das Projekt

- bei einem prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder einer prioritären Art aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit oder maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt und nach Stellungnahme der Europäischen Kommission auch aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses

- ansonsten aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art gerechtfertigt ist (Interessenabwägung).

(7) Dabei hat die Behörde alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen vorzuschreiben, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Die Europäische Kommission ist von diesen Maßnahmen zu unterrichten."

2. Basierend auf § 9 Abs 3 NÖ NSchG 2000 wurde die Europaschutzgebiete-Verordnung, LGBl 5500/6-0, erlassen. Die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen idF LGBl 5500/6-6 lauten:

" § 1

Gegenstand

Die im Folgenden beschriebenen Vogelschutzgebiete und Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete) werden zu besonderen Schutzgebieten erklärt. Für diese Gebiete mit der Bezeichnung “Europaschutzgebiete” werden Schutzgegenstände, Erhaltungsziele und notwendige Erhaltungsmaßnahmen festgelegt."

"§12

Europaschutzgebiet

Vogelschutzgebiet Waldviertel

(1) 1. Das Europaschutzgebiet umfasst die in den Anlagen 1 bis 72 zu § 12 ausgewiesenen Grundstücke und Grundstücksteile in Albrechtsberg an der Großen Krems, Arbesbach, Bad Großpertholz, Eisgarn, Gföhl, Gmünd, Grafenschlag, Groß Gerungs, Großdietmanns, Großgöttfritz, Großschönau, Gutenbrunn, Heidenreichstein, Hirschbach, Hoheneich, Kirchberg am Walde, Kirchschlag, Kottes-Purk, Langschlag, Lichtenau im Waldviertel, Litschau, Martinsberg, Moorbad Harbach, Mühldorf, Ottenschlag, Pöggstall, Pölla, Rappottenstein, Rastenfeld, Raxendorf, Reingers, Sallingberg, Schönbach, Schrems, St. Martin, Traunstein, Unserfrau-Altweitra, Vitis, Waidhofen an der Thaya, Waidhofen an der Thaya-Land, Waldhausen, Weinzierl im Walde, Weiten, Weitra und Zwettl-Niederösterreich. In Anlage A zu § 12 ist das Europaschutzgebiet auf einem Übersichtsplan dargestellt.

2. Die Anlagen 1 bis 72 zu § 12 (LGBl 5500/6-3) werden durch Auflage beim Amt der NÖ Landesregierung zur öffentlichen Einsichtnahme kundgemacht. Die öffentliche Einsichtnahme kann während der Amtsstunden beim Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Landesamtsdirektion, erfolgen.

Diese Anlagen werden zur Information auch bereitgehalten bei:

[…]

(2) Schutzgegenstand des Vogelschutzgebietes Waldviertel, AT1201000, sind folgende Vogelarten und ihre Lebensräume:

- die in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie angeführten Brutvogelarten:

[…] Heidelerche (Lullula arborea), […],

- […],

- […].

(3) Für das Vogelschutzgebiet Waldviertel werden folgende Erhaltungsziele festgelegt:

Erhaltung oder Wiederherstellung einer ausreichenden Vielfalt und einer ausreichenden Flächengröße der Lebensräume aller unter Abs 2 genannten Arten. Im Speziellen sind dies die Erhaltung von einem ausreichenden Ausmaß an:

- großflächigen und naturnahen Wäldern mit gebietsweise hohem Laubwaldanteil sowie natürlicher und standortheimischer Artenzusammensetzung,

- großflächigen, standortheimischen Waldbeständen mit naturnaher bzw. natürlicher Alterszusammensetzung und einem charakteristischen Strukturreichtum und Totholzanteil,

- möglichst störungsfreien Sonderstrukturen im Wald wie Gewässerränder, Feuchtbiotope, Felsformationen, Blockhalden und Grabeneinschnitte,

- Wirtschaftswäldern mit mosaikartig verteilten Altholzinseln mit Totholzanteilen,

- Offenland, also der offenen und überwiegend durchmischten, von Ackerbau und Grünland dominierten Kulturlandschaft,

- strukturreichen Feldlandschaften mit eingestreuten Sonderstandorten wie (Halb-)Trockenrasen, mageren Wiesen und zahlreichen Strukturelementen wie 'Bichln', Einzelbäume, Heckenzüge, Böschungen und Raine,

- Bachtallandschaften mit ursprünglichem Abflussregime und entsprechend weiten, offen gehaltenen Überflutungsräumen sowie hohem Grundwasserstand und entsprechend flächigen Feuchtwiesen und Feuchtbrachen,

- Stilllegungs- bzw. Brachflächen in der ackerbaudominierten Kulturlandschaft,

- spät gemähten (Feucht-)Wiesen,

- weitgehend naturnahen, strukturreichen Bach-, Fluss- und Aulandschaftsabschnitten mit unverbauten Ufern,

- Röhrichtbeständen im Bereich der Teichlandschaften sowie in Überschwemmungsgebieten,

- zumindest während der Brutzeit störungsfreien Felsformationen bzw. Felswänden.

(4) Die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes (§9 Abs 4 NÖ NSchG 2000) der in Abs 2 genannten Vogelarten wird im Europaschutzgebiet vor allem durch privatrechtliche Verträge gewährleistet."

3. Die Entschädigungsbestimmungen finden sich in den §§23 und 30 NÖ NSchG 2000:

" § 23

Entschädigungsanspruch

(1) Ergeben sich aus dem Inhalt einer Verordnung oder eines Bescheides, denen Vorschriften dieses Gesetzes zugrunde liegen, für ein Grundstück oder eine schon vor der Erlassung der Verordnung oder des Bescheides errichtete Anlage eine erhebliche Minderung des Ertrages oder eine nachhaltige Erschwernis der Wirtschaftsführung oder die Unzulässigkeit oder wesentliche Einschränkung von Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten, ist dem Eigentümer oder mit Zustimmung des Eigentümers dem Nutzungsberechtigten auf Antrag eine Vergütung der hiedurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten. Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung sind wirtschaftliche Vorteile, die sich aus der naturschutzbehördlichen Maßnahme ergeben, zu berücksichtigen.

(2) Verliert ein Grundstück oder eine Anlage durch Auswirkungen einer Verordnung oder eines Bescheides nach diesem Gesetz seine dauernde Nutzbarkeit, so sind sie, wenn eine Vereinbarung nach § 30 Abs 1 nicht zustande kommt, auf Antrag des Grundeigentümers durch Einlösung in das Eigentum des Landes zu übernehmen.

(3) Zur Sicherung des Bestandes eines Europaschutzgebietes, Naturschutzgebietes oder eines Naturdenkmales kann die Landesregierung erforderlichenfalls die in Betracht kommenden Grundstücke zu Gunsten des Landes einlösen. Die Landesregierung hat, wenn eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, über die Notwendigkeit der Einlösung und über die Höhe des Einlösungsbetrages mit Bescheid zu entscheiden."

" § 30

Entschädigungsverfahren

(1) Die Naturschutzbehörde hat aus Anlass eines Verfahrens, in dem Entschädigungsansprüche gemäß § 23 Abs 1 geltend gemacht werden, danach zu trachten, vor Bescheiderlassung eine gütliche Übereinkunft über die geltend gemachte Entschädigung zu erzielen.

(2) Kommt es zu einer Entschädigungsvereinbarung zwischen dem Land Niederösterreich und dem Grundeigentümer oder dem Berechtigten, so ist diese im Spruch des Bescheides zu beurkunden. Für die Auslegung des Inhaltes eines derartigen Übereinkommens ist im Streitfall die Behörde, die die Vereinbarung beurkundet hat, zuständig. Die Rechtswirkungen dieser Vereinbarung sind denen eines Bescheidspruches gleichzuhalten.

(3) Kann keine Einigung im Sinne des Abs 1 erzielt werden, ist ein Antrag auf Entschädigung nach § 23 vom Grundeigentümer oder vom Berechtigten, bei sonstigem Anspruchsverlust, innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten der Verordnung oder nach Eintritt der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Erledigung bei der Landesregierung einzubringen. Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und über die Höhe der Entschädigung oder des Einlösungsbetrages mit Bescheid zu entscheiden.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten in Verfahren zur Erlassung einer Verordnung sinngemäß.

(5) Bei Einlösung von Grundstücken oder Anlagen richtet sich die Höhe des Einlösungsbetrages nach dem Verkehrswert des Grundstückes oder der Anlage vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung der Verordnung oder des Bescheides. Werterhöhende Investitionen oder Widmungsänderungen, die nachher vorgenommen werden, sind nicht zu berücksichtigen.

(6) Soweit keine anderen Mittel herangezogen werden können, sind Entschädigungen oder Einlösungsbeträge aus Mitteln des Landes nach Maßgabe des jeweiligen Voranschlages zu leisten."

4. Der Vollständigkeit halber bzw. zum besseren Verständnis der folgenden Erwägungen werden auch die vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in seiner Äußerung bezogenen §§17 und 18 NÖ NSchG 2000 und die relevanten Bestimmungen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, ABl. 1992 L 206, 7, wiedergegeben.

4.1. Die §§17 und 18 NÖ NSchG 2000 lauten wie folgt:

" § 17

Allgemeiner Pflanzen-, Pilz- und Tierartenschutz

(1) Wildwachsende Pflanzen und Pilze dürfen nicht mutwillig beschädigt oder vernichtet werden.

(2) Das Pflücken von wildwachsenden, nicht aufgrund einer Verordnung nach § 18 unter Schutz stehenden, Pflanzen für den persönlichen Bedarf ist im Ausmaß eines Handstraußes, das ist eine Pflanzenmenge, deren Stängel von Daumen und Zeigefinger einer Hand umfasst werden können, gestattet. Für das Sammeln von Pilzen und Wildfrüchten ist eine Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht erforderlich.

(3) Freilebende Tiere samt allen ihren Entwicklungsformen dürfen nicht mutwillig beunruhigt, verfolgt, gefangen, verletzt, getötet, verwahrt oder entnommen werden. Die gewerbsmäßige Verarbeitung und Veräußerung von einheimischen Schmetterlings-, Käfer- oder sonstigen Insektenarten als Ganzes oder in Teilen ist verboten.

(4) Der Lebensraum wildwachsender Pflanzen oder freilebender Tiere (Nist-, Brut- und Laichplätze, Einstände) ist von menschlichen Eingriffen möglichst unbeeinträchtigt zu belassen.

(5) Das Ausbringen von Pflanzen gebietsfremder Arten sowie das Aussetzen oder die Förderung nicht heimischer oder gebietsfremder Tiere in der freien Natur sind verboten. Die Landesregierung kann, insbesondere zur Erhaltung besonderer Kulturgüter, Ausnahmen bewilligen, wenn dadurch natürliche Lebensräume, heimische Tier- oder Pflanzenarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet oder das ökologische Gefüge im betroffenen Lebensraum nicht geschädigt werden.

(6) Das Aussetzen oder Aussäen gentechnisch veränderter Organismen in der Natur ist verboten. Dies gilt nicht, soweit diese Maßnahmen im Rahmen der Land- oder Forstwirtschaft unter Einhaltung der Bestimmungen des Gentechnikgesetzes (BGBl Nr 510/1994 in der Fassung BGBl I Nr 127/2005) erfolgen. Diese Maßnahmen bedürfen jedoch einer Bewilligung nach diesem Gesetz, wenn eine Beeinträchtigung heimischer wildlebender Tier- und Pflanzenarten, des Wirkungsgefüges der Natur oder eine wesentliche Veränderung der Landschaft nicht auszuschließen ist."

" § 18

Artenschutz

(1) Die Vorschriften zum Artenschutz dienen dem Schutz und der Pflege der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in ihrer natürlichen und historisch gewachsenen Vielfalt. Der Artenschutz umfasst

1. den Schutz der Tiere und Pflanzen und ihrer Lebensgemeinschaften vor Beeinträchtigungen durch den Menschen, insbesondere durch den menschlichen Zugriff,

2. den Schutz, die Pflege, die Entwicklung und die Wiederherstellung der Lebensräume wildlebender Tier- und Pflanzenarten sowie die Gewährleistung ihrer sonstigen Lebensbedingungen und

3. die Ansiedlung von Tieren und Pflanzen verdrängter wildlebender Arten in geeigneten Biotopen innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes.

(2) Wildwachsende Pflanzen oder freilebende Tiere, die nicht Wild im Sinne des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl 6500, sind, deren Bestandsschutz oder Bestandspflege

1. wegen ihrer Seltenheit oder der Bedrohung ihres Bestandes,

2. aus wissenschaftlichen oder landeskundlichen Gründen,

3. wegen ihres Nutzens oder ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt oder

4. zur Erhaltung von Vielfalt oder Eigenart von Natur und Landschaft

erforderlich ist, sind durch Verordnung der Landesregierung gänzlich oder, wenn es für die Erhaltung der Art ausreicht, teil- oder zeitweise unter Schutz zu stellen. In der Verordnung können die Tier- und Pflanzenarten, deren Vorkommen im Landesgebiet vom Aussterben bedroht ist, bestimmt werden.

(3) Durch Verordnung können nichtheimische Arten besonders geschützten heimischen Arten gleichgestellt werden, wenn deren Bestandsschutz erforderlich ist, um im Geltungsbereich dieses Gesetzes Ursachen ihres bestandsgefährdenden Rückgangs zu beschränken oder auszuschließen, und die

1. in einem anderen Bundesland oder in ihrem Herkunftsland einen besonderen Schutz genießen,

2. in internationalen Übereinkommen, denen Österreich beigetreten ist, mit einer entsprechenden Kennzeichnung aufgeführt sind oder

3. nach gesicherten Erkenntnissen vom Aussterben bedroht sind, ohne in ihrem Herkunftsland geschützt zu sein.

(4) Es ist für die nach den Abs 2 und 3 besonders geschützten Arten verboten:

1. Pflanzen oder Teile davon auszugraben oder von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, in frischem oder getrocknetem Zustand zu erwerben, zu verwahren, weiterzugeben, zu befördern oder feilzubieten. Dieser Schutz bezieht sich auf sämtliche ober- und unterirdische Pflanzenteile;

2. Tiere zu verfolgen, absichtlich zu beunruhigen, zu fangen, zu halten, zu verletzen oder zu töten, im lebenden oder toten Zustand zu erwerben, zu verwahren, weiterzugeben, zu befördern oder feilzubieten;

3. Eier, Larven, Puppen oder Nester dieser Tiere oder ihre Nist-, Brut-, Laich- oder Zufluchtstätten zu beschädigen, zu zerstören oder wegzunehmen sowie

4. Störungen an den Lebens-, Brut- und Wohnstätten der vom Aussterben bedrohten und in der Verordnung aufgeführten Arten, insbesondere durch Fotografieren oder Filmen, zu verursachen.

(5) Die Verwendung nicht selektiver Fang- und Tötungsmittel für geschützte Tiere ist jedenfalls verboten. Darunter fallen insbesondere

a) für Säugetiere:

- als Lockmittel verwendete geblendete oder verstümmelte lebende Tiere;

- Tonbandgeräte;

- elektrische oder elektronische Vorrichtungen, die töten oder betäuben können;

- künstliche Lichtquellen;

- Spiegel oder sonstige Vorrichtungen zum Blenden;

- Vorrichtungen zur Beleuchtung von Zielen;

- Visiervorrichtungen für das Schießen bei Nacht mit elektronischem Bildverstärker oder Bildumwandler;

- Sprengstoffe;

- Netze, die grundsätzlich oder nach ihren Anwendungsbedingungen nicht selektiv sind;

- Fallen, die grundsätzlich oder nach ihren Anwendungsbedingungen nicht selektiv sind;

- Armbrüste;

- Gift und vergiftende oder betäubende Köder;

- Begasen oder Ausräuchern;

- halbautomatische oder automatische Waffen, deren Magazin mehr als zwei Patronen aufnehmen kann;

b) für Vögel

- Schlingen, Leimruten, Haken, als Lockvögel benutzte geblendete oder verstümmelte lebende Vögel;

- Tonbandgeräte;

- elektrische Schläge erteilende Geräte;

- künstliche Lichtquellen, Spiegel, Vorrichtungen zur Beleuchtung der Ziele;

- Visiervorrichtungen für das Schießen bei Nacht mit Bildumwandler oder elektronischem Bildverstärker;

- Sprengstoffe;

- Netze, Fangfallen, vergiftete oder betäubende Köder;

- halbautomatische oder automatische Waffen, deren Magazin mehr als zwei Patronen aufnehmen kann.

(6) Von Flugzeugen, fahrenden Kraftfahrzeugen sowie von Booten mit einer Antriebsgeschwindigkeit mit mehr als 5 km pro Stunde aus dürfen geschützte Tiere nicht gefangen und getötet werden.

(7) Das Entfernen, Beschädigen oder Zerstören der Brutstätten oder Nester besonders geschützter Tiere ist, wenn sie keine Jungtiere enthalten und sich in Baulichkeiten befinden, von Oktober bis Ende Februar gestattet, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt.

(8) Erforderlichenfalls können in der Verordnung auch Maßnahmen zum Schutz des Lebensraumes und der Bestandserhaltung und -vermehrung der besonders geschützten Arten festgelegt werden sowie Handlungen verboten oder eingeschränkt werden, die die Bestände weiter verringern können.

(9) Das Auffinden verletzter, kranker oder hilfloser Tiere der vom Aussterben bedrohten Arten soll der Landesregierung unverzüglich angezeigt werden. Tiere sind auf Verlangen an staatliche Einrichtungen abzugeben."

4.2. Die relevanten Bestimmungen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie lauten:

" Artikel 2

(1) Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.

(2) Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

(3) […]"

"Artikel 3

(1) Es wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung 'Natura 2000' errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhang II umfassen, und mu[ss] den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

Das Netz 'Natura 2000' umfa[ss]t auch die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG [Vogelschutz-Richtlinie] ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete.

(2)-(3) […]"

" Artikel 6

(1) […]

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, da[ss] das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) […]"

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1. Die angefochtene Entscheidung greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unterlaufen:

1.1. Indem das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu dem Schluss kommt, dass im Hinblick auf die in § 30 Abs 3 NÖ NSchG 2000 vorgesehene zweijährige Präklusionsfrist zur Geltendmachung allfälliger Entschädigungsansprüche auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung durch die Europaschutzgebiete-Verordnung abzustellen ist, hat es den Eigentumsschutzgehalt der Entschädigungsbestimmungen nach den §§23 und 30 NÖ NSchG 2000 grob verkannt.

1.2. Die konkrete Eigentumsbeschränkung, nämlich das Verbot der Aufforstung mit Fichtenkultur, ist aus der Europaschutzgebiete-Verordnung nicht erkenntlich. Der im vorliegenden Fall relevante § 12 der Verordnung (wiedergegeben unter Pkt. II.2., Rz 22) regelt in Absatz 1 die flächenmäßige Begrenzung des Schutzgebietes "Waldviertel" und in seinem Absatz 2 den Schutzgegenstand, wobei unter einer Vielzahl von Vogelarten auch die Heidelerche genannt wird. Absatz 3 legt eine Reihe von Erhaltungszielen fest, die insbesondere auf die Erhaltung von unterschiedlichen Waldbeständen, aber auch von Offenland oder Bachtallandschaften abzielen. Konkrete Ge- oder Verbote werden in der gesamten Verordnung nicht normiert.

1.3. Entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich ist eine Eigentums- bzw. Nutzungsbeschränkung – in Form des Verbots der Fichtenaufforstung – ebenso wenig dem NÖ NSchG 2000 bzw. dem NÖ NSchG 2000 in Zusammenspiel mit der Europaschutzgebiete-Verordnung im Wege der richtlinienkonformen Interpretation zu entnehmen:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vertritt der Rechtsansicht von Prückner/Brenn (s. ÖJZ2012/16, 150) folgend die Auffassung, dass bestehende gesetzliche Eingriffs- oder Einwirkungsverbote – das Landesverwaltungsgericht verweist auf die §§17 und 18 NÖ NSchG 2000 – auf Grund der Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation durch das in Art 6 Abs 2 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie enthaltene Verschlechterungsverbot auf die Europaschutzgebiete zu erweitern seien. Folglich würden schon allein durch die Unterschutzstellung allgemeine Nutzungs- und Bewirtschaftungsbeschränkungen für die betroffenen Gebiete begründet werden, ohne dass es weiterer spezieller Ge- oder Verbote bedürfte.

1.4. Diese Auffassung erweist sich im vorliegenden Kontext als denkunmöglich:

Prückner/Brenn argumentieren, dass aus § 17 Abs 4 NÖ NSchG 2000, wonach der Lebensraum wildwachsender Pflanzen oder freilebender Tiere von menschlichen Eingriffen möglichst unbeeinträchtigt zu belassen ist, abzuleiten sei, dass richtlinienkonform jede relevante Beeinträchtigung verboten sei. Nach § 18 Abs 1 Z 1 leg.cit. seien geschützte wildlebende Tiere und Pflanzen vor Beeinträchtigungen durch den Menschen, insbesondere durch den menschlichen Zugriff, zu schützen. Nach § 18 Abs 4 leg.cit. sei es verboten, geschützte Pflanzen zu beschädigen, zu entfernen oder feilzubieten oder geschützte Tiere absichtlich zu beunruhigen (s. Prückner/Brenn , Gerichtlicher Umweltschutz – ausreichend effektiv? ÖJZ2012/16, 150).

Es mag zunächst dahingestellt bleiben, ob die §§17 und 18 NÖ NSchG 2000 im Wege der richtlinienkonformen Interpretation auch auf Europaschutzgebiete anzuwenden sind. Für den vorliegenden Fall ist aus diesen Bestimmungen jedoch gar nichts zu gewinnen: Erst im Rahmen eines – auf Grund der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in § 10 NÖ NSchG 2000 vorgesehenen – Naturverträglichkeitsprüfungsverfahrens kann festgestellt werden, ob eine geplante Maßnahme zu einer Beeinträchtigung geschützter Tiere bzw. Pflanzen iSd §§17 und 18 NÖ NSchG 2000 führen würde, wobei Ergebnis einer Verträglichkeitsprüfung auch sein könnte, dass die geplante Maßnahme die geschützten Tiere bzw. deren Lebensraum nicht beeinträchtigen bzw. sogar begünstigen und damit zu einem "günstigen Erhaltungszustand" iSd § 9 Abs 1 NÖ NSchG 2000 beitragen würde.

Im vorliegenden Fall wurde im Rahmen eines im Jahr 2010 erstellten naturschutzfachlichen Gutachtens zwar festgestellt, dass die geplante Aufforstung mit Fichten auf den betroffenen Grundstücken zu einer Beeinträchtigung des Lebensraumes der geschützten Heidelerche führen würde, jedoch wurde als Alternativlösung iSd § 10 Abs 5 NÖ NSchG 2000 die Aufforstung mit einem lichten Kiefernwald vorgeschlagen. Dh. nicht jeder menschliche Eingriff gefährdet die geschützten Tiere bzw. deren Lebensräume, sondern es kommt – wie die Niederösterreichische Landesregierung ins Treffen führt – auf den Zustand der Natur ganz allgemein und im Besonderen auf den aktuellen Zustand der Schutzgüter an; diese Fragen müssen im Zuge einer Verträglichkeitsprüfung beurteilt werden. Insofern tritt der Verfassungsgerichtshof den weiteren Ausführungen der Niederösterreichischen Landesregierung bei, denen zufolge der Zustand der Natur und der Schutzgüter Schwankungen unterliegen und sich dieser auch in Richtung eines günstigen Erhaltungszustandes entwickeln kann, was zur Folge haben kann, dass aktuell nicht naturverträgliche und damit nicht bewilligungsfähige Maßnahmen später naturverträgliche und damit bewilligungsfähige Maßnahmen darstellen können.

1.5. Zusammenfassend folgt aus dem oben Gesagten, dass – auch im Sinne der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (s. Art 6 Abs 3) – nur auf Grundlage einer Naturverträglichkeitsprüfung festgestellt werden kann, ob eine geplante Maßnahme zu einer Beeinträchtigung der geschützten Tiere und deren Lebensräume führt oder nicht. Das konkrete Verbot, eine Fichtenaufforstung durchzuführen, ist – wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt – zwingend das Resultat der vorangegangenen Naturverträglichkeitsprüfung, dessen Ergebnis in einen Bescheid mündet. Nach § 23 Abs 1 NÖ NSchG 2000 besteht ein Entschädigungsanspruch bei Vorliegen von näher bestimmten Voraussetzungen dann, wenn sich aus dem "Inhalt einer Verordnung oder eines Bescheides […] eine […] wesentliche Einschränkung von Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten" ergibt. Im vorliegenden Fall resultieren die konkrete Eigentumsbeschränkung und die dadurch bewirkte Ertragsminderung zweifelsohne aus dem die Bewilligung versagenden Bescheid. Folglich beginnt die zweijährige Frist zur Geltendmachung allfälliger Entschädigungsansprüche gemäß § 30 Abs 3 NÖ NSchG 2000 nicht mit Erlassung der Europaschutzgebiete-Verordnung zu laufen, sondern mit Eintritt der Rechtskraft des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung, der eine konkrete Nutzung untersagt.

2. Soweit das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dies verkennt und hinsichtlich der Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen an den Zeitpunkt der Erlassung der Europaschutzgebiete-Verordnung anknüpft, ist ihm – angesichts der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen – eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vorzuwerfen.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten. Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag war nicht zuzusprechen, weil der Rechtsvertreter nur eine Person vertrat und diese allein dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegenüberstand (vgl. ).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E865.2015