VfGH vom 08.06.2010, b54/09
Sammlungsnummer
19058
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; keine Zuständigkeit einer Disziplinarkommission mangels rechtsverbindlicher Erlassung einer Geschäftsverteilung
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer stand als Lehrer in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war die Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Innsbruck-Trenkwalderstraße. An der dort eingerichteten Versuchsanstalt war der Beschwerdeführer überdies als Prüfer tätig. Seit dem Jahr 2001 war er Leiter der Versuchsanstalt.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol vom wurde in Spruchpunkt 1 über den Beschwerdeführer wegen näher genannter Dienstpflichtverletzungen gemäß § 92 Abs 1 Z 4 iVm § 126 Abs 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt und wurde in Spruchpunkt 2 der Beschwerdeführer von weiteren, gegen ihn erhobenen Anschuldigungen gemäß § 126 Abs 2 BDG 1979 freigesprochen.
Die gegen Spruchpunkt 1 dieses Bescheides vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom abgewiesen.
2.1. Gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Freiheit der Erwerbstätigkeit und auf ein faires Verfahren behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde abzulehnen, in eventu abzuweisen. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen; mit Schreiben vom führte die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt jedoch mit näherer Begründung aus, dass "die vom Beschwerdeführer als rechtswidrig gerügte Unterlassung einer mündlichen Berufungsverhandlung im Einklang mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des VwGH steht".
2.2. Mit Verfügung vom ersuchte der Verfassungsgerichtshof die Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol die der Erlassung der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol für das Jahr 2008 zu Grunde liegenden Akten bzw. Aktenteile zu übermitteln und mitzuteilen, ob und in welcher Weise die genannte Geschäftseinteilung kundgemacht wurde.
Der Vorsitzende der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol teilte dem Verfassungsgerichtshof mit Schreiben vom u.a. Folgendes mit:
"Mit Schreiben vom ... hat der
Landesschulrat für Tirol die Nominierung der Mitglieder der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol für die Funktionsperiode vom bis vorgenommen und das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur darum ersucht, die genannten Personen zu bestellen. Am bzw. am verfasste der Landesschulrat für Tirol dringende Urgenzschreiben an die vorangeführte Zentralstelle, woraufhin (erst) am die Bestellung der Mitglieder der oa. Disziplinarkommission
durch die zuständige Bundesministerin ... durchgeführt wurde.
Zur aufgeworfenen Fragestellung, ob und in welcher Weise die Geschäftseinteilung kundgemacht wurde, ist auszuführen, dass die Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol mit Schreiben (RSa-Brief) vom
... [sowohl] dem Beschuldigten als auch dessen
Rechtsvertreter die Zusammensetzung des Senates für die mündliche Verhandlung bekannt gegeben hat und auch auf das binnen einer Woche ab Zustellung eingeräumte Ablehnungsrecht eines Mitgliedes des Senates hingewiesen hat. Mit Schriftsatz vom hat
sodann der Rechtsvertreter des Beschuldigten ... von seinem Recht auf
Ablehnung eines Senatsmitgliedes Gebrauch gemacht, woraus zu schließen ist, dass der Beschuldigtenvertreter über die Zusammensetzung des Disziplinarsenates bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hatte."
Unter einem legte der Vorsitzende der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol dem Verfassungsgerichtshof die in seinem soeben wiedergegebenen Schreiben erwähnten Schreiben des Landesschulrates für Tirol an das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur vom und vom sowie an den Zentralausschuss des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur für die Bundeslehrer an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen vom , der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur an den Landesschulrat für Tirol vom , des Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol an den Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter vom und des Beschwerdeführers an die Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol vom vor.
Das vorgelegte Schreiben der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur an den Landesschulrat für Tirol vom hat den folgenden Inhalt:
"Landesschulrat für Tirol
Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie für Erzieher, die an einer dem Landesschulrat für Tirol unterstehenden Schule (Schülerheim) verwendet werden - Bestellung der Kommission für die Dauer der Funktionsperiode bis
Gemäß §§98 und 222 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 in der derzeit geltenden Fassung, setze ich beim Landesschulrat für Tirol ab bis eine Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie für Erzieher, die an einer dem Landesschulrat für Tirol unterstehenden Schule (Schülerheim) verwendet werden, ein.
Zum Vorsitzenden der Disziplinarkommission bestelle ich:
HR Dr. Reinhold RAFFLER, LSR für Tirol
Zum Stellvertreter des Vorsitzenden bestelle ich:
HR Mag. Bruno PHILADELPHY, LSR für Tirol
Zu weiteren Mitgliedern der Disziplinarkommission bestelle ich:
allgemeinbildende höhere Schulen (AHS)
Dir. Mag. Wilhelm SALZMANN, BRG Imst
Dir. Mag. Brigitte WARTBURG, BRG Adolf-Pichler-Platz
Prov. Leiterin Prof. Mag. Monika SCHOBER-SCHÖBERL, BORG Innsbruck
Prof. Mag. Dr. Hermann NIEDERMAYR, Akad. Gymnasium Innsbruck
technische und gewerbliche Lehranstalten (HTLA)
Dir. Dr. Elmar MÄRK, HTBLuVA Innsbruck, Anichstraße Dir. Dipl.-Ing. Manfred FLEISS, HTBLuVA Innsbruck, Trenkwalderstraße
Dir. HR Mag. Ing. Hubertus VIEHWEIDER, HTL Imst
kaufmännische Schulen (BHAK/BHAS)
Dir. HR Mag. Harald CHESI, BHAS/BHAK Wörgl
Dir. Mag. Dietmar WIENER, BHAK/BHAS Hall
Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe, Sozial- und
Fremdenverkehrsberufe sowie für Mode und Bekleidungstechnik
Dir. Mag. Kurt-Manfred JORDAN, HBLA f.w. Berufe Innsbruck,
Weinhartstraße
Prof. OStR Mag. Beatrix KIRCHLER, HLA f.Tourismus Villa Blanka
Innsbruck
Anstalten für Lehrer- und Erzieherbildung/Kindergartenpädagogik
Dir. Mag. Christa MEIXNER, BBA f. KGP Innsbruck
Prof. OStR Mag. Doris BUDISCHEK, Kath. BA f. KGP Innsbruck
Dir. Mag. Alfred WAGNER, BA f. Leibeserziehung Innsbruck
Gemäß § 103 Abs 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 bestelle ich zum
Disziplinaranwalt
HR Dr. Eva BURGER, LSR für Tirol
zu ihrer Stellvertreterin
OR Mag. Karin BRANDL, LSR für Tirol
Über Vorschlag der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften bestelle ich gemäß § 221 Abs 2 zweiter Satz des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979:
für den römisch-katholischen Religionsunterricht:
FI Dr. Thomas WEBER, Bischöfliches Schulamt Innsbruck
FI Mag. Adolfine GSCHLIESSER, Bischöfliches Schulamt Innsbruck
Gemäß § 98 Abs 3 zweiter Satz des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 hat
a) der Zentralausschuss für Bundeslehrer an AHS
OStR. Mag. Wolfgang MUTH
Mag. Ulla HÄUSSLE
b) der Zentralausschuss für Bundeslehrer an BHS
technisch-gewerbliche Lehranstalten (HTBLA)
Prof. Mag. Anton ZANGERL, HTBLA Imst
Dr. Anna PUNTAJER, HTBLuVA Innsbruck, Anichstraße
kaufmännische Schulen (BHAK/BHAS)
Prof. Mag. Anton LEITNER, BHAK/BHAS Hall
Prof. Dr. Reinhard MARGREITER, BHAK/BHAS Landeck
Schulen für wirtschaftliche Berufe, Tourismus und Sozialberufe Prof. Mag. Markus HÖFLE, BHAK/BHAS Wörgl
(für den Senat 'wirtschaftliche Berufe' wird ein weiteres Mitglied
nachnominiert werden;
ein Ersatzmitglied wurde nicht gefunden)
Anstalten für Lehrer- und Erzieherbildung/Kindergartenpädagogik Prof. Mag. Ingeborg BICHLER, Kath. BA f. KGP Innsbruck
Prof. Dr. Klaus KERBER, HTBLuVA Innsbruck, Anichstraße
(für den Senat 'Kindergartenpädagogik' wurde kein Ersatzmitglied gefunden)
bestellt."
Das an den Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter adressierte Schreiben des Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol vom lautet auszugsweise wie folgt:
"Disziplinarverfahren gegen [den Beschwerdeführer]
Bekanntgabe der Senatszusammensetzung
...
[Es] wird Ihnen hiermit die Zusammensetzung des Senates für die mündliche Verhandlung bekannt gegeben:
Senatsvorsitzender: HR Dr. Reinhold RAFFLER
Senatsmitglieder:1) Dir. Dr. Elmar MÄRK
2) Prof. Mag. Anton ZANGERL (vom
Zentralausschuss bestellt)
Es wird darauf hingewiesen, dass der Beschuldigte gemäß § 124 Abs 3 BDG 1979 das Recht hat, binnen einer Woche nach Zustellung dieses Schreibens ein Mitglied des Senates ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
Ersatzmitglieder:
für den Vorsitzenden: HR Mag. Bruno PHILADELPHY
für die Mitglieder: zu 1) Dir. DI Manfred FLEISS
Dir. HR Mag. Ing. Hubertus
VIEHWEIDER
zu 2) Dr. Anna PUNTAJER (vom Zentralausschuss bestellt)"
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979, BGBl. 333 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 129/2008, stellen sich wie folgt dar:
1.1. Gemäß § 98 Abs 1 BDG 1979 sind bei jeder obersten Dienstbehörde eine Disziplinarkommission und gemäß § 99 Abs 1 leg.cit. beim Bundeskanzleramt eine Disziplinaroberkommission einzurichten. Die Disziplinarkommission ist gemäß § 97 Z 2 BDG 1979 u.a. zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist, die Disziplinaroberkommission gemäß § 97 Z 3 BDG 1979 zur Entscheidung über Berufungen gegen die genannten Disziplinarerkenntnisse der Disziplinarkommission zuständig.
1.2. Für die Disziplinarkommissionen (und die Disziplinaroberkommission) sehen die §§98, 100 und 101 BDG 1979 - auszugsweise - Folgendes vor:
"Disziplinarkommissionen
§98. (1) ...
(2) Die Disziplinarkommission besteht aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern. Der Vorsitzende und die Stellvertreter müssen rechtskundig sein.
(3) Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die Hälfte der weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission sind vom Leiter der Zentralstelle mit Wirkung vom 1. Jänner auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Die zweite Hälfte der weiteren Mitglieder ist von dem (den) zuständigen Zentralausschuß (Zentralausschüssen) zu bestellen.
(4) Bestellt der Zentralausschuß innerhalb eines Monats nach Aufforderung durch den Leiter der Zentralstelle keine oder zu wenige Mitglieder für die Disziplinarkommission, so hat der Leiter der Zentralstelle die erforderlichen Mitglieder selbst zu bestellen.
(5) Stehen dem Leiter der Zentralstelle oder dem zuständigen Zentralausschuss zu wenige geeignete Beamte seines Ressorts für die Bestellung zu Kommissionsmitgliedern zur Verfügung, können geeignete Beamte eines anderen Ressorts bestellt werden. Vor der Bestellung von Beamten anderer Ressorts ist das Einvernehmen mit den Leitern, im Falle des Abs 3 letzter Satz mit den Zentralausschüssen, der betreffenden Ressorts schriftlich herzustellen."
"Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der
Disziplinaroberkommission
§100. (1) Zu Mitgliedern der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission dürfen nur Beamte des Dienststandes bestellt werden, gegen die kein Disziplinarverfahren anhängig ist.
(2) Der Beamte hat der Bestellung zum Mitglied einer Disziplinarkommission oder der Disziplinaroberkommission Folge zu leisten.
(3) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß, während der Zeit der (vorläufigen) Suspendierung, der Außerdienststellung, der Erteilung eines Urlaubes von mehr als drei Monaten und der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes.
(4) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission endet mit dem Ablauf der Bestellungsdauer, mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe, mit der Versetzung ins Ausland sowie mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand.
(5) Im Bedarfsfalle sind die Kommissionen durch Neubestellung von Kommissionsmitgliedern für den Rest der Funktionsdauer zu ergänzen.
Disziplinarsenate
§101. (1) Die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission haben in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Kommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.
(2) Ein Mitglied des Senates der Disziplinarkommission muß vom Zentralausschuß oder gemäß § 98 Abs 4 bestellt worden sein.
(3) ...
(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."
1.3. § 106 BDG 1979 lautet wie folgt:
"Parteien
§ 106. Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu."
1.4. Die im mit "Lehrer" titulierten, Sonderbestimmungen für Bundeslehrer enthaltenden 7. Abschnitt des Besonderen Teiles des BDG 1979 befindlichen §§221 und 222 BDG 1979 lauten wie folgt:
"Disziplinarrecht
§ 221. (1) Bei der Bestellung der Disziplinarkommission beim
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ist vorzusorgen, daß für Lehrer besondere Senate gebildet werden können.
(2) Ein Mitglied des Senates muß Lehrer sein und soll an einer Schule jener Schulart (Schülerheim) tätig sein, an der der beschuldigte Lehrer hauptsächlich verwendet wird. Bei einem Verfahren gegen einen Religionslehrer hat dieses Mitglied Religionslehrer desselben Bekenntnisses zu sein; für die Bestellung dieses Religionslehrers ist ein Vorschlag der entsprechenden gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft einzuholen.
§ 222. Für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie für Erzieher, die an einer dem Landesschulrat unterstehenden Schule (Schülerheim) verwendet werden, sind Disziplinarkommissionen bei jedem Landesschulrat einzurichten. Der Rechtszug gegen Erkenntnisse dieser Kommissionen geht an die Disziplinaroberkommission. § 221 ist sinngemäß anzuwenden."
2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002). Der administrative Instanzenzug ist als Einheit aufzufassen; wird die sachliche Zuständigkeit auch nur in unterer Instanz gesetzwidrig in Anspruch genommen, so ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, und zwar auch dann, wenn in oberer Instanz die zuständige Behörde eingeschritten ist (zB VfSlg. 5700/1968, 9599/1983, 11.061/1986, 14.008/1995). Maßgeblich für diese Rechtsprechung war der Gedanke, dass durch die Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben ist und durch eine solche Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit behindert wird (vgl. VfSlg. 8188/1977; ).
2.2. Die Bestimmungen über den im Einzelfall zuständigen Senat betreffen nicht Fragen der inneren Organisation, sondern Fragen der Behördenzuständigkeit. Sie sind entweder im Gesetz selbst zu regeln oder müssen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf ein Gesetz zurückgeführt werden können (vgl. VfSlg. 3994/1961).
Gemäß § 101 Abs 4 BDG 1979 hat der Vorsitzende jeder Disziplinarkommission jeweils bis zum Jahresschluss für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen; gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten.
Aus dieser Bestimmung folgt, dass der nach dem Anfall einer Rechtssache bei der Disziplinarkommission einsetzende Vorgang der Ermittlung des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senates und der Weiterleitung der Akten an diesen keines Willensaktes eines Organwalters bedürftig sein darf. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission ist daher verhalten, die Zuständigkeit der einzelnen Senate in der Geschäftsverteilung, die ihrer Rechtsnatur nach als Verordnung zu qualifizieren ist, generell-abstrakt festzusetzen und diese ortsüblich kundzumachen (vgl. ; vgl. auch , und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss ).
2.3. Eine derartige Geschäftsverteilung wurde vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol für das Jahr 2008 nicht erlassen:
Das dem Verfassungsgerichtshof mit Schreiben des Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol vom vorgelegte Schreiben der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur an den Landesschulrat für Tirol vom - in dem selbst als Rechtsgrundlagen die §§98 und 222 BDG 1979, welche Bestimmungen die Einrichtung der Disziplinarkommissionen regeln, genannt werden - ist ein Akt, der die Bestellung von Mitgliedern der Disziplinarkommission zum Inhalt hat und als solcher nicht die Zusammensetzung der Senate und die Verteilung der Geschäfte auf diese regelt (vgl. auch VfSlg. 17.771/2006). Im Übrigen wäre die Bundesministerin zur Erlassung der Geschäftseinteilung nicht zuständig (§101 Abs 4 BDG 1979).
Sollte das an den Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter adressierte Schreiben des Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol vom - soweit es die Zusammensetzung des Senates bekannt gibt - als Geschäftseinteilung iSd § 101 Abs 4 BDG 1979 gewertet werden, so hat diese nicht das für Rechtsverordnungen notwendige Mindestmaß an Publizität (zu diesem etwa VfSlg. 6422/1971, 6945/1972, 7086/1973, 7281/1974, 7375/1974, 8350/1978, 8351/1978, 8997/1980, 9247/1981 und 12.382/1990) erlangt. Sie ist nämlich ersichtlich nur an den Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter ergangen. Für die Publizität, die erforderlich wäre, um die Geschäftseinteilung zu einem Bestandteil der Rechtsordnung werden zu lassen, genügt es aber nicht, dass die Geschäftseinteilung dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter im Zuge des Verwaltungsverfahrens bekannt geworden ist (vgl. VfSlg. 16.875/2003).
2.4. Da somit die Zuständigkeit des entscheidenden Senates der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher beim Landesschulrat für Tirol nicht geregelt war, hat in erster Instanz eine unzuständige Behörde entschieden (vgl. auch ).
Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den von ihm bekämpften Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt ist.
Der Bescheid war daher vom Verfassungsgerichtshof schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie Eingabengebühr in der Höhe von € 220,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.