OGH vom 21.04.2016, 9Ob11/16g

OGH vom 21.04.2016, 9Ob11/16g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. A*****, vertreten durch Mag. Dr. Peter Hombauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A*****, vertreten durch BHF Hülle Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 344/15z 41, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 49 Satz 2 EheG vorliegen, sind sowohl das gesamte Verhalten der Ehegatten als auch die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0057058 und RS0057246). Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit ist die Frage, ob ein Scheidungsbegehren nach der genannten gesetzlichen Bestimmung sittlich gerechtfertigt ist oder nicht, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Dies trifft im vorliegenden Fall entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht zu:

2. Um beiderseitige Eheverfehlungen richtig beurteilen zu können, müssen sie in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern auch darauf, wieweit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RIS Justiz RS0057223).

Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, auch die Beklagte habe schuldhaft zur Zerrüttung der Ehe beigetragen, indem sie nicht nur nicht situationsadäquat auf die warnenden Hinweise des Klägers bezüglich der gemeinsamen Finanzen reagiert habe, sondern weil die durch die hohe Verschuldung und das über die eigenen Verhältnisse Leben ausgelösten Streitereien und das offenkundig völlige Negieren der Situation durch die Beklagte den Wendepunkt in der Ehe der Streitteile markierte, ist nicht korrekturbedürftig.

3. Auch die Frage, ob ein Verhalten des verletzten Ehegatten als schlüssige Verzeihung einer vorangegangenen Eheverfehlung aufzufassen ist, ist eine solche des Einzelfalls (RIS Justiz RS0118125 [T1]). Dabei kommt es in erster Linie auf seine innere Einstellung an, also ob der verletzte Gatte trotz der ehewidrigen Handlungen des anderen Gatten, die Ehe fortsetzen will (vgl RIS Justiz RS0057093). Die Wiederholung gleichartiger Verfehlungen nach der Verzeihung wiegt in der Regel sogar schwerer (RIS Justiz RS0056171 [T1]).

Einen Verzicht hat die Beklagte weder in erster Instanz noch in der Berufung geltend gemacht. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen. Nach diesen haben sich die Parteien nach diversen Streitigkeiten über finanzielle Angelegenheiten zwar versöhnt, festgestellt ist aber auch, dass diese Versöhnung „nicht lange anhielt“. Dass die Vorinstanzen daher nicht von einem Verzeihen im zuvor dargestellten Sinn ausgegangen sind, ist nicht zu beanstanden.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00011.16G.0421.000