OGH vom 29.01.2013, 9Ob2/13d

OGH vom 29.01.2013, 9Ob2/13d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn sowie den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen H***** S*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 19, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 453/12h 11, mit dem über Rekurs der Republik Österreich der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 2 A 32/12i 8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden in Ansehung der Forderung der Republik Österreich auf Zahlung von Gerichtsgebühren nach TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 195 EUR dahin abgeändert, dass

a) diese Forderung als Masseforderung im Sinn des § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt,

b) der Nachlass in diesem Betrag der Republik Österreich zur vollständigen Berichtigung dieser Forderung an Zahlungs statt überlassen und

c) der nach Berichtigung dieser sowie von zwei weiteren bevorrechteten Forderungen verbleibende Nachlass dem F***** zur teilweisen Berichtigung seiner Forderung von 26.325,75 EUR an Zahlungs statt überlassen wird.

Die dadurch erforderliche Änderung der Vollzugs und Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die Verlassenschaft nach H***** S***** ist überschuldet. Für H***** S***** war zu 7 P 16/10g des Erstgerichts ein Sachwalter bestellt. Dieser legte nach ihrem Tod die Schlussrechnung und beantragte deren Genehmigung sowie die Zuerkennung einer Entschädigung von 940 EUR. Mit Beschluss vom bestätigte das Pflegschaftsgericht die Schlussrechnung und erkannte dem Sachwalter eine Entschädigung in der beantragten Höhe zu. Die Revisionsrekurswerberin meldete mit Schreiben vom im Verlassenschaftsverfahren die im Revisionsrekursverfahren allein noch zu behandelnde Forderung einer Pauschalgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung im Pflegschaftsverfahren gemäß TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 195 EUR an.

Das Erstgericht überließ den Nachlass den Gläubigern gemäß §§ 154, 155 AußStrG an Zahlungs statt, und zwar zunächst dem Gerichtskommissär und dem Sachwalter in der jeweils angemeldeten Höhe zur vollständigen Berichtigung ihrer Forderungen, sodann der Revisionsrekurswerberin und einer Pflegeinstitution zur verhältnismäßigen Befriedigung ihrer Forderungen im Sinn des § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG.

Das Rekursgericht gab dem von der Revisionsrekurswerberin gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Die Gerichtsgebühr für die Entscheidung über die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung (§ 137 AußStrG) gemäß TP 7 lit c Z 2 GGG sei im Verlassenschaftsverfahren des Betroffenen keine privilegierte Masseforderung, sondern lediglich als allgemeine Forderung zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage Rechtsprechung fehle.

Mit ihrem Revisionsrekurs strebt die Republik Österreich die Anerkennung der geltend gemachten Pauschalgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung als Masseforderung und somit deren volle Befriedigung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in seiner Entscheidung vom , 10 Ob 21/12d, mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Pauschalgebühr für die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung nach TP 7 lit c Z 2 GGG im Verfahren zur Überlassung einer überschuldeten Verlassenschaft an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG) in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO als Masseforderung (§ 46 Z 2 IO) zu qualifizieren ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Qualifikation einer Forderung als Masseforderung sei bei einer Überlassung an Zahlungs statt der Tod des Erblassers. Der die Gebührenpflicht auslösende Sachverhalt sei hier die Bestätigung der Schlussrechnung bei Beendigung der Vermögensverwaltung durch das Pflegschaftsgericht, die bei bis zum Tod bestehender Sachwalterschaft zwangsläufig nach diesem Zeitpunkt erfolge.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso 1 Ob 164/12t uva; RIS Justiz RS0128206) und verweist auf die Gründe der zitierten Entscheidung. Damit sind die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen unbekämpft geblieben sind, dahin abzuändern, dass die strittige Gebührenforderung als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt und die Nachlassaktiven in diesem Umfang der Republik Österreich zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderung überlassen werden. Die Zuweisungen an den Gerichtskommissär und den Sachwalter (für deren bevorrechtete Forderungen) bleiben davon unberührt, jene an die weitere Gläubigerin, deren unbestrittene Forderung unter § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG fällt, vermindert sich entsprechend.