OGH vom 01.09.2020, 10ObS80/20t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Anton Ullmann und Mag. Manuela Reichl, Rechtsanwälte in Mattighofen, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, AdalbertStifterStraße 65–67, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 20/20b33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 19 Cgs 204/18y27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist seit aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr M*****. Am nahm sie am Festakt zum 125-jährigen Gründungsjubiläum der Freiwilligen Feuerwehr A***** teil, zu dem alle Feuerwehren des Bezirks eingeladen waren und bei dem auch das neue Zeughaus offiziell eingeweiht wurde.
[2] Die Freiwilligen Feuerwehren M***** und A***** gehören einem Abschnitt an, in dem es insgesamt 24 Freiwillige Feuerwehren gibt. Wenn eine Feuerwehr im Abschnitt eine Veranstaltung ausrichtet, wird diese in der Regel auch von einer Abordnung der Feuerwehr M***** besucht.
[3] Die Feuerwehr M***** hat insgesamt 137 Mitglieder, davon sind 78 aktive Mitglieder. Welche Veranstaltungen besucht werden, entscheidet das Kommando. Den Feuerwehrmitgliedern ist bekannt, dass es in diesem Fall vom Kommando gewünscht wird, dass möglichst viele Mitglieder an der Veranstaltung teilnehmen. Der Kommandant verständigt die Mitglieder per SMS oder WhatsApp und ersucht um möglichst zahlreiche Teilnahme. Wenn ein Mitglied an einer Veranstaltung nicht teilnimmt, gibt es dafür keine Sanktionen.
[4] Das Kommando der Feuerwehr M***** beschloss die Teilnahme am Gründungsfest der Feuerwehr A*****. Damit wurde die Absicht verfolgt, durch ein geschlossenes Auftreten in einem großen Verband eine positive Außendarstellung der Feuerwehr im Allgemeinen und der Feuerwehr M***** im Besonderen zu erreichen und das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Einsatzorganisation zu festigen. Außerdem ging es um die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls unter den Mitgliedern der Feuerwehr M***** und den fachlichen Erfahrungsaustausch mit den Mitgliedern anderer Feuerwehren.
[5] Am schrieb der Kommandant über WhatsApp folgende Nachricht an die Feuerwehrmitglieder: „Heute 19.00 Uhr Treffpunkt FF Haus für die Florianimesse! Treffpunkt für FF Fest in A***** Samstag um 17.30 Uhr im FF Haus! Beides in braun, Danke vorab! MKG.“
[6] Die Klägerin war beim Feuerwehrfest in A***** als Marketenderin im Einsatz und trug ein Dirndlkleid, eine dünne Strickweste und Ballerina-Schuhe mit flacher Sohle. Sie war der warmen, aber nicht heißen Temperatur an diesem Tag angepasst gekleidet und gesellte sich zu den anderen 18 uniformierten Mitgliedern der Feuerwehr M*****. Nach dem Befehl zur Aufstellung der Abordnungen der Feuerwehren wurden diese in Züge eingeteilt und marschierten über eine Entfernung von rund 400 m an der Festbühne am Ortsplatz in A***** vorbei, wo sie von den Ehrengästen begrüßt wurden. Die Mitglieder der Feuerwehr M***** waren dabei nach außen durch die mitgeführte Fahne, ihre Uniformen und den „Taferlbuben“ erkennbar, der der Abordnung mit einer Tafel mit dem Namen der Feuerwehr vorausging. Beim Vorbeimarsch an der Tribüne wurde die Feuerwehr M***** – wie auch alle anderen – namentlich aufgerufen.
[7] Die Feuerwehren sammelten sich anschließend im neuen Zeughaus. Dort aß die Klägerin eine Leberkäsesemmel und teilte sich mit einer Freundin eine 0,3-Liter-Flasche Radler. Die Feuerwehren wurden in drei Blöcke eingeteilt, die geschlossen wieder zur Festbühne am Ortsplatz zurück marschierten und dort Aufstellung nahmen. In der Folge wurden Begrüßungsworte gesprochen und Ansprachen gehalten. Beim Festakt waren als Ehrengäste und Redner ein Landtagsabgeordneter, der Bezirksfeuerwehrkommandant sowie der Bürgermeister und der Pfarrer von A***** anwesend, auch die Bevölkerung nahm daran teil. Für die Formation wurde während der Ansprachen das Kommando „Ruht!“ gegeben. Dabei blieben die Feuerwehrleute weiterhin ruhig in der Einteilung stehen. Die Körperspannung konnte aber gelockert werden, man konnte leicht in die Knie gehen und den Oberkörper leicht bewegen.
[8] Nachdem die Klägerin während der Ansprachen etwa 20 bis 30 Minuten in der Formation gestanden war, führte das Versagen des vasokonstriktorischen Reflexes im Bereich der Beinvenen (orthostatische Dysregulation) aufgrund des längeren Stehens um etwa 20:00 Uhr zu einer Synkope (das ist ein plötzlich einsetzender, kurz dauernder, spontanreversibler Bewusstseins- und Tonusverlust infolge cerebraler Minderperfusion). Dadurch sackte sie ohne jede Abwehrreaktion zu Boden und prallte mit dem Kinn auf dem Kopfsteinpflaster auf. Sie erlitt dabei eine Rissquetschwunde am Kinn rechts in Höhe des rechten Mundwinkels, Frakturen des aufsteigenden Unterkieferasts und des Kieferkörpers rechts sowie des Kiefergelenksköpfchens links und weitere Verletzungen an den Zähnen. Die durch die Unfallfolgen bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit erreichte auch in der Anfangsphase zu keinem Zeitpunkt 20 vH und beträgt aktuell 5 vH.
[9] Der Sturz der Klägerin hätte vor allem bei lang dauerndem Stillstehen ohne Möglichkeit der Benutzung der Muskelpumpe der unteren Extremitäten (Herumgehen, Bewegung) oder beim plötzlichen Aufstehen aus der liegenden Position auftreten können. Die Klägerin ist vor dem gegenständlichen Vorfall und auch danach nie ohne erkennbaren Grund niedergefallen. Aufgrund ihrer Berufstätigkeit als Verkäuferin war sie auch das Stehen gewöhnt. Bei Veranstaltungen der Feuerwehr kam es immer wieder vor, dass die Klägerin länger ruhig in der Einteilung stehen musste. Bei diesen Gelegenheiten waren bei ihr nie Kreislaufprobleme aufgetreten.
[10] Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Anerkennung des Unfalls vom als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen aus diesem Ereignis habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, am Festakt der Feuerwehr A***** teilzunehmen, der Unfall habe sich nicht bei einer Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der „Schlagkraft“ der Feuerwehr M***** ereignet. Der Sturz der Klägerin sei aus innerer Ursache erfolgt.
[11] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihre Kopf- und Kieferverletzungen Folge eines einem Arbeitsunfall gleichgestellten Unfalls im Feuerwehrdienst seien, sowie die Zuerkennung einer Versehrtenrente. Der Unfall sei während eines offiziellen Festakts im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Feuerwehren geschehen. Der Festakt sei eine gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG versicherte Außendarstellung der Freiwilligen Feuerwehr gewesen, er habe der Bereitschaft zu spenden und ehrenamtlich bei der Feuerwehr mitzuarbeiten gedient. Die Tätigkeit für die Feuerwehr erfolge an sich freiwillig: Entscheide man sich jedoch dafür, zähle neben dem eigentlichen Feuerwehrdienst auch das Repräsentieren der Feuerwehr bei einer anderen Feuerwehrveranstaltung zu den damit verbundenen Verpflichtungen.
[12] Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die bloße Teilnahme am Gründungsfest einer anderen Freiwilligen Feuerwehr, das nur „allgemeiner Kameradschaftspflege“ diene, nicht unter Versicherungsschutz stehe. Nur 18 von 78 aktiven Mitgliedern der Feuerwehr M***** hätten teilgenommen, auch die Teilnahme der Klägerin sei freiwillig und rein privat erfolgt. Der Sturz der Klägerin sei aus innerer Ursache erfolgt, sodass auch aus diesem Grund kein Versicherungsschutz bestehe.
[13] Das Erstgericht stellte fest, dass die im Einzelnen im Urteilsspruch genannten Mund- und Kieferverletzungen der Klägerin Folge eines Arbeitsunfalls vom seien. Das Leistungsbegehren auf Zuerkennung einer Versehrtenrente wies es hingegen ab. Im Umfang der Abweisung des Leistungsbegehrens erwuchs sein Urteil in Rechtskraft.
[14] Rechtlich bejahte das Erstgericht das Vorliegen eines einem Arbeitsunfall gleichgestellten Unfalls gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG. Die Festveranstaltung der Feuerwehr A***** sei objektiv geeignet gewesen, das Ansehen der Freiwilligen Feuerwehr im Allgemeinen und der daran teilnehmenden Feuerwehren im Besonderen zu fördern, aber auch das Interesse in der Bevölkerung für eine derartige ehrenamtliche Tätigkeit zu wecken. Unterliege die Veranstaltung als solche dem Unfallversicherungsschutz, so sei dieser auch für ehrenamtliche Mitglieder zu bejahen, die dort in einer Funktion tätig würden. Die Klägerin habe in ihrer Funktion als ehrenamtliches Mitglied der Feuerwehr M***** am offiziellen Festakt zum Gründungsfest der Feuerwehr A***** teilgenommen.
[15] Der Sturz der Klägerin sei als Unfall zu werten. Das lang dauernde Stillstehen ohne Möglichkeit einer Bewegung sei keine alltäglich vorkommende Belastung. Die Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtliches Mitglied der Feuerwehr M***** sei wesentliche Bedingung für die Körperschädigung gewesen, sodass der zeitliche, örtliche und innere Zusammenhang des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit zu bejahen sei. Da die Minderung der Erwerbsfähigkeit das Ausmaß von 20 vH nicht erreicht habe, sei nur das Feststellungsbegehren berechtigt.
[16] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies auch das Feststellungsbegehren der Klägerin ab. Zwar handle es sich bei einem Sturz um ein von außen einwirkendes Ereignis. Voraussetzung für die Qualifikation eines Ereignisses als Arbeitsunfall in der gesetzlichen Unfallversicherung sei jedoch, dass die Ursache des Unfalls aus dem Schutzbereich der Unfallversicherung stamme. Maßgebliche „Einwirkung von außen“ sei im vorliegenden Fall das unbewegte Stehen der Klägerin in Formation für etwa 20 bis 30 Minuten gewesen. Dabei handle es sich jedoch nicht um eine außergewöhnliche Belastung, vielmehr komme ein solches Stehen auch sonst im Leben immer wieder vor, etwa bei Veranstaltungen von Chören, Trachtenvereinen, beim Besuch von Konzerten, Sportveranstaltungen oder kirchlichen Feierlichkeiten. Das Ereignis vom könne daher nicht als Arbeitsunfall qualifiziert werden. Auf die weitere Frage, ob ein solcher Unfall unter den Schutzbereich des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG falle, müsse nicht eingegangen werden. Die Revision sei zulässig, weil eine Klarstellung zum Begriff des Unfalls im Sinn des § 175 ASVG bzw des „plötzlichen Ereignisses“ im Sinn einer „Einwirkung von außen“ geboten erscheine.
[17] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, mit der die Klägerin die Stattgebung ihres Feststellungsbegehrens anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[18] Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
[19] Die Revisionswerberin führt aus, dass das für den Sturz der Klägerin ursächliche unbewegte längere Stehen keinesfalls eine alltäglich vorkommende Belastung darstelle. Es liege daher ein Unfall im Sinn des § 175 ASVG vor. Dieser falle in den Schutzbereich des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG. Mit dieser in der Berufung der Beklagten thematisierten Rechtsfrage habe sich das Berufungsgericht zu Unrecht nicht auseinandergesetzt, sodass sein Verfahren mangelhaft geblieben sei.
[20] Dem hält die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt auch in der Revisionsbeantwortung entgegen, dass kein Unfall im Sinne eines plötzlichen Ereignisses vorliege. Insbesondere fehle es auch an einer außergewöhnlichen Belastung der Klägerin. Die Teilnahme am Fest einer benachbarten Feuerwehr stelle keine den Versicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG begründende Werbemaßnahme dar.
[21] Dazu wurde erwogen:
[22] 1. Zur Beurteilung des Sturzes der Klägerin als Unfall
[23] Bei Arbeitsunfällen gilt der Versicherungsfall gemäß § 174 Z 1 ASVG mit dem Unfallereignis als eingetreten. Den Arbeitsunfällen sind gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG Unfälle gleichgestellt, die sich bei Tätigkeiten ereignen, die die Mitglieder der in § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG genannten Organisationen – zu denen auch die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren gehören – im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereichs ausüben, wenn sie für diese Tätigkeiten keine Bezüge erhalten, in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung einbezogen sind und einen Antrag gemäß § 22a Abs 4 erster Satz ASVG stellen. Die Erfüllung der formalen Voraussetzungen dieser Bestimmung (unentgeltliche Tätigkeit; Einbeziehung in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung; Antrag gemäß § 22a Abs 4 Satz 1 ASVG) ist im Verfahren nicht strittig. In einem ersten Schritt bedarf es daher der Klärung der Frage, ob der Sturz der Klägerin ein Unfall im Sinn dieser Bestimmungen war.
[24] Der Unfallbegriff ist im ASVG nicht definiert. Von der Rechtsprechung wird der Unfall für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung dahin umschrieben, dass es sich um ein zeitlich begrenztes Ereignis – eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung – handelt, das zu einer Körperschädigung (oder zum Tod) geführt hat (RS0084348). Dabei handelt es sich nur um eine beispielsweise Aufzählung (10 ObS 131/90 SSV-NF 4/85). Für dem Unfallbegriff ist nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt. Nach der neueren Rechtsprechung kann auch ein zur gewöhnlichen (geschützten) Tätigkeit gehörendes Ereignis ein Unfall sein, sofern es nur zeitlich begrenzt ist (RS0084089; zuletzt 10 ObS 162/19z).
[25] Ein Sturz ist danach als Unfall anzusehen. Bei einem Sturz auf den Boden liegt das von außen wirkende Ereignis im Aufprall des Körpers auf dem Boden (10 ObS 16/11t SSV-NF 26/10; 7 Ob 57/17h; Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung [SGB VII] § 8 SGB VII Rn 618 mwH).
[26] Da bereits ein von außen wirkendes Ereignis – der Sturz der Klägerin verbunden mit ihrem Aufprall am Boden – ein Unfall im dargestellten Sinn ist, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob das unbewegte Stehen in der Formation durch 20 bis 30 Minuten eine „außergewöhnliche Belastung“ ist oder nicht. Denn auch Unfallereignisse, die auf organische Ursachen – wie hier die Synkope der Klägerin – zurückzuführen sind, werden vom Unfallbegriff erfasst (7 Ob 57/17h). Für den Unfallbegriff ist nicht maßgeblich, ob die Körperschädigung durch eine physische oder psychische Wirkung (zB einen Nervenschock) hervorgerufen wird (10 ObS 45/12h SSV-NF 26/31). Der entscheidende Unterschied eines Unfalls zu einer Krankheit liegt in der zeitlichen Begrenztheit des Ereignisses (RS0110320; Müller in SV-Komm [222. Lfg] Vor § 174–177 ASVG Rz 8), die hier vorliegt.
[27] Die von der Klägerin erlittenen Verletzungen sind Folge ihres Sturzes vom und daher eines Unfalls (Unfallereignisses) im Sinn des § 174 Z 1 ASVG.
[28] 2. Zur Frage des Versicherungsschutzes gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG
[29] § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG erweitert den Versicherungsschutz (nur) für ehrenamtlich tätige Mitglieder der in § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG genannten Organisationen auf Tätigkeiten, die weder Ausbildung noch Übung oder Einsatzfall sind, sich aber im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereichs halten (Müller in SV-Komm [219. Lfg] § 176 ASVG Rz 115). Geschützt sind nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG nur Tätigkeiten, die in einem Zusammenhang mit der Verwirklichung des (auf Grundlage des Gesetzes oder der Satzung erfolgenden) gemeinnützigen Tätigwerdens stehen. Dazu gehören jedenfalls die Öffentlichkeitsarbeit (10 ObS 42/17z SSV-NF 31/32), aber auch Hilfstätigkeiten, wenn sie der Einnahme von Spenden zur Finanzierung der Organisation dienen, wie zB die Beteiligung an ortsüblichen Festtagsmärkten, die Veranstaltung eines Feuerwehrfests oder eines Feuerwehrheurigen, Errichtung eines Verkaufsstands der Freiwilligen Feuerwehr für einen Weihnachtsmarkt (10 ObS 139/17i SSV-NF 32/9 mwH).
[30] Bejaht wurde der Versicherungsschutz nach dieser Bestimmung für eine Besprechung, welche der Organisation eines Grillfests diente, das die Pflege des Kontakts mit anderen Hilfsorganisationen zum Ziel hatte und somit der Organisation des örtlichen Hilfs- und Rettungswesens diente (10 ObS 153/07h SSV-NF 21/89). Bejaht wurde der Versicherungsschutz für einen für die Jugendarbeit zuständigen Feuerwehrkommandanten, der ein Fest der Feuerwehr aus Anlass eines Wettbewerbserfolgs der Feuerwehrjugend organisierte und der in Ausübung seiner Funktion als Organisator beim Zünden eines Feuerwerks zum Abschluss des offiziellen Festakts verletzt wurde (10 ObS 139/17i, DRdA 2019/8, 71 [Hörmann] = SSV-NF 32/9).
[31] Die Veranstaltung eines Feuerwehrfests ist wie ausgeführt in der Regel geeignet, dem öffentlichen Ansehen der Feuerwehr und der Erhöhung der Spendenbereitschaft der Bevölkerung zu dienen. Die von der Feuerwehr A***** veranstaltete Feier aus Anlass ihres Gründungsjubiläums wäre daher nach den dazu von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien grundsätzlich geeignet, in ihrem offiziellen Teil, in dessen Rahmen sich der Unfall der Klägerin ereignet hatte, einen Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG für ehrenamtliche Mitglieder der veranstaltenden Feuerwehr A*****, die dort in einer Funktion tätig wurden, zu begründen. Diese Frage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu beurteilen.
[32] Denn die Klägerin war nicht als Mitglied der veranstaltenden Feuerwehr A*****, sondern der im selben Abschnitt etablierten Feuerwehr M***** Teilnehmerin an der Veranstaltung. Zutreffend weist die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, dass für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes zwischen der schlichten Teilnahme an einer Veranstaltung wie einem Feuerwehrfest einer – benachbarten – Freiwilligen Feuerwehr und deren Organisation bzw Leitung zu unterscheiden ist (Mathy, Unfallversicherungsschutz von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, DRdA 2018/7, 57). Unterliegt eine Veranstaltung dem Schutzbereich der Unfallversicherung, so ist der Unfallversicherungsschutz (nur) für einen ehrenamtlichen Mitarbeiter zu bejahen, der dort in einer Funktion tätig wird (also mit einer Tätigkeit beauftragt wird), und – zur Wahrung des geforderten unmittelbaren Zusammenhangs – nur solange er in dieser Funktion an diesem Fest teilnimmt (10 ObS 139/17i SSV-NF 32/9; Müller, Versicherungsschutz ehrenamtlicher Mitarbeiter des Roten Kreuzes; satzungsmäßiger Wirkungsbereich; Wegunfall, DRdA 2009/38, 396 [401]).
[33] Die Klägerin war nach den Feststellungen jedoch nicht – insbesondere nicht für die veranstaltende Feuerwehr A***** – in einer Funktion tätig, sondern nahm daran lediglich als Teilnehmerin im Rahmen ihrer Mitgliedschaft zu einer benachbarten Feuerwehr teil. Darin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch wesentlich von dem zu 10 ObS 139/17i entschiedenen, in dem der damals klagende Feuerwehrkommandant als für die Jugendarbeit Verantwortlicher und als Organisator einer Veranstaltung seiner eigenen Feuerwehr tätig war.
[34] Aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht in Uniform, sondern als Marketenderin gekleidet „im Einsatz war“, ergibt sich nicht, dass sie mit einer Funktion im dargestellten Sinn, also mit einer Tätigkeit im Rahmen der Veranstaltung betraut war. Fest steht lediglich, dass die Klägerin an der Veranstaltung in der Formation der eigenen Feuerwehr teilnahm. Die Ausführungen in der Revision, dass die Klägerin mit der „Betreuung der teilnehmenden Feuerwehrkameraden bzw der Gäste beauftragt“ gewesen wäre und durch den Verkauf von „Schnaps unmittelbar Einnahmen lukriert“ habe, welche der „Erhöhung der Schlagkraft“ (§ 2 Abs 2 Oö Feuerwehrgesetz 2015, LGBl 2014/104) der eigenen Feuerwehrorganisation M***** gedient hätten, finden im festgestellten Sachverhalt keine Grundlage.
[35] 3. Da die Klägerin im Unfallszeitpunkt keine unter dem Unfallversicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG stehende Tätigkeit ausübte, erweist sich die Abweisung des Feststellungsbegehrens als berechtigt. Der Revision ist damit im Ergebnis nicht Folge zu geben.
[36] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00080.20T.0901.000 |
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