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OGH vom 30.04.2012, 9Ob10/12d

OGH vom 30.04.2012, 9Ob10/12d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn in der Rechtssache der Antragstellerin M***** K*****, vertreten durch Dr. Christine Riess, Dr. Bruno Bernreiter, Rechtsanwälte in Waidhofen an der Ybbs, wider die Antragsgegner 1. J***** D*****, 2. J***** S 3. A***** W*****, 4. F***** E*****, 5. F***** G*****, 6. R***** B*****, 7. W***** H*****, 8. W***** H*****, 9. J***** F*****, 10. W***** S 11. J***** S 12. K***** G*****, alle *****, alle vertreten durch Mag. Wilhelm Deutschmann ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen 27.336 EUR (Ersatz von Wildschäden nach dem Oö JagdG), über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 4 R 150/11y 16, mit dem dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom , GZ 20 Nc 79/10h 12, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegner haben die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen. Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Pächterin der im Eigentum des H***** K***** stehenden Liegenschaften EZ ***** und EZ *****, deren land- und forstwirtschaftliche Grundstücke einen Teil der Genossenschaftsjagd der Gemeinde ***** bilden. Die Antragsgegner sind Mitglieder der Jagdgesellschaft *****.

Mit Schreiben vom teilte die Antragstellerin dem Erstantragsgegner als Jagdleiter mit, dass ihr am neue Wildschäden an den in der Genossenschaftsjagd gelegenen, mit Biosoja bebauten Grundstücken Nr ***** im Gesamtausmaß von 17,58 ha bekannt geworden seien, für die sie einen Ersatzanspruch von 27.336 EUR geltend mache.

Mangels Einigung meldete sie den Anspruch mit Schreiben vom bei der Jagd- und Wildschadenskommission beim Gemeindeamt ***** gemäß § 73 Oö JagdG an. Dem Anspruch lag im Wesentlichen dasselbe Vorbringen zugrunde.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom vor der Jagd- und Wildschadenskommission stellte der Obmann fest, dass der Schadenersatzanspruch fristgerecht geltend gemacht worden sei. Ein Vergleichsversuch scheiterte. Nach Besichtigung der großteils abgeernteten Felder konnte zwar ein Schaden, nicht aber der Zeitpunkt seines Eintritts festgestellt werden. Mit Bescheid vom (der Antragstellerin am zugestellt) verpflichtete die Jagd- und Wildschadenskommission die Jagdgesellschaft zur Zahlung einer Entschädigung von 600 EUR für neuerliche Wildschäden an den Biosoja-Kulturen.

Im Verfahren des Erstgerichts 20 Nc 67/10v machte die Antragstellerin einen Schadenersatzanspruch für ihr bis zum bekannt gewordene Wildschäden geltend, die sie am der Jagdgesellschaft und mit Schreiben vom der Jagd- und Wildschadenskommission bekannt gegeben hatte. Der Antrag wurde mit Beschluss vom gemäß § 73 Oö JagdG als verspätet zurückgewiesen.

Mit dem revisionsgegenständlichen Antrag vom begehrte die Antragstellerin beim Erstgericht den Zuspruch von 27.336 EUR sA für die ab eingetretenen Wildschäden.

Die Antragsgegner bestritten und wandten Verfristung wegen mangelhafter und verspäteter Geltendmachung des Anspruchs ein. Aus den an die Antragsgegner ergangenen Schreiben der Antragstellerin sei der Geschädigte nicht hervorgegangen. Die Antragstellerin habe bereits im Verfahren 20 Nc 67/10v behauptete Schäden geltend gemacht und diesbezüglich der Jagdgesellschaft mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sie ein umfangreiches Beweissicherungverfahren für alle betroffenen Flächen durch einen Sachverständigen durchführen habe lassen. Die nun geltend gemachten Schäden seien ihr daher spätestens im Zuge der Beweissicherung und nicht erst am bekannt geworden. Überdies sei die Schadenshöhe nicht nachvollziehbar.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Gemäß § 69 Oö JagdG sei der Anspruch auf Ersatz eines Jagd- oder Wildschadens binnen drei Wochen nach Bekanntwerden des Schadens bei sonstigem Verlust des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen. Form und Inhalt der Geltendmachung des Schadens seien gesetzlich nicht vorgegeben. Er sei aber so geltend zu machen, dass er von einem weiteren, schon zuvor oder erst nach und nach verursachten Schaden jedenfalls abgegrenzt werden könne, wofür die Bekanntgabe des Ortes des Schadenseintrittes, die Abgrenzung der geschädigten Fläche und die Angabe und Beschreibung der geschädigten Sachen zu verlangen sei. Nur so werde der Jagdausübungsberechtigte in die Lage versetzt, den Kausalzusammenhang zu erkennen. Auch der Antrag an das Landesgericht auf Entscheidung im Verfahren außer Streitsachen könne nur auf das dem Jagdausübungsberechtigten genau bekannt gegebene Schadensereignis gestützt werden. Sei einer Schadensmeldung gemäß § 69 Oö JagdG das genaue Schadensereignis nicht zu entnehmen, so sei sie wirkungslos, was den Verlust des Ersatzanspruchs zur Folge habe. Dies treffe hier zu, weil in der Schadensmeldung vom lediglich ein Schadensbetrag von 27.336 EUR geltend gemacht und die angeblich mit Biosoja bebauten Grundstücke aufgezählt würden, wobei einige davon nicht existent sein dürften. Von einer Beweissicherung sei darin nicht die Rede gewesen. Sollte bereits damals ein Gutachten vorgelegen haben, hätte das Schadensereignis genau so definiert werden können, dass es den gesetzlichen Ansprüchen womöglich gerecht geworden wäre.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den bekämpften Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Erntscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Von einem „zu unkonkreten“ Antrag könne keine Rede sein, wenn unter Aufzählung der betroffenen Grundstücke ein konkret bezifferter Schadensbetrag geltend gemacht werde. Nach § 77 Oö JagdG iVm § 24 Abs 1 Eisenbahn-EnteignungsentschädigungsG (EisbEG) idF vor Inkrafttreten des BGBl Nr 111/2010 hätte das Erstgericht nach den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens amtswegig zu einer Konkretisierung des Antrags, insbesondere zur Aufklärung der anscheinend nicht existierenden Grundstücke zu drängen und in weiterer Folge den Eintritt der behaupteten Verbissschäden zu untersuchen gehabt. Nichts anderes ergebe sich bei Anwendung des EisbEG idF BGBl I Nr 111/2010. Der Revisionsrekurs sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig, wie konkret ein Antragsvorbringen ausgestaltet sein müsse, damit das Gericht zur amtswegigen Schadensermittlung verpflichtet sei.

In ihrem Revisionsrekurs beantragen die Antragsgegner die Abänderung dieses Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs abzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 65 Abs 1 und 2 Oö JagdG hat der Jagdberechtigte allen entstandenen Jagd- und Wildschaden, der von jagdbaren Tieren an Grund und Boden und noch nicht eingebrachten Erzeugnissen innerhalb des Jagdgebietes verursacht wurde, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu ersetzen, soweit keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden.

Gemäß § 69 leg cit ist der Anspruch auf Ersatz eines Jagd- oder Wildschadens binnen drei Wochen nach Bekanntwerden des Schadens bei sonstigem Verlust des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen.

Gemäß § 73 leg cit hat der Geschädigte, wenn eine gütliche Vereinbarung mit dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustande kommt, seinen Schadenersatzanspruch binnen zwei Wochen nach Ablauf der im § 69 festgesetzten Frist beim Obmann der (Jagd- und Wildschadens-)Kommission anzubringen.

Gemäß § 77 Abs 1 S 1 bis 4 leg cit ist gegen den Bescheid der Kommission über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden eine Berufung an die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zulässig. Der Bescheid der Kommission tritt außer Kraft, soweit eine Partei innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids die gerichtliche Entscheidung der Sache im Verfahren außer Streitsachen beantragt. Zuständig ist jenes Landesgericht, in dessen Sprengel sich das Gebiet befindet, für dessen Bereich der Eintritt eines Jagd- oder Wildschadens geltend gemacht wird. Im gerichtlichen Verfahren ist das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG), BGBl Nr 71/1954, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 112/2003, sinngemäß anzuwenden.

2. § 77 Abs 1 leg cit legt somit eine sukzessive Kompetenz fest (vgl RIS-Justiz RS0117047 = 2 Ob 275/02h; RS0063070), aufgrund derer das Gericht nicht die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, sondern ein eigenes Verfahren durchzuführen und aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen neu zu entscheiden hat (vgl RIS Justiz RS0053868).

3. Die für die Geltendmachung und Anbringung eines Jagd- oder Wildschadens normierten Fristen sind gesetzliche Fallfristen. Eine Fristversäumnis hat den Anspruchsverlust zur Folge (RIS-Justiz RS0063067; RS0114304, RS0103728).

4. Nach § 69 Oö JagdG ist für den Fristenlauf maßgeblich, wann einem Antragsteller die seinem Ersatzbegehren zugrunde liegenden Wildschäden nach deren Verursachung tatsächlich bekannt wurden. Die für die Auslegung dieser Bestimmung im allgemeinen Schadenersatzrecht für die Verjährung wesentliche Unterscheidung zwischen einem Primärschaden und vorhersehbaren Folgeschäden ist ohne Einfluss. Jeder durch das Wild nach und nach verursachte Schaden ist nämlich als (neuer) Primärschaden anzusehen (1 Ob 507/96). Die kurze Frist dient auch der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten (1 Ob 119/00g).

5. Die Anmeldung des Schadens bei der Jagd- und Wildschadenskommission und der Antrag an das Gericht auf Entscheidung im Verfahren außer Streitsachen haben der Geltendmachung des Wildschadens gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten insoweit zu entsprechen, als Gegenstand des Verfahrens vor der Kommission bzw dem Außerstreitgericht kein darüber hinausgehender Schaden sein kann. In diesem Sinn wurde bereits vom VwGH, 82/03/0008, ausgesprochen, dass im Fall der ziffernmäßigen Bekanntgabe der Schadenshöhe nur die mit dieser Höhe begrenzte Schadensforderung Gegenstand des Kommissionsverfahrens sein kann.

6. Auch hat die Geltendmachung des Anspruchs auf Schadenersatz bestimmten Anforderungen für eine ausreichende Konkretisierung zu entsprechen, wofür das Erstgericht die Bekanntgabe des Ortes, der geschädigten Fläche und die Angabe der geschädigten Sache verlangte. Die Literatur ( Reisinger/Schiffner , Oberösterreichisches Jagdrecht, § 69 Rz 2, 6) fordert, dass aus den Schadensmeldungen hervorgehen muss, dass ein Wildschaden entstand, wann dieser bekannt wurde und wer der Geschädigte ist. Dass dabei im Falle einer Verpachtung einer Liegenschaft ein Jagd- oder Wildschaden mangels anderer Vereinbarung im Pachtvertrag den Pächter trifft, ergibt sich schon daraus, dass er mit der Pachtung das Recht auf Nutzung und Ertrag der Bestandsache erwirbt (s Reisinger/Schiffner aaO Rz 2). Die beiden Positionen sind freilich kein Widerspruch, sondern ergänzen einander, muss doch der Wildschaden auch für den Ersatzpflichtigen so weit zuordenbar sein, dass er die Grundlage seiner Haftung erkennen und sie im Falle einer neuen Geltendmachung von Schäden von einer weiteren Haftung abgrenzen kann.

7. Schon die Geltendmachung des Anspruchs der Antragstellerin gegenüber den Antragsgegnern erfüllte aber diese Anforderungen, weil darin explizit der Höhe nach bezifferte neue Wildschäden an konkret genannten Grundstücken, der Schaden (Biosoja) und der Zeitpunkt seines Bekanntwerdens genannt sind. Unzweifelhaft ist, dass sich die Antragstellerin damit auf Schäden an ihren eigenen Biosojakulturen bezog. Durch die Verwendung des Begriffs „neue“ Wildschäden konnte ihr Antrag zunächst auch nur dahin verstanden werden, dass sie jene Schäden ansprach, die sie mit ihrer Bekanntgabe vom gegenüber den Antragsgegnern noch nicht geltend gemacht hatte. Die Zurückweisung des Antrags aus dem vom Erstgericht angezogenen Grund der Präklusion iSd § 69 Oö JagdG wegen einer „wirkungslosen“ Schadensmeldung wurde vom Rekursgericht daher zu Recht korrigiert.

8. Zu der vom Verfall eines Anspruchs zu unterscheidenden Frage der Schlüssigkeit seiner Geltendmachung hat bereits das Rekursgericht auf die anzuwendenden Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen hingewiesen (§ 77 Oö JagdG iVm § 24 EisbEG idF BGBl I Nr 112/2003). Nach § 10 Abs 4 AußStrG 2005 hat das Gericht ein Anbringen dann, wenn es an einem Form- oder Inhaltsmangel leidet, nicht sogleich ab- oder zurückzuweisen, sondern erst für die Verbesserung zu sorgen. Besteht danach ein Aufklärungsbedarf, etwa zur Existenz der angeführten Grundstücke, so wird diesem Rechnung zu tragen sein.

Da das Rekursgericht die Rechtssache zutreffend an das Erstgericht zurückverwiesen hat, ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

9. Gemäß § 77 Abs 1 Oö JagdG ist in dem gerichtlichen Verfahren auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden das EisbEG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 30 Abs 4 EisbEG ist das auf die Entscheidung über zu leistende Entschädigungen bezogene Rechtsmittelverfahren zweiseitig, doch ist der gemäß § 44 EisbEG geltende Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht auch im gerichtlichen Verfahren über einen Anspruch auf Ersatz von Jagd- oder Wildschäden anwendbar (RIS-Justiz RS0058085 [T3]). Nach diesem Grundsatz (§ 44 Abs 1 leg cit) sind die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung, sofern sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu tragen. Da die Kosten des Revisionsrekurses nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten der Antragstellerin hervorgerufen wurden, bedeutet dies, dass die Antragsgegner die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen haben. Dagegen bilden die der Antragstellerin im Revisionsrekursverfahren entstandenen Kosten weitere Verfahrenskosten, über deren Ersatz erst mit der Endentscheidung abgesprochen werden kann (vgl 1 Ob 506/95).