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VfGH vom 17.06.1980, B56/77

VfGH vom 17.06.1980, B56/77

Sammlungsnummer

8835

Leitsatz

EStG 1972; keine Bedenken gegen §§33 Abs 5 und 68 Abs 5; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz im Inland in der Nähe der Staatsgrenze. Er ist im Fürstentum Liechtenstein unselbständig tätig. Er ist Grenzgänger iS des Art 15 Abs 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. 24/1971. Nach dieser staatsvertraglichen Bestimmung werden seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, hier also in Österreich.

2. Im Verfahren betreffend die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1975 wich das Finanzamt von der Erklärung insoweit ab, als es die in Überstundenentlohnungen enthaltenen Zuschläge für Mehrarbeit und die Zuschläge für Nachtarbeit nicht steuerfrei beließ, die Prämie für Verbesserungsvorschläge nicht als sonstige Bezüge iS des § 67 Abs 7 EStG 1972 behandelte, den Arbeitnehmerabsetzbetrag nicht gewährte und Unterhaltsleistungen des Beschwerdeführers nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannte.

Der vom Beschwerdeführer gegen den Einkommensteuerbescheid 1975 erhobenen Berufung gab die Finanzlandesdirektion für Vbg. mit Bescheid vom insoweit statt, als sie den gesamten vom Beschwerdeführer als Prämie für Verbesserungsvorschläge angeführten Betrag als nach den festen Steuersätzen des § 67 Abs 1 EStG 1972 zu versteuernden sonstigen Bezug anerkannte. Im übrigen gab die Finanzlandesdirektion der Berufung nicht Folge.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den VfGH, in welcher vom Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch beschwert, daß ihm die Behörde den Arbeitnehmerabsetzbetrag nicht gewährte, die in Überstundenentlohnungen enthaltenen Zuschläge für Mehrarbeit und die Zuschläge für Nachtarbeit nicht steuerfrei beließ und die Prämie für Verbesserungsvorschläge nicht der Besteuerung nach § 67 Abs 7 EStG 1972, sondern nach Abs 1 dieses Paragraphen unterwarf.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 7558/1975) nur vorliegen, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat. Das Eigentumsrecht wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 6977/1973, 7212/1973, 7458/1974) durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn der Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen wird oder wenn er gesetzlos ist, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird.

b) Der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vbg. beruht auf den Bestimmungen der §§33 Abs 5, 67 und 68 Abs 5 EStG 1972 idF der Nov. BGBl. 469/1974.

§33 Abs 5 sieht einen jährlichen Arbeitnehmerabsetzbetrag von 2000 S vor, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, die im Wege des Steuerabzuges vom Arbeitslohn zu erfassen sind.

Gem. § 68 Abs 5 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Mehrarbeit und Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bei Grenzgängern unter sinngemäßer Anwendung der Abs 1 bis 3 (also nur in einem einen bestimmten Freibetrag übersteigenden Ausmaß) zu versteuern, sofern aufgrund eines Vertrages über Rechtschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen überprüft werden kann, daß die Voraussetzungen der Abs 1 bis 3 vorliegen. Diese Absätze enthalten ua. Definitionen der Begriffe Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage sowie Überstunde.

c) Der Beschwerdeführer behauptet, daß die Bestimmung des § 68 Abs 5 EStG 1972 idF der Nov. BGBl. 469/1974 gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Der Gesetzgeber mache einen nicht gerechtfertigten Unterschied zwischen Grenzgängern nach der Schweiz und nach Liechtenstein einerseits und solchen nach der Bundesrepublik Deutschland andererseits. Ein Vertrag über Rechtshilfe und Amtshilfe in Abgabensachen sei von der Republik Österreich nur mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossen worden. Es könne nicht angehen, daß die Prüfung der Voraussetzungen der Abs 1 bis 3 des § 68 EStG 1972 nur von einem derartigen Abkommen abhängig gemacht werden könne. Das Argument, daß mangels einer zwischenstaatlichen Vereinbarung keine Überprüfungsmöglichkeit bestünde, könne schon deshalb nicht stichhältig sein, weil sich der Beschwerdeführer verpflichtet habe, entsprechende Abrechnungen des ausländischen Dienstgebers beizubringen, aus welchen sich im einzelnen genau ergebe, welche Überstundenentgelte und Zulagen er im Kalenderjahr 1975 bezogen habe, sodaß das Finanzamt jederzeit in der Lage sei, diese Zulagen zu überprüfen. Der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid daher auch im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern in Österreich ungleich behandelt worden, welche die einem Dienstnehmer zustehenden steuerlichen Begünstigungen in Anspruch nehmen könnten, der Beschwerdeführer jedoch nie.

2. Der VfGH hat keine Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides.

a) Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 4848/1964 - unter Bezugnahme auf § 93 Abs 1 litb EStG 1953 - ausgesprochen, daß eine Regelung nicht dadurch unsachlich wird, daß zufolge von Auslandsbeziehungen die Anwendung des Lohnsteuerabzugsverfahrens im Inland nicht möglich ist. Es könne dem Gesetzgeber nämlich kein Vorwurf gemacht werden, wenn er seine die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betreffende einkommensteuerrechtliche Regelung auf den Normalfall des inländischen Dienstverhältnisses abstelle.

Auch im Erk. VfSlg. 6336/1970 hat der VfGH ausgesprochen, daß die Lohnsteuerregelungen auf die Beschäftigungsverhältnisse im Inland abgestellt seien. Es gebe Unterschiede zu den Beschäftigungsverhältnissen in anderen Staaten. Aus dieser Tatsache sei ableitbar, daß Einkünfte von in Österreich unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit im Ausland nicht der Lohnsteuer unterworfen werden.

Der VfGH hat aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

b) Der - somit verfassungsrechtlich unbedenkliche - Umstand, daß Grenzgänger, die im Ausland einer nichtselbständigen Arbeit nachgehen, im Inland nicht dem Lohnsteuerabzugsverfahren unterworfen werden, führt auch bei Anwendung des § 33 Abs 5 EStG 1972 zu keiner Gleichheitswidrigkeit. Es trifft zwar zu, daß dieser Personengruppe kein Arbeitnehmerabsetzbetrag zusteht, weil ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht im Wege des Steuerabzuges vom Arbeitslohn erfaßt werden. Damit sind sie mit allen jenen Personen gleichgestellt, welche ebenfalls zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Arbeitnehmerabsetzbetrag wurde jedoch vom Gesetzgeber vor allem deshalb eingeführt, weil "die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Auszahlung des Arbeitslohnes einbehalten wird und der Arbeitnehmer somit grundsätzlich nicht die Möglichkeit der veranlagten Steuerpflichtigen hat, spätere Steuerabschlußzahlungen zu leisten und somit den Vorteil eines Zinsengewinnes bzw. eines reinvestierten Gewinnes zu erzielen" (s. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des EStG 1972, 474 BlgNR, XIII. GP, S 71).

c) Der VfGH hegt aber auch keine Bedenken gegen § 68 Abs 5 EStG 1972 idF der Nov. BGBl. 469/1974. Diese Bestimmung soll - laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Einkommensteuergesetz-Nov. 1974, 1201 BlgNR, XII. GP, S 15 - ermöglichen, daß Zulagen und Zuschläge, die Grenzgänger zu ihrem Arbeitslohn erhalten, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer in gleicher Weise behandelt werden wie derartige Lohnzuschläge bei inländischen Arbeitnehmern beim Steuerabzug vom Arbeitslohn; dies aber nur unter der Voraussetzung, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen eine Kontrollmöglichkeit der österreichischen Finanzverwaltung zulassen.

Mangels eines zwischenstaatlichen Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein iS des § 68 Abs 5 EStG 1972 besteht keine Kontrollmöglichkeit der österreichischen Finanzverwaltung beim ausländischen Dienstgeber. Auch die Einsichtnahme in vorgelegte Belege würde keine gleichwertige Kontrollmöglichkeit wie bei einem inländischen Dienstgeber (vgl. §§86 und 87 EStG 1972) bedeuten. Eine derartige Kontrolle ist aber gerade bei Zuschlägen für Mehrarbeit und Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit keineswegs unwesentlich. Es kann daher die im § 68 Abs 5 EStG 1972 getroffene Abgrenzung nicht als unsachlich angesehen werden.

d) Wenn sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß die Behörde die Prämie für Verbesserungsvorschläge nicht der Besteuerung nach § 67 Abs 7 EStG 1972, sondern nach Abs 1 dieses Paragraphen unterworfen hat, ist darauf zu erwidern, daß sich dieser Umstand im Spruch des angefochtenen Bescheides, mit dem eine Abgabenschuld festgesetzt wurde, nicht ausgewirkt hat und auch keine weiteren Konsequenzen für den Beschwerdeführer mit sich bringt.

3. Aus den Ausführungen zu Punkt 2 ergibt sich, daß die belangte Behörde den angewandten Rechtsvorschriften auch nicht fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat. Daß die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet oder Willkür geübt hätte, ist weder vom Beschwerdeführer behauptet worden noch im Zuge des Verfahrens vor dem VfGH hervorgekommen.

4. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.