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OGH vom 25.09.2002, 13Os65/02

OGH vom 25.09.2002, 13Os65/02

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter B***** und Brigitte B***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 erster und zweiter Fall sowie Abs 3 erster Fall StGB nF und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wels vom , GZ 11 Hv 1059/01a-114, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Peter B***** der - teils (A.I., A.III; A.IV. und A.VIII.) wiederholten - Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 3 erster Fall StGB nF (A.I., wobei sich die Tatbeurteilung nach dem zweiten Fall des § 206 Abs 1 StGB ersichtlich nur auf A.I.4 bezieht), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 zweiter Fall StGB nF (A.II.), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 erster und dritter Fall und Abs 3 erster Fall StGB (A.III.) und § 201 Abs 2 erster und dritter Fall StGB (C.I.), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und dritter Fall und Abs 2 erster Fall StGB aF (A.IV.), des Quälens oder Vernachlässigens eines Unmündigen, Jugendlichen oder Wehrlosen nach § 92 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB aF (A.VIII.) sowie der jeweils mehreren Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 StGB (A.V.), der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (A.VI.) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (A.VII.) und § 212 Abs 1 erster Fall StGB (C.II.), sowie Brigitte B***** "der Verbrechen des teils durch Unterlassung begangenen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 206 Abs 1 (nF), 2 StGB" (B.), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 erster und dritter Fall StGB (C.I.) und "der Vergehen des teils durch Unterlassung begangenen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 212 Abs 1 erster Fall, iVm § 2 StGB" (C.II.) schuldig erkannt. Die Anführung der strafbaren Handlungen in der Urteilsausfertigung (US 16 f) lässt zwar einen ausdrücklichen Bezug zu den Schuldspruchpunkten (A.I. 1 bis C.II.) vermissen, doch ist der Zusammenhang (§§ 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 1 und 2, 344 StPO) aus der Reihenfolge der Aufzählung zu ersehen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches haben zu nicht genau festzustellenden Zeiten in Gmunden und anderen Orten

A. Peter B*****

I. wiederholt mit unmündigen Personen "den Beischlaf bzw dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen" unternommen, wobei die Taten teils schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatten, und zwar:

1. in einer Vielzahl von Angriffen von 1975 bis 1981 mit seiner am geborenen Stieftochter Margarete K*****, wobei diese dabei schwere psychische Schäden mit latenter Suizidgefahr im Sinne schwerster depressiver Verstimmungen samt somatischer Störungen in Form von ständigen Angstzuständen, Schlafstörungen, Herzrasen und Schwindelgefühlen erlitt;

2. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 1984 mit seiner am geborenen Tochter Martina B*****, wobei diese dabei schwere Traumata, insbesondere schwere depressive Verstimmungen erlitt;

3. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in den Jahren 1982 bis 1986 mit seiner am geborenen Tochter Brigitte S*****, wobei diese dabei schwere Traumata, insbesondere schwere depressive Verstimmungen mit latenter Suizidgefahr erlitt;

4. zwischen 1995 und 1997 sowie 1999 und Dezember 2000 mit dem am geborenen, unmündigen Reinhard K***** in zumindest drei Angriffen, indem er

a) unter gleichzeitiger Berührung seines Geschlechtsteiles mit dem After des Unmündigen versuchte, einen Analverkehr an diesem durchzuführen, während Brigitte B***** den Unmündigen an beiden Händen festhielt, nachdem sie ihm die Augen verbunden und ihm Stockschläge für den Fall des Zuwiderhandelns angedroht hatte,


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b)
dem Unmündigen einen Tampon in den After einführte und
c)
sich von ihm durch Oralverkehr bis zum Samenerguss befriedigen ließ;
II. zwischen Sommer 2000 und Dezember 2000 außer dem Fall des § 206 StGB vom unmündigen Reinhard K***** in zumindest einem Angriff eine geschlechtliche Handlung, nämlich Handonanie, an sich vornehmen lassen;
III. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB nachfolgende Personen teils mit Gewalt, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich die unter A.I. beschriebenen Schäden zur Folge hatten, und zwar:
1. Margarete K***** zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt in den Jahren 1979/1980 dadurch, dass er sie zwang, sich auszuziehen, Cognac zu trinken, das nackte Mädchen fotografierte und es sodann ins Schlafzimmer zerrte, wo er einen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
2. Margarete K***** zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Jahre 1983 durch Versetzen von Schlägen und durch die Drohung, er werde sie und auch sich umbringen, zur Vornahme eines Oralverkehrs;
3. Brigitte S***** zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1982 und 1986 durch Versetzen einer Ohrfeige;
IV. wiederholt die Unmündigen Margarete K*****, Martina B***** und Brigitte S***** teils auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht und teils, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen, wobei die Taten schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich die unter A.I.1 bis 3 beschriebenen psychischen Schäden der Genannten zur Folge hatten, und zwar:
1. Margarete K***** in einer Vielzahl von Angriffen in der Zeit zwischen zumindest 1975 und 1981, indem er seinen Penis zwischen die Oberschenkel der Unmündigen steckte und daran bis zum Samenerguss rieb, sie in seiner Anwesenheit zu Masturbationshandlungen an sich selbst bzw an ihm bestimmte, Oralverkehr an ihr durchführte, wobei er sie dazu nötigte, seinen Samen zu schlucken, seine Finger in ihre Scheide einführte, sie im Geschlechtsbereich und ab der Pubertät an den sich entwickelnden Brüsten betastete;
2. Martina B***** und Brigitte S***** in einer Vielzahl von Angriffen zwischen zumindest 1977 und 1983, indem er sie im Geschlechtsbereich sowie ab der Pubertät an den sich entwickelnden Brüsten betastete, sie aufforderte, sein Glied zu berühren bzw es zu küssen und sich mit der Hand befriedigen ließ, Martina B***** überdies zu Masturbationshandlungen an sich selbst bestimmte und seine Finger in ihre Scheide einführte;
V. wiederholt eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung einer seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Person unter 16 Jahren zu gefährden, vor dieser Person vorgenommen, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar:
1. etwa Ende 1981/Anfang 1982 dadurch, dass er Margarete K***** dazu bestimmte, sich und Brigitte B***** beim Vollzug des Geschlechtsverkehrs zu filmen und sodann beim Geschlechtsverkehr selbst teilzunehmen, wobei sie die Brustwarzen ihrer Mutter küssen, ihren Finger in die Scheide einführen und ihn mit der Hand befriedigen musste;
2. zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen 1977 und 1983 dadurch, dass er vor Margarete K***** und Brigitte S***** Pornofilme und -zeitungen vorführte;
VI. durch die unter A.I.2 und 3 geschilderten Tathandlungen mit Personen, die mit ihm in gerader Linie verwandt sind, nämlich seinen leiblichen Töchtern Martina B***** und Brigitte S***** den Beischlaf vollzogen;
VII. durch die geschilderten Handlungen ab zumindest 1975 seine minderjährige Stieftochter Margarete K***** und seine minderjährigen Kinder Martina B***** und ab zumindest 1977 Brigitte S***** teils zur Unzucht missbraucht, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, teils dazu verleitet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen;
VIII. ab 1975 durch die geschilderten Tathandlungen sowie dadurch, dass er Margarete K*****, Martina B***** und Brigitte S*****, die seiner Fürsorge unterstanden und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, in unzähligen Angriffen teils dadurch, dass er sie unter Zuhilfenahme von Stöcken bzw einer Kamelpeitsche schlug, sie unter Verletzung ihres Intimbereiches aufforderte, Körper- und Intimhygiene in seiner Anwesenheit zu betreiben, überdies Martina B***** dazu nötigte, Urin und Erbrochenes aufzulecken und den Kopf des Mädchens bis zur Bewusstlosigkeit unter Wasser tauchte, körperliche und seelische Qualen zugefügt, wobei die Taten Körperverletzungen mit schweren Dauerfolgen, nämlich ein schweres Leiden und Siechtum (§ 85 Z 3 StGB) im Sinne der unter AI.1 bis 3 geschilderten psychischen Schäden zur Folge hatten;
B. Brigitte B***** zur Ausführung der im Punkt A.I.4 ersichtlichen strafbaren Handlungen dadurch sonst beigetragen, dass sie in dem unter A.I.4.a ersichtlichen Fall dem Unmündigen Reinhard K***** die Augen verband und ihn während der Übergriffe des Erstbeschuldigten festhielt sowie es in den Fällen der Punkte A.I.4.b und 4.c unterließ, die Herbeiführung des mit Strafe bedrohten Erfolges abzuwenden, obwohl sie zufolge der sie im Besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung, insbesondere durch die ihr von der Mutter des Unmündigen, Margarete K*****, übertragenen Aufsichts- und Schutzpflichten gegenüber dem Unmündigen, dazu verhalten war, indem sie der Ausführung der strafbaren Handlungen durch Peter B***** tatenlos zusah;
C. Peter und Brigitte B*****
I. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter durch die im Punkt A.I.4.a beschriebene strafbare Handlung außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person, nämlich Reinhard K*****, mit Gewalt sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt;
II. durch die unter A.I.4.a, b und c beschriebenen strafbaren Handlungen unter Ausnützung ihrer Stellung gegenüber einer ihrer Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht missbraucht, wobei es Margarete B***** in den Fällen der Punkte A.I.4. b und c unterließ, die Herbeiführung des mit Strafe bedrohten Erfolges abzuwenden, obwohl sie zufolge der sie im Besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung, insbesondere durch die ihr von der Mutter des Unmündigen, Margarete K*****, übertragenen Aufsichts- und Schutzpflichten gegenüber dem Unmündigen, dazu verhalten war.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen das Urteil mit gemeinsam aus § 345 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 10a StPO ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, denen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der Behauptung, vor den Vernehmungen des Zeugen Reinhard K***** sei "keine ordnungsgemäße Belehrung gemäß § 152 StPO erfolgt", die Protokolle seien "diesbezüglich unvollständig und unrichtig erstattet" und "nicht ordnungsgemäß weil unvollständig übertragen worden", fand nach der deswegen auch vom Erstgericht eigens überprüften Aktenlage (S 252/I, ON 128, S 1r verso des Antrags- und Verfügungsbogens, auch S 478/I) eine der Prozessordnung entsprechende Belehrung des Zeugen über sein Aussageverweigerungsrecht statt. Da somit von einem nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakt keine Rede sein kann, versagt der aus Z 3 (nominell auch Z 4) erhobene Einwand, in der Hauptverhandlung seien trotz Verwahrung des Verteidigers die Protokolle verlesen und die technischen Aufnahmen über die Vernehmungen vorgeführt worden.

Der Verfahrensrüge (Z 4 iVm § 228 Abs 1 StPO) zuwider war die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auch bei der am letzten Verhandlungstag um 16.30 Uhr von den Geschworenen gewünschten (§ 328 StPO, ON 112) und ab 20.30 Uhr bis vor 20.50 Uhr durchgeführten Vernehmung des Zeugen Harald F***** (S 532 ff/II) gewährleistet, da diese - anders als die Hauptverhandlung in dem der Entscheidung EvBl 2001/189 zugrunde liegenden Fall - im Gerichtsgebäude bei geöffnetem Eingang und unbeschränkter Zugangsmöglichkeit zum Verhandlungssaal stattfand (S 528 bis 530/II).

Da die Protokolle über die Aussagen des Zeugen Reinhard K***** vor der Untersuchungsrichterin (ON 21 und 65) einverständlich in der Hauptverhandlung vorkamen (§§ 302 Abs 1, 308 Abs 1, 252 Abs 1 Z 4 StPO; S 525 und 535/II, 14 Os 129/98), ist es entgegen der Beschwerde (Z 4 iVm § 252 StPO) unerheblich, ob im Sinn des § 162a Abs 1 StPO im Vorverfahren jeweils beiden Angeklagten Gelegenheit zur Befragung des Zeugen gegeben und damit Verlesungszulässigkeit auch nach § 252 Abs 1 Z 2a StPO begründet wurde.

Die Verfahrensrüge (Z 5) releviert nach Wiedergabe zahlreicher Anträge nur einen Teil davon mit dem Vorbringen, die Abweisung durch den Schwurgerichtshof habe Verteidigungsrechte geschmälert. Dies trifft in keinem Punkt zu.

Der Antrag auf "ordnungsgemäße Vervollständigung der Protokolle" über die Vernehmungen des Zeugen Reinhard K***** wurde nicht mit dem in der Beschwerde genannten Ziel gestellt, eine "Fülle von Unvollständigkeiten" oder angebliche "innere Widersprüche der Zeugenaussagen" aufzudecken (S 125/II). Bei der aus Z 5 angestrebten Prüfung der Berechtigung eines Antrages ist aber von den bei der Antragstellung vorgebrachten Gründen auszugehen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41) und das Beschwerdevorbringen somit prozessual verspätet.

Dem Einwand, das Gericht habe es unterlassen, "weitere beantragte Ermittlungen durchführen zu lassen", fehlt eine nach der Prozessordnung gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 344, 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Die zum Beweis dafür, "dass der vorgeworfene Geschlechtsverkehr bzw Versuch" zwischen dem Angeklagten Peter B***** und Reinhard K***** aufgrund des körperlichen Gebrechens des Erstgenannten "gar nicht möglich ist und daher die Anschuldigungen unrichtig sind", beantragte Zuziehung eines medizinischen Sachverständigen (S 125 und 379 f/II) konnte als für die Erreichung des Beweiszieles untauglich unterbleiben; dass sich der Angeklagte allenfalls Hilfen bedient hätte (wie Festhalten, vgl das ablehnende Zwischenerkenntnis S 521/II) wird im Antrag gar nicht bestritten.

Der in der Hauptverhandlung abweichend von der Beschwerde nur mit Beziehung auf Margarete K***** und Martina B***** gestellte Antrag, dass "der Sachverständige den Inhalt der Therapie in sein Gutachten aufnimmt, zum Beweis dafür, dass die Therapie nicht wegen sexueller Übergriffe in Anspruch genommen wurde, sondern zur Aufarbeitung persönlicher Probleme betreffend die Existenz, Arbeitsprobleme und persönlicher Probleme mit den jeweiligen Lebenspartnern und somit keine schwere psychische Beeinträchtigung im Sinn einer schweren Körperverletzung hervorgerufen durch die beiden Angeklagten vorliegt" (S 379/II), wurde schon im Hinblick auf den vom Gutachter Dr. G***** hervorgehobenen Umstand zu Recht abgelehnt, dass die Person des Therapeuten "eine völlig andere Position" einnimmt als die des Sachverständigen (S 396 f/II) und es daher insoweit an geeigneten Grundlagen einer Begutachtung fehlt.

Im Übrigen ist es allein dem Sachverständigen zu überlassen, welche Untersuchungsmethoden er anzuwenden hat und in welcher Form sie durchgeführt werden; ob das Gutachten sodann ausreichend und schlüssig ist, bleibt als Beweisfrage der Beurteilung durch die Tatrichter vorbehalten (Mayerhofer StPO4 § 126 E 1 und 1a). Schließlich unterblieb die Beweisaufnahme durch Einholung weiterer Gutachten, soweit für diese neuerliche Untersuchungen der Zeugen erforderlich waren, schon deshalb zu Recht, weil die formellen Voraussetzungen fehlten. Für die Durchführung einer körperlichen oder psychischen Untersuchung des Zeugen ist nämlich dessen Einverständnis unabdingbar (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 121a,§ 132 E 1, Ratz in WK-StPO § 281 Rz 350). Dass ein solches zu einer (allenfalls neuerlichen) Untersuchung vorliegen würde, ist weder aktenkundig noch wird dies behauptet; auch eine Fragestellung durch den Verteidiger (bzw ein Antrag auf Befragung über eine allfällige Zustimmung) ist nicht erfolgt (eine Verpflichtung des Gerichts zur amtswegigen Ergänzung eines Beweisantrages ist grundsätzlich nicht gegeben). Die Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung, sich "bei sonstiger Nichtigkeit" gegen die "Verlesung und Zugrundelegung" der Gutachten des Sachverständigen Dr. G***** zu verwahren (S 381/III), legitimiert nicht zu einer Verfahrensrüge aus Z 5. Diese verlangt einen Antrag oder einen nach Art von Anträgen substantiierten Widerspruch, womit das mit einem gegnerischen Antrag nicht übereinstimmende Erklären einer Partei gemeint ist. Bloßer Protest gegen amtswegiges Vorgehen genügt nicht (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 302, 314).

Zu Recht abgelehnt wurde die Vernehmung von 14 Zeugen, die bekunden sollten, dass "die Angaben der anzeigenden Personen unrichtig sind betreffend Verwahrlosung und Versklavung der Kinder, schlechter Haushaltsführung durch die Zweitangeklagte, schlechte Ernährung, körperliche und seelische Misshandlungen, sexuelle Übergriffe sowie seelische Schäden" (S 446 f/II). Zum Teil zielte der Antrag auf den Nachweis von Umständen ohne Relevanz für die hier zu beurteilende Schuldfrage. Zum inkriminierten Tatverhalten und dessen Folgen hätte es bei Antragstellung - abgesehen von Harald F*****, der ohnedies befragt wurde (S 532 ff/II) - der entgegen dem Beschwerdevorbringen unterlassenen Angaben bedurft, aus welchen Gründen erwartet werden konnte, dass die Durchführung der beantragten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (Mayerhofer, StPO4 § 281 Z 4 E 19).

Eine solche Begründung der Erheblichkeit ließ weiters der Antrag auf "Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und Untersuchung" der Martina B***** vermissen, der zum Beweis dafür gestellt wurde, "dass sie nie so geschlagen wurde, dass sie Striemen hatte und dass auf ihrer Haut dann, wenn Salz in offene Wunden gestreut worden wäre, Narben sein müssten" (S 460/II). Im Übrigen mangelt es auch hier an der (Behauptung der) Zustimmung der zu Untersuchenden.

Ohne erkennbare Relevanz war auch der Antrag auf Vernehmung eines Kriminalbeamten zum Beweis dafür, dass "die erste Einvernahme vor der Gendarmerie bezüglich des minderjährigen Reinhard erfolgte" (S 461/II). Auf Auskunft über Art und Umfang der Erstbefragung war der Antrag entgegen der Beschwerde nicht gerichtet, sodass diese einmal mehr gegen das Neuerungsverbot verstößt.

Der Einwand (Z 10a), dass "das Geschworenengericht seiner amtswegigen Verpflichtung zur Wahrheitsforschung nicht nachgekommen" sei, geht ins Leere. In Ansehung gestellter Beweisanträge beruht das Vorbringen auf Missachtung der unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung gegebenen Subsidiarität des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes gegenüber jenem der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 479), hinsichtlich vermisster weiterer Beweisaufnahmen versagt der Einwand mangels gebotener Darlegung, wodurch die Angeklagten an der Ausübung des Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert waren (aaO Rz 480).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 344, 285d StPO), sodass die Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Linz zukommt (§§ 344, 285i StPO).

Das Urteil gibt jedoch noch zu folgenden Bemerkungen Anlass:

Obwohl die den Schuldsprüchen A. I. 4. und B. zugrundeliegenden Taten teilweise vor Inkrafttreten des StRÄG 1998 (BGBl I/1998, 153) stattfanden, wurden sie sämtlich § 206 Abs 1 StGB nF unterstellt. Zutreffend zeigt hiezu die Generalprokuratur weiters auf, dass den Beischlaf gleichzusetzende Handlungen an Unmündigen gemäß § 61 iVm § 1 StGB mangels einer im Tatzeitpunkt bestehenden Gleichstellung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit dem Beischlaf, als Missbrauch zur Unzucht auf andere Weise als durch Beischlaf unter § 207 Abs 1 StGB in der Fassung vor dieser Novelle zu subsumieren wären (13 Os 120/00, 13 Os 34/02).

Die rechtsirrige Subsumtion von Handlungen laut A.I.4. und B., soweit sie ("1995 bis 1997") vor dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 liegen, wirkt sich aber fallbezogen im Ergebnis nicht zum Nachteil der Angeklagten im Sinn des § 290 Abs 1 StPO aus, sodass der Anregung der Generalprokuratur, im Sinne dieser Gesetzesstelle vorzugehen, nicht gefolgt werden musste. Dies deshalb, weil sich auch bei richtiger rechtlicher Beurteilung gemäß § 28 StGB bei beiden Angeklagten am anzuwendenden Strafsatz nach § 206 Abs 1 StGB nF (vgl Mayerhofer StPO4 § 290 E 31) und sich auch beim Angeklagten Peter B***** bei den Erschwerungsgründen nichts geändert hätte, bleibt doch auch bei teilweisem Wegfall der unter A.I.4. genannten Taten der Erschwerungsumstand vielfacher Verbrechensbegehung aufrecht.

Dies trifft auch für die Angeklagte Brigitte B***** zu: Aus dem bloßen Gebrauch des Mehrzahlartikels bei der Subsumtion (US 17) ist zufolge fehlender zeitbezogener Quantifizierung in Verbindung mit der unterbliebenen Annahme des besonderen Erschwerungsgrundes mehrfacher Tatbegehung (jener des Zusammentreffens zweier Verbrechen mit einem Vergehen bezieht sich ersichtlich nicht auf gleichartige, sondern verschiedene Taten [§ 33 Z 1 zweiter Fall StGB], nämlich §§ 12 dritter Fall, 206 Abs 1 [nF], Abs 2 StGB; § 201 Abs 2 erster und dritter Fall StGB sowie §§ 12, dritter Fall, 212 Abs 1 erster Fall Abs 2 StGB) ein durch den Rechtsfehler entstandener Nachteil für die Angeklagte nicht ableitbar. Dazu kommt, dass im Falle rechtsrichtigen Schuldspruches das Zusammentreffen mit weiteren Verbrechen (§ 207 Abs 1 StGB aF) als erschwerend hinzutreten würde (vgl 13 Os 34/02, 13 Os 44/02).

Die Generalprokuratur zeigt richtig noch weitere Rechtsfehler auf:

Verfehlt, aber ohne Nachteil für die Angeklagten und daher keiner Änderung bedürfend ist die rechtliche Beurteilung der Taten laut A.IV. als Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und dritter Fall und Abs 2 erster Fall StGB in der Fassung vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998. Diese Taten hätten § 207 in der Fassung der Novelle unterstellt werden müssen, weil die zur Tatzeit in Kraft gestandene Bestimmung für die Angeklagten in der Gesamtauswirkung nicht günstiger war (§§ 1, 61 StGB). Dem Angeklagten Peter B***** wurde hinsichtlich des von A.III.1. erfassten Tatgeschehens, das auch dem Schuldspruch laut A.I.1. zugrunde liegt, ein- und dieselbe Tatfolge bei Idealkonkurrenz der strafbaren Handlungen nach §§ 206 Abs 1 und 201 Abs 2 StGB zu Unrecht doppelt angelastet, nämlich außer nach § 206 Abs 3 erster Fall StGB (A.I.1.) irrig auch nach § 201 Abs 3 (iVm Abs 2) StGB. Darin liegt jedoch fallbezogen ebenfalls kein Nachteil (vgl JBl 2002, 129). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.