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OGH vom 12.05.2009, 10ObS8/09p

OGH vom 12.05.2009, 10ObS8/09p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz D*****, vertreten durch Dr. Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1030 Wien, Ghegastraße 1, wegen Ausgleichszulage, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 84/08x-12, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cgs 21/08g-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe :

Der am geborene Kläger erlitt am einen Arbeitsunfall. Aus diesem Grund erkannte ihm die beklagte Partei für die Zeit vom bis Versehrtengeld zu. Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde ihm beginnend mit eine Betriebsrente in Form einer Dauerrente gewährt. Seit bezieht der Kläger eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitspension nach dem BSVG. Mit diesem Tag fiel die Betriebsrente weg. Dem Kläger wurde die Betriebsrente mit dem der Hälfte des Werts entsprechenden Kapital in Höhe von 23.421,64 EUR abgefunden. Hiebei wurde die für den Monat Mai 2005 ausbezahlte Betriebsrente auf die Abfindung angerechnet.

Die beklagte Partei berechnete die Ausgleichszulage des Klägers, indem sie ihm vom Ausgleichszulagenrichtsatz die Eigenpension, die auf Monate aufgeteilte abgefundene Betriebsrente und das Einkommen aus der Betriebsaufgabe abzog.

Mit Bescheid vom erkannte die beklagte Partei dem Kläger ab bis auf weiteres eine Ausgleichszulage in Höhe von monatlich 23,21 EUR, ab in Höhe von monatlich 50,06 EUR und ab in Höhe von monatlich 65,13 EUR zu.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, eine höhere als die im Bescheid zuerkannte Ausgleichszulage zu gewähren. Die kapitalisierte Betriebsrente sei bei der Ermittlung des Nettoeinkommens zur Berechnung der Ausgleichszulage nicht zu berücksichtigen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil auch eine kapitalisierte Betriebsrente gemäß § 140 Abs 3 BSVG als Nettoeinkommen zu berücksichtigen sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es die Beklagte zur Zahlung der zuerkannten Leistung verurteilte. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auch eine abgefundene Betriebsrente sei Nettoeinkommen im Sinn des § 140 BSVG. Sie falle auch nicht unter § 140 Abs 4 lit d BSVG. Abfindungsbeträge seien solange für den der Abfindung zugrunde liegenden Zeitraum als monatliches Nettoeinkommen zu berücksichtigen, als sie in der Ablösesumme Deckung fänden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlt, ob eine nach § 148j Abs 2 BSVG abgefundene Betriebsrente bei der Bemessung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen ist. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Abfindung der Betriebsrente solle nach Absicht des Gesetzgebers eine geordnete Betriebsübergabe sicherstellen. Der Versicherte solle mit dem Kapitalsbetrag allfällige Auslagen im Zusammenhang mit der Betriebsübergabe begleichen können. Diesen Betrag bei der Ausgleichszulage wiederum zu berücksichtigen, benachteilige den Versicherten gröblich. Aus § 148i Abs 4 BSVG lasse sich die Absicht des Gesetzgebers ableiten, dass er eine laufende Betriebsrente bei der Einkommensermittlung nicht habe berücksichtigen wollen. Deshalb könne ein direkter Vergleich der Betriebsrente mit Renten aus anderen Versicherungssystemen nicht hergestellt werden. Abgefundene Betriebsrenten fielen auch unter § 140 Abs 4 lit d BSVG. Schließlich sei das System der amtswegigen Abfindung von Betriebsrenten nur dann unbestritten, wenn die Pension für sich alleine eine ausreichende Absicherung für die künftige Lebenshaltung garantiere. Die Abfindung in der Höhe von 50 % der Betriebsrente solle ganz klar nicht für die künftige Lebenshaltung herangezogen werden.

Der Senat hat erwogen:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass die vom Kläger bezogene 30%ige Betriebsrente mit gemäß § 148i Abs 1 BSVG idF 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140, weggefallen ist und die weggefallene Betriebsrente gemäß § 148j Abs 2 erster Satz BSVG idF dieser Novelle mit dem halben Kapitalwert abgefunden wurde (siehe die den Kläger betreffende Entscheidung 10 ObS 81/07w).

1.1. Diese beiden Regelungen werden in den Gesetzesmaterialien (RV 1236 BlgNR 20. GP 46 f) unter anderem wie folgt erläutert:

„Da bei Übergang in den Ruhestand die Pension Erwerbseinkommensersatzfunktion übernimmt, wäre ein laufender Bezug einer Betriebsrente ein weiterer Ersatz eines Erwerbseinkommens durch eine laufende Zahlung. Das bäuerliche Unfallversicherungsrecht sieht daher die amtswegige Ablöse der Betriebsrente durch eine Einmalzahlung und umgehende Verfügbarkeit des Kapitals zum Zeitpunkt der Pensionierung vor. Zum einen ist durch den Pensionsbezug jene einkommensrechtliche Absicherung gegeben, die bis zur Pensionierung nur mit Unterstützung durch die Betriebsrente erreicht werden konnte, zum anderen handelte es sich bei dieser Lösung um die im Verhältnis zum Leistungssystem der Pensionsversicherung systematisch verträglichste Variante eines Überganges. ... Als Übergang von der durch die Unfallversicherung gewährten Betriebsrente zur Pensionsleistung oder bei einer Betriebsaufgabe wird eine Abfindung in der Höhe von 50 % der Betriebsrente vorgesehen; damit soll eine geordnete Betriebsübergabe sichergestellt werden."

2. Nettoeinkommen im Sinn des § 140 Abs 1 und 2 BSVG ist nach dessen Abs 3, „soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird", die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Nach Abs 4 lit d dieser Gesetzesstelle haben bei Anwendung der Abs 1 bis 3 „Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Blindenzulagen, Schwerstbeschädigtenzulagen, Zuschüsse zu den Kosten für Diätverpflegung und dergleichen)" außer Betracht zu bleiben.

2.1. § 140 Abs 4 lit d BSVG stimmt wörtlich mit § 292 Abs 4 lit d ASVG überein. Wie der Oberste Gerichtshof zu dem dem § 140 Abs 4 BSVG fast zur Gänze wörtlich entsprechenden Ausnahmenkatalog bei der Ermittlung des Nettoeinkommens außer Betracht zu lassender Einkünfte des § 292 Abs 4 ASVG bereits ausgesprochen hat, zählen alle darin nicht genannten Bezüge in Geld oder Geldeswert zum Einkommen, soweit nicht anderswo diesbezüglich etwas anderes bestimmt wird (10 ObS 169/89 = SSV-NF 3/97; RIS-Justiz RS0085360). Eine gemäß § 184 ASVG abgefundene Versehrtenrente fällt nicht unter die Ausnahme des § 140 Abs 4 lit d BSVG oder des § 292 Abs 4 lit d ASVG, sodass sie bei der Bemessung der Auslage für die gesamte Zeit ihrer Kapitalisierung als Nettoeinkommen zu berücksichtigen ist (10 ObS 68/90 = SSV-NF 4/138 = RIS-Justiz RS0085377 [T2]).

2.2. § 148i Abs 4 BSVG, der durch die 30. Novelle zum BSVG, BGBl I 2005/71, eingeführt und durch die 32. Novelle zum BSVG, BGBl I 2007/31, geändert wurde, sieht eine Sonderregelung für den Wegfall der Betriebsrente vor. Wenn die Betriebsaufgabe oder der Anspruch auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit nach dem BSVG „kausal" durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursacht worden ist, so kommt es abweichend von § 148i Abs 1 BSVG nicht zum Wegfall der Betriebsrente, sondern ist diese weiter zu gewähren, wenn das nach Betriebsaufgabe oder Pensionsanfall verbleibende Einkommen das Eineinhalbfache des Ausgleichszulagenrichtsatzes (§ 141 Abs 1 lit a BSVG) nicht übersteigt. Bei der Einkommensermittlung ist § 140 BSVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die über den Zeitpunkt des Pensionsanfalls oder der Betriebsaufgabe hinaus gebührende Betriebsrente außer Ansatz zu bleiben hat (§ 148i Abs 4 zweiter Satz BSVG). Daraus ist aber abzuleiten, dass auch nach dem Verständnis des Gesetzgebers eine Betriebsrente aus der bäuerlichen Unfallversicherung Einkommen im Sinn des § 140 Abs 1 BSVG ist, hätte es doch sonst einer Normierung der Ausnahme nicht bedurft. Für den Kläger lässt sich indes aus § 148i Abs 4 BSVG schon deshalb nichts gewinnen, weil diese Bestimmung nur auf Versicherungsfälle anzuwenden ist, in denen der Pensionsanfall oder die Betriebsübergabe nach dem liegt (§ 299 Abs 4 BSVG). Die Erwerbsunfähigkeitspension des Klägers fiel aber am an.

2.3. Aus den im Klammerausdruck des § 140 Abs 4 lit d BSVG gebrauchten Wörtern „und dergleichen" ergibt sich, dass es sich bei den in der Klammer angeführten Einkünften nur um eine beispielsweise Aufzählung handelt. Daher fallen auch andere Einkünfte, die - wie die im Klammerausdruck erwähnten Einkünfte - wegen des besonderen körperlichen Zustands gewährt werden, unter diese Gesetzesstelle. Damit soll gewährleistet werden, dass der Pensionist die wegen seines besonderen körperlichen Zustands gewährten besonderen Einkünfte ungeschmälert zur Deckung der mit diesem Zustand verbundenen und im Vergleich zu nicht gebrechlichen Pensionisten besonderen Bedürfnisse verwenden kann (vgl RIS-Justiz RS0085387 zu § 292 Abs 4 lit d ASVG).

Eine abgefundende Betriebsrente fällt nicht unter § 140 Abs 4 lit d BSVG. Die Betriebsrente bezweckt primär die Aufrechterhaltung des bäuerlichen Betriebs. Hinzu tritt als weiteres Ziel die Sicherung eines gewissen Ausgleichs für das durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit entfallende Erwerbseinkommen (Tomandl in Tomandl, SV-System, 13. Erg-Lfg 2.3.3.2.2. F). Der Wegfall der Betriebsrente bei Pensionierung soll verhindern, dass eine doppelte Vergütung des Verlusts an Erwerbseinkommen erfolgt. Da der Betrieb in den Fällen der Betriebsaufgabe oder des Anfalls einer Alterspension oder einer Erwerbsunfähigkeitspension nach dem BSVG nicht mehr aufrecht erhalten wird, wäre zudem die Weiterleistung der Betriebsrente zur Sicherung des Betriebs sinnlos. Der bisherige Bezieher einer Betriebsrente erhält eine einmalige Kapitalabfindung, weil auch in diesen Fällen ein Bedarf nach Einkommensersatz besteht (Tomandl aaO 2.3.3.2.3.1.). Die Betriebsrente wird daher nicht zur Abgeltung der wegen des besonderen Zustands vermehrten Bedürfnisse gewährt. Aus den unter 2.1. und 2.2. dargelegten Gründen wäre die Betriebsrente, wäre sie nicht abgefunden worden, bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Klägers zu berücksichtigen gewesen. Bei der Abfindung einer laufenden Rente handelt es sich um eine Vorauszahlung der Rente für die gesamte Zeit des Rentenlaufs, weshalb die bei der Feststellung des Anspruchs auf eine Ausgleichszulage erforderliche zeitliche Übereinstimmung zwischen Pension und übrigen Einkünften in einem solchen Fall nicht etwa nur im Monat der Auszahlung der Kapitalabfindung gegeben ist, sondern sich vielmehr auf die gesamte Zeit, für die die Rente kapitalisiert wurde, erstreckt. Deshalb und wegen der nicht zu rechtfertigenden ausgleichszulagenrechtlichen Besserstellung von Pensionisten mit abgefundenen Rentenansprüchen gegenüber Pensionisten mit gleichwertigen laufenden Rentenansprüchen sind beide Fälle gleich zu behandeln (vgl 10 ObS 68/90; 10 ObS 94/89 = SSV-NF 4/34).

3. Das Urteil des Berufungsgerichts war daher zu bestätigen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.