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VfGH vom 07.10.2014, E707/2014

VfGH vom 07.10.2014, E707/2014

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte aufgrund der Beiziehung eines Amtssachverständigen durch ein Landesverwaltungsgericht bei Entscheidung über eine Nachbarbeschwerde gegen die Errichtung eines Pferdestalls; keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen auch in Verfahren vor Verwaltungsgerichten; keine Weisungsgebundenheit von Amtssachverständigen hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten; Erforderlichkeit der Prüfung der Unbefangenheit von Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Eigentümer des Grundstücks Nr 1239, KG Polling, (in weiterer Folge: Bauwerber) ersuchte mit Antrag vom um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Pferdepavillons, eines Pferdeeinstands sowie einer Futterkrippe auf dem genannten Grundstück.

2. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Polling dem Bauwerber die Bewilligung für sein Bauvorhaben unter Vorschreibung näher angeführter Auflagen und Bedingungen. Der Gemeindevorstand der Gemeinde Polling gab der gegen diesen Baubewilligungsbescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin, deren Grundstück an das Baugrundstück grenzt, mit Bescheid vom keine Folge. Dies begründete der Gemeindevorstand damit, dass entsprechend der eingeholten Stellungnahme eines hochbautechnischen Sachverständigen das Bauvorhaben zulässig sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die Tiroler Landesregierung. Dabei führte sie aus, dass sie als unmittelbare An-rainerin des Baugrundstücks vor Erteilung der Baubewilligung gehört hätte werden müssen. Es habe jedoch keine Bauverhandlung gegeben, und ihr sei auch sonst nie eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Überhaupt sei das in Rede stehende Bauprojekt schon lange vor Erteilung der Baubewilligung fertig gestellt gewesen. Trotz der notwendigen Vorgaben sei für den Bauplatz noch nicht einmal ein Bebauungsplan erlassen worden. Die bewilligten Einrichtungen und der dazugehörige Betrieb seien auf drei Seiten von Wohnhäusern umgeben und grenzten nur an einer Seite an ein offenes Feld. Es sei daher bedenklich, dass keinerlei Auflagen zum Schutz der Nachbarn und der Öffentlichkeit vorgesehen worden seien. Im Rahmen der Aufhebung des angefochtenen Bescheides müsse zudem festgestellt werden, ob es sich beim Betrieb des Bauwerbers um einen echten landwirtschaftlichen Betrieb, um Liebhaberei oder um einen gewerblichen Pferdeeinstellbetrieb handle.

4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies die – gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B VG nunmehr als Beschwerde behandelte – Vorstellung als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

4.1. Das Landesverwaltungsgericht stellte zunächst fest, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Nachbarin im Sinne des § 26 Abs 3 Tiroler Bauordnung 2011, LGBl 57/2011 idF LGBl 130/2013 (in weiterer Folge auch: TBO 2011), handle. Die Durchführung einer Bauverhandlung sei nicht zwingend vorgesehen, sondern liege im Ermessen der Baubehörde. Die Beschwerdeführerin sei vor Erlassung der Baubewilligung tatsächlich nicht gehört worden, diese Verletzung des Parteiengehörs auf Gemeindeebene sei allerdings durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol saniert worden.

4.2. Der Vorwurf, dass der Bauwerber das Bauvorhaben bereits vor Erteilung der Baubewilligung in die Tat umgesetzt habe, sei zwar berechtigt, verhelfe der Vorstellung der Beschwerdeführerin aber ebenfalls nicht zum Erfolg: Aus der Tiroler Bauordnung 2011, insbesondere aus deren § 39, ergebe sich nämlich, dass die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung für ein bereits ausgeführtes Bauprojekt nicht ausgeschlossen sei.

4.3. Soweit die Beschwerdeführerin die Feststellung begehre, ob es sich beim Betrieb des Bauwerbers um einen echten landwirtschaftlichen Betrieb, Liebhaberei oder einen gewerblichen Pferdeeinstellbetrieb handle, sei festzuhalten, dass die Gemeinde Polling gemäß der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom , LGBl 78/2009 idF LGBl 108/2012, zu jenen Gemeinden gehöre, bei denen die Besorgung der Aufgaben der örtlichen Baupolizei bei Vorhaben, für die außer der baupolizeilichen Bewilligung eine wasserrechtliche Bewilligung oder eine gewerberechtliche Genehmigung erforderlich ist, aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden auf die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft übertragen worden sei. Handelte es sich beim Betrieb des Bauwerbers um einen gewerblichen Pferdeeinstellbetrieb, wäre die Zuständigkeit für die Durchführung des Bauverfahrens beim Bezirkshauptmann von Innsbruck-Land gelegen.

In diesem Zusammenhang holte das Landesverwaltungsgericht Tirol ein Gutachten eines im Amt der Tiroler Landesregierung tätigen agrarfachlichen (Amts-) Sachverständigen ein. Dieser führte nach einer Vor-Ort-Erhebung des Pferdebestandes und -betriebes des Bauwerbers in seinem Gutachten vom aus, dass die dabei festgestellte "Pensionspferdehaltung […] keinen eigenständigen Tätigkeitszweck" darstelle. Es würden "mehr eigene Tiere als Einstellerpferde gehalten werden", weshalb die Zucht und damit die landwirtschaftliche Tätigkeit überwiege. Klassische Einstellbetriebe hielten ausschließlich Pferde, die zum Reiten, aber nicht für die landwirtschaftliche Urproduktion gehalten würden. Im vorliegenden Fall sei von einer landwirtschaftlichen Nebentätigkeit auszugehen.

Angesichts dessen ging das Landesverwaltungsgericht Tirol davon aus, dass der Bauwerber keinen gewerblichen Pferdeeinstellbetrieb führe. Die Gemeinde-organe seien daher zur Entscheidung im Bauverfahren zuständig gewesen.

4.4. In Ansehung der Widmung des Baugrundstückes als Sonderfläche "SLG-2 Pferdestall" holte das Landesverwaltungsgericht Tirol weiters mit eine raumordnungsfachliche Stellungnahme seitens des Amtes der Tiroler Landesregierung ein. In dieser wurde dargelegt, dass für land- und forstwirtschaftliche Gebäude keine generelle Bebauungsplanpflicht bestehe. Im Regelfall würden landwirtschaftliche Anlagen gemäß § 47 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011, LGBl 56/2011 idF LGBl 130/2013 (in weiterer Folge auch: TROG 2011), auf Grund ihres Verwendungszwecks keine Notwendigkeit zur Erlassung eines Bebauungsplanes im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung darstellen. Nur in Einzelfällen könne die Erlassung eines Bebauungsplanes notwendig sein, ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Auf Basis dieser Stellungnahme kam das Landesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass keine Notwendigkeit für die Erlassung eines Bebauungsplanes bestanden und dessen Nichtvorliegen die Erteilung der Baubewilligung nicht gehindert habe.

4.5. Soweit die Beschwerdeführerin Auflagen zum Schutz der Nachbarn einfordere, sei auf die Sonderflächenwidmung "SLG-2 Pferdestall" des Bauplatzes zu verweisen. Dabei handle es sich nicht um eine Flächenwidmung, die im Sinne des § 26 Abs 3 lita TBO 2011 mit einem Immissionsschutz verbunden sei. Aus diesem Grund könne die Beschwerdeführerin auch keine Auflagen zum Schutz von Nachbarn einfordern.

4.6. Von der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol geltend gemachte Probleme mit aus dem Grundstück des Bauwerbers entlaufenen Pferden und damit in Zusammenhang stehenden Schadenersatzforderungen seien nicht Gegenstand des zu überprüfenden Bauverfahrens. Was das Eindringen von Pferden auf ihr Grundstück und damit verbundene Schäden betreffe, sei die Beschwerdeführerin auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 7 Abs 1 B VG und auf ein faires Verfahren im Sinne des Art 6 EMRK bzw. Art 47 GRC sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich § 17 Tiroler Landesverwaltungsgerichtsgesetz, LGBl 148/2012 idF LGBl 130/2013 (in weiterer Folge auch: TLVwGG), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

5.1. Bei Einlangen des Antrages des Bauwerbers um die baubehördliche Bewilligung beim Gemeindeamt sei das Baugrundstück noch in der Flächenwidmungskategorie "Sonderfläche Hofstelle" gelegen gewesen; erst im Zuge der auf Grund der Antragstellung eingeleiteten Prüfung der Baubehörde sei eine Umwidmung in "landwirtschaftliches Mischgebiet/SLG-2 Pferdestall" erfolgt. Dies und der Umstand, dass zwischen Antragstellung und Erteilung der Baubewilligung mehr als zwei Jahre verstrichen seien, hätten die Durchführung einer Bauverhandlung zwingend erforderlich gemacht, weil es sich im Sinne des § 25 TBO 2011 um kein einfaches Bauverfahren gehandelt habe. Indem die Baubehörde die Durchführung einer Verhandlung unterlassen habe, habe sie willkürlich gehandelt. Im Rahmen einer Bauverhandlung hätte die Beschwerdeführerin ihre Bedenken hinsichtlich des Immissionsschutzes darlegen können.

5.2. Mit diesen Bedenken habe sich auch das Landesverwaltungsgericht Tirol nur unzureichend auseinander gesetzt: Dieses irre nämlich, wenn es behaupte, die Sonderflächenwidmung "SLG-2 Pferdestall" sei mit keinem Immissionsschutz verbunden. § 40 Abs 1 TROG 2011 sehe ausdrücklich einen Immissionsschutz vor; im vorliegenden Fall sei eine Sonderflächenwidmung nach § 47 leg.cit. erfolgt, die auf einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Bezug nehme bzw. einen solchen voraussetze. In diesem Zusammenhang stelle sich zudem die Frage, ob im Falle des Bauwerbers von einem bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ausgegangen werden könne.

5.3. Das Landesverwaltungsgericht Tirol habe im Beschwerdeverfahren bestimmte Fragestellungen an die Abteilungen "Agrarwirtschaft" und "Örtliche Raumordnung" des Amtes der Tiroler Landesregierung gerichtet; die Beantwortung dieser Fragen durch dort bedienstete "Sachverständige" habe sodann Eingang in die angefochtene Entscheidung gefunden. Dabei habe der Sachverständige der Abteilung "Agrarwirtschaft" sogar angegeben, dass er im das Grundstück des Bauwerbers betreffenden Umwidmungsverfahren mit dem vorliegenden Sachverhalt befasst gewesen sei; davon könne auch bei der Bediensteten der Abteilung "Örtliche Raumordnung" ausgegangen werden.

Die Beiziehung von Amtssachverständigen im Allgemeinen – und insbesondere jener, die bereits mit dem Fall in untergeordneten Verfahren befasst gewesen seien – widerspreche der Intention des Gesetzgebers, mit den Verwaltungsgerichten Einrichtungen zu schaffen, die den verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne eines umfassenden und unvoreingenommenen Rechtschutzes gerecht würden. Das Institut der nicht unabhängigen – und im vorliegenden Fall auch nicht unvoreingenommenen – Amtssachverständigen laufe dieser Intention zuwider und stelle eine Verletzung von Art 6 EMRK bzw. Art 47 GRC dar. Gerichtsverfahren unterlägen grundsätzlich anderen grundrechtlichen Anforderungen als Verwaltungsverfahren; das Verfahrensrecht müsse sicherstellen, dass diese grundrechtlichen Anforderungen eingehalten würden. Insoweit regt die Beschwerdeführerin an, hinsichtlich § 17 TLVwGG ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

6. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legte die Verfahrensakten vor und erstattete eine Äußerung, in der den Beschwerdebehauptungen entgegengetreten wird. Den Beschwerdeausführungen hinsichtlich der Unzulässigkeit der Heranziehung der Amtssachverständigen entgegnet das Landesverwaltungsgericht Tirol durch einen Verweis auf näher angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach allein der Umstand, dass ein in beiden Instanzen beigezogener Amtssachverständiger "gleichzeitig Beamter der Behörde erster Instanz ist", keine Bedenken gegen seine volle Unbefangenheit zu begründen vermöge. Diese Judikatur sei auch für das vorliegend zu beurteilende Beschwerdeverfahren vor einem Verwaltungsgericht maßgeblich. Zudem seien die beiden herangezogenen Sachverständigen "nicht einmal Beamte der belangten Baubehörde" und hätten im konkreten Bauverfahren auch gar nicht mitgewirkt; dies sei nur im vorgelagerten Widmungsverfahren der Fall gewesen. Andere Umstände, welche die volle Unbefangenheit der beiden Sachverständigen in Frage stellen könnten, habe die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt.

7. Der Bauwerber erstattete als beteiligte Partei im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine Äußerung, in der er sich den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol anschloss und festhielt, dass er "selbstverständlich […] einen lebenden landwirtschaftlichen Betrieb" führe.

II. Rechtslage

1. Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol angewendeten Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2011, LGBl 57/2011 idF LGBl 130/2013, lauten:

"§25

Bauverfahren

(1) Die Behörde kann, sofern das Bauansuchen nicht nach § 27 Abs 2 oder 3 zurückzuweisen oder ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist, eine Bauverhandlung durchführen, wenn dies insbesondere im Hinblick auf die Art oder Größe des betreffenden Bauvorhabens, die Anzahl der im Verfahren beizuziehenden Sachverständigen oder die Anzahl der Parteien und Beteiligten im Interesse einer möglichst raschen und zweckmäßigen Verfahrensabwicklung gelegen ist.

(2) – (8) […]

§26

Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b) der Bestimmungen über den Brandschutz,

c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs 3 lita und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

(5) Der Straßenverwalter ist, soweit dadurch die Schutzinteressen der Straße betroffen sind, berechtigt,

a) das Fehlen einer dem vorgesehenen Verwendungszweck der betreffenden baulichen Anlagen entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung des Bauplatzes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 3 Abs 1 und

b) die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 5, soweit dadurch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden,

geltend zu machen.

(6) Werden in der Bauverhandlung privatrechtliche Einwendungen erhoben, so hat die Behörde möglichst auf eine Einigung hinzuwirken. Kommt eine Einigung zustande, so ist diese in der Verhandlungsschrift zu beurkunden. Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist die Partei mit ihren Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Diese Einwendungen sind in der Baubewilligung ausdrücklich anzuführen.

(7) Mit dem Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Anzeige über die Bauvollendung (§37 Abs 1) erlangt die Baubewilligung auch gegenüber Parteien Rechtskraft, denen die Baubewilligung nicht zugestellt worden ist und die ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde nicht geltend gemacht haben.

[…]

§39

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. Wurde eine solche bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen. Dies gilt auch, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre. Ist die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage stattdessen deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.

(2) Abs 1 gilt auch, wenn die Ausführung eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens untersagt wurde.

(3) Wird im Fall eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung angesucht oder im Fall eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens nachträglich eine Bauanzeige eingebracht, so kann die Behörde mit der Einleitung des Verfahrens nach Abs 1 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bauverfahrens bzw. des Verfahrens über die Bauanzeige zuwarten. Wurde das Verfahren nach Abs 1 bereits eingeleitet, so kann es bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt werden.

(4) Wurde eine bauliche Anlage ohne die nach früheren baurechtlichen Vorschriften erforderliche Baubewilligung oder Bauanzeige errichtet oder geändert und ist deren Errichtung oder Änderung auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig, so hat die Behörde nach den Abs 1, 2 und 3 vorzugehen.

(5) – (7) […]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011, LGBl 56/2011 idF LGBl 130/2013, lauten:

"§40

Mischgebiete

(1) Mischgebiete sind das allgemeine Mischgebiet, das Kerngebiet, das Tourismusgebiet und das landwirtschaftliche Mischgebiet. In den Mischgebieten dürfen die im § 38 Abs 1 lita, b und c genannten Gebäude sowie nach Maßgabe der Abs 2 bis 5 sonstige Gebäude errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, nicht wesentlich beeinträchtigen. Gebäude für Anlagen von Betrieben im Sinn des § 1 Abs 2 lite dürfen in Mischgebieten nicht errichtet werden.

(2) – (4) […]

(5) Im landwirtschaftlichen Mischgebiet dürfen die im gemischten Wohngebiet zulässigen Gebäude und Gebäude für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und sonstige der landwirtschaftlichen Tierhaltung mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Intensivtierhaltung (§45 Abs 1) dienende Gebäude sowie Gebäude für gewerbliche Klein- und Mittelbetriebe mit Ausnahme von Gebäuden für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit mehr als 40 Betten errichtet werden. Abs 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

(6) […]

(7) Für Grundstücke oder Teile von Grundstücken im landwirtschaftlichen Mischgebiet, die unmittelbar im Bereich einer Hofstelle liegen und die Bestandteil desselben Grundbuchskörpers wie die Hofstelle sind, kann festgelegt werden, dass nur Gebäude für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und sonstige der landwirtschaftlichen Tierhaltung mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Intensivtierhaltung dienende Gebäude errichtet werden dürfen, soweit dies erforderlich ist, um Nutzungskonflikte oder wechselseitige Beeinträchtigungen zwischen der Hofbewirtschaftung einerseits und Wohnnutzungen oder betrieblichen oder sonstigen Tätigkeiten andererseits hintanzuhalten.

(8) – (9) […]

[…]

§47

Sonderflächen für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude

Die Widmung von Grundflächen als Sonderflächen für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude, wie Almgebäude, Kochhütten, Feldställe, Städel in Massivbauweise und dergleichen, ist nur zulässig, wenn

a) die Gebäude nach Größe, Ausstattung und sonstiger Beschaffenheit für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb betriebswirtschaftlich erforderlich sind und

b) die Widmung insbesondere den Zielen der örtlichen Raumordnung nach § 27 Abs 2 litf, g, h und i nicht widerspricht."

3. § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 122/2013 (in weiterer Folge: VwGVG), lautet:

"Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51/1991 idF BGBl I 161/2013 (in weiterer Folge: AVG), haben folgenden Wortlaut:

"Befangenheit von Verwaltungsorganen

§7. (1) Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:

1. in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§36a) oder einer ihrer Pflegebefohlenen beteiligt sind;

2. in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;

3. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;

4. im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (§64a) mitgewirkt haben.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat, wenn die Vertretung durch ein anderes Verwaltungsorgan nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das befangene Organ die unaufschiebbaren Amtshandlungen selbst vorzunehmen.

[…]

Allgemeine Grundsätze über den Beweis

§45. (1) Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

(3) Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

§46. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

[…]

Sachverständige

§52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.

(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.

(4) Der Bestellung zum nichtamtlichen Sachverständigen hat Folge zu leisten, wer zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wer die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis die Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. Nichtamtliche Sachverständige sind zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind. Die §§49 und 50 gelten auch für nichtamtliche Sachverständige.

§53. (1) Auf Amtssachverständige ist § 7 anzuwenden. Andere Sachverständige sind ausgeschlossen, wenn einer der Gründe des § 7 Abs 1 Z 1, 2 und 4 zutrifft; außerdem können sie von einer Partei abgelehnt werden, wenn diese Umstände glaubhaft macht, die die Unbefangenheit oder Fachkunde des Sachverständigen in Zweifel stellen. Die Ablehnung kann vor der Vernehmung des Sachverständigen, später aber nur dann erfolgen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren oder wegen eines für sie unüberwindbaren Hindernisses nicht rechtzeitig geltend machen konnte.

(2) Die Entscheidung über den Ablehnungsantrag erfolgt durch Verfahrensanordnung."

5. § 17 Tiroler Landesverwaltungsgerichtsgesetz, LGBl 148/2012 idF LGBl 130/2013, lautet:

"§17

Beiziehung von Amtssachverständigen

Dem Landesverwaltungsgericht stehen – unbeschadet der Möglichkeit der Beiziehung von sonstigen Amtssachverständigen nach Maßgabe der Verfahrensvorschriften bzw. im Weg der Amtshilfe nach Art 22 B VG – die bei den Dienststellen des Landes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung."

6. §§288 und 289 Strafgesetzbuch, BGBl 60/1974 idF BGBl I 93/2007 (in weiterer Folge: StGB), lauten:

"Falsche Beweisaussage

§288. (1) Wer vor Gericht als Zeuge oder, soweit er nicht zugleich Partei ist, als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt oder als Sachverständiger einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Wer vor Gericht eine falsche Beweisaussage (Abs1) unter Eid ablegt oder mit einem Eid bekräftigt oder sonst einen in den Gesetzen vorgesehenen Eid vor Gericht falsch schwört, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Einem Eid steht die Berufung auf einen früher abgelegten Eid und bei Personen, die von der Pflicht zur Eidesleistung befreit sind, die anstelle des Eides vorgesehene Beteuerung gleich.

(3) Nach den Abs 1 und 2 ist auch zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen im Verfahren vor einem nach Art 53 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 eingesetzten Ausschuß oder einer Disziplinarbehörde des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde begeht.

(4) Nach Abs 1 ist auch zu bestrafen, wer als Zeuge oder Sachverständiger eine der dort genannten Handlungen in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft begeht.

Falsche Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde

§289. Wer außer in den Fällen des § 288 Abs 3 und 4 vor einer Verwaltungsbehörde als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt oder als Sachverständiger einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen."

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

1. Bedenken gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus der Sicht des Beschwerdefalles – nicht entstanden:

1.1. Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz enthält keine eigenen Bestimmungen betreffend die Beiziehung von Sachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Gemäß § 17 VwGVG kommen somit die Bestimmungen der §§52 und 53 AVG zum Tragen, wonach bei Notwendigkeit der Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen sind (§52 Abs 1 AVG). Nur wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen (§52 Abs 2 leg.cit.); unter bestimmten Voraussetzungen ist die Heranziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen auch möglich, nämlich wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist (§52 Abs 3 leg.cit.). Vor diesem Hintergrund sieht § 17 TLVwGG vor, dass dem Tiroler Landesverwaltungsgericht – unbeschadet der Möglichkeit der Beiziehung sonstiger Amtssachverständiger nach Maßgabe der Verfahrensvorschriften bzw. im Weg der Amtshilfe nach Art 22 B VG – die bei den Dienststellen des Landes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung stehen.

1.2. Im Rahmen ihrer Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol bestimmte Fragestellungen an die Abteilungen "Agrarwirtschaft" und "Örtliche Raumplanung" des Amtes der Tiroler Landesregierung gerichtet habe und die von zwei "Amtssachverständigen" (so die Bezeichnung seitens der Beschwerdeführerin) erstatteten Stellungnahmen Eingang in die angefochtene Entscheidung gefunden hätten. In diesem Zusammenhang erachtet die Beschwerdeführerin § 17 TLVwGG als verfassungswidrig, weil Amtssachverständige nicht unabhängig seien und ihre zwingend vorgesehene Beiziehung im Verfahren vor Verwaltungsgerichten somit eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 7 Abs 1 B VG und auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK bzw. Art 47 GRC darstelle. Gerichtsverfahren unterlägen grundsätzlich anderen grundrechtlichen Anforderungen als Verwaltungsverfahren; das Verfahrensrecht für die Verwaltungsgerichte müsse sicherstellen, dass diese grundrechtlichen Anforderungen eingehalten werden.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese grundsätzlichen Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen durch das Tiroler Landesverwaltungsgericht nicht. Es ist zwar richtig, dass mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51/2012, ein neues gerichtliches Rechtsschutzsystem eingerichtet wurde und das Verhältnis der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht nunmehr anders zu beurteilen ist als jenes zwischen zwei verwaltungsbehördlichen Instanzen im Rahmen der Erhebung eines administrativen Rechtsmittels. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist aber die Heranziehung von Amtssachverständigen auch in Verfahren vor Verwaltungsgerichten grundsätzlich zulässig:

1.3.1. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm §§52 und 53 AVG primär die ihm zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranzuziehen, kann aber nach den Umständen auch nichtamtliche Sachverständige mit der Erstellung von Gutachten betrauen.

Zunächst ist festzuhalten, dass Amtssachverständige gemäß § 52 Abs 1 AVG entweder der entscheidenden Verwaltungsbehörde beigegeben sind oder ihr zur Verfügung stehen. Die einer Behörde beigegebenen Sachverständigen sind organisatorisch in diese eingegliedert; die "zur Verfügung stehenden" amtlichen Sachverständigen sind solche, die zwar einer anderen als der zur Entscheidung berufenen Behörde zugehören, von dieser Behörde aber herangezogen werden können (vgl. Hengstschläger/Leeb , Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz², 2005, § 52, Rz 25 ff. mwN).

1.3.2. Amtssachverständige sind grundsätzlich gemäß Art 20 Abs 1 B VG in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden (vgl. ; , 92/06/0228). Allein darin kann aber kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein der Befangenheit gesehen werden (vgl. ; , 93/06/0212). Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofes sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden (vgl. VfSlg 16.567/2002; ; , 2010/09/0230), weil Gutachten den sie erstellenden (Amts-)Sachverständigen persönlich zurechenbar sind. Davon gehen auch die Straftatbestände der §§288 und 289 StGB aus (vgl. ).

1.3.3. Aus der fachlichen Weisungsfreiheit des Amtssachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens kann jedoch nicht gefolgert werden, dass das Verwaltungsgericht in jedem Fall Amtssachverständige heranziehen darf. Das Verwaltungsgericht muss vielmehr stets prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Ob dies der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen (zu Fällen, in denen von einer dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK widersprechenden [Anscheins-]Befangenheit ausgegangen wurde, vgl. EGMR , Fall Bönisch , Appl. 8658/79, sowie VfSlg 11.131/1986, 16.827/2003 mwN; vgl. auch ). Dies setzt auch voraus, dass das Verwaltungsgericht selbst die Auswahl des Amtssachverständigen vornimmt (und nicht etwa einer anderen Stelle überlässt) und dabei dessen Qualifikation und das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw. Gründe für den Anschein der Befangenheit dieses Amtssachverständigen prüft.

1.3.4. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu verweisen, dass insoweit keine Verletzung des Art 6 EMRK zu erkennen ist, als dem Gutachten eines Amtssachverständigen im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§45 Abs 2 AVG) kein erhöhter Beweiswert zukommt und diesem unter anderem durch ein Gegengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden kann (vgl. EKMR , Fall Zumtobel , Appl. 12.235/86, Z 87; vgl. auch ; , 93/06/0229; in diesem Sinne auch Grabenwarter , Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1997, 649 f.).

1.3.5. Die in § 17 TLVwGG vorgesehene Beiziehung von Amtssachverständigen verstößt auch nicht gegen den in Art 94 Abs 1 B VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung, weil es sich beim Amtssachverständigen zwar um einen organisatorisch zur Staatsfunktion Verwaltung zählenden Organwalter handelt, der von einem Gericht beigezogen wird, dieser aber nur als Hilfsorgan des Verwaltungsgerichts an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitwirkt. Selbständige hoheitliche Befugnisse kommen einem Amtssachverständigen somit nicht zu; die Entscheidungsbefugnis obliegt allein dem Verwaltungsgericht (vgl. Pürgy , Die Mitwirkung von Sachverständigen im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ2014, 391).

2. Die angefochtene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol verletzt die Beschwerdeführerin schließlich auch nicht im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 7 Abs 1 B VG, im Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK oder in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Da das Landesverwaltungsgericht Tirol auf sämtliche aufgeworfene Beschwerdepunkte einging und seine Entscheidung in denkmöglicher Weise begründete, liegt keiner dieser Mängel vor. Den – in der Äußerung des Landesverwaltungsgerichtes vom spezifizierten – Ausführungen betreffend die Widmung des Baugrundstücks (und den daraus folgenden mangelnden Immissionsschutz für die Beschwerdeführerin) kann aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht entgegengetreten werden. Angesichts des Gutachtens des agrarfachlichen Amtssachverständigen vom ist auch die Beurteilung des Landesverwaltungsgerichtes, wonach es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, eine Unzuständigkeit der Gemeindeorgane zur Entscheidung im vorliegenden Bauverfahren aufzuzeigen, verfassungsrechtlich unbedenklich.

2.2. Es liegt auch keine Verletzung des Art 6 EMRK vor:

2.2.1. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol konnte die Beschwerdeführerin sämtliche Einwände gegen das Bauprojekt des Bauwerbers vorbringen. Dass das Landesverwaltungsgericht vor diesem Hintergrund zum Ergebnis gelangt, das Unterbleiben einer Bauverhandlung vor den Bauverwaltungsbehörden stelle keinen Verfahrensmangel dar, der zur Behebung der erteilten Baubewilligung führte, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

2.2.2. Nach Lage des Beschwerdefalls bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Heranziehung des agrarfachlichen Amtssachverständigen durch das Landesverwaltungsgericht Tirol. Dieser kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass der Pferdebetrieb der beteiligten Partei kein gewerblicher Pferdeeinstellbetrieb sei, was in rechtlicher Sicht zur Folge hatte, dass die Baubehörden der Gemeinde Polling zur Durchführung des Bauverfahrens zuständig waren. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach dieser (agrarfachliche) Amtssachverständige im Rahmen des Verfahrens zur Änderung des Flächenwidmungsplans für das Baugrundstück mit dem vorliegenden Sachverhalt befasst gewesen sei, begründet keine Verletzung des Art 6 EMRK. Es ist für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar (und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht vorgebracht), dass bzw. inwieweit aus der bloßen Befassung im Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplans irgendeine Befangenheit bzw. der Anschein einer Befangenheit des Amtssachverständigen im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol betreffend die Erteilung der Baubewilligung an die beteiligte Partei resultierte.

2.2.3. Was die Stellungnahme einer näher genannten Bediensteten der Abteilung "Örtliche Raumordnung" des Amtes der Tiroler Landesregierung vom – welche die Beschwerdeführerin (unzutreffend) als Amtssachverständige qualifiziert – betrifft, ist festzuhalten, dass es sich dabei um kein Gutachten handelt und der Gegenstand der Anfrage seitens des Landesverwaltungsgerichtes rein rechtlicher Natur war. Es ist zwar zu beanstanden, dass die Beurteilung, ob im Zusammenhang mit der Widmung des Baugrundstücks "im Hinblick auf den festgelegten Verwendungszweck die Erlassung eines Bebauungsplanes im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung erforderlich ist", allein dem Landesverwaltungsgericht Tirol als Rechtsfrage (ohne Befassung des Amtes der Tiroler Landesregierung) oblegen wäre; dies belastet die angefochtene Entscheidung jedoch nicht mit Verfassungswidrigkeit.

2.2.4. Es ist daher für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht nach Art 6 EMRK verletzt wurde.

2.3. Ob das Landesverwaltungsgericht Tirol in jeder Hinsicht richtig entschieden hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen und kann dem Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung überlassen bleiben.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:E707.2014