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VfGH vom 23.09.2016, E818/2016

VfGH vom 23.09.2016, E818/2016

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und im Gleichheitsrecht durch Widerruf und Verpflichtung zur Rückzahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe; Absehen von der mündlichen Verhandlung mangels eines hinreichend geklärten Sachverhalts im Hinblick auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vertretbar; Unsachlichkeit der Heranziehung von Sanierungsgewinnen bei Beurteilung der wirtschaftlichen Notlage

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art 6 EMRK und in seinem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer bezog von bis Arbeitslosengeld iHv täglich € 46,36 und von bis Notstandshilfe iHv täglich € 42,65.

2. Mit Bescheiden des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse jeweils vom wurde zum einen der Bezug des Arbeitslosengeldes des Beschwerdeführers für den Zeitraum bis nach § 24 Abs 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und wurde der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes iHv € 5.053,24 verpflichtet; zum anderen wurde der Bezug der Notstandshilfe des Beschwerdeführers für den Zeitraum bis nach § 38 iVm § 24 Abs 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 25 Abs 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe iHv € 5.758,53 verpflichtet.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom wurde die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Leistungen für die beiden Zeiträume zu Unrecht bezogen habe, da er laut Einkommensteuerbescheid 2013 ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt habe. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezuges an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden, dies diene der Erleichterung des praktischen Vollzuges des AlVG. Gemäß § 36a Abs 3 Z 2 AlVG sei der im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesene Verlustabzug dem Einkommen hinzuzurechnen. Es seien sohin die selbständigen Einkünfte entsprechend dem Einkommensteuerbescheid anzurechnen.

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses behauptet und in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"[…]

Entgegen den Rechtsausführungen der belangten Behörde war der Beschwerdeführer […] im Jahr 2013 nicht bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert. Zwar hat die SVA der gewerblichen Wirtschaft zuerst auf Grund des Einkommenssteuerbescheides des Finanzamtes eine Sozialversicherungspflicht angenommen, nach entsprechender Aufklärung des Sachverhaltes (Vorliegen eines Sanierungsgewinnes) durch den Beschwerdeführer aber mit Schreiben vom schriftlich bestätigt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum bis von der Pflichtversicherung in der GSVG Pensions- und Krankenversicherung sowie der ASVG Unfallversicherung ausgenommen war, da die gewerblichen Einkünfte im Jahr 2013 aus einem Sanierungsgewinn stammten. Dieses Schreiben kann der Beschwerdeführer erst jetzt im anhängigen Verfahren vorlegen, da die belangte Behörde – trotz eines entsprechenden Antrages – keine mündliche Verhandlung über die erhobene Beschwerde durchgeführt hat und die Frage der Sozialversicherungspflicht vorab weder von der belangten Behörde noch vom AMS releviert worden war, sodass die in der angefochtenen Entscheidung dargelegte, falsche Rechtsansicht der belangte Behörde für den Beschwerdeführer überraschend kam.

Gemäß § 12 AlVG ist das Vorliegen von Arbeitslosigkeit an drei kumulative Voraussetzungen gebunden: Beendigung einer (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit (Z1); kein Vorliegen der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (Z2) und keine Ausübung einer neuen oder weiteren (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit (Z3).

Zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Arbeitslosenentgelts bzw. Notstandshilfe war sowohl das vom Beschwerdeführer davor betriebene Unternehmen geschlossen (Schließungsbeschluss des LG Korneuburg vom ) als auch das unselbständige Dienstverhältnis beendet worden. Die Voraussetzungen des § 12 Z 1 AlVG liegen somit vor.

Wie im Schreiben der SVA der gewerblichen Wirtschaft festgehalten, war der Beschwerdeführer im Jahr 2013 nicht beim vorgenannten Institut versichert. Es lag auch kein anderes Versicherungsverhältnis im Sinne des § 12 Z 2 AlVG vor. Somit ist auch diese Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosenversicherung erfüllt.

Der Beschwerdeführer war im streitgegenständlichen Bezugszeitraum tatsächlich beschäftigungslos. Somit ist auch die Voraussetzung des § 12 Z 3 AlVG erfüllt.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe durch den Beschwerdeführer nach dem AlVG liegen somit vor.

Trotzdem wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des aus Sicht der belangten Behörde zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes und Notstandsunterstützung verpflichtet. Grundlage dafür ist eine Judikatur des VwGH (GZ 2011/08/0223) nach welcher das AMS bei der Beurteilung der Voraussetzungen für den Bezug von Notstandshilfe (im konkreten Fall auch auf den Bezug von Arbeitslosengeld angewandt) an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden sei, wobei diese Regelung der Erleichterung des praktischen Vollzugs des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen diene.

Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die Beiträge der SVA der gewerblichen Wirtschaft aus den im Einkommenssteuerbescheid festgesetzten Einkünften aus Gewerbebetrieb abgeleitet werden. Wie sich jedoch aus dem beiliegenden Schreiben der SVA der gewerblichen Wirtschaft zeigt, ist diese sehr wohl in der Lage, den wahren Sachverhalt zu prüfen. Entsprechend hat die SVA d. gewerblichen Wirtschaft festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei ihr im Jahr 2013 nicht sozialversichert war. Es ist daher im Sinne der Gleichbehandlung der selben Sachverhalte dem AMS sehr wohl zuzumuten, den wahren Sachverhalt hinter den im Bescheid ausgewiesenen Einkünften zu prüfen, wenn auch andere Behörden dazu im Stande sind. Es stellt eine enorme Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber nur unselbständig Erwerbstätigen dar, wenn er trotz Vorliegen der Voraussetzungen, vom Bezug auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandsunterstützung ausgeschlossen wird, nur weil es der Behörde im Wege der 'Verwaltungsvereinfachung' nicht zumutbar sei, den wahren Sachverhalt zu prüfen. Der Beschwerdeführer war in den Jahren vor dem gegenständlichen Sachverhalt sowohl unternehmerisch tätig als auch unselbständig erwerbstätig. Er hat als Unternehmer Arbeitsplätze geschaffen und durch seinen Fleiß eine erhebliche Steuerleistung erwirtschaftet, die er über lange Zeit auch pünktlich bedient hat. Dass ein Unternehmer scheitern kann, liegt in der Natur des eingegangenen Wagnisses. Es ist nicht erklärlich warum der Beschwerdeführer, der alle gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandsunterstützung erfüllte, dann aus rein formalen Gründen vom Bezug ausgeschlossen sein sollte. Die belangte Behörde hat dadurch den in der Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung von gleichgelagerten Sachverhalten verletzt.

Weiters vermeint die belangte Behörde unter Hinweis auf die zuvor zitierte Judikatur des VwGH, dass der im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesene Verlustabzug dem Einkommen hinzuzurechnen sei. Auch die Hinzurechnung des Verlustabzuges aus Vorjahren zu einem ohnehin schon fiktiven Sanierungsgewinn, führt nicht dazu, dass der Beschwerdeführer ein reales Einkommen erzielt hätte. Es ist wie oben dargestellt aus Sicht des Beschwerdeführers gleichheitswidrig, wenn er bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug des Arbeitslosengeldes auf Grund steuerrechtlicher Fragen schlechter gestellt wird als ein Arbeitslosenbezieher, der davor nicht selbständig erwerbstätig war. Sinn des AlVG ist es Menschen, die davor im Rahmen einer Beschäftigung in das Sozialsystem über einen bestimmten Zeitraum Einzahlungen geleistet haben, im Falle der Arbeitslosigkeit ein finanzielles Auskommen und einen Versicherungsschutz zu bieten. Genau dieser Fall liegt hier vor. Der Beschwerdeführer verfügte in den streitgegenständlichen Zeiträumen über kein Einkommen, da sein vormaliges Einzelunternehmen insolvent war und sein Arbeitgeber das Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer zuvor aufgelöst hatte. Tatsächlich verfügte der Antragsteller im streitgegenständlichen Zeitraum über keine liquiden Mittel. Zudem wäre er – wie dargelegt – ohne Arbeitslosen- bzw. Notstandsbezug nicht versichert gewesen. Es ist enorm gleichheitswidrig, wenn der Beschwerdeführer trotz Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vom Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ausgeschlossen wäre, weil ein Verlustabzug aus einer davor ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit dem fiktiven Einkommen aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet wird.

Weiters vermeint die belangte Behörde unter Bezug auf das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, dass in Anbetracht der dargestellten Bindung an den Spruch im Einkommenssteuerbescheid auch ein reiner Buchgewinn als Einkommen zur Anrechnung herangezogen werden kann.

[…]"

5. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, erstattete aber keine Äußerung.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1.1. § 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl 609/1977 idF BGBl I 67/2013, lautet auszugsweise:

"Abschnitt 1

Arbeitslosengeld

Voraussetzungen des Anspruches

§7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs3) und arbeitsfähig (§8), arbeitswillig (§9) und arbeitslos (§12) ist.

(3) – (8) […]"

1.2. § 12 AlVG, BGBl 609/1977 idF BGBl I 94/2014, lautet auszugsweise:

"Arbeitslosigkeit

§12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§16 Abs 1 litk und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(2) – (8) […]"

1.3. § 24 AlVG, BGBl 609/1977 idF BGBl I 82/2008 lautet:

"Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Ist die fehlerhafte Zuerkennung oder Bemessung auf ein Versehen der Behörde zurückzuführen, so ist der Widerruf oder die Berichtigung nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr zulässig."

1.4. § 25 AlVG, BGBl 609/1977 idF BGBl I 106/2015 lautet auszugsweise:

"§25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs 3 lita, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl Nr 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar.

(3) […]

(4) Rückforderungen, die gemäß Abs 1 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit der Maßgabe aufgerechnet werden, daß dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges freibleiben muß; sie vermindern den Anspruch auf die zu erbringenden Leistungen, auch wenn er gepfändet ist. Die regionalen Geschäftsstellen können anläßlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen.

(5) – (7) […]"

1.5. § 36a AlVG, BGBl 609/1977 idF BGBl I 67/2013, lautet:

"Einkommen

§36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§12 Abs 6 lita bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§20 Abs 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl Nr 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl Nr 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

(3) Dem Einkommen nach § 2 Abs 2 EStG 1988 sind die folgenden Beträge hinzuzurechnen:

1. Steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs 1 Z 4 lita und lite, Z 5 lita bis d, Z 8 bis 12, Z 22 bis 24 und Z 32 sowie § 29 Z 1 zweiter Satz EStG 1988;

2. die Beträge nach den §§10, 18 Abs 6 und 7, 24 Abs 4 und 41 Abs 3 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;

3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl Nr 642/1973.

(4) Bei der Ermittlung des Einkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb gelten 3 vH des Einheitswertes als monatliches Einkommen. Werden bei Einkünften aus einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit Gewinne nicht nach Führung ordnungsgemäßer Bücher oder Aufzeichnungen, sondern nach Durchschnittssätzen (§17 EStG 1988) ermittelt, sind diese Einkünfte um 10 vH zu erhöhen.

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

2. bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;

3. bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides;

4. bei steuerfreien Bezügen durch eine Bestätigung der bezugsliquidierenden Stelle.

(6) Über Sonderausgaben, allfällige steuerfreie Bezüge und Beträge gemäß Abs 3 Z 2 ist eine Erklärung abzugeben.

(7) Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln."

1.6. § 38 AlVG, BGBl 609/1977, lautet:

"Allgemeine Bestimmungen

§38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."

1.7. § 25 GSVG, BGBl 560/1978 idF BGBl I 162/2015, lautet:

"Beitragsgrundlage

§25. (1) Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs 1 sind, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs 1 Z 5, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

(2) Beitragsgrundlage ist der gemäß Abs 1 ermittelte Betrag,

(Anm.: Z 1 aufgehoben durch BGBl I Nr 162/2015)

2. zuzüglich der vom Versicherungsträger im Beitragsjahr im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz; letztere nur soweit sie als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs 4 Z 1 lita EStG 1988 gelten;

3. vermindert um die auf einen Sanierungsgewinn oder auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des EStG 1988 entfallenden Beträge im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit; diese Minderung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Versicherte es beantragt und bezüglich der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen überdies nur soweit, als der auf derartige Gewinne entfallende Betrag dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der der Versicherte mit mehr als 25% beteiligt ist, zugeführt worden ist; diese Minderung ist bei der Feststellung der Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs 1 Z 5 nicht zu berücksichtigen; ein Antrag auf Minderung ist binnen einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit des ersten Teilbetrags (§35 Abs 3) der endgültigen Beiträge für jenen Zeitraum, für den eine Verminderung um den Veräußerungsgewinn oder Sanierungsgewinn begehrt wird, zu stellen.

(3) Hat der Pflichtversicherte Einkünfte aus mehreren die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeiten, so ist die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten für die Ermittlung der Beitragsgrundlage heranzuziehen.

(4) Die Beitragsgrundlage nach Abs 2 beträgt für jeden Beitragsmonat mindestens den für das jeweilige Beitragsjahr geltenden Betrag nach § 5 Abs 2 Z 2 ASVG (Mindestbeitragsgrundlage).

(Anm.: Abs 4a aufgehoben durch BGBl I Nr 162/2015)

(5) Die Beitragsgrundlage darf die Höchstbeitragsgrundlage nicht überschreiten. Höchstbeitragsgrundlage für den Beitragsmonat ist der gemäß § 48 jeweils festgesetzte Betrag.

(6) Die endgültige Beitragsgrundlage tritt an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage, sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen.

(6a) Auf Antrag sind die Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung im Kalenderjahr des erstmaligen Eintrittes einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 4 und den darauf folgenden zwei Kalenderjahren auf die für diese Kalenderjahre geltenden Höchstbeitragsgrundlagen zu erhöhen (Höchstbeitragsgrundlagen aus Anlass von Betriebsgründungsinvestitionen). Ein solcher Antrag ist vom/von der Versicherten bzw. Hinterbliebenen spätestens gleichzeitig mit dem Pensionsantrag bzw. innerhalb einer vom Versicherungsträger eingeräumten längeren Frist zu stellen, wobei eine der zeitlichen Lagerung der Beitragszahlung entsprechende Aufwertung (§108c ASVG) zu erfolgen hat.

(7) Vorläufige Beitragsgrundlagen gemäß § 25a, die gemäß Abs 6 zum Stichtag (§113 Abs 2) noch nicht nachbemessen sind, gelten als Beitragsgrundlagen gemäß Abs 2.

(Anm.: Abs 8 aufgehoben.)

(9) Beitragsgrundlage für die gemäß § 3 Abs 2 und 5 Pflichtversicherten ist das Dreißigfache des Betrages gemäß § 44 Abs 6 lita des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes."

1.8. § 18 Abs 6 EStG 1988, BGBl 400/1988 idF BGBl I 163/2015, lautet auszugsweise:

"6. ABSCHNITT

Sonderausgaben

§18. (1) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

Z1 – Z 7 […]

(2) – (5) […]

(6) Als Sonderausgaben sind auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur,

wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und

soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.

Die Höhe des Verlustes ist nach den §§4 bis 14 zu ermitteln."

1.9. § 24 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VerwaltungsgerichtsverfahrensgesetzVwGVG), BGBl I 33/2013, lautet:

"Verhandlung

§24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr C 83 vom S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht regelt § 24 VwGVG den Entfall der mündlichen Verhandlung. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung steht – sofern zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde – jedenfalls in jenen Fällen im Einklang mit Art 6 EMRK, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist (vgl. VfSlg 19.632/2012).

Das Absehen von einer gebotenen mündlichen Verhandlung stellt hingegen eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art 6 EMRK dar ( ua.; , U1257/2012; , U2529/2013).

2.1. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes beruht im Wesentlichen auf den auf dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid 2013 beruhenden Feststellungen der Verwaltungsbehörde in der Beschwerdevorentscheidung, dass der Beschwerdeführer im gesamten Jahr 2013 der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft unterlegen sei. Noch in dem vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheid ging die Behörde lediglich von der Annahme aus, dass der Beschwerdeführer ein (Erwerbs)Einkommen erzielt habe, welches die Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat.

2.1.1. Dagegen wendete der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein, dass es sich im Jahr 2013 um keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, sondern um einen Sanierungsgewinn aus einer früher (nämlich vor einem Insolvenzverfahren des Beschwerdeführers) ausgeübten, aber schon 2012 beendeten Erwerbstätigkeit gehandelt habe. Der Sanierungsgewinn sei durch den mit den Gläubigern im Insolvenzverfahren vereinbarten Zahlungsplan entstanden und von dessen Erfüllung abhängig.

2.1.2. Damit hat der Beschwerdeführer aber sowohl der Annahme, dass er im Jahr 2013 der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlag, als auch jener, dass er in diesem Jahr ein notstandshilfeschädliches Einkommen bezogen habe, widersprochen.

2.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Aktenlage festgestellt, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers über die Betriebsschließung zutreffen und dass es sich bei den strittigen Einkünften ausschließlich um einen Sanierungsgewinn handelt.

2.2. Eine Verletzung in Art 6 EMRK liegt aus folgendem Grund insoweit vor, als der Anspruch auf Arbeitslosengeld betroffen ist:

2.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht durfte nämlich angesichts des Beschwerdevorbringens und der Aktenlage in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgehen, dass es unstrittig sei, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2013 einer Erwerbstätigkeit nachging noch in rechtlicher Hinsicht (nämlich bei Lösung der diesbezüglichen Vorfrage) davon, dass der Beschwerdeführer allein auf Grund des im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Sanierungsgewinns der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegt: Der Sanierungsgewinn ist nämlich gemäß § 25 Abs 2 Z 3 GSVG kein beitragspflichtiges Einkommen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle.

2.2.2. Schon aus diesem Grund durfte das Verwaltungsgericht nicht vertretbarer Weise davon ausgehen, dass die Voraussetzung eines hinreichend geklärten Sachverhalts für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung vorliegt.

3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) vor, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

3.1. Was den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe betrifft hat das Bundesverwaltungsgericht § 36a AlVG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:

3.1.1. Nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs 3 AlVG liegt Notlage dann vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Aus § 36a AlVG ergibt sich nicht ausdrücklich, dass bei Beurteilung der wirtschaftlichen Notlage im Sinne des § 33 Abs 3 AlVG auch reine Sanierungsgewinne als Einkünfte zu berücksichtigen sind.

3.1.2. § 36a AlVG ist bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Notlage im Lichte des § 33 Abs 3 AlVG auszulegen. Die Befriedigung notwendiger Lebensbedürfnisse wird dadurch nicht erleichtert, dass einer arbeitslosen Person "Einkünfte" in Form eines Sanierungsgewinns "zugeflossen" sind, ist doch ein Sanierungsgewinn ein reiner Buchgewinn, der dadurch entsteht, dass jene Schulden der arbeitslosen Person durch teilweisen Schulderlass in einem Insolvenzverfahren vermindert werden, die in einem vorangegangenen Besteuerungszeitraum bereits steuerlich betriebsausgabenwirksam geworden waren (zum Sanierungsgewinn vgl. § 36 EStG, sowie Doralt/Ruppe , Steuerrecht I 11 , Rz 664 ff.; Jakom/ Kanduth-Kristen, EStG, 2016, § 36 Rz 13). In einem Fall, in dem die im Kalenderjahr des Bezuges von Notstandshilfe zugeflossenen Einkünfte einer arbeitslosen Person ausschließlich in einem Sanierungsgewinn bestehen, kann daher von einer Verbesserung oder gar Beseitigung der wirtschaftlichen Notlage im Ausmaß dieser Einkünfte nicht die Rede sein.

3.1.3. Hinzu kommt, dass im Arbeitslosenversicherungsrecht Verluste gemäß § 18 Abs 6 und 7 EStG 1988 von vornherein nicht als einkommensmindernd anerkannt, sondern – wie auch andere Begünstigungen, wie für Investitionsfreibeträge nach § 10 oder für Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24 Abs 4 EStG – bei Ermittlung des potentiell notstandshilfeschädlichen Einkommens zu den steuerpflichtigen Einkünften hinzugerechnet werden (vgl. § 36a Abs 3 Z 2 AlVG). Die Berücksichtigung auch eines Sanierungsgewinns ohne Anerkennung der Verluste würde daher in wirtschaftlicher Hinsicht auf eine (potentiell) doppelte Benachteiligung bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Notlage hinauslaufen (vgl. dazu, dass mit Sanierungsgewinnen in erster Linie Verluste auszugleichen sind, zB VwSlg. 7009 F/1995, 15.942 A/2002, zuletzt ua.).

3.1.4. Die Heranziehung von Sanierungsgewinnen bei Beurteilung der wirtschaftlichen Notlage im Sinne des § 33 Abs 3 AlVG ist aus diesen Gründen unsachlich. § 36a AlVG ist in einem solchen Fall daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass reine Sanierungsgewinne im Sinne des § 36 EStG bei Beurteilung der Notlage nicht herangezogen werden dürfen.

3.2. Der Widerruf der Notstandshilfe beruht daher auf einer dem Gleichheitssatz widersprechenden, verfassungswidrigen Gesetzesauslegung des § 36a AlVG.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art 6 EMRK und in seinem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:E818.2016