OGH vom 27.08.2013, 9Ob1/13g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Ausfolgungssache (§ 150 AußStrG) bezüglich des im Inland gelegenen beweglichen Vermögens des am ***** 2011 in ***** verstorbenen Dr. W***** O*****, zuletzt wohnhaft *****, über den Antrag des Erstantragstellers Notariatsassessor M***** B*****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, und den Antragsgegner und Zweitantragsteller Dr. G***** H*****, vertreten durch Sutterlüty Klagian Brändle Lercher Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wegen Ausfolgung gemäß § 150 AußStrG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 216/12y 53, mit dem über Rekurs des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom , GZ 31 A 45/12h 47, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Text
Begründung:
Am ***** 2011 starb der zuletzt in Liechtenstein lebende deutsche Staatsangehörige Dr. W***** O***** in Deutschland. In den von ihm in Österreich angemieteten Räumlichkeiten befinden sich verschiedene Fahrnisse wie Wohnungseinrichtungs und Hausratsgegenstände und Fahrzeuge. Mit Beschluss des deutschen Nachlassgerichts vom wurde für den Erblasser in Deutschland die Nachlasspflege angeordnet und der Erstantragsteller als Nachlasspfleger bestellt. Dessen Aufgabenkreis umfasst auch die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben. Der Nachlasspfleger hat am den hier maßgeblichen Antrag auf Ausfolgung des in Österreich befindlichen beweglichen Nachlassvermögens bestellt. Die zuständige Nachlassrichterin in Deutschland hat bestätigt, dass der Nachlasspfleger zur Entgegennahme des in Österreich befindlichen Nachlasses berechtigt ist.
Auch im Fürstentum Liechtenstein wurde vom Landgericht Vaduz ein Verlassenschaftsverfahren eingeleitet und mit Beschluss des fürstlichen Landgerichts Vaduz vom der Zweitantragsteller nach Art 156 Abs 1 des liechtensteinischen AußStrG zum Verlassenschaftskurator zur Verwaltung und Vertretung des Nachlasses bestellt. Auch der Zweitantragsteller hat beantragt, ihm sämtliche in Österreich gelegene beweglichen Nachlassgegenstände des Erblassers auszufolgen und widerstreitende Anträge anderer Personen abzuweisen. Das fürstliche Landgericht Vaduz hat bestätigt, dass es vorbehaltlich der im Ausland befindlichen Sachen Abhandlungsbehörde für die gesamte Verlassenschaft des Erblassers sei, soweit es Zugriff habe. Es hat den Zweitantragsteller ausdrücklich ermächtigt, einen Ausfolgungsantrag entsprechend § 150 des österreichischen AußStrG zu stellen.
Das Erstgericht hat dem Antrag des Erstantragstellers stattgegeben, hingegen jenen des Zweitantragstellers abgewiesen. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass im Falle der konkurrierenden Staaten das Inlandsvermögen entsprechend der Staatsangehörigkeit des Erblassers auszufolgen sei, da § 28 IPRG das Personalstatut als maßgeblich qualifiziere.
Das Rekursgericht hat dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Zweitantragstellers keine Folge gegeben. Es ist davon ausgegangen, dass in Österreich keine Verlassenschaftsabhandlung durchzuführen ist, sondern entsprechend § 150 AußStrG das im Inland gelegene bewegliche Vermögen mit Beschluss auf Antrag einer Person, die aufgrund einer Erklärung der Heimatbehörde des Verstorbenen oder der Behörde des Staates, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, auszufolgen ist. Die Befugnis folge entweder aus der Ermächtigung der Heimatbehörde oder der Behörde des Staates, in dem der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen gewesen sei. Beide Antragsteller verfügten über eine entsprechende Bestätigung der Nachlassgerichte. Sowohl das deutsche Nachlassgericht als „Heimatbehörde“ als auch das liechtensteinische Gericht als Gericht des gewöhnlichen letzten Aufenthalts hätten entsprechende Bestätigungen ausgestellt. Eine ausdrückliche Regelung für diesen internationalen Kompetenzkonflikt zwischen zwei ausländischen Abhandlungsbehörden sei § 150 AußStrG nicht zu entnehmen.
Zur früheren Rechtslage sei entschieden worden, dass die Ausfolgung eines formellen Beschlusses des Ausfolgungsgerichts bedürfe und dabei die ausländische Entscheidung eine bindende Wirkung entfalte. Die Entscheidung über die streitigen Erbansprüche sei der zuständigen ausländischen Behörde zu überlassen. Als „zuständige ausländische Behörde“ sei nach § 23 Abs 2 AußStrG in der alten Fassung die Behörde des Staates, dem der ausländische Erblasser angehört habe. Dies entspreche auch der Regelung des § 28 Abs 1 IPRG über die Maßgeblichkeit des Personalstatuts zur Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Dieser Verweis auf das deutsche Recht werde von diesem auch angenommen. Auch nach lichtensteinischem Recht richte sich das Erbstatut grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers. Wenngleich es sich dabei um Fragen des materiellen Rechts handle, sei dies auch für die hier vorliegende Frage der Ausfolgung als maßgeblich anzusehen. Der Kompetenzkonflikt zwischen dem deutschen und dem liechtensteinischen Abhandlungsgericht sei hier nicht zu klären, sondern dem auch zeitlich früheren Erstantragsteller der Heimatbehörde des Erblassers die Verlassenschaftsbestandteile auszufolgen.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie im Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG im Falle konkurrierender Antragstellung der Behörden des Heimatstaates und des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vorzugehen sei, nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Zweitantragstellers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Im Wesentlichen stützt sich der Revisionsrekurs darauf, dass in Liechtenstein der ordentliche Wohnsitz des Erblassers gewesen sei, während sich in Deutschland nur unbewegliche Vermögensgegenstände befunden hätten. Auf die zeitliche Reihenfolge der Anträge könne es nicht ankommen. Entsprechend dem rechtskräftigen Beschluss des fürstlichen Landgerichts bestehe eine umfassende Zuständigkeit für die Verlassenschaftssache. Das in Deutschland anhängige Verlassenschaftsverfahren solle sich nur auf das in Deutschland befindliche Vermögen beziehen. Letztlich weist der Zweitantragsteller auch auf einen Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission hin, wonach mangels anderer Anordnung des Erblassers der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers maßgeblich sein solle.
§ 150 AußStrG lautet wie folgt:
Ausfolgungsverfahren
„Ist über das im Inland gelegene bewegliche Vermögen nicht abzuhandeln (§ 106 JN), so hat es das Gericht auf Antrag einer Person, die aufgrund einer Erklärung der Heimatbehörde des Verstorbenen oder der Behörde des Staates, in dem der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, zur Übernahme berechtigt ist, mit Beschluss auszufolgen.“
§ 106 Abs 1 JN bestimmt, dass mangels im Inland gelegenen unbeweglichen Vermögens über das im Inland gelegene bewegliche Vermögen die inländische Gerichtsbarkeit nur gegeben ist, wenn der Verstorbene zuletzt österreichischer Staatsbürger war oder der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte oder die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im Ausland unmöglich wäre (allgemein zur engen Auslegung etwa 1 Ob 124/10g oder 4 Ob 75/11z). Dass dies der Fall wäre, wurde nicht geltend gemacht, sodass zutreffend das Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG geführt wurde.
§ 150 AußStrG enthält alternativ die „Heimatbehörde des Verstorbenen“ oder die „Behörde des Staates, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte,“ als zur Ausstellung einer Legitimation zur Ausfolgung berechtigt. Bei den ausgestellten Bestätigungen soll nach dem Willen des historischen Gesetzgebers kein strenger Maßstab angelegt werden (vgl die Erläuterungen zur RV wiedergegeben in Fucik/Kloiber , AußStrG §§ 150, 449, vgl auch Gruber/Kalss/Müller/Schauer , Erbrecht und Vermögensnachfolge [2010] Rz 67). Entscheidend ist nur, dass sich ergibt, dass eine Übernahmeberechtigung besteht. Davon kann hier bei beiden Antragstellern ausgegangen werden (vgl auch AS 97 bzw ON 19 einerseits bzw ON 1 und 25 andererseits).
Im Ergebnis geht es hier also um die Frage, ob den Personen, die sich auf eine Erklärung der „Heimatbehörde des Verstorbenen“ stützen können oder jenen, die sich auf Erklärungen der Behörde des Staates „in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte“, der Vorrang zukommt. Eine Koordinierung auf europäischer Ebene liegt insoweit nicht vor (vgl auch RIS Justiz RS0007532). Maßgeblich ist daher die Auslegung des § 150 AußStrG. Dieser enthält keine klare Anordnung zur Klärung dieser Frage ( Bajons , Die OGH Judikatur zur internationalen Nachlassabwicklung im Lichte des neuen AußStrG und AußStr BegleitG, NZ 2005/18). Insoweit ist es aber auch gerechtfertigt, auf die sonstigen im Rahmen des IPRG bestehenden Grundsätze für die Beurteilung des anzuwendenden Erbrechts abzustellen. Es kann nämlich nicht übersehen werden, dass mit der Ausfolgung an die Person, die nach den Erklärungen eines anderen Staates zur Übernahme berechtigt ist, regelmäßig auch dessen Regelungen zur Bestimmung des anzuwendenden Erbrechts maßgeblich werden. Nach der Überlassung an den einen oder den anderen Staat kann dies im Ergebnis dazu führen, dass unterschiedliche Erbberechtigungen materiell zum Zuge kommen. Enthält das Verfahrensrecht keine Regelung zur Beurteilung, welcher der beiden Anknüpfungspunkte im Kollisionsfall vorgehen soll und stellt das Verfahrensrecht diese gleichwertig nebeneinander, so rechtfertigt dies, die sonst für die Abgrenzung des anzuwendenden materiellen Rechts maßgeblichen Bestimmungen des internationalen Privatrechts heranzuziehen. Insoweit haben die Vorinstanzen überzeugend zur Auslegung dieser verfahrensrechtlich nicht näher geregelten Abgrenzungsfrage (allgemein zur klaren Unterscheidung zwischen IZPR und IPR etwa 2 Ob 2308/96g) hilfsweise auch auf § 28 IPRG verwiesen, wonach bei der Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes die maßgebliche Bedeutung zukommt.
Dass nunmehr in die Verordnung Nr 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (vgl Art 83 der VO 650/2012; Rudolf , Die Erbrechtsverordnung der Europäischen Union, NZ 2013/103) auch andere Anknüpfungspunkte als relevant behandelt, kann an der derzeit geltenden Gesetzeslage nichts ändern (vgl dazu ausführlich etwa Faber/Grünberger , Vorschlag der EU Kommission zu einer Erbrechts Verordnung, NZ 2011/25; allgemein zur Zuständigkeit bei Verlassenschaftsverfahren mit Auslandsbezug etwa auch Gumpoltsberger , Das Verlassenschaftsverfahren bei Erbfällen mit Auslandsbezug, ecolex 2006, 197). Dieses Ergebnis entspricht im Wesentlichen auch der auf Grundlage des früheren § 23 AußStrG ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 347/63 (= SZ 37/152), in der ebenfalls der „Heimatbehörde“ der bewegliche Nachlass überlassen wurde.
Insgesamt war daher dem Revisionsrekurs des Antragsgegners und Zweitantragstellers nicht Folge zu geben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt (§ 185 AußStrG).