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OGH vom 24.01.2017, 10ObS8/17z

OGH vom 24.01.2017, 10ObS8/17z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und ADir. Sabine Duminger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter und Mag. Karl Heinz Fauland, Rechtsanwälte in Leibnitz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1030 Wien, Ghegastraße 1, wegen Pensionsteilung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 41/15a10, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 46 Cgs 21/15b6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Das am gemäß § 62 Abs 3 VfGG ausgesetzte Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die 1960 geborene Ehefrau des Klägers arbeitete vom bis und vom bis (insgesamt 258 Kalendermonate) hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers mit. Für diese Zeiträume erwarb sie Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG. Den Beiträgen der Ehegatten zur Pensionsversicherung lag jeweils die Hälfte des Versicherungswerts des landwirtschaftlichen Betriebs zu Grunde.

Dem 1956 geborenen Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom die Erwerbsunfähigkeitspension ab dem zuerkannt.

Mit Bescheid vom sprach die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern über Antrag der Ehefrau des Klägers vom aus, dass die Erwerbsunfähigkeitspension des Klägers gemäß § 71 Abs 4 BSVG geteilt werde. Der Auszahlungsanspruch des Klägers betrage ab 515,96 EUR monatlich, die anderen Pensionsanteile erhalte dessen Ehefrau. Die Ehefrau des Klägers erfüllt keinen der in § 71 Abs 7 Z 1 bis 6 BSVG angeführten Tatbestände, die einen Zahlungsanspruch ausschließen.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, den Antrag seiner Ehefrau auf Teilung des Pensionsanspruchs abzuweisen. Der im Rahmen der Pflichtversicherung (§ 2a BSVG) bestehende Pensionsanspruch seiner Ehefrau schließe einen Auszahlungsanspruch nach § 71 Abs 4 BSVG aus.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. § 71 Abs 4 BSVG sehe nicht vor, dass die Anspruchswerberin während der gesamten zumindest 120 Kalendermonate einer hauptberuflichen Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehegatten keine eigenen Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung hätte erwerben dürfen. Dass die Ehefrau des Klägers als hauptberuflich beschäftigte Ehefrau auch Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG erworben habe, sei kein Hindernis für eine Pensionsteilung. Keiner der Ausschlusstatbestände nach § 71 Abs 7 BSVG sei verwirklicht. Die Ehefrau des Klägers habe nur die Wartezeit für eine Alterspension sowie eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw der Erwerbsunfähigkeit erfüllt. Einen Anspruch auf Alterspension habe sie erst mit Erreichen des 60. Lebensjahres.

Das wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 71 Abs 7 Z 1 BSVG fehle. Aus dem klaren Wortlaut des § 71 Abs 4 und 7 BSVG sowie den Gesetzesmaterialien zur 13. BSVG-Novelle ergebe sich, dass der Wille des historischen Gesetzgebers dahin interpretiert werden könne, dass ein Auszahlungsanspruch (nur) dann nicht bestehe, wenn eine ausreichende Eigenversorgung vorliege. Der Auszahlungsanspruch berücksichtige die über die familienrechtliche Beistandspflicht hinausgehende Mitwirkung im bäuerlichen Betrieb. Die Beitragsleistung und damit der spätere Pensionsanspruch gründe sich auf den gemeinsamen Arbeitseinsatz beider Ehegatten. Im Vordergrund stehe der Versorgungs- und Abgeltungsgedanke für erbrachte Leistungen. Dies ergebe sich auch aus § 71 Abs 8 BSVG, wonach der Auszahlungsanspruch mit dem Letzten des Kalendermonats ende, der dem Zutreffen der Voraussetzungen des § 71 Abs 7 BSVG folge.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten nicht beantwortete des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe § 71 Abs 7 Z 1 BSVG nicht entsprechend dem historischen Zweck der Bestimmung ausgelegt. Der Gesetzgeber der 16. BSVG-Novelle habe erreichen wollen, dass jedem der Ehepartner, die hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb zusammen gearbeitet hätten, ein selbständiger Pensionsanspruch zustehe, was auch durch die Teilung der Beitragszahlungen dokumentiert werde. Dass sich dieser Wille des Gesetzgebers nicht im § 71 Abs 7 Z 1 BSVG niedergeschlagen habe, begründe eine Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Gleichheitssatzes im Sinne einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung „im Sinn einer Altersdiskriminierung“.

2. § 71 Abs 4, 5 und Abs 7 Z 1 BSVG lauten in der derzeit geltenden und im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung wie folgt:

„§ 71 (1) bis (3) [...]

(4) Von der dem Anspruchsberechtigten gebührenden Pension (Pensionssonderzahlung) ist die Hälfte dem Ehegatten/der Ehegattin oder dem/der eingetragenen PartnerIn des Pensionsberechtigten auszuzahlen, sofern dieser den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit dem Pensionsberechtigten auf gemeinsame Rechnung und Gefahr in der Mindestdauer von 120 Kalendermonaten geführt bzw mindestens in diesem Ausmaß im Betrieb des Pensionsberechtigten hauptberuflich mitgearbeitet hat.

(5) Ist bei der Feststellung des Pensionsanspruchs die Wartezeit

1. überhaupt entfallen (§ 111 Abs 2) oder

2. für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit erfüllt worden, so tritt an die Stelle der Voraussetzung nach Abs 4 das Erfordernis einer gemeinsamen Betriebsführung bzw hauptberuflichen Mitarbeit in den Fällen der Z 1 in der Mindestdauer von 24 Kalendermonaten, in den Fällen der Z 2 in der Mindestdauer von 60 Kalendermonaten.

(6) [...]

(7) Ein Auszahlungsanspruch nach Abs 4 besteht nicht, wenn und solange der Ehegatte/die Ehegattin oder der/die eingetragene PartnerIn des Pensionsberechtigten

1. aufgrund dieses oder eines anderen Bundesgesetzes in einer Pensionsversicherung pflichtversichert ist oder aufgrund einer solchen Pflichtversicherung eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit bezieht.“

3.1. Da der Oberste Gerichtshof unter dem Aspekt des aus dem Gleichheitssatz (Art 7 B-VG; Art 2 StGG) abgeleiteten Sachlichkeitsgebots, das es dem Gesetzgeber verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg 11.369/1987; 17.931/2006), und unter dem Blickwinkel des Grundrechts der Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 des 1. ZPEMRK) Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 71 Abs 4 BSVG, in eventu des § 71 Abs 4, Abs 5, Abs 6, Abs 7, Abs 8 und Abs 9 BSVG hatte, stellte er mit Beschluss vom , 10 ObS 10/16t, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof und verfügte, mit dem Revisionsverfahren innezuhalten.

3.2. Mit Erkenntnis vom , GZ G 93/2016-17, wies der Verfassungsgerichtshof den Gesetzesprüfungsantrag im Umfang des Hauptantrags zurück und hinsichtlich des Eventualantrags ab. Die Funktion des Anspruchs auf geteilte Pensionsauszahlung als Überbrückungshilfe für Zeiten der Arbeitslosigkeit des anderen Ehegatten, die angesichts der gesetzlichen Voraussetzungen als zusätzliche Abgeltung einer langjährigen Mitarbeit im gemeinsamen Betrieb (aber bedingt nach Maßgabe des Versorgungsprinzips des Sozialversicherungsrechts) qualifiziert werden könne, vermöge die Regelung weiterhin sachlich zu rechtfertigen, ungeachtet dessen, dass ihre ursprüngliche sozialpolitische Funktion in der seinerzeitigen Intensität nicht mehr gegeben sei. Aus demselben Grund verstießen die angefochtenen Bestimmungen auch nicht gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

4. Nach der geltenden Rechtslage hat die Ehefrau des Klägers Anspruch auf Auszahlung der Hälfte der dem Kläger gebührenden Pension (§ 71 Abs 4 BSVG). Das Berufungsgericht führte zutreffend aus, dass die Voraussetzungen für das Nichtbestehen des Auszahlungsanspruchs gemäß § 71 Abs 7 Z 1 BSVG nach dem klaren Wortlaut dieser Norm nicht bestehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00008.17Z.0124.000
Schlagworte:
Sozialrecht

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