OGH vom 28.10.2016, 9Ob10/16k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger, Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Korn Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 5.612,48 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 298/15z 53, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom , GZ 5 C 1595/12f 49, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte pachtete von der Klägerin beginnend ab für 60 Monate ein Lokal in K*****. Aufgrund von Streitigkeiten suchte sie 2011 einen Nachpächter. Im Zuge dieser Bemühung kam es zu Gesprächen mit S***** und deren Lebensgefährten. Erörtert wurde dabei die Zahlung einer Ablöse für Investitionen sowie die erforderliche Zustimmung der Klägerin zu einem Pächterwechsel.
Am teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie einen Nachpächter gefunden habe, der auch ihre Investitionen ablösen werde. Sie vereinbarten, dass die Beklagte mit aus dem Pachtverhältnis ausscheidet und die Klägerin mit S***** einen Pachtvertrag beginnend mit abschließt. Am fragte der Ehegatte der Klägerin in deren Namen an, wann die Lokalschlüssel übergeben werden, da der neue Pächter diese am erhalten sollte. Tatsächlich erfolgte die Schlüsselübergabe erst am . Hintergrund war, dass es zwischen der Beklagten und der Nachpächterin zu einem Streit darüber gekommen war, ob eine Vereinbarung über eine Ablösezahlung für die Investitionen zustande gekommen war.
S***** unterfertigte am zwar einen Pachtvertrag mit der Klägerin, lehnte jedoch Zahlungen an die Beklagte ab und forderte von der Klägerin die Entfernung der Lokaleinrichtung der Beklagten. Diese hatte die Einrichtung trotz Schlüsselübergabe im Lokal belassen, weil sie von einer wirksamen Ablösevereinbarung ausging.
Von der Klägerin wurde letztlich im November 2011 gegen den Willen der Beklagten die Lokaleinrichtung – nicht fachgerecht – abgebaut, sodass es zu teilweisen starken Beschädigungen kam. Ein Teil des Inventars wurde im Keller, ein Teil nicht fachgerecht bei der Firma N***** eingelagert. Die Nachpächterin übernahm das Objekt erst nach der Räumung, wodurch der Klägerin der Pachtzins für November 2011 entging. Die Beklagte klagte die Nachpächterin auf Zahlung von 30.000 EUR Pauschalablöse. Diese Klage wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass eine Vereinbarung über diese Ablöse nicht festgestellt werden könne.
Am holte die Beklagte die im Keller eingelagerten Fahrnisse ab und verkaufte sie um 3.000 EUR. Die Mitnahme der bei der Firma N***** eingelagerten Einrichtungsteile verweigerte sie. Für die eingelagerten Teile der Einrichtung hätte ein Preis von rund 1.000 EUR erzielt werden können, wobei der Käufer Reparaturen von mindestens 850 EUR vorzunehmen gehabt hätte. Bei entsprechendem Bemühen hätte ein Interessent auch einen Preis von bis zu 10.000 EUR bis 12.000 EUR bezahlt.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 5.612,48 EUR. Sie brachte vor, die Beklagte habe das Lokal vereinbarungswidrig nicht Ende Oktober 2011 geräumt übergeben, weshalb für November ein Benutzungsentgelt von 1.423,54 EUR zu zahlen sei. In der Folge seien nur die Schlüssel abgegeben worden. Nach erfolgloser Aufforderung sei Ende November 2011 die Räumung des Bestandobjekts und die Lagerung der Gegenstände auf Kosten und Risiko der Beklagten durch die Klägerin veranlasst worden, um das Objekt der Nachpächterin übergeben zu können. Geltend gemacht würden daher die Kosten des Abbaus und Transports des Inventars von 1.460 EUR, die Kosten der ordnungsgemäßen Lagerung in einem Container in Höhe von 1.596 EUR, die Kosten der Lagerung im Keller von 1.450 EUR, weitere Transportkosten von 180 EUR sowie Lagerkosten von 1.262,94 EUR. Davon sei die Kaution von 1.760 EUR abzuziehen. Trotz mehrmaliger Aufforderung habe die Beklagte ihre Sachen nicht abgeholt.
Durch die Schlüsselübergabe am sei die Rückstellung des Pachtgegenstands vollzogen worden und habe sie Besitz, Innehabung und tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über den Pachtgegenstand erhalten. Die Beklagte habe die ordnungsgemäße Räumung behauptet, die Nachpächterin die Übernahme nur im geräumten Zustand vornehmen wollen. Tatsächlich habe sich die Beklagte im verschuldeten Verzug befunden und sei zum Ersatz aller Schäden und Aufwendungen daraus verpflichtet.
Die Beklagte bestritt und brachte vor, sie habe sich mit der Nachpächterin auf eine Übernahme des Inventars gegen eine Ablösezahlung geeinigt. Nach Erhalt des Pachtvertrags habe diese die Einhaltung dieser Vereinbarung verweigert. Der Klagevertreter sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Zustand des Objekts bei Rückstellung der Vereinbarung mit der Nachpächterin entspreche. Sie habe daher weder den Bestandzinsausfall für November noch die Einlagerungskosten zu tragen. Die Fahrnisse, die im Container eingelagert gewesen seien, seien völlig zerstört worden und vollkommen unbrauchbar. Der Schaden betrage 15.000 EUR, dieser Betrag werde kompensando eingewendet. Im ordnungsgemäßen Zustand hätte die Einrichtung einer Interessentin um jedenfalls 10.000 EUR verkauft werden können. Die Klägerin hätte, wäre sie davon ausgegangen, dass keine ordnungsgemäße Räumung erfolgt sei, eine Räumungsklage einbringen müssen, nicht eigenmächtig das Inventar entfernen dürfen. Aufgrund ihres Vorgehens, Selbsthilfe zu üben, habe sie die Folgen ihres Tuns selbst zu verantworten.
Das Erstgericht stellte fest, dass die Klagsforderung mit 2.656,48 EUR und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht besteht und wies das Klagebegehren von 5.612,48 EUR sA ab. Es führte rechtlich aus, dass die Klägerin nicht zur Selbsthilfe berechtigt gewesen sei, sondern auf Räumung hätte klagen müssen. Für den unsachgemäßen Ausbau und die unsachgemäße Lagerung stünden ihr daher keine Kosten zu. Es sei jedoch ein Nutzen für die Beklagte insoweit entstanden, als das Inventar im Keller verwahrt worden sei. Die Klägerin habe daher Anspruch auf die dafür aufgewendeten Kosten von 1.550 EUR. Da die Beklagte der Klägerin nach der Besichtigung im Mai 2014 untersagt habe, die Lagerung zu beenden, habe sie auch die danach angelaufenen Lagerkosten von 1.442,94 EUR zu ersetzen. Zuzüglich des Pachtzinses für November 2011 und abzüglich der Kaution ergebe sich ein zustehender Betrag von 2.656,48 EUR.
Ausgehend davon, dass im ordnungsgemäßen Zustand das Inventar um 10.000 EUR bis 12.000 EUR hätte verkauft werden können, abzüglich der Ausbaukosten von 4.000 EUR und dem tatsächlichen Erlös von 3.000 EUR sei der Schaden der Beklagten aufgrund der Beschädigungen jedoch höher als die berechtigte Klagsforderung. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge. Die eigenmächtige Räumung eines Bestandobjekts sei nach ständiger Rechtsprechung unzulässige Selbsthilfe, die schadenersatzpflichtig mache. Dass für die Kosten der Maßnahmen unzulässiger Selbsthilfe kein Ersatz zustehe, entspreche ebenso der Rechtsprechung wie dass für dadurch verursachte Schäden zu haften sei. Der Klägerin wäre es zumutbar gewesen, den Gerichtsweg zu beschreiten. Die Feststellung des Erstgerichts, dass die Klagsforderung mit 2.656,48 EUR zu Recht bestehe, sei jedoch unbekämpft geblieben. Das darüber hinausgehende Klagebegehren sei schon infolge fehlender Ersatzfähigkeit nicht berechtigt. Hinsichtlich der Gegenforderung sei aufgrund der getroffenen Feststellungen zu der Möglichkeit der Erzielung eines Kaufpreises von 10.000 EUR bis 12.000 EUR vom Verlust einer Erwerbschance auszugehen. Damit sei aber auch die Gegenforderung berechtigt.
Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil sich die bisherige Rechtsprechung zur eigenmächtigen Räumung nicht auf Fälle nach Rückgabe des Schlüssels bei gleichzeitiger Berufung auf ein Recht zur Belassung des Inventars beziehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Nach § 1109 ABGB ist der Bestandnehmer zur Rückstellung des Bestandobjekts bei Beendigung des Bestandvertrags verpflichtet. Zur Rückstellung eines unbeweglichen Bestandobjekts gehört in der Regel, dass dem Bestandgeber wieder die Innehabung und tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über den Bestandgegenstand eingeräumt wird, dass die dem Bestandnehmer gehörigen Fahrnisse vollständig aus dem Bestandgegenstand entfernt werden und dass die Schlüssel an den Bestandgeber übergeben werden (RIS Justiz RS0020765; 6 Ob 25/11m mwN).
So ist im Allgemeinen auch bei Räumung des Objekts die Rückstellung ohne Übergabe des Schlüssels nicht vollzogen (RIS Justiz RS0020818). Während der Bestandgeber wegen Beschädigung des Bestandobjekts die Übernahme grundsätzlich nicht verweigern darf, sondern auf Ansprüche nach § 1111 ABGB verwiesen ist ( Karner in KBB 4 , §§ 1109 bis 1110 Rz 3), ist der Vermieter nicht verpflichtet, ein nicht ordnungsgemäß geräumtes Objekt zurückzunehmen.
2. Die Rückstellung gilt jedoch als vollzogen, sobald der Bestandgeber vom Bestandobjekt Besitz ergreift, selbst wenn noch einzelne Fahrnisstücke im Objekt zurückgeblieben sind ( Pesek in Schwimann/Kodek , ABGB 4 V § 1109 Rz 9 mwN; vgl Würth in Rummel 3 , §§ 1109, 1110 ABGB Rz 4).
Dem entspricht, dass auch die Exekution durch zwangsweise Räumung mit der Einweisung der betreibenden Partei in den Besitz des zu übergebenden Mietgegenstands beendet ist. Dies auch dann, wenn noch bewegliche Sachen des Verpflichteten zurückgeblieben sind (3 Ob 108/94). Übernimmt der Bestandgeber die ungeräumte Sache in Besitz, besteht keine Möglichkeit mehr zu einer Räumungsexekution nach § 549 EO, die Entfernung von Fahrnissen aus einer Wohnung oder einer Liegenschaft ist danach nur noch gemäß § 353 EO vollstreckbar ( Höllwerth in Burgstaller/Deixler Hübner [Hrsg], Exekutionsordnung [2. Lfg 2000] zu § 349 EO Rz 3).
3. Die eigenmächtige Räumung eines Bestandobjekts von den Fahrnissen Dritter durch einen Liegenschaftseigentümer wird, wie das Berufungsgericht richtig dargestellt hat (§ 510 Abs 3 ZPO), nach ständiger Rechtsprechung als Akt unzulässiger Selbsthilfe beurteilt, wenn damit bloß der durch den Räumungsverzug gegebene rechtswidrige Zustand beseitigt werden soll (RIS Justiz RS0009069). Rechtswidrige Ausübung von Selbsthilfe macht den Bestandgeber schadenersatzpflichtig (vgl etwa 3 Ob 255/08h; 2 Ob 2176/96f).
Wurde das Bestandobjekt jedoch vom Bestandnehmer dem Bestandgeber – wenn auch nicht vollständig geräumt – übergeben und von diesem auch in diesem Zustand übernommen, kann von einer eigenmächtigen Inbesitznahme im Sinn dieser vom Berufungsgericht zitierten Judikatur nicht gesprochen werden. Die Übertragung des Besitzes am Objekt samt den darin enthaltenen Fahrnissen entspricht in diesem Fall dem Willen der Parteien.
4. Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche Verfügungsrechte über die Fahrnisse damit dem Bestandgeber zukommen und welche Ansprüche gegen den Bestandnehmer aus der Zurücklassung von Fahrnissen geltend gemacht werden können. Dies kann nicht allgemein, sondern nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Liegt keine Dereliktion vor, von der nur bei einem konkreten Willen, das Eigentum aufzugeben, auszugehen ist, wird in der Regel einerseits der Bestandnehmer zur Zahlung jenes Betrags verpflichtet sein, den er sich dadurch erspart hat, dass er für diese Gegenstände keine andere Einlagerungsmöglichkeit schaffen musste (vgl 1 Ob 39/03x), andererseits aber auch der Bestandgeber zumindest das Eigentum des Bestandnehmers zu respektieren haben (vgl Saria , Rechtsfragen des neuen § 864 Abs 2 ABGB, RdW 1997, 647).
Im vorliegenden Fall kann allerdings dahingestellt bleiben, ob aufgrund der Rückstellung der Schlüssel am eine (einvernehmliche) Inbesitznahme des Bestandobjekts durch die Klägerin bewirkt wurde. Im Revisionsverfahren strittig sind nur mehr die Kosten für den nach den Feststellungen unsachgemäßen Abbau und die nicht fachgerechte Einlagerung der Einrichtung der Beklagten. Dieses Vorgehen der Klägerin, das zu erheblichen Schäden an den Sachen führte, brachte für die Beklagte keinen geldwerten Vorteil oder Nutzen. Daher besteht, selbst wenn man, anders als das Berufungsgericht nicht von einer eigenmächtigen Inbesitznahme durch die Klägerin ausgeht, weder ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB noch eine Geschäftsführung zum Nutzen der Beklagten iSd § 1037 ABGB.
Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Abbau- und Einlagerungskosten. Insoweit haben die Vorinstanzen zu Recht diese Beträge nicht zugesprochen und besteht die Klagsforderung über den vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Betrag hinaus nicht zu Recht.
Hinsichtlich der Gegenforderung bestreitet die Revision nur die Höhe des von den Vorinstanzen festgestellten Wertes bzw möglichen Verkaufserlöses. Dabei handelt es sich jedoch um nicht revisible Tatsachenfeststellungen. Gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen zur Begründung des Zuspruchs wendet sich die Revision dagegen nicht, weshalb diese Rechtsansicht der Vorinstanzen vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00010.16K.1028.000