VfGH vom 08.06.2010, b5/10
Sammlungsnummer
19062
Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch denkunmögliche Vorschreibung einer restlichen Pauschalgebühr für den Abschluss eines Vergleichs betreffend Mietzinse; denkunmögliche Annahme der Beendigung des bisherigen Mietvertrags und Abschluss eines neuen Vertrages
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit EUR 2620,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Partei brachte mit am 18. August
2004 beim Bezirksgericht Linz eingelangtem Schriftsatz eine Klage wegen Mietzinsrückständen und wegen Räumung ein. Dafür entrichtete sie eine Pauschalgebühr gemäß TP1 GGG in Höhe von EUR 47,--. In der Tagsatzung vom schloss sie mit dem Beklagten einen Vergleich; darin verpflichtete sich der Beklagte zunächst, die aushaftenden Mietzinsrückstände (für eine Wohnung) von insgesamt EUR 2.325,02 s.A. und Prozesskosten in Höhe von EUR 127,-- in monatlichen Raten zu je EUR 100,-- bezahlen (Pkt. 1). In diesem Vergleich verpflichtete sich die beklagte Partei weiters, der klagenden Partei die Wohnung bis längstens bei sonstiger Exekution geräumt zu übergeben (Pkt. 2). Pkt. 3 des Vergleiches lautet:
"Die klagende Partei macht vom Exekutionstitel auf Räumung laut Punkt 2 dieses Vergleiches keinen Gebrauch, sofern der Beklagte seiner Ratenzahlungsverpflichtung laut Punkt 1 dieses Vergleiches zeitgerecht nachkommt und überdies die laufenden monatlichen Mieten bis 15. eines jeden Monats bezahlt (diese vom Mietvertrag abweichende Fälligkeit gilt lediglich bezüglich dieses Vergleiches)."
2. Mit einem Zahlungsauftrag vom wurde der beschwerdeführenden Partei für den Vergleich gemäß TP1 GGG iVm § 14,§ 18 Abs 2 Z 2 GGG und § 58 Abs 1 JN (unter Annahme einer in Pkt. 3 des Vergleichs enthaltenen Verpflichtung zu einer Leistung auf unbestimmte Dauer) eine restliche Pauschalgebühr gemäß TP1 GGG iHv EUR 1.035,-- samt Einhebungsgebühr iHv EUR 8,-- auf Basis des 10-fachen Jahresbetrages des (monatlichen) Mietzinses zur Zahlung vorgeschrieben. Mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom wurde dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag der beschwerdeführenden Partei nicht stattgegeben.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, die beklagte Partei hätte sich in Pkt. 3 des Räumungsvergleiches zur Bezahlung laufender monatlicher Mietzinse verpflichtet, womit eine materiell-rechtliche Verfügung über den Mietzins vorliege, die gebührenrechtlich zu beachten sei; der Berechnung der erhöhten Pauschalgebühr sei das Zehnfache der Jahresleistung zugrunde zu legen.
3. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. § 7 Abs 7 GEG 1962) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums, in eventu die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und des Zivilrechtsstreites vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie u.a. Folgendes ausführte:
"Für die Ermittlung des für die Gebührenbemessung maßgeblichen Werts des Streitgegenstands eines gerichtlichen Vergleichs kann es - wie auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung richtigerweise ausführt - im Regelfall nur auf die im Vergleich enthaltenen materiellrechtlichen Verfügungen ankommen. Jeder Vergleich ist daher gesondert zu betrachten und im Kontext mit dem bisherigen Vorbringen der Parteien, das den Streitgegenstand abgesteckt hat, zu verstehen und auszulegen. Entscheidend ist daher, was bislang schon Klagsgegenstand war und welche Verfügungen darüber hinaus im Vergleich getroffen werden. Für Zwecke der Auslegung des Vergleichs ist daher auch dieser Kontext zu berücksichtigen.
Der der nunmehrigen Beschwerde zugrunde liegende Vergleich unterscheidet sich demnach, wenn auch nur geringfügig, so doch in entscheidenden Punkten von den Vergleichen, die den Erkenntnissen VfSlg. 17.634/2005 und VfSlg. 16.701/2002 zugrunde lagen:
In dem dem Erkenntnis VfSlg. 17.634/2005 vorangegangenen Gerichtsverfahren enthielt Punkt 3 des Vergleichs eine Klarstellung über die Höhe des Mietzinses. In Punkt 6 verpflichteten sich die Beklagten[,] die in Rede stehenden Bestandobjekte 'binnen vier Wochen ab Verzug' geräumt zu übergeben; Punkt 7 bestimmte sodann: 'Die klagende Partei ist nur dann berechtigt von dieser Räumungsverpflichtung lt. Punkt 6 Gebrauch zu machen, und das Delogierungsverfahren zu beantragen, wenn die beklagten Parteien ihren Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung nicht fristgerecht nachkommen.'
Wie der VfGH in seinem Erkenntnis festhielt, war dort nur die Frage strittig, ob Punkt 3 des Vergleichs die Verpflichtung der beklagten Partei zu wiederkehrenden Leistungen, nämlich zur Zahlung des laufenden Mietzinses enthält. Die Frage des Verzichts auf den Anspruch auf Räumung war in Punkt 3 nicht Thema. Anzumerken ist weiters, dass der Anspruch auf Räumung nach Punkt 6 überhaupt erst entsteht, wenn der Beklagte mit seinen Zahlungen in Verzug gerät, also aufschiebend bedingt ist. In diesem Fall wurde das Bestandverhältnis im Vergleich nicht beendet. Es bedarf dazu erst des Bedingungseintritts. Der Regelung in Punkt 7 kommt überhaupt keine eigene inhaltliche Bedeutung zu, weil bei Vorliegen der Voraussetzungen ('ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich fristgerecht nachkommen') mangels Verzugs überhaupt noch kein Räumungsanspruch entstanden ist. Die Klarstellung der Höhe des Mietzinses, wie sie in Punkt 3 des Vergleichs erfolgte, enthielt keine Verpflichtung der Beklagten, diesen auch zu bezahlen. Auf Grund dieser Divergenz der Sachverhalte scheint der bereits entschiedene Fall nicht vergleichbar.
Dem Anlassfall ähnlicher scheint die Fallkonstellation hingegen im Vergleich zum Erkenntnis VfSlg. 16.701/2002 zu sein.
Dort war die Formulierung 'Der Beklagte verpflichtet sich
weiters, dem Kläger das Bestandobjekt top Nr. 30 in ... geräumt von
eigenen Fahrnissen zu übergeben. Wenn die eingeräumten Ratenzahlungen neben dem laufenden monatlichen Mietzins pünktlich bezahlt werden, verpflichtet sich der Kläger vom Räumungstitel keinen Gebrauch zu machen.' Grundlage für den Bescheid, der mit dem Erkenntnis VfSlg. 16.701/2002 aufgehoben wurde.
Aber auch in diesem Vergleich ist von den Parteien offensichtlich nur die Schaffung eines bedingten Räumungstitels pro futuro beabsichtigt. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass einerseits kein Räumungstermin festgelegt und andererseits anschließend im selben Vergleichspunkt bei pünktlicher Vertragserfüllung vom unveränderten Fortbestehen des Bestandverhältnisses - unter Abstandnahme jeder Räumungspflicht - ausgegangen wird. Im strittigen Vergleichspunkt war letztlich überhaupt keine Mietzinsvereinbarung enthalten.
Anders stellt sich die Lage im vorliegenden Fall dar:
In Punkt 2 des Vergleichs wurde ein terminlich festgelegter unbedingter Räumungstitel geschaffen. Das Bestandverhältnis wurde aufgrund der gewählten Formulierung mit beendet. Im Punkt 3 räumte die Beschwerdeführerin dem Beklagten das Recht ein, das Bestandobjekt weiterhin (dh über die Beendigung des ursprünglichen Bestandvertrages hinaus) zu nutzen. Die Beschwerdeführerin hat mit dem Beklagten eine Vereinbarung mit vom bisherigen Bestandvertrag abweichenden Zahlungsmodalitäten auch für die Zeit nach Beendigung des ursprünglichen Bestandvertrags getroffen. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Beklagte auch zur Zahlung des im Vergleich nur unter Bezugnahme auf den Bestandvertrag festgelegten Entgelts, in Form von Mieten, die bis spätestens 15. eines jeden Monats bezahlt werden müssen.
Dass dem Beklagten ein (neues bzw. erneuertes) Mietrecht eingeräumt wurde, zeigt sich auch an der von der Beschwerdeführerin und dem Beklagten verwendeten Formulierung. Durch die Verwendung des Begriffes 'laufende monatlichen Mieten' bringen sie eindeutig zum Ausdruck, dass sie ein Bestandverhältnis begründen wollen, also dass dem Beklagten auch nach Beendigung des ursprünglichen Mietverhältnisses am ein Rechtsanspruch auf entgeltliche Nutzung zustehen soll. Auch wenn dieses (nach terminlich festgelegter Beendigung des ursprünglichen Mietverhältnisses) erneuerte Mietverhältnis unter der auflösenden Bedingung des Verzuges mit der Ratenzahlung bzw. laufenden Miete steht, so ist es doch gebührenrechtlich als Einräumung eines Rechts auf fortlaufende Nutzung gegen wiederkehrende Zahlung zu werten. Warum sich die Beschwerdeführerin nunmehr auf den Standpunkt stellt, lediglich unverbindlich in Aussicht gestellt zu haben, vom Exekutionstitel keinen Gebrauch zu machen, ist angesichts des Wortlauts der Vereinbarung nicht verständlich. In diesem Fall würde der Beklagte nämlich nach Beendigung des Bestandverhältnisses - durch die übernommene Pflicht zur Räumung - keineswegs Mieten, sondern vielmehr lediglich ein Benützungsentgelt zu zahlen haben, ohne dass ihm ein Rechtsanspruch auf Nutzung zustünde.
Die Beschwerdeführerin würde aufgrund des vorliegenden Vergleiches wohl angesichts einhelliger Rechtsprechung auch nicht den Standpunkt vertreten können, den Beklagten trotz Einhaltung der in Punkt 3 vereinbarten Verpflichtungen wegen titelloser Benützung des Bestandobjekts räumen lassen zu können. Vielmehr wäre für die Beendigung des Vertragsverhältnisses nach dem Vergleich die Setzung eines Kündigungs- oder sonstigen Auflösungsgrundes erforderlich, weil der Beklagte nach dem Vergleichstext eben gerade nicht titelloser Nutzer ohne Rechtsanspruch ist. Folgt man diesem Weg konsequent, kann man letztlich nur zum Schluss kommen, dass hier ein neues bzw. erneuertes Bestandverhältnis eingegangen wurde, wodurch der Beklagte auch die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses für unbestimmte Zeit übernommen hat.
Im Punkt 3 des Vergleiches verzichtet die Beschwerdeführerin daher nicht bloß auf das ihr zuvor eingeräumte Recht auf Räumung - wofür keine Gebühren zu entrichten sind -, sondern räumt dem Beklagten das Recht auf fortdauernde Nutzung gegen ein bestimmtes Entgelt ein. Dieses Recht ist im Vergleich mit keinem bestimmten Zeitpunkt begrenzt, Gegenleistung für die Einräumung dieses Rechts ist die Zahlung des vereinbarten Mietzinses.
Anders als bei einer reinen Lösungsbefugnis, deren gebührenrechtliche Beurteilung dem Erkenntnis des [,] zu Grunde lag - auf das auch in den beiden Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 17.634/2005 und VfSlg. 16.701/2002 verwiesen wurde -, wurde also im vorliegenden Vergleich dem Beklagten nicht nur das Recht eingeräumt, sich von einer Verpflichtung zu lösen, sondern ein subjektives Recht auf weitere Nutzung des Bestandobjekts gewährt. Es wäre den Parteien des Vergleichs freigestanden, eine gebührenschonendere Vorgangsweise zu wählen und das ursprüngliche Mietverhältnis nur unter der Bedingung der nicht fristgerechten Zahlung einer Rate oder eines Mietzinses zu beenden und die Räumungsverpflichtung unter diese Bedingung zu stellen, wie dies in Anlassfällen der vom Verfassungsgerichtshof genannten Erkenntnisse VfSlg. 17.634/2005 und VfSlg. 16.701/2002 der Fall war.
Im vorliegenden Fall kann daher auch nicht - wie im Erkenntnis VfSlg. 16.701/2002 - davon gesprochen werden, dass der laufende Mietzins bloß beiläufig Erwähnung gefunden hätte. Im Gegenteil, es wurde - wie bereits ausgeführt - eine neue Vereinbarung über den Mietzins getroffen, indem ein vom Bestandvertrag abweichender Fälligkeitszeitpunkt vereinbart und nach Ablauf des Räumungstermins auflösend bedingt ein neues Mietverhältnis eingegangen wurde."
5. Die beschwerdeführende Partei erstattete eine Replik.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. §§14 und 18 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl. 501/1984, lauten:
"I. Bewertung des Streitgegenstandes
a) Im Zivilprozeß
Allgemeine Grundsätze
§ 14. Bemessungsgrundlage ist, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§54 bis 60 JN.
...
Wertänderungen
§18. (1) Die Bemessungsgrundlage bleibt für das ganze Verfahren gleich.
(2) Hievon treten folgende Ausnahmen ein:
1. Wird der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert, so bildet - unbeschadet des § 16 - der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.
2. Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
3. Betrifft das Rechtsmittelverfahren oder das Verfahren über eine Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes, so ist in diesem Verfahren für die Berechnung nur der Wert dieses Teiles maßgebend. Bei wechselseitig erhobenen Rechtsmitteln sind die Pauschalgebühren nach Maßgabe der Anträge eines jeden der beiden Streitteile gesondert zu berechnen und vom jeweiligen Rechtsmittelwerber zu entrichten. Ist der von der Anfechtung betroffene Teil nicht nur ein Geldanspruch, so hat ihn der Rechtsmittelwerber in der Rechtsmittelschrift zu bewerten; unterläßt er dies, ist der Bemessung der Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren der ganze Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes zugrunde zu legen.
4. Wenn ausschließlich der Ausspruch über die Zinsen angefochten wird, ist als Endzeitpunkt für die Zinsenberechnung der Zeitpunkt maßgebend, zu dem dem Rechtsmittelwerber die angefochtene Entscheidung zugestellt worden ist.
(3) Eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren tritt nicht ein, wenn das Klagebegehren zurückgezogen oder eingeschränkt wird oder wenn ein Teil- oder Zwischenurteil gefällt wird."
1.2. § 58 Abs 1 Jurisdiktionsnorm (JN), RGBl. 111/1895 idF BGBl. 135/1983, lautet:
"Als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen ist bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Körperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen."
2. Zwischen den Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist nur die Frage strittig, ob Pkt. 3 des Vergleiches die Verpflichtung der beklagten Partei zu wiederkehrenden Leistungen, nämlich des laufenden Mietzinses (auf unbestimmte Zeit), enthält, sodass iS des § 14 GGG iVm § 58 Abs 1 JN der zehnfache Jahresbetrag an Mietzins der Neuberechnung der Pauschalgebühr zugrunde zu legen war.
2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.337/1985, 10.362/1985, 11.470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hatte in den mit den Erkenntnissen VfSlg. 16.701/2002, 17.004/2003 und 17.634/2005 entschiedenen Fällen die Gebührenpflicht von Vergleichen zu beurteilen, in denen es den jeweils beklagten Parteien offen stand, durch die Bezahlung der aushaftenden (den Gegenstand der Klage bildenden) ziffernmäßig bestimmten Monatsmieten die Räumung abzuwenden, sofern auch die laufenden Monatsmieten bezahlt würden. Der Verfassungsgerichtshof ging in diesen Fällen davon aus, dass der Beschwerdeführer durch seinen Verzicht darauf, vom zuvor geschaffenen Exekutionstitel Gebrauch zu machen, allenfalls über jenen Anspruch disponierte, der den Gegenstand des Exekutionstitels bildete, offenkundig aber über keinen anderen Anspruch. Der Anspruch, den jener Exekutionstitel betraf, war aber der Anspruch auf Zahlung der aushaftenden Mieten und auf Räumung. Diese Ansprüche hatte die jeweilige beschwerdeführende Partei bereits mit ihrer Klage geltend gemacht und dafür die Pauschalgebühr entrichtet. Über den Anspruch auf Zahlung des laufenden Mietzinses, also jenes Mietzinses, der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht fällig und daher auch nicht Gegenstand des Verfahrens sein konnte, wird aber in jenen Fällen dann nicht in einer die Gebührenpflicht auslösenden Weise disponiert, wenn der Verzicht auf die Räumung unter die (nahe liegende) Bedingung gestellt wird, dass der Schuldner seine offene Verbindlichkeit, die den Gegenstand des Titels bildet, nicht dadurch bloß auf die künftigen Mieten verlagert, als er jene bezahlt, diese aber unberichtigt lässt. Insofern wird über künftige Mieten nicht disponiert, diese werden lediglich - im Sinne des genannten Zwecks:
unvermeidlicherweise - im Vergleich "nebenher" erwähnt, ohne dadurch selbst zum Gegenstand der im Vergleich getroffenen Dispositionen zu werden.
Das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums wegen einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung wird im hier vorliegenden Zusammenhang also dann verletzt, wenn die Einhaltung einer schon bestehenden vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung laufender Mietzinse, welche bloß als eine Bedingung für den Verzicht auf die Räumung durch die klagende Partei in einen Räumungsvergleich aufgenommen wurde, einer (gebührenpflichtigen) Disposition über eine Zahlungsverpflichtung gleichgesetzt wird (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , B1384/09).
Um einen solchen Fall handelt es sich auch hier:
Die klagende Partei verpflichtete sich, von der Verpflichtung der beklagten Partei, das Mietobjekt bis geräumt zu übergeben, unter der Bedingung keinen Gebrauch zu machen, dass die beklagte Partei die im Vergleich vereinbarten Raten auf rückständige Mietzinse und die laufenden Mietzinse entrichtete, wobei für den Zeitraum der Vergleichserfüllung (also bis ) in Ansehung der laufenden Mietzinse ein Respiro bis 15. eines jeden Monats eingeräumt wurde.
Die belangte Behörde begründet die strittige Gebührenvorschreibung damit, es liege angesichts des datumsmäßig bestimmten Räumungstermins eine Beendigung des bisherigen Mietvertrages und die - bedingte - Begründung eines neuen Mietvertrages vor.
Die belangte Behörde übersieht dabei, dass von einer in Aussicht genommenen Beendigung des Mietvertrages in dem Vergleich nur insoweit die Rede sein kann, als die Räumung schlagend würde. Wird hingegen bei Zahlung "vom Exekutionstitel auf Räumung laut Punkt 2 dieses Vergleiches kein Gebrauch" gemacht, dann wird - in Ermangelung gegenteiliger oder abweichender Abreden - der bisherige Mietvertrag fortgesetzt. Die Erwähnung der Entrichtung der laufenden monatlichen Mieten erfolgte in dem hier vorliegenden Vergleich - nicht anders als in den von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits entschiedenen Fällen - ausschließlich als - weitere - Bedingung für den Verzicht auf die Räumung. Über den Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für diesen Zeitraum wurde damit nicht disponiert. Dies entspricht daher eben jener Konstellation, wie sie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 17.634/2005 zu beurteilen hatte.
Ob allenfalls eine gebührenpflichtige Disposition darin liegen könnte, dass die Fälligkeit der laufenden Mieten "bezüglich dieses Vergleiches", also für den Zeitraum vom Tag des Vergleichsabschlusses () bis zum , verändert worden ist, muss nicht untersucht werden, da die belangte Behörde insoweit eine Gebühr nicht vorgeschrieben hat.
Die belangte Behörde hat § 18 Abs 2 Z 2 GGG und § 14 GGG iVm § 58 Abs 1 JN somit in denkunmöglicher Weise angewendet und daher die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Die zugesprochenen Kosten enthalten Umsatzsteuer von EUR 400,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) von EUR 220,--.
3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.